Ist die AfD eine demokratische Partei?

  • Rein aus meinem demokratischen Verständnis heraus, ja. Ob ich das Ergebnis einer solchen Wahl persönlich gut finde, ist ein ganz anderes Thema, aber wenn wir Demokratie wirklich wortwörtlich nehmen, heißt das "Macht vom Volk aus".

    Aber das ist ja inhaltich falschen. Nehmen wir mal an die AFD erreicht 34%, die Linke 33 % und die Grünen 33%. Nach deiner Argumentation müsste dann die Afd regieren, da sie die Mehrheit gewonnen hat. Faktisch wäre aber in dem Beispiel davon auszugehen, dass die Mehrheit genau das nicht möchte. Ähnlich ist es auch in deinem Beispiel. Ich kann mir vorstellen die CDU zu wählen. Ich würde aber das aber nur machen, weil die CDU eine Koalition mit der AfD ausschließt. Wenn sie das nun doch macht, würde sie in meinem Fallen meinem Willen widersprechen.

  • Ich bin echt gespannt, wie man ein Wahlergebnis von z. B. 30 Prozent der AFD auslegen wird. Wahrscheinlich wird man die Partei dann ernsthaft als Verlierer darstellen, weil sich ja 70 Prozent gegen sie entschieden haben.


    Das bis dahin stets beschworene Mehrheitsprinzip würde ad absurdum geführt. Wer 30 % der Wähler für Idioten hält, für den ist auch die Demokratie Idiotie.

  • Strategische Wahlentscheidungen (und das machst du in dem Moment, in dem du Koalitionsbildungsmöglichkeiten miteinbeziehst) sind immer problematisch, da sie nach hinten losgehen können, wenn sich eine Variable nicht so entwickelt wie zunächst prognostiziert. Daher würde ich bei meiner Entscheidung mögliche Koalitionsbildungen eher untergeordnet berücksichtigen. Ich würde ganz klassisch nach dem Wahlprogramm gehen und überlegen, welche Partei meine persönlichen Ansichten am ehesten umsetzen kann.

    Zu deinem Beispiel: Die AFD hätte gewonnen, wenn auch denkbar knapp. Die inhaltliche Schnittstelle mit den Linken wäre klein, aber noch eher vorhanden als mit den Grünen, daher würde es vermutlich auf blau/rot hinauslaufen. Dein Einwand hier ist berechtigt,ich kann ihn auch nachvollziehen, aber da ist eher das Problem, dass die Linke und die Grünen sich gegenseitig Konkurrenz boten und dadurch verhinderten, dass eine der beiden Partei mehr Stimmen erhielt, was dazu führte, dass die dritte Partei die relative Mehrheit holte.

  • Zu deinem Beispiel: Die AFD hätte gewonnen, wenn auch denkbar knapp. Die inhaltliche Schnittstelle mit den Linken wäre klein, aber noch eher vorhanden als mit den Grünen, daher würde es vermutlich auf blau/rot hinauslaufen. Dein Einwand hier ist berechtigt,ich kann ihn auch nachvollziehen, aber da ist eher das Problem, dass die Linke und die Grünen sich gegenseitig Konkurrenz boten und dadurch verhinderten, dass eine der beiden Partei mehr Stimmen erhielt, was dazu führte, dass die dritte Partei die relative Mehrheit holte.

    Nein. Es ist in Deutschland bis zur Kanzlerschaft Merkels, in den Ländern auch darüber hinaus, üblich gewesen, dass das stärkste Lager die Regierung stellt und innerhalb des stärksten Lagers die stärkste Partei den Ministerpräsidenten. Natürlich kann man davon abweichen und die Partei Die Linke ist in vielen Ländern und im Bund auch nicht wirklich Teil des rotgrünen Lagers (sonst hätten wir 2013 auch einen Kanzler Steinbrück haben können). Dass aber bei 34 % AfD, 33 % Linke und 33 % Grüne die AfD die Regierung stellt ist natürlich ausgeschlossen und wäre auch nicht besonders demokratisch.

  • Dass aber bei 34 % AfD, 33 % Linke und 33 % Grüne die AfD die Regierung stellt ist natürlich ausgeschlossen und wäre auch nicht besonders demokratisch.

    Dann fandest du es auch demokratisch als die FDP mit 5% den thüringischen Ministerpräsidenten stellen konnte?

  • Dann fandest du es auch demokratisch als die FDP mit 5% den thüringischen Ministerpräsidenten stellen konnte?

    Da Thomas Kemmerich von einer absoluten (!) Mehrheit des thüringischen Landtages gewählt wurde, ja. Ich weiß gar nicht, wie man das anders sehen kann. Dass es politisch dumm von ihm, seiner Partei und Fraktion und der CDU-Fraktion war, steht auf einem anderen Blatt. Ich würde auch jederzeit sagen, dass Kemmerichs Annahme der Wahl dem Land und der Gesellschaft geschadet hat, aber demokratisch war es jedenfalls.


    Genauso demokratisch war es auch, als Winfried Kretschmann 2011 zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, obwohl die Grünen nur 24,2 % hatten, die CDU aber 39,0 %. Und auch in Bremen war es demokratisch, als Bovenschulte von der SPD, die 24,9 % erhielt, zum Präsidenten des Senats gewählt wurde, auch wenn die CDU 26,7 % bekam (hier war das Problem eher, dass der SPD-Spitzenkandidat und Amtsinhaber Sieling plötzlich nicht mehr Senatspräsident werden wollte). Als Bodo Ramelow 2014 zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, hatte die Linke übrigens auch nur den zweiten Platz belegt, die CDU war fast 5 %p weiter vorn.

  • Dann kannst du aber nicht argumentieren, dass die Bürger einen FDP-Ministerpräsidenten gewollt hätten. Das geben die Zahlen beim besten Willen nicht her.

    Klar, aber wir haben eben in Bund und Ländern parlamentarische Regierungssysteme, bei denen ausdrücklich nicht die Bürger den Regierungschef wählen. Das kann man natürlich ändern, das Grundgesetz ist ja nicht aus Stein. Aber unsere Demokratie funktioniert derzeit eben anders.

  • Mein Ausgangspunkt war ja "Was würde der Bürger wollen?". Da zeigt das FDP-Beispiel, dass im Parlament zwar für kurze Zeit Einigkeit bestand, aber dass die Bürger da draußen eigentlich ein ganz anderes Ergebnis wollten.

    Regierungsmitglieder müssen miteinander auskommen, um zu mehrheitsfähigen Beschlüssen zu kommen, daher kann eine Zwangsheirat (z.B. das zuvor genannte Beispiel mit blau/rot) einiges an Konfliktpotential birgen, aber wenn theoretisch jede Partei mit mehr als 5% den Regierungschef stellen kann, wird dem Wähler mitgeteilt, dass er mit seiner Stimme letztlich gar keinen Einfluss auf die Regierungsbildung hat, weil "die da oben" das "eh unter sich" ausmachen. Wollen wir das wirklich?

  • Mein Ausgangspunkt war ja "Was würde der Bürger wollen?". Da zeigt das FDP-Beispiel, dass im Parlament zwar für kurze Zeit Einigkeit bestand, aber dass die Bürger da draußen eigentlich ein ganz anderes Ergebnis wollten.

    Regierungsmitglieder müssen miteinander auskommen, um zu mehrheitsfähigen Beschlüssen zu kommen, daher kann eine Zwangsheirat (z.B. das zuvor genannte Beispiel mit blau/rot) einiges an Konfliktpotential birgen, aber wenn theoretisch jede Partei mit mehr als 5% den Regierungschef stellen kann, wird dem Wähler mitgeteilt, dass er mit seiner Stimme letztlich gar keinen Einfluss auf die Regierungsbildung hat, weil "die da oben" das "eh unter sich" ausmachen. Wollen wir das wirklich?

    Du kannst davon ausgehen, dass in dem Beispiel sowohl die Wähler der Linken als auch die Wähler der Grünen eher für links-grün wären als für blau-links oder blau-grün. So war das ja auch bei den anderen von mir aufgezählten Beispielen, wo nicht die größte Partei den Regierungschef stellte.


    Der Fall Kemmerich ist natürlich besonders, eben weil es keine tragfähige Mehrheit gab. Demokratisch aber war es trotzdem.

  • Ich kann deine Argumentation verstehen, auch wenn ich eher die Parteien isoliert betrachte und du dich eher auf Koalitionen/politische Lager konzentrierst. Ich schätze, dieser Lagergedanke ist in anderen Ländern noch ausgeprägter, in denen teilweise 10 oder mehr Parteien das Parlament bilden, diese aber weniger für sich selbst sprechen, sondern über verschiedene Lager organisiert sind.


    Noch einmal auf unser AfD/Linke/Grüne-Beispiel zurückkommend: Der Wähler gibt ja nirgendwo seine Koalitionspräferenz ab. AfD und Grüne schließen aktuell eine Zusammenarbeit aus und wir Beide gehen natürlich davon aus, dass auch beide Wählerschaften kein Interesse hieran haben. Da es sich aber um eine freie und geheime Wahl handelt, können wir es auch nicht ausschließen und somit nicht automatisch behaupten "Der Wähler wollte links/grün.", oder?

  • Du merkst aber schon, Gymshark , dass deine Fragestellung impliziert, dass die genannten Parteien gewillt wären, mit der AFD zu koalieren, was bisher keine Partei wollte?

    Und dir ist auch bewusst, dass du damit die rechtsextreme AFD hofierst?


    Ich frage mich immer wieder, ob man schweigen soll, um dem Thema nicht noch mehr Präsenz zu geben, oder ob man nicht vehement äußern muss, dass bisher 70% keine rechtsextreme Partei in der Verantwortung sehen möchten.

  • Nehmen wir mal an die AFD erreicht 34%, die Linke 33 % und die Grünen 33%. Nach deiner Argumentation müsste dann die Afd regieren, da sie die Mehrheit gewonnen hat. Faktisch wäre aber in dem Beispiel davon auszugehen, dass die Mehrheit genau das nicht möchte. Ähnlich ist es auch in deinem Beispiel. Ich kann mir vorstellen die CDU zu wählen. Ich würde aber das aber nur machen, weil die CDU eine Koalition mit der AfD ausschließt. Wenn sie das nun doch macht, würde sie in meinem Fallen meinem Willen widersprechen.

    Und jetzt werden wir mal realisitisch. Die AfD bekommt 37%, die CDU bekommt 33% und die verbleibenden 30% teilen sich alle anderen Parteien auf. Widerspricht es dann nicht dem Wählerwillen, wenn es zu keiner AfD/CDU-Koalition kommt? Schließlich haben beide zusammen sogar eine 2/3-Mehrheit.

  • Und jetzt werden wir mal realisitisch. Die AfD bekommt 37%, die CDU bekommt 33% und die verbleibenden 30% teilen sich alle anderen Parteien auf. Widerspricht es dann nicht dem Wählerwillen, wenn es zu keiner AfD/CDU-Koalition kommt? Schließlich haben beide zusammen sogar eine 2/3-Mehrheit.

    Deswegen wird die „Brandmauer gegen Rechts“ auch alsbald fallen. Als Begründung wird es dann heißen, man müsse sich schlechterdings den besonderen Verhältnissen im Osten anpassen, um den sozialen Frieden und die politische Handlungsfähigkeit nicht zu gefährden.


    Oder so.

  • Palim : Wenn ich in einer Demokratie den Bürger ins Zentrum setze, ist erst einmal egal, was Parteien wollen, sondern was der Bürger möchte. Ich sehe nicht, inwiefern ich die AfD hofiere, da ich dieser Partei keine Extraprivilegien einräume. Ich nahm sie noch nicht einmal als Beispiel - von mir kam das Beispiel der letzten Thüringenwahl.

    • Offizieller Beitrag

    Auch wenn ich einer AfD-Regierungskoalition auf Landes- wie auf Bundesebene sehr ablehnend gegenüberstehe und ich hier ja auch schon Auswanderungsgedanken geäußert habe, frage ich mich, was eine solche Regierung konkret anders machen würde.
    Am Landes- oder Bundesverfassungsgericht käme eine solche Regierungskoalition auch nicht mal eben so vorbei, wenn Gesetzesvorhaben entsprechenden Charakter haben.
    Viel mehr Sorgen müsste man sich in den ostdeutschen Bundesländern machen, was das gesellschaftliche Klima hinsichtlich des Umgangs mit Minderheiten betrifft oder mit Leuten, die eben faktenbasiert und nicht verschwurbelt denken. Dann bekommen wir vom Prinzip her vergleichbare Verhältnisse wie in den USA. (Die Entwicklung in den USA ist für mich gesellschaftlich vor diesem Hintergrund der absolute Super-GAU.)


    Wenn Politik immer mehr in die Richtung des berühmten Pippi-Langstrumpf-Liedes abdriftet ("ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt" [ganz abseits von Fakten]), findet das natürlich auch auf Bevölkerungsebene NachahmerInnen.

  • Und jetzt werden wir mal realisitisch. Die AfD bekommt 37%, die CDU bekommt 33% und die verbleibenden 30% teilen sich alle anderen Parteien auf. Widerspricht es dann nicht dem Wählerwillen, wenn es zu keiner AfD/CDU-Koalition kommt? Schließlich haben beide zusammen sogar eine 2/3-Mehrheit.

    Nun - wenn die CDU mit den anderen Parteien eine "Koalition der Willigen" eingeht, würde diese 63% der Wählerschaft repräsentieren. Da braucht es keine AfD für. So funktioniert Demokratie.

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Nun - wenn die CDU mit den anderen Parteien eine "Koalition der Willigen" eingeht, würde diese 63% der Wählerschaft repräsentieren. Da braucht es keine AfD für. So funktioniert Demokratie.

    Das Ziel ist doch nicht, mit den Wählerstimmen es irgendwie hinzubasteln, dass man auf mehr als 50% kommt. In welchem Bereich des Alltags werden denn auf diese Art und Weise Entscheidungen getroffen?

Werbung