Urteil BVerG zu Legasthenie und Bemerkungen im Abiturzeugnis

    • Offizieller Beitrag

    Bundesverfassungsgericht - Presse - Bemerkungen im Abiturzeugnis über die Nichtbewertung einzelner Leistungen sind grundsätzlich geboten


    Dieses Urteil dürfte früher oder später einen Einfluss auf die geltenden LRS-Vorgaben und Nachteilsausgleiche in allen Bundesländern haben. Interessant ist diese Passage:

    "Zwar beeinträchtigt die mit einer Zeugnisbemerkung regelmäßig verbundene Offenlegung eines behinderungsbedingten Leistungsdefizits das Recht auf Darstellung der eigenen Person und kann die Erfolgschancen bei Bewerbungen verschlechtern. Auf der anderen Seite wird ein Antrag auf Nichtbewertung regelmäßig nur dann gestellt, wenn die Prognose ergibt, dass der Vorteil eines besseren Prüfungsergebnisses etwaige Nachteile aus der Zeugnisbemerkung mit Blick auf die angestrebte Ausbildung oder berufliche Tätigkeit überwiegt."


    Hier hätte die KMK nun die Chance, eine Regelung zu treffen, die für alle Bundesländer gleichermaßen gilt - sprich Notenschutz auch im Abitur und dafür Bemerkung auf dem Zeugnis oder kein Notenschutz und entsprechend keine Bemerkung.


    Ich bin gespannt, was die Interessensverbände und die Kultusministerien jetzt daraus machen werden.

  • Hier hätte die KMK nun die Chance, eine Regelung zu treffen, die für alle Bundesländer gleichermaßen gilt - sprich Notenschutz auch im Abitur und dafür Bemerkung auf dem Zeugnis oder kein Notenschutz und entsprechend keine Bemerkung.

    Weg mit den Bemerkungen und keine Nachteilsausgleiche. Das führt Noten ad absurdum... naja noch mehr als sie eh schon Absurd sind.

    • Offizieller Beitrag

    Weg mit den Bemerkungen und keine Nachteilsausgleiche. Das führt Noten ad absurdum... naja noch mehr als sie eh schon Absurd sind.

    Ich gehe davon aus, dass das nicht ernst gemeint ist.

    Vgl. GG Art. 3 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit Art 24 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung.

    Ich überlasse anderen die Interpretation der Motivlage Deiner Äußerung.

  • Weg mit den Bemerkungen und keine Nachteilsausgleiche. Das führt Noten ad absurdum... naja noch mehr als sie eh schon Absurd sind.

    Das kann ich nicht nachvollziehen. Nachteilsausgleiche sind ja gerade so zu stricken, dass sie lediglich die objektiv feststellbaren Nachteile ausgleichen und gerade nicht zu einer Veränderung der Leistungsanforderungen führen. Insbesondere im Bereich der Abschlussprüfungen wird da sehr genau drauf geschaut.

  • Wobei die Diskussion, wenn man sich die Langfassung durchliest, eh gegessen ist. Das Gericht hat den Klägern nur Recht gegeben, weil bisher nur Nachteilsausgleiche im Falle von Legasthenie auf dem Zeugnis vermerkt wurden. Wenn jetzt in Zukunft sämtliche Nachteilsausgleiche vermerkt werden, sind die Eintragungen wieder zulässig , weil sie dazu dienen die Chancengleichheit herzustellen und die Schüler, die das Abitur ohne irgendeinen Nachteilsausgleich ablegen, so eben nicht übervorteilt werden.

  • Dieses Urteil dürfte früher oder später einen Einfluss auf die geltenden LRS-Vorgaben und Nachteilsausgleiche in allen Bundesländern haben. Interessant ist diese Passage:

    Inwiefern auf die Nachteilsausgleiche? Das Wort kommt in der verlinkten Pressemitteilung gar nicht vor. Eine Nichtbewertung oder modifizierte Bewertung ist auch kein Nachteilsausgleich.

  • Das Gericht hat den Klägern nur Recht gegeben, weil bisher nur Nachteilsausgleiche im Falle von Legasthenie auf dem Zeugnis vermerkt wurden.

    Um Nachteilsausgleiche ging es doch in dem Verfahren gar nicht?

    Nachteilsausgleiche werden auch hier zumindest nicht auf Zeugnissen vermerkt. Veränderte Bewertungsmaßstäbe hingegen durchaus.

  • Um Nachteilsausgleiche ging es doch in dem Verfahren gar nicht?

    Nachteilsausgleiche werden auch hier zumindest nicht auf Zeugnissen vermerkt. Veränderte Bewertungsmaßstäbe hingegen durchaus.

    Aufgrund der Legasthenie wurde wohl die Rechtschreibung nicht bewertet und genau das stand auf dem Zeugnis. Das Gericht monierte, dass entweder in Zukunft keine Abweichung vom Standard-Prüfverfahren auf den Zeugnissen mehr ausgewiesen werden darf oder das eben alle Abweichungen ausgewiesen werden müssen. Bisher war es wohl in Bayern so, dass ausschließlich bei dem Befund Legasthenie der Bewertungsmaßstab geändert und dies im Zeugnis vermerkt wurde, wohingegen andere Abweichungen unerwähnt geblieben sind.

  • Weg mit den Bemerkungen und keine Nachteilsausgleiche. Das führt Noten ad absurdum... naja noch mehr als sie eh schon Absurd sind.

    Warst du nicht gestern noch dafür, dass jeder seine Einschränkungen offen kommunizieren und sie gar als Bereicherung verstehen sollte?


    M.E. geht's hier aber nicht um Nachteilsausgleich (Veränderung der Bedingungen, ohne sie qualitativ zu verändern), sondern darum, bestimmte Leistungen nicht zu bewerten und somit qualitativ durchaus eine Veränderung vorzunehmen. Mich wundert, dass das überhaupt geht, ich dachte immer, spätestens ab Klasse 10 wird LRS nicht mehr berücksichtigt. Werden Rechenfehler in Mathe bei Dyskalkulie dann auch nicht bewertet?

  • Warst du nicht gestern noch dafür, dass jeder seine Einschränkungen offen kommunizieren und sie gar als Bereicherung verstehen sollte?

    Ja ich mache das. Aber ich will selbst steuern können wann und wie.

  • M.E. geht's hier aber nicht um Nachteilsausgleich (Veränderung der Bedingungen, ohne sie qualitativ zu verändern), sondern darum, bestimmte Leistungen nicht zu bewerten und somit qualitativ durchaus eine Veränderung vorzunehmen. Mich wundert, dass das überhaupt geht, ich dachte immer, spätestens ab Klasse 10 wird LRS nicht mehr berücksichtigt. Werden Rechenfehler in Mathe bei Dyskalkulie dann auch nicht bewertet?

    Bei LRS geht es häufig nicht nur um den Notenschutz und die Aufgaben werden meistens normal bewertet. Jedoch haben die Schüler zum Nachteilsausgleich häufig bis zu 20% Zeitzuschlag.

  • Bei LRS geht es häufig nicht nur um den Notenschutz und die Aufgaben werden meistens normal bewertet. Jedoch haben die Schüler zum Nachteilsausgleich häufig bis zu 20% Zeitzuschlag.

    "Mehr Zeit" verändert aber nicht die inhaltlichen Anforderungen. "Rechtschreibung nicht bewerten" aber durchaus.

  • Sowohl mehr Zeit als auch die Nichtbewertung von Teilleistungen müsste meines Erachtens vermerkt werden. Der Sinn eines Abschlusszeugnisses besteht nunmal u.a. darin, dass ein potentieller Arbeitgeber ein Instrument zur Vorselektion an der Hand hat. Jemand, der defizitär schreibt oder für Abeitsprozesse länger braucht als der Durchschnitt, dürfte für viele Positionen von vornherein ungeeignet sein. Das sollte man entsprechend sehen können.

  • Sowohl mehr Zeit als auch die Nichtbewertung von Teilleistungen müsste meines Erachtens vermerkt werden. Der Sinn eines Abschlusszeugnisses besteht nunmal u.a. darin, dass ein potentieller Arbeitgeber ein Instrument zur Vorselektion an der Hand hat. Jemand, der defizitär schreibt oder für Abeitsprozesse länger braucht als der Durchschnitt, dürfte für viele Positionen von vornherein ungeeignet sein. Das sollte man entsprechend sehen können.

    Nein, das darf der Arbeitgeber eben nicht einfach wissen, denn damit wird durch die Hintertür eben doch zwangsweise eine Behinderung offengelegt. Ich weiß sehr genau was es bedeutet, wenn man in der Arbeitswelt plötzlich nur noch nach diesem Label beurteilt und infolge dessen und ganz unabhängig von den eigenen Leistungen aussortiert wird. Ich habe meine Behinderung trotzdem offengelegt bei Bewerbungen, verstehe aber jeden und jede, der/ die das nicht direkt machen möchte, denn der Berg an Vorurteilen, dem man begegnet ist gewaltig. 20% Zeitaufschlag machen einen nicht per se ungeeignet für einen Beruf oder eine berufliche Position (auch das ist ein Vorurteil). Unter Umständen kann man diese aber vielleicht nur in Teilzeit ausüben- was während der Schulzeit noch keine Option ist, also zu reduzieren- um die Kraft zu haben, seine Aufgaben in der vorgesehenen Zeit zu erfüllen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Sowohl mehr Zeit als auch die Nichtbewertung von Teilleistungen müsste meines Erachtens vermerkt werden. Der Sinn eines Abschlusszeugnisses besteht nunmal u.a. darin, dass ein potentieller Arbeitgeber ein Instrument zur Vorselektion an der Hand hat. Jemand, der defizitär schreibt oder für Abeitsprozesse länger braucht als der Durchschnitt, dürfte für viele Positionen von vornherein ungeeignet sein. Das sollte man entsprechend sehen können.

    Welche Relevanz soll denn das defizitäre Schreiben in der Wirtschaft mit Blick auf Programme zur Textverarbeitung mit entsprechenden automatischen Korrekturmechanismen und die Möglichkeit zur Nutzung von KI zur Ausformulierung noch haben? Hier hält das Schulsystem mal wieder einfach nicht Schritt.

    • Offizieller Beitrag

    Sowohl mehr Zeit als auch die Nichtbewertung von Teilleistungen müsste meines Erachtens vermerkt werden. Der Sinn eines Abschlusszeugnisses besteht nunmal u.a. darin, dass ein potentieller Arbeitgeber ein Instrument zur Vorselektion an der Hand hat. Jemand, der defizitär schreibt oder für Abeitsprozesse länger braucht als der Durchschnitt, dürfte für viele Positionen von vornherein ungeeignet sein. Das sollte man entsprechend sehen können.

    Dir ist klar, was Du mittelbar forderst. Da ist unsere Gesellschaft aber immerhin ein Stück weiter und hat aus gutem Grund entsprechende Gesetze erlassen, die die Benachteiligung behinderter Menschen verbietet. (Als wären diese Menschen nicht ohnehin schon hinreichend benachteiligt...)

    Ich bin schockiert, dass solche Gedanken heute noch geäußert werden.

  • Nein, das darf der Arbeitgeber eben nicht einfach wissen, denn damit wird durch die Hintertür eben doch zwangsweise eine Behinderung offengelegt. Ich weiß sehr genau was es bedeutet, wenn man in der Arbeitswelt plötzlich nur noch nach diesem Label beurteilt und infolge dessen und ganz unabhängig von den eigenen Leistungen aussortiert wird. Ich habe meine Behinderung trotzdem offengelegt bei Bewerbungen, verstehe aber jeden und jede, der/ die das nicht direkt machen möchte, denn der Berg an Vorurteilen, dem man begegnet ist gewaltig.

    Wenn ich das nicht offenlegen will, muß ich mich im Umkehrschluß aber auch an den normalen Maßstäben messen lassen und auf eine Sonderbehandlung verzichten. „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß“ funktioniert nicht!


    Und ja, ich weiß auch wovon ich rede. Hab selber als Schüler im Sportunterricht reihenweise 5er kassiert dank spastischer Lähmung. Meine Eltern waren aber der Auffassung: „Neid muß man sich erarbeiten, Mitleid kriegt man geschenkt!“ Entsprechend gab es keinen Nachteilsausgleich in Sport.

    Getreu dem Motto habe ich später bei der Musterung meine Behinderung verschwiegen, wurde dank 15 Jahren Krankengymnastik, Stotterschule, … sogar tauglich gemustert, wurde eingezogen und habe später mit der Bescheinigung über den abgeleisteten Wehrdienst meinen Behindertenausweis wegen nachgewiesener Gesundheit zurückgegeben.

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