Umgang mit Rechtschreibung und Lese-/Rechtschreibschwäche

  • Liebe Community,


    bei uns an der Schule (Realschule Nds) gibt es viele Kinder mit (diagnostizierter) Lese-/Rechtschreibschwäche, in jeder Klasse mindestens drei bis vier, manchmal auch mehr. Wir haben kleine Klassen (max. 20 SuS), sodass man das auch mit berücksichtigen kann. Diese SuS haben größtenteils einen Nachteilsausgleich, d.h. die Rechtschreibung wird nicht gewertet.

    Früher bin ich davon ausgegangen, dass SuS mit dieser Diagnose außerschulisch eine besondere Förderung erhalten (können) und diese auch in Anspruch nehmen. Tatsache ist aber, dass dies nur vereinzelt in Anspruch genommen wird (meist mit sehr gutem Erfolg). Viele SuS ruhen sich tatsächlich darauf aus mit der Aussage, dass Rechtschreibung ja eh nicht gezählt wird und es ihnen egal sei. Außerschulisch passiert da nichts und es logischerweise auch keine Verbesserung. Die Kids sagen und denken teilweise, kann ich nicht und kann ich auch nicht lernen, wurde ja festgestellt. Und das ist leider auch die Einstellung vieler Eltern.

    Aber so ist das ja nicht, sondern im Gegenteil, es ist eine Schwäche, die besonderer Förderung bedarf, nichts, auf dem man sich ausruhen kann.

    Häufig kommt in Tests/Arbeiten auch die Frage: „Zählt Rechtschreibung?“ Was für eine Frage!


    Wie geht ihr an euren Schulen mit Lese-/Rechtschreibschwäche um? Wie mit den Eltern, die keine Förderung für nötig halten?


    Ebenso erschreckend ist aber auch die fehlende Rechtschreibkompetenz der SuS ohne LRS. Teilweise kann ich SuS ohne LRS von SuS mit LRS nicht unterscheiden. Ich übe ziemlich viel Rechtschreibung und habe in der 5./6. Klasse auch wieder mit Diktaten angefangen. Mit sehr mäßigem Erfolg. Die Kids schreiben dann das Diktat fehlerfrei und hauen dann in der nächsten Minute in einem freien Text wieder sämtliche Fehler rein…

    Auch in anderen Fächern leidet dadurch die Textqualität. Da berücksichtigen die SuS teilweise keine Grundregeln mehr, Groß- u d Kleinschreibung egal, geschrieben wird wie gehört, teilweise kann man die Antworten gar nicht lesen bzw. verstehen. Satzzeichen, insbesondere Kommas, werden nicht benutzt. Absatz? Was ist das?


    Das alles zieht sich teilweise bis zur 10. Klasse hoch. Das kann doch nicht wahr sein! Wie ist das bei euch? Und was unternehmt ihr dagegen?


    Viele Grüße

    von einer ziemlich verzweifelten Kollegin

  • Ich bin kein Deutschlehrer, sehe aber die großen Probleme in der Rechtschreibung. Mich stören vereinzelte Fehler nicht; das Problem ist, dass sich bei vielen Schülern im Schnitt mehrere Fehler pro Satz befinden.


    Bedauerlicherweise kommt es auch immer wieder vor, dass Schüler das Ganze als "unheilbare Krankheit" behandeln und die Eltern ein ähnliches Bild haben. Irgendwann ist dann der Zug abgefahren... auch mit 16, 17 oder 18 kann man bestimmt noch etwas Positives bewirken; es wäre aber viel besser, wenn man so früh wie möglich fördert und übt.


    Ich sehe nur eine einzige Chance: Die Förderung muss vollständig an den Schulen stattfinden in der Grundschule und in den weiterführenden Schulen. Jeder mit LRS, aber auch jeder ohne LRS, aber mit Rechtschreibproblemen, muss gezielt gefördert werden. Die Förderung muss zudem intensiv genug sein. Eine Stunde alle zwei Wochen... das bringt dann auch nicht mehr viel.


    Da es kein Personal, kein Geld, keine Räume, keine Ressourcen gibt, bleibt das wohl nur eine Hoffnung meinerseits. Wir können auf jeden Fall nicht erwarten, dass die Eltern ihre Aufgaben wie erhofft wahrnehmen. Die Zeiten sind vorbei.

  • k_19 Ja, genau so. Vereinzelte Fehler wären gar kein Problem bzw. ein Problem, mit dem man arbeiten könnte. Aber teilweise sind Inhalte nicht zu erschließen wegen fehlerhaften Schreibweisen…


    Genau, unheilbare Krankheit :-(.

  • Bei uns gilt inzwischen klar, dass Rechtschreibfehler in allen Fächern nicht nur angestrichen, sondern auch korrigiert werden müssen, damit die SuS nicht nur meinen, das sei lediglich in Deutsch relevant. Außerdem gibt es im Fachunterricht Abzug für falsch geschriebene Fachbegriffe (die können sogar 0 Punkte bringen) und allgemein einen ganz kleinen Teil der Punkte für Rechtschreibung. Das gilt erst seit diesem Schuljahr so deutlich, insofern müssen wir abwarten, ob es ein wenig hilft. Die SuS gehen aber, wie ich an ihren Reaktionen auf die Extrapunkte für Rechtschreibung sehe, bislang nicht davon aus, dass Rechtschreibung generell wichtig wäre und sind insofern immer noch sehr (negativ) 1,2,3 überrascht von dieser Vorgehensweise. Vielleicht hilft das langfristig also ein wenig - zumindest, wenn tatsächlich (fast) alle mitziehen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    • Offizieller Beitrag

    In NRW besteht die Möglichkeit, sowohl in der Sek I als auch in der Sek II eine Arbeit pauschal um eine (ganze) Note in der Sek I oder um zwei Notenpunkte in der Sek II abzusenken.
    Wenn es sich bei der Problematik nicht um eine besonders schwere Störung des Lesens und Rechtschreibens handelt - sprich LRS - dann wäre das nach mehreren Gesprächen und Förderangeboten für mich die ultima ratio. Denn dann ist es nicht mehr egal. Dann tut es weh.

  • In NRW besteht die Möglichkeit, sowohl in der Sek I als auch in der Sek II eine Arbeit pauschal um eine (ganze) Note in der Sek I oder um zwei Notenpunkte in der Sek II abzusenken.
    Wenn es sich bei der Problematik nicht um eine besonders schwere Störung des Lesens und Rechtschreibens handelt - sprich LRS - dann wäre das nach mehreren Gesprächen und Förderangeboten für mich die ultima ratio. Denn dann ist es nicht mehr egal. Dann tut es weh.

    Dafür müssten dann aber auch alle mitziehen, sonst ist man der "Bösewicht". Nicht alle Kollegen sind bereit, sich ggü. Eltern oder ggf. auch Schulleitung zu rechtfertigen für die Vergabe schlechter Noten und machen es sich einfach.


    Schlechte Noten sind in diesem System nicht gewollt und eine hohe Anzahl an Übergängen in die gymnasiale Oberstufe an Realschulen/Sekundarschulen/Gesamtschulen etc. gerne gesehen, da man damit als Schule gut werben kann.

  • Bei uns erschrecken sich diese SuS immer, denn bei uns zählt Rechtschreibung. Nachteilsausgleich gibt es nur noch in Form von Zeit bei LRS.

    Mir geht es auch nicht um einzelne Fehler, ich weiß, dass ich da selbst meine Schwächen habe. Aber alles, was mir bei der fachlichen Korrektur auffällt, streiche ich an und berechne bei etwas längeren Textteilen auch den Fehlerquotient und es gibt Abzüge wie später bei der FHR-Prüfung auch.

    Bei den Azubis haben wir diese Regel leider nicht, aber da streiche ich auch an. Und wenn ich den Inhalt nicht mehr erschließen kann, dann fange ich auch nicht mehr an und suche Buzzwords.

  • Das ist schonmal ein guter Ansatz, wenn auch Fachlehrer auf Rechtschreibung achten.

    Bei uns gibt es ja auch den Fehlerquotienten (Anzahl der Fehler x 100 geteilt durch die Anzahl der geschriebenen Wörter) und wenn der höher als 7 ist, gibt es teilweise auch eine Note Abzug. Diesen FQ schaffen manche, aber bis auf wenige Ausnahmen haben wir FQs von 10, 15, 20, auch mehr als 20, auch in Klasse 10 und das ohne diagnostizierte Rechtschreibschwäche. Mir treibt das Tränen in die Augen, weil wir doch so viel üben in der Schule und ich immer wieder die Relevanz von korrekter Rechtschreibung betone und auch an Beispielen zeige, warum es wichtig ist. Aber die meisten SuS interessiert es schlicht nicht.


    Und was macht ihr mit lernunwilligen LRS SuS?

    • Offizieller Beitrag

    bei diagnostizierter LRS oder Legasthenie (nicht vom Duden Institut bescheinigt, sondern vom SPZ) gibt es zwar einen Nachteilsausgleich, aber
    1.gilt der nicht für neu erlernte Fachbegriffe oder für neu erlernte RS-Regeln

    und

    2. sind die Schüler verpflichtet, eine Therapie zu machen. Tun sie das nicht, wird der NTA im kommenden Schuljahr nicht mehr gewährt

  • Schwierig. Wenn es sich um eine besonders schwere Störung des Lesens und Rechtschreibens handelt, kann der/die SchülerIn das nicht verbessern.

    Aber auch ein solcher Schüler sollte regelmäßig außerschulische Unterstützung erhalten, um sich entweder doch in kleinen Schritten zu verbessern, oder zumindest Strategien für eine für ihn geeignete Arbeitsweise zu üben. Und zumindest die Teilnahme an einem solchen Angebot wird sich seitens des Schülers nachweisen lassen.

    • Offizieller Beitrag

    Die außerschulische Förderung ist in NRW keine Voraussetzung für die Gewährung eines NTA. (Und hier sind viele Schulen völlig ahnungslos unterwegs...)


    Das kann man gerne versuchen, aber dann müsste die innerschulische Förderung qualitativ ganz anders aufgestellt sein. In vielen Fällen beschränkt sich diese auf ein paar Arbeitsblätter zusätzlich - wenn überhaupt. Es gibt Schulen, an denen gibt es keine Förderkurse für Kinder mit LRS. Ich stelle mir nun vor, wie die Eltern dieser Kinder "zurückschlagen" und künftig - zu Recht - individuelle Förderung einfordern oder -klagen, falls die Schulen hier die außerschulische Förderung zur Voraussetzung für NTA machen.

  • Wenn es sich um eine besonders schwere Störung des Lesens und Rechtschreibens handelt, kann der/die SchülerIn das nicht verbessern.

    Sie können vielleicht nicht alle Probleme überwinden und/oder zu den SuS ohne diese Problematik aufschließen. Aber verbessern geht bei gezielter Förderung immer.

  • In NDS ist die Diagnose für einen NA nicht vorgeschrieben, der NA kann auch ohne außerschulische Diagnose gewährt werden.


    Zudem muss die Therapie selbst bezahlt werden, die wenigsten haben Anspruch auf Finanzierung über das Amt.

    Kann man es finanzieren, muss man jemanden finden, der eine Therapie anbietet. Auch das ist nicht überall gegeben.


    Dagegen sieht der Erlass vor, dass die Schule die Förderung übernimmt.

    https://www.mk.niedersachsen.d…hreiben_oder_Rechnen_.pdf

  • Oha, da habe ich wieder etwas neues gelernt. Dass in Nds nicht zwingend eine LRS Diagnose Voraussetzung für einen NA ist, wusste ich, aber dass die Schule für die Förderung, sogar bei Rechtschreibschwäche zuständig ist, nicht. Bei uns gibt es jedenfalls keinen Rechtschreibförderkurs. Würde bestimmt auch keiner freiwillig mitmachen…

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