Praktikumsbericht - Auskunft Benotungskriterien

  • Hallo,


    nach mehr als 20 Jahren Schuldienst ist mir etwas passiert, von dem ich nicht genau weiß, wie ich damit umgehen soll. Von den Eltern eines Schülers (9. Klasse) habe ich eine Aufforderung bekommen konkret zu begründen (im Sinne von: Was hätte er konkret besser machen müssen), warum denn der Praktikumsbericht ihres Sprösslings nur mit gut statt mit sehr gut bewertet wurde.


    Muss ich wirklich haarklein erklären können, warum ich dem Kind nun keine 1, sondern nur eine 2 gegeben habe? Niemand wollte bisher von mir wissen, was nun genau den Unterschied zwischen einer guten und einer sehr guten Leistung ausmacht. Die allgemeinen Bewertungskriterien für diese Art von Leistungen sind nicht so klar, als dass man in dem konkreten Fall nicht auch eine 1 geben hätte können. Ich habe das nun nicht getan, aber muss ich mich wirklich in jedem Einzelfall dafür rechtfertigen? Ich meine, wenn es zwischen 4 und 5 steht könnte ich es verstehen, aber zwischen 1 und 2? Es ist schließlich nur ein Praktikumsbericht...


    Was meint ihr?:rose:

  • Kommt mir auch etwas seltsam vor. Normalerweise sollte es konkrete Bewertungskriterien für die Praktikumsberichte geben, anhand derer man dann natürlich auch gut aussagefähig wäre, was für die "sehr gute" Leistung gefehlt hat.

    • Offizieller Beitrag

    Abgesehen davon, dass ich eine solche Frage noch nie hätte nachvollziehen können...
    Ich hatte letztens genau eine solche Diskussion mit einem Prof, der mich genauso abgespeist hat "es ist doch nur eine Note" (die im Abschluss prozentual zählt)

    Wenn ich als Lehrkraft nicht in der Lage bin, zu sagen, warum ich Punkte abziehe, dann mache ich etwas falsch.

  • Ja, es gibt schon Kriterien an meiner Schule. Aber die sind nicht so spezifisch, als dass man wirklich eine sehr gute von einer guten Leistung abgrenzen könnte. Ich habe das daher bisher immer so nach Bauchgefühl gemacht, auch abhängig davon wie sich der Schüler im Praktikum selbst so benommen hat, unabhängig vom Bericht. Wobei dieses Kriterium im Katalog gar nicht auftaucht.


    Letztlich läuft es auf die Frage hinaus: Müssen wir immer haarklein alle Noten begründen können, die wir so geben? Ich habe mich als Schüler nie so angestellt, wenn eine Note gegeben wurde, habe ich die nie hinterfragt, sondern akzeptiert...andere Zeiten :-(.

  • Mal abgesehen davon, dass es durchaus Leistungen gibt, die im Grenzbereich zwischen 2 Noten liegen, sollte man sehr wohl begründen können, warum man sich dann für genau die Bewertung, die man vorgenommen hat, entschieden hat.

  • Sorry, das ist ein Armutszeugnis und es schockiert mich, dass du dafür auch noch Verständnis erwartest. Da geht es nicht darum, ob man sich "anstellt" wegen der Note, sondern um Transparenz. Die ist man auch unangenehmen Schülern schuldig.

    • Offizieller Beitrag

    Noten sind zwar nicht das Wichtigste im Leben, aber ich muss jedem Lernenden die Chance geben, die 1,0 zu erreichen und dafür wenigstens sagen können "die Fachsprache war nicht durchgehend genug", "Rechtschreibung und Zeichensetzung haben zum Abzug geführt", "im Transfertbereich hätte ich mir mehr Tiefe erwartet, das wäre zum Beispiel durch mehr Argumente und Beispiele möglich gewesen", "Bei der Erörterung fehlten Kontra-Argumente, um zu zeigen, dass du eine mögliche Gegenargumente widerlegen könntest".

  • Für die Bewertung verwende ich generell einen Kriterienkatalog, in dem die Punkte vergeben werden. Dieser ist an die Arbeit angeheftet und somit transparent nachvollziehbar. Falls du nach dem 3-Haufen-Verfahren bewertest, hast du mit Recht ein Problem.

    In der Oberstufe hatte ich selbst einmal einen Chemielehrer, der meinte: "Falls Sie eine 1 wollen, müssen Sie genauso viel wissen, wie ich!"
    Kannst ja versuchen, ob das als Erklärung ausreicht ;)

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    • Offizieller Beitrag

    Also ich bin erstaunt, dass das jemand mit 20 Jahren Berufserfahrung so sieht.

    Noten müssen begründbar sein, sonst sind sie willkürlich - und dabei ist es ganz gleich, um welche Note oder um welche Leistung es geht. SchülerInnen haben ein Recht auf Transparenz, Verbindlichkeit und Glaubwürdigkeit. Das hat nichts mit anstellen seitens der SchülerInnen zu tun.


    Ich würde dieses Problem zum Anlass nehmen, meine Notengebung hinsichtlich der kriteriellen Grundlagen zu hinterfragen und entsprechend (notwendigerweise) anzupassen. Ansonsten erfüllst Du genau das Vorurteil, was einfach nicht totzukriegen ist. Du gibst Noten aus dem Bauch heraus.

    Haarklein musst Du nichts begründen - und ich halte das für ein ganz schwaches Gegenargument. Du musst klar formulieren können, warum eine Leistung den Anforderungen voll (=> gut) oder in besonderem Maße (=> sehr gut) entspricht. Das ist nicht nur Teil Deiner Dienstpflichten sondern in meinen Augen auch eine pädagogische Verpflichtung gegenüber den SchülerInnen. Dass Du dafür gar nicht so viel Zeit aufwenden musst, hast Du selbst dadurch belegt, dass Du das ja angeblich in den 20 Berufsjahren davor nicht erlebt hast.


    Was Dir vielleicht hilft: Seine Noten sauber begründen zu können, führt nicht notwendigerweise zur Zustimmung durch die SchülerInnen. Dessen bedarf es aber auch gar nicht. Noten sind nicht zustimmungspflichtig. Aber es ist ein Beleg dafür, dass Du Dir darüber Gedanken gemacht hast und so die Arbeit und Leistung des Schülers hinreichend gewürdigt hast. Letzteres kann und darf ein/e SchülerIn verlangen.

  • Wahrscheinlich ist es ganz harmlos und die Eltern wollen bloß wissen, was er besser machen kann/soll. Wenn du keine klaren Bewertungskriterien hast, wie du schreibst, hilft dir vielleicht der Vergleich/die Gegenüberstellung mit den Schülern, denen du eine 1 gegeben hast. Da muss ja dann ein erkennbarer Unterschied sein.

  • Letztlich läuft es auf die Frage hinaus: Müssen wir immer haarklein alle Noten begründen können, die wir so geben? Ich habe mich als Schüler nie so angestellt, wenn eine Note gegeben wurde, habe ich die nie hinterfragt, sondern akzeptiert...andere Zeiten :-(.

    Ja, du musst alle deine Noten fachlich und Kriterien kriterial begründen können. Rein aus dem Bauch heraus zu benoten ist nicht Teil deiner Aufgaben, für die du als professionelle Lehrkraft bezahlt wirst.

    Deine SuS haben ein Recht auf eine transparente Notengebung, deren Kriterien sie vorab, also vor der Bewertung kennen, damit sie z.B. bei einem Praktikumsbericht auch eine reelle Chance haben sich eine 1,0 zu erarbeiten, da sie wissen, worauf sie achten müssen. Dazu gehört es natürlich auch, Noten auf Nachfrage inhaltlich begründen zu können als Lehrkraft, um so auch Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen.


    Ich habe als Schülerin (was rund 25 Jahre her ist) auch konsequent nachgefragt bei Noten, wie diese begründet werden, wenn die Kriterien nicht ausreichend genannt wurden bzw. bekannt waren. Das hat nicht selten dazu geführt, dass Lehrkräfte ihre vorab „aus dem Bauch erteilten“ Noten korrigieren mussten, weil geratene Abzüge sich schlichtweg nicht kriterial begründen ließen, wohingegen es zahlreiche, nachvollziehbare und nachweisbare Gründe für die 1,0 gab.


    Ich unterstütze das ganz ausdrücklich bei meinen SuS, dass diese genau und kritisch nachfragen, sich nicht abspeisen lassen mit halbgaren Antworten und zwar ganz gleich, worum es auch geht. Auch das gehört zu Erziehung zu Mündigkeit und Demokratieerziehung mit dazu.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

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  • Natürlich muss Notengebung transparent sein und man muss jede Note schlüssig begründen können, auch in Abgrenzung zwischen gut und sehr gut.

    Aber:

    Die Begründung erfolgt gegenüber dem Schüler und nicht schriftlich gegenüber den Erziehungsberechtigten.

    Dem Schüler würde ich natürlich darlegen, wie die Note zu stände gekommen ist, eine schriftliche Begründung gegenüber den Eltern würde ich auch erst dann anfertigen, wenn mich die Schulleitung dazu auffordert, weil es zB für ein Widerspruchverfahren wegen einer Nichtversetzung notwendig ist.

  • Natürlich hat jeder Recht darauf zu wissen, was zu einer besseren Note z. B. 1 fehlt. Wie soll er sich sonst verbessern? (Aus Fehlern lernt man.) Als Mutter würde ich auch nachfragen, wenn nicht klar ist, wie benotet wurde (auch um es das nächste Mal es besser zu machen (positiv formuliert) und das Kind vorher keine nachvollziehbare Antwort erhalten hat (normalerweise fragt der Schüler selbst).)


    Ich habe auch schon Praktikumsberichte korrigiert. Ich hatte einen Kriterienkatalog, der auch den Schülerinnen und Schülern vorher bekannt war. Das erspart später auch Diskussionen.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Ich kenne das von externen Prüfern, die gerne sagen: Alles Top gelaufen. Also ein gut.


    Oder bei Jahresendnoten, wo Kollegen sagen, nur sehr gute Klassenarbeiten und mündliche Beteiligung reicht nicht aus. Erst wer sich besonders einbringt, z.B. Mitschülern hilft, bekommt ein sehr gut.


    Oder auch bei externen Projektarbeiten: Nur wenn etwas besonderes Innovatives oder mehr als ursprünglich vereinbart gemacht wurde, gibt's ein sehr gut.


    Konnte mich nie damit anfreunden und ist sicher auch schwer durchsetzbar, wenn ein Schüler den Rechtsweg einschlägt. Deswegen gebe ich lieber eine etwas zu gute Note (die Noten sind dann immer noch schlecht genug bei mir).

    • Offizieller Beitrag

    naja, eine 1 ist ja auch laut Definition etwas Außergewöhnliches und nicht durch einfach so gute Reproduktion erreichbar, sondern mit über die Erwartungen.

    Trotzdem kein Grund, dass man nicht in der Lage ist zu sagen, was fehlt, weil jedes Kind in der Lage sein sollte, sich zu verbessern. (Klar, unter einer Arbeit, die mit einer 4 oder 3 bewertet wird, schreibe ich nicht ausführlich, was zur 1 fehlt. Aber den Unterschied zwischen einer 2 und einer 1 sollte einem Kind, das regelmäßig eine 2 schreibt, bekannt sein.)

  • 1... kein Kriterium, sondern eine gefühlte Globaleinschätzung

    2... Kopfnote oder muss vorher als Kriterium vereinbart werden

    3...das kann man vorher und natürlich auch hinterher fix kommunizieren

    4... hä?

    5...what?

  • Es gibt Notendefinitionen und Anforderungsbereiche, wir müssen doch jetzt nicht ernsthaft in einem Lehrerforum den anwesenden Lehrkräften erklären, was ein "sehr gut" bedeutet. Das steht in den rechtlichen Grundlagen, die jeder für die Ausübung seines Berufes kennen sollte.

  • Gerade bei Präsentationen und Referaten ist das Kriterium bei mir durchaus, dass da mehr kommt als "alles Erwartete ohne Hilfe richtig", denn das ist die Definition von einer guten Leistung.


    Und das habe ich durchaus als aus Schülersicht relativ schwammiges Kriterium, weil das alles Mögliche sein kann. Und ich kann vorher nicht sagen, das musst du hier für eine 1 machen, denn dann ist es nichts Eigenes und kein Erwartungen übertroffen mehr. Ich kann aber hinterher Beispiele geben, was man hätte besser machen können.


    Bei einem Praktikumsbericht tue ich mich da schwerer, weil ich nicht soviel Spielraum sehe.


    Aber was wollen denn die Eltern genau?


    Tipps, was der Schüler in Zukunft besser machen kann? Dann gib ihnen dafür Beispiele.


    Oder meinen sie, du hast eine sehr gute Leistung zu schlecht bewertet? Dann frag den Schüler, wo er die Erwartungen übertroffen hat, und erklär ihm, warum du das in seinem konkreten Fall anders gesehen hast.

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