Kind lesen beibringen

  • Mein jüngster Sohn kam mit etwa 3,5 Jahren zu mir und meinte etwas enttäuscht: Ich kenne ganz viele Buchstaben, bestimmt alle, die es gibt, aber ich kann noch gar nicht lesen! Wie geht lesen? Daraufhin hab ich ihm kurz und knapp die Synthese erklärt, einfach nur verbal. Das schien ihm als Antwort auszureichen, denn er dampfte dann ab. Dann hatten wir etwa 6 Wochen Ruhe mit dem Thema Buchstaben und Lesen. Und dann fing er plötzlich aus dem Nichts heraus an, alles was ihm vor die Nase kam vorzulesen. Am Frühstückstisch, beim Einkaufen, überall. Es scheint also mehrere Wochen in ihm gearbeitet zu haben und er hatte meine Informationen irgendwie für sich gedeutet und ausprobiert. Als er zur Schule kam, konnte er übrigens fließend Lesen.

    Auch ich habe mir mit 4 oder 5 das Lesen irgendwie selbst beigebracht, als ich alle Buchstaben kannte - irgendwie hatte ich das System verstanden, und dann war es ganz leicht.

    Ich würde tatsächlich mit einem Kind vor der Schule nicht gezielt üben, aber alle Fragen beantworten, die es hat. Es ist toll, wenn man diese Fähigkeit schon früh erwirbt - aber gezieltes Üben macht so viel von diesem natürlichen Lernwillen kaputt. In gezielten, getakteten Einheiten zu lernen und nur in vorgekauten Häppchen fängt mit der Schule noch früh genug an. Kinder, die in so jungen Jahren Interesse für Buchstaben und das Lesen haben, stellen Fragen und bauen das selbstgesteuert in ihr Lernmodell ein. Sie brauchen keine gezielte Förderung. Es liegt ja irgendeine Motivation zugrunde, weshalb die Kinder das können wollen - diese intrinsische Motivation, die wir uns später so sehr wünschen. (Bei meinem Sohn war es übrigens die Erkenntnis, dass er durch das Lesen so wahnsinnig wichtige Informationen bekommen konnte, Infos, die ein Vierjähriger unbedingt braucht: im Auto die Navigation verfolgen können, Straßenschilder lesen, Ortsschilder, Automarken, den Essensplan in der Kita, die Notizzettel der Erzieherinnen usw…)


    Mein Rat also: lass das Lesenlernen in ihrer Verantwortung, lass sie es selbst steuern. Aber sei offen für alle Fragen, beantworte ihr das, was sie wissen möchte…

  • Es ist toll, wenn man diese Fähigkeit schon früh erwirbt - aber gezieltes Üben macht so viel von diesem natürlichen Lernwillen kaputt

    :kuss:


    Genau das. Lass das Kind doch einfach Kind sein. Ich konnte auch schon vor der Einschulung Lesen und Schreiben, ich habe es mit meinem Bruder gelernt. Wir hatten irgendwo aus dem Müll eine grosse Styroporplatte und die haben wir mit Edding vollgeschrieben. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, es war einfach ein Spiel. Und dann bekam ich einfache Bilderbücher mit ein bisschen Text, in denen irgendwas über Stoffkreisläufe erklärt war. Meine Mama hat zum Glück eingesehen, dass das Kind sich offenbar für Natur und sowas interessiert. Sie hatte selber nur 8 Jahre Volksschule, die hat mir nicht viel erklären können. Das geht von selbst, wenn Kinder wirklich wollen und können.

  • Wenn du Option 2 wählen solltest empfehle ich dir es langsam anzugehen.

    Basierend auf welcher beruflichen Expertise empfiehlst du das denn? Bauchgefühl? Dein Vorwissen als angehender Abiturient? Oder gibt es noch eine professionelle Kenntnis in der Sache?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Schön ist es das Interesse zu fördern, aber explizit üben würde ich zu Hause nicht.


    Wenn du eine Anlauttabelle bereit legen möchtest würde ich mich umhören womit die Schule arbeitet.

    In der Regel kann man die Info schnell bei bekannten Eltern einholen, die schon Kinder in der Schule haben.


    Ich habe auch immer 1. Klässler zu Schulbeginn die bereits lesen können.

    Schlimm ist wenn sie nicht formgetreu schreiben , da Mama und Papa es anders beigebracht haben . Das ist frustrierend für die Kinder. Daher würde ich darauf achten , FALLS dein Kind auch schreiben will.


    Wichtig wäre es als Spiel zu belassen.. sobald es zu echtem Unterricht wird halte ich es für „ to much“.


    … und nur mal anekdotisch.. oftmals wurden meine bereits lesenden Kinder von schnelleren überholt .. das hatte mich am Anfang überrascht mittlerweile sehe ich daher nicht so sehr den Vorteil es vorher unbedingt zu können, denn fitte Kinder lernen das Lesen eh blitzschnell …


    Außer man ist heiß darauf eine Klasse zu überspringen.. da gibt es auch mal Eltern, ob das sinnvoll ist… Schule ist m. E. mehr. Aber das war ja nur meine grundsätzliche Meinung nicht auf dich persönlich bezogen .

  • … und nur mal anekdotisch.. oftmals wurden meine bereits lesenden Kinder von schnelleren überholt .. das hatte mich am Anfang überrascht mittlerweile sehe ich daher nicht so sehr den Vorteil es vorher unbedingt zu können, denn fitte Kinder lernen das Lesen eh blitzschnell …

    Es geht hier IMHO nicht primär um Schnelligkeit oder das Erwerben eines Vorsprungs, sondern darum, vorhandene Neugierde nicht abzuwürgen. Ich halte intrensisches Interesse an einem Thema für ein oft/meistens befristetes Phänemen.

  • Nicht formgetreues Schreiben ist heute vielfältig, ich frage mich, ob es mir heute einfach eher auffällt oder ob es die Kinder mit schlechter Motorik oder geringer Merkfähigkeit oder wenig Orientierung oder wenig Struktur sind - und das sind mehr, zumindest in meinen Klassen.

    Aber man kann Kindern vermitteln, wie man es in der Schule haben möchte, dann lernen sie es dann. Mein Leser hatte eine ausgesprochen ungelenke Motorik und hat innerhalb eines Jahres eine sehr schöne Schrift entwickelt, andere auch, wieder andere nicht.


    Wer lesen lernen will, lernt es vor der Schule. Es braucht keine zusätzlichen Aufgaben vorab oder gekaufte Materialien und schon gar keinen Unterricht. Wenn das Kind fragt, würde ich es aber nicht vertrösten.


    Weil hier immer auch andere mitlesen:

    Ich würde eher nicht das Material aus der Schule nehmen, dann kennt das Kind es ja schon und es wird womöglich noch eher langweilig in der Schule.

    Auch ist es ein Unterschied, ob man sagt: „Hups, das Kind kann schon lesen.“ oder „Wir haben dann schon mal die ersten 50 Seiten vorab geübt.“ Ersteres lässt dem Kind die Freiheit, letzteres raubt die Motivation aus mehreren Gründen. Es klingt, als sei es auf Druck der Eltern geschehen, das Kind denkt, es hätte einen Vorsprung, der dann aber schmilzt, die Lehrkraft muss weitere Materialien neben dem Lehrwerk finden, was nicht immer willkommen ist. Meiner Beobachtung nach ist ein Kind, das von sich aus lesen lernt, neugierig auf vieles und es ist leicht, ihm ein Angebot zu machen. Ein Kind, das vorab am Material der Schule arbeitet, erwartet eher, dass es mit dem Material weitergeht und die Lehrkraft das bedient - so wie zu Hause.

    Und bevor jemand meint, das gäbe es nicht: Doch, ich habe schon Eltern gehabt, die mehrere Seiten vorab mit dem Kind ausgefüllt haben, und andere, die die gleichen Hefte aus der Schule zu Hause noch einmal gekauft hatten, sodass das Kind alles doppelt machen musste.

    • Offizieller Beitrag

    Wer lesen lernen will, lernt es vor der Schule. Es braucht keine zusätzlichen Aufgaben vorab oder gekaufte Materialien und schon gar keinen Unterricht. Wenn das Kind fragt, würde ich es aber nicht vertrösten.

    wie bei anderen Fragen, die die Kinder stellen, auch:
    altersgemäß darauf eingehen, keinen Lernplan erstellen. Gut so :)

    Oder arbeitest du mit deinem Kind einen Lehrgang zur Verkehrs-/Sexualerziehungerziehung durch, wenn es sich für die Themen interessiert?

  • Dem stimme ich zu.


    Es ist auch für die Kinder kein Problem, sich auf unterschiedlichen Anlauttabellen zu orientieren, von daher wäre es komplett egal, welche die Schule nimmt. Bzw. wäre es vielleicht sogar besser, man hat zuhause eine andere, denn die ganzen Spielchen mit der Tabelle, die man in den ersten Schulwochen macht (Finde die Maus, mit was für einem Laut beginnt Maus? Finde die Schere...) sind dann auch für diese Kinder noch interessanter.


    Ich konnte mit vier Jahren auch lesen. ich erinnere mich nicht mehr, aber laut meiner Mutter habe ich es mir anhand der Snoopy Bücher beigebracht, dort standen die Wörter alle in Großbuchstaben. Die einzelnen Buchstaben habe ich immer wieder erfragt, und dann konnte ich die Wörter lesen.

    Nochmal das Wichtigste, es wurde aber auch schon angesprochen: Nenn dem Kind die Buchstaben in Lautform. Also B statt Be, Ts statt Zett. Selbst wenn es das Kind am lesen lernen nicht hindern sollte, würde es in der Schule angemerkt bzw verbessert werden (Ich sage dann immer: viele Erwachsenen sagen Be, bei uns sagen wir B), und das kann für Kinder auch ein bisschen frustrierend sein.

  • wie bei anderen Fragen, die die Kinder stellen, auch:
    altersgemäß darauf eingehen, keinen Lernplan erstellen. Gut so :)

    Oder arbeitest du mit deinem Kind einen Lehrgang zur Verkehrs-/Sexualerziehungerziehung durch, wenn es sich für die Themen interessiert?

    Genau.

    Oder: Stellt man einem vierjährigen Kind sofort ein Pony in den Garten, besorgt Dressurkleidung und engagiert eine Reitlehrerin, die täglich eine Stunde lang zum Privatunterricht kommt, nur weil das Kind im Urlaub beim Ponyführen auf dem Bauernhof Spaß hatte?

  • Genau.

    Oder: Stellt man einem vierjährigen Kind sofort ein Pony in den Garten, besorgt Dressurkleidung und engagiert eine Reitlehrerin, die täglich eine Stunde lang zum Privatunterricht kommt, nur weil das Kind im Urlaub beim Ponyführen auf dem Bauernhof Spaß hatte?

    Da das Leben kein Ponyhof ist, wäre das Vorgehen sinnfrei.


    Lesen ist DIE zentrale Kulturtechnik der Menschheit, die Grundlage für jegliche weitere Bildung. Der Faden hier hat IMHO etwas mehr argumentative Sorgfalt verdient.

  • Oder: Stellt man einem vierjährigen Kind sofort ein Pony in den Garten, besorgt Dressurkleidung und engagiert eine Reitlehrerin, die täglich eine Stunde lang zum Privatunterricht kommt, nur weil das Kind im Urlaub beim Ponyführen auf dem Bauernhof Spaß hatte?

    Ja. Wenn Samantha-Cheyenne das möchte - selbstverständlich!

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Paraibu: Ich verstehe deinen Einwand nicht. Der Tenor ist hier ja absolut, die intrinsische (nicht intrensische, war vielleicht ein Tippfehler deinerseits) Motivation zu berücksichtigen und dem Kind Angebote zu machen, so dass es spielerisch und vor allem in seinem Tempo und je nach Lust und Laune das Lesen lernen kann.

    Es sprechen sich aber beinahe alle dagegen aus, einen quasi-Schulunterricht mit "dem Kind gezielt das Schreiben lernen" oder gekauftem Grundschulmaterial zu veranstalten.


    Aber wenn du eine andere Vorgehensweise sinnvoll findest und Argumente hast, nur immer her damit.

  • Mein Widerspruch bezog sich vor allem auf die sinngemäße Anregung, ein interessiertes Kind mit einer Anlauttabelle allein zu lassen. Das fände ich unzureichend, etwas mehr "an die Hand nehmen" sollte meiner Meinung nach schon sein - ansonsten sehe ich die Gefahr, dass sich zu wenig Erfolgserlebnisse einstellen, um die Motivation zu erhalten.

  • Das fände ich unzureichend, etwas mehr "an die Hand nehmen" sollte meiner Meinung nach schon sein - ansonsten sehe ich die Gefahr, dass sich zu wenig Erfolgserlebnisse einstellen, um die Motivation zu erhalten.

    Dann bist du beim Anfangsunterricht … wer das für sein Kind möchte…

    Die Frage ist dann wer ist motivierter .. die Eltern oder das Kind ?

  • Zitat

    Mein Widerspruch bezog sich vor allem auf die sinngemäße Anregung, ein interessiertes Kind mit einer Anlauttabelle allein zu lassen.

    Der Sinn einer Anlauttabelle besteht darin, dass sich die Kinder die Laute anhand der Bilder selbst erschließen. Das verstehen die Kinder total schnell, wenn nicht sogar von allein. Mit einem Kind mit einer Anlauttabelle zu üben ist also völlig sinnfrei…

    etwas mehr "an die Hand nehmen" sollte meiner Meinung nach schon sein - ansonsten sehe ich die Gefahr, dass sich zu wenig Erfolgserlebnisse einstellen, um die Motivation zu erhalten.

    Es ist nicht nötig, die Motivation zu erhalten, nicht bei einem Vorschulkind. Es scheint ja genau diese eigene Motivation vorhanden zu sein. Das ist ja gerade das, worum es die ganze Zeit geht. Und wenn die Motivation eh da ist, muss ich als Erwachsener nicht den Lernprozess stören und von außen regulieren….

  • IMHO eine etwas eigenartige Ansicht für ein Lehrerforum. Kein Kind im Vorschulalter entwickelt "einfach so" Interesse am Lesen. Es benötigt immer einen unterstützenden Input von Außen - Vorlesen durch die Eltern, durch andere Erwachsene oder durch das Vorbild älterer Geschwister. Warum sollte nach der initialisierenden Erweckung von Interesse weitere elterliche Unterstützung plötzlich das Gegenteil bewirken?

  • IMHO eine etwas eigenartige Ansicht für ein Lehrerforum. Kein Kind im Vorschulalter entwickelt "einfach so" Interesse am Lesen. Es benötigt immer einen unterstützenden Input von Außen - Vorlesen durch die Eltern, durch andere Erwachsene oder durch das Vorbild älterer Geschwister. Warum sollte nach der initialisierenden Erweckung von Interesse weitere elterliche Unterstützung plötzlich das Gegenteil bewirken?


    Niemand spricht davon die elterliche Unterstützung plötzlich einzustellen. Aber statt anzufangen Lese- oder Schreibunterricht für das Vorschulkind zu planen, soll man einfach nur alle Fragen des Kindes beantworten. Und natürlich kann man zusätzlich zur Unterstützung durch Vorlesen dann auch in der Zuhörerrolle unterstützen.


    In meinem Umfeld sind keine Kinder, die bereits vor der Schule mehr als einzelne Worte lesen konnten.

    Dafür kenne ich ein Kind, dass bereits mit vier festgestellt hat, dass 6 = 2*3 ist. Einfach nur, weil es im Bad Punkte auf dem IKEA-Hocker gezählt hat, und dann entdeckt hat, dass es ja zwei Reihen mit drei Punkten sind. Ebenso hat es dann die Lüftungslöcher in den Fliesen am Kachelofen nur einmal gezählt und dann immer berechnet (6*6 bzw. 5*6). Trotzdem wäre da niemand auf die Idee gekommen, die intrinsische Motivation zum Erlernen des kleinen Einmaleins zu nutzen.

  • Trotzdem wäre da niemand auf die Idee gekommen, die intrinsische Motivation zum Erlernen des kleinen Einmaleins zu nutzen.

    .. dann kennst Du offenbar die "Number Blocks"-Serie der BBC für Vorschulkinder noch nicht ;)


    Ist in Elternkreisen sehr beliebt. Wenn schon Ferngucken, dann Englisch und Einmaleins (- bis ins "Große Einmaleins, sogar einfaches Wurzelziehen) gleich mitlernen. Es funktioniert offenbar.

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