• Aus Elternperspektive geht es zunächst um das eigene Kind. Wenn der Staat es nicht schafft, wirklich gute Lernbedingungen zur Verfügung zu stellen, dann sorgt man eben selbst dafür - außerhalb des Systems, denn das System kann man als Einzelner nicht ändern.

  • Ich weiß nicht, ob die Gesamtschule irgend ein Problem lösen würde. Die Schlussfolgerung, dass die Ausländer alle Schuld sind, ist halt auch keine Lösung.

    Natürlich sind "die Ausländer" nicht Schuld. Es geht hier aber IMHO auch nicht um die Schuldfrage, sondern um Lösungsoptionen. Darauf zu hoffen, dass Kinder mit bildungsnahen Hintergrund diejenigen mit bildungsfernen schon irgendwie mitziehen werden, ist praxisfern. Eher droht der gegenteilige Effekt.

  • Also zumindest hier in Sachsen arbeiten an Schulen in privater Trägerschaft Lehrkräfte, die nicht fertig ausgebildet sind oder darauf warten, beim Staat eine Stelle zu bekommen. Solange der Staat solche Gehälter anbietet, mutmaße ich, dass ein Privatschulsystem in Deutschland nie eine ernsthafte Rolle spielen wird.

    Es gibt sicherlich gute und schlechte Privatschulen, da muss man genau hinschauen. Und es gibt auch einen Haufen Ersatz- und Ergänzungsschulen, die ihre Lehrkräfte als Kirchenbeamte oder Planstelleninhaber zu gleichen Konditionen beschäftigen.


    Davon abgesehen wäre das für mich nicht das entscheidene Kriterium, sondern der zentrale Punkt ist die soziale Selektion. Ja, politisch furchtbar unkorrekt, schon klar, aber schaue ich mir mein Wohnumfeld an, würde ich meine Kinder nicht mit dem Bevölkerungsquerschnitt in einer Schule wissen wollen. Es ist ein legitimes Interesse von Eltern steuern zu wollen, mit wem ihr Kind Umgang hat.


    Das Problem ist gerade, dass das dreigliedrige System nicht annähernd so durchlässig ist, wie gerne dargestellt wird. Die Durchlässigkeit innerhalb einer einzigen Schule ist mit Sicherheit erheblich höher als zwischen verschiedenen Schulformen. Wenn man sich dann noch klar macht, dass die Schulformempfehlungen und -zuweisungen gerade in Deutschland selbst bei gleichem Leistungsstand noch immer stark vom sozioökonomischen Stand abhängt, dann ist ein mehrgliedriges Schulsystem durchaus problematisch und lässt Potenzial liegen.

    Bei uns war es durchlässig. Zugegeben aber sicherlich auch deswegen, weil unser Gymnasium sicher nicht zu den Topperformern gehörte, weil man ja bereits bei der Anmeldung nicht mehr angemessen selektieren darf.

  • Natürlich sind "die Ausländer" nicht Schuld. Es geht hier aber IMHO auch nicht um die Schuldfrage, sondern um Lösungsoptionen. Darauf zu hoffen, dass Kinder mit bildungsnahen Hintergrund diejenigen mit bildungsfernen schon irgendwie mitziehen werden, ist praxisfern. Eher droht der gegenteilige Effekt.

    Ausländische Herkunft ist aber kein Synonym für Bildungsferne. Das sind zwei getrennt zu betrachtende Kategorien ungeachtet ihrer Schnittmengen, die insofern auch häufig unterschiedlicher Lösungsansätze bedürfen, auch wenn eine Förderung der Bildungssprache erst einmal beiden Gruppen dienlich sein könnte.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Also zumindest hier in Sachsen arbeiten an Schulen in privater Trägerschaft Lehrkräfte, die nicht fertig ausgebildet sind oder darauf warten, beim Staat eine Stelle zu bekommen. Solange der Staat solche Gehälter anbietet, mutmaße ich, dass ein Privatschulsystem in Deutschland nie eine ernsthafte Rolle spielen wird.

    In Hessen arbeiten an staatlichen Schulen auch zahlreiche Lehrkräfte die nicht fertig ausgebildet sind oder darauf warten, irgendwo eine Planstelle zu bekommen.

    Das ist nicht zwangsläufig schlecht.

  • In Hessen arbeiten an staatlichen Schulen auch zahlreiche Lehrkräfte die nicht fertig ausgebildet sind oder darauf warten, irgendwo eine Planstelle zu bekommen.

    Das ist nicht zwangsläufig schlecht.

    An Ersatzschulen arbeiten auch einige Beamte mit normalen Bezügen oder in einer Leerstelle.

  • Ausländische Herkunft ist aber kein Synonym für Bildungsferne. Das sind zwei getrennt zu betrachtende Kategorien ungeachtet ihrer Schnittmengen, die insofern auch häufig unterschiedlicher Lösungsansätze bedürfen, auch wenn eine Förderung der Bildungssprache erst einmal beiden Gruppen dienlich sein könnte.

    Zitat von Ländernotiz Deutschland

    Wird dem sozioökonomischen Profil der Schüler*innen Rechnung getragen, ist ein signifikanter Leistungsvorsprung der Schüler*innen ohne Migrationshintergrund von 32 Punkten festzustellen.

    In der Lesekompetenz sind es 40 Punkte Unterschied mit Profilberücksichtigung.

  • In der Lesekompetenz sind es 40 Punkte Unterschied mit Profilberücksichtigung.

    Das ist ein Phänomen der erzwungen Mehrsprachigkeit, daa zeigt sich in der Schweiz auch bei landesinternen Vergleichstests. Das gleiche spiegelt sich auch immer schon in den belgischen PISA-Ergebnissen. Die intrinsisch mehrsprachigen Länder müssen damit zurecht kommen, also einfach mal weniger mimimi an der Stelle.


    Es ist nicht zielführend, zu lamentieren, dass da jetzt so und so viele Migranten sind, die Deutsch nicht als Muttersprache haben. Sie sind halt da. Ich schrieb ganz oft schon, ich musste meine Sprache hier an einen durchschnittlich ärmeren Wortschatz anpassen. Mei, dann langt's halt nicht für Goethes Faust, man darf sich aber auch gerne fragen, ob es dafür noch langen muss.

  • Das Problem ist gerade, dass das dreigliedrige System nicht annähernd so durchlässig ist, wie gerne dargestellt wird. Die Durchlässigkeit innerhalb einer einzigen Schule ist mit Sicherheit erheblich höher als zwischen verschiedenen Schulformen. Wenn man sich dann noch klar macht, dass die Schulformempfehlungen und -zuweisungen gerade in Deutschland selbst bei gleichem Leistungsstand noch immer stark vom sozioökonomischen Stand abhängt, dann ist ein mehrgliedriges Schulsystem durchaus problematisch und lässt Potenzial liegen.

    Das stelle ich zum Teil in Frage. Ich kenne und kannte leider zu viele SuS, die nach dem Abstufen an der IGS es nicht mehr geschafft haben "aufzusteigen". Das scheint in der Regel doch die große Ausnahme zu sein, in einen "höheren" Kurs reinkommen zu können. Insofern ist die Durchlässigkeit der IGS nach oben auch nicht Regel.


    Am durchlässigsten nach oben ist unser Schulsystem durch die BBSen, weil wir passend zu jeder schulischen Situation Aufstiegsmöglichkeiten bieten. Ganz banal bspw., dass jemand mit HS-Abschluss während der Ausbildung bereits in der BS mit soliden Leistungen ohne jeden Zusatz-U seinen RS-Abschluss nachholt. Oder ohne Ausbildung bei entsprechender Motivation (und auf die kommt es da besonders an!) in der BF1+2.

    Dann haben wir eine ganze Reihe von Schulformen, in denen das "Fachabi" (und ggf. Abi) im Anschluss an die 10. Klasse, zu einem beliebigen Zeitpunkt im Leben, im Anschluss an die oder während der Berufsausbildung, berufsbegleitend oder in Vollzeit nachgeholt werden kann.


    Und da haben wir - auch Kreis der Kolleginnen und Kollegen! - diese wunderbaren Bildungsaufstiegs-Biographien, die eben nicht über den individuell nicht passenden gymnasialen Weg, sondern über die Zwischenschritte unseres berufsbildenden Systems Aufstiege hinlegen. Und für manche dieser Schritte braucht es individuelle Reife und Erfahrungen, die bei manchen erst später kommen und eine spätere Entwicklung erlauben.


    Und insbesondere in technischen Berufen beginnt die erfolgreiche Bildungs-Biographie häufig mit der Berufsausbildung und geht weiter mit Fachabi+Studium, Meister/in, Techniker/in, Ingenieur/in... Und diese Aufstiege funktionieren in unserem gegliederten Schulsystem. Als regelmäßiger Aufstieg und eben nicht als Ausnahme.

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Das Problem ist gerade, dass das dreigliedrige System nicht annähernd so durchlässig ist, wie gerne dargestellt wird. Die Durchlässigkeit innerhalb einer einzigen Schule ist mit Sicherheit erheblich höher als zwischen verschiedenen Schulformen.

    Die Durchlässigkeit zwischen den unterschiedlichen Schularten funktioniert hervorragend. Das ist meine persönliche Erfahrung aus der Werkrealschule/Hauptschule. Besonders in Klassenstufe 8 und 9 kommen übers Jahr verteilt ständig neue Schüler in die Klasse, die aus der Realschule "abgeschult" werden - einige davon haben auch vom Gymnasium den Weg über die Realschule in meine Klasse gefunden - damit noch "wenigstens" der Hauptschulabschluss erreicht wird.
    Alle paar Monate wird dadurch die Klassenstruktur durcheinandergewirbelt - in der "Hochzeit der Pubertät" sind neue Jungs und Mädchen interessanter als Mathematik, Deutsch und Geschichte. Kenntnisse und Leistungen der Schüler liegen in der Regel unter dem Niveau "meiner" Hauptschüler und stehen diametral zum Ego. Die "Neuen" müssen ihren Platz im neuen Umfeld finden - und wirbeln alles durcheinander.

    Hier hat die Gemeinschaftsschule eindeutige Vorteile. Dort funktioniert der "Schulartwechsel" geräuschloser, früher und weniger stigmatisierend - und auch in beide Richtungen.

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Die Durchlässigkeit zwischen den unterschiedlichen Schularten funktioniert hervorragend. Das ist meine persönliche Erfahrung aus der Werkrealschule/Hauptschule. Besonders in Klassenstufe 8 und 9 kommen übers Jahr verteilt ständig neue Schüler in die Klasse, die aus der Realschule "abgeschult" werden - einige davon haben auch vom Gymnasium den Weg über die Realschule in meine Klasse gefunden - damit noch "wenigstens" der Hauptschulabschluss erreicht wird.

    Wie ist aus deiner Sicht die Durchlässigkeit in die andere Richtung?

    Aus meiner Sicht geben die Realschulen ungern Schüler ans Gymnasium ab.

  • Wie ist aus deiner Sicht die Durchlässigkeit in die andere Richtung?

    Aus meiner Sicht geben die Realschulen ungern Schüler ans Gymnasium ab.

    Sach ich doch. Durchlässigkeit gibt es nur "nach unten"

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Liegt das in deiner Wahrnehmung an strukturellen, Bildungslaufbahn bezogenen oder emotionalen Gründen?

    Mit emotional meine ich, dass die Lehrer vielleicht unterbewusst ungern ihre Zugpferde verlieren.

  • Liegt das in deiner Wahrnehmung an strukturellen, Bildungslaufbahn bezogenen oder emotionalen Gründen?

    Mit emotional meine ich, dass die Lehrer vielleicht unterbewusst ungern ihre Zugpferde verlieren.

    Oder ganz schlicht daran, dass die Klasse im "höheren" Bildubgsgang voll ist und man keine neue Klasse aufmachen will oder kann.

    Wer Fehler findet darf sie behalten und sich freuen! :victory:

  • Natürlich sind "die Ausländer" nicht Schuld. Es geht hier aber IMHO auch nicht um die Schuldfrage, sondern um Lösungsoptionen. Darauf zu hoffen, dass Kinder mit bildungsnahen Hintergrund diejenigen mit bildungsfernen schon irgendwie mitziehen werden, ist praxisfern. Eher droht der gegenteilige Effekt.

    Und wie kommt's deiner Einschätzung nach dazu, dass bei jeder Studie festgestellt wird, dass Deutschland bildungstechnisch zu sehr sozial schwache Kinder benachteiligt? Das Problem haben andere Länder offenbar nicht in dem Maße. Und wenn ich mich so umsehe, dann hat gerade unsere Gesellschaft ein massives Problem mit Arbeitskräftemangel. Die Lösung, 50% aufs Gymnasium zu schicken und dann lauter Nichtstudierfähige ins Leben zu entlassen, die sich alle für zu gut für eine Ausbildung halten, kann irgendwie auch nicht die Lösung sein. Dann doch lieber Gemeinschaftsschulen bis Klasse 9 oder 10 und wer wirklich will und leistungsstark ist, macht die gymnasiale Oberstufe.


    Edit: genau das, je besser Schule in der Lage ist, Leistung von sozialer Herkunft zu trennen, desto weniger werden Eltern mit Gewalt versuchen, ihr Kind aufs Gymnasium zu bringen. Es geht doch nicht nur um Schulabschlüsse, sondern um die Sorge vor schwierigen Klassen. Und das m.E. zu Recht.

  • Dann doch lieber Gemeinschaftsschulen bis Klasse 9 oder 10 und wer wirklich will und leistungsstark ist, macht die gymnasiale Oberstufe.

    Das wäre quasi eine Verlängerung der Voraussetzungen wie sie in Grundschulen bestehen - und selbst dort kommen mancheKollegen angesichts der großen Heterogenität an ihre Grenzen. Mit fortschreitendem Alter wird die Leistungsniveauschere der Schüler eher breiter als schmaler. Denkst du, dass eine Gemeinschaftsschule mit 30 Schülern pro Klasse und verbindlichen Mindeststandards insbesondere den Leistungsextremen gerecht werden kann?

  • Meine große Befürchtung bei dem Konzept "möglichst lange Gemeinschaftsschule für alle" ist, dass nicht, wie erwünscht, die leistungsstarken Kinder und bildungsnahen und kapitalstarken Familien das leistungsschwache und bildungsferne Klientel positiv beeinflussen, sondern dass das Gegenteil passiert.

    V.a. angesichts der Tatsache, dass einfach nicht das nötige Geld und die nötige (v.a. personelle) Infrastruktur vorhanden sind, um fruchtbare Voraussetzungen für ein gemeinsames Lernen für alle zu schaffen.

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