Integrative Schule - Lehrpersonen stossen an ihre Grenzen

  • Das lag indessen nicht nur an uns, sondern auch an der Tatsache, dass es selbst dem unambitioniertesten Kandidaten nicht verborgen blieb, wie unwissenschaftlich und selbstreferentiell dieser Schmarrn war.

    Wie nimmst du diesbezüglich dein aktuelles Aufbaustudium wahr?

  • Abgesehen davon bringt es auch nichts, sich grundsätzlich über Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen zu beklagen. Das ist dann einfach so und offensichtlich gehört es zu meinen Aufgaben, mich damit zurechtzufinden. Man kann sich überlegen, wie man den Umgang damit besser in die Ausbildung der Lehrpersonen integriert. Mir hat jedenfalls keiner erklärt, wie man Jugendliche mit ADHS im Unterricht adäquat beschäftigt. Das überlegt man sich so nebenbei dann. Geht auch irgendwie. Meiner Erfahrung nach ist da aber nicht jede Lehrperson gleich "kreativ".

    Das stimmt schon, die Eltern sind wie sie sind und die Schüler auch. Die Probleme sind vorhanden, ich kann sie mir weg wünschen, ich kann mir auch den Weltfrieden wünschen, mit dem selben Effekt. Was ich ernsthaft gerne hätte sind mehr Resourcen um die ganzen Probleme auch richtig zu managen und den Schülern besser gerecht zu werden. Bei uns wird sich das Klassenlehramt auch öfters geteilt, heisst aber halt auch, dass man dann nur noch eine halbe und nicht mehr eine ganze Entlastungslektion bekommt für das Klassenlehramt. Was helfen würde? Ganz ehrlich: Reduktion der Klassengrösse und eine Entlastungslektion zusätzlich für Klassenlehrpersonen + mehr Sonderpädagogische Reserve. Was die Klassenlehrer im Moment bekommen, deckt den Aufwand, den man durch ein Klassenlehramt hat niemals ab. Bessere Ausbildung der Lehrpersonen wäre schön, im Moment kann man aber froh sein, wenn man überhaupt noch Lehrpersonen bekommt, die irgendwie in irgendwas ausgebildet sind und auch wenn sie ausgebildet sind: wir haben jetzt zwei Lehrpersonen (noch PH Studenten) die nach zwei Wochen schon wieder abgesprungen sind und ein paar seriösere, die aber auch schon sagen, sie wüssten nicht, ob sie das länger als ein Jahr machen würden....

    Und ja geht mir weg mit Hattie, klar, wenn ich alles unkomplizierte, selbstorganisierte Lämmchen habe, dann klar, kann ich je nachdem auch 40 Leute zusammen unterrichten. Wenn ich aber 5 Leute in einer 24er Gruppe habe, die es ernsthaft darauf anlegen mir den Unterricht zu sprengen + noch diverse Leute, die alle ihre Spezialbedürfnisse haben, dann sprengt es irgendwann den Rahmen dessen was leistbar ist... völlig Wurst, was für eine gut ausgebildete und erfahrene Lehrperson ich bin. Es geht nicht.

  • Bring das mal bei einer wissenschaftlichen Veröffentlichung, auf 100 Jahre alten Schmu zu referenzieren. Das geht wahrscheinlich bei den Historikern, aber sonst ...

    Das finde ich von deiner Seite aus etwas überheblich ehrlich gesagt. Nur weil etwas vor langer Zeit veröffentlicht wurde, ist es noch lange nicht Schmu. In jeder akademischen Disziplin gibt es Klassiker, die nach vielen Jahren innerfachlich immer noch Relevanz haben. Es ist durchaus auch im akademischen Kontext angemessen, auf alte Erkenntnisse zu verweisen und ggf. durch neuere Erkenntnisse zu ergänzen oder auch aufzuzeigen, wie sich diese durch neuere Erkenntnisse letztendlich widerlegen ließen.

  • Ganz ehrlich: Reduktion der Klassengrösse und eine Entlastungslektion zusätzlich für Klassenlehrpersonen + mehr Sonderpädagogische Reserve.

    100 % Zustimmung. Was von der Politik an der Stelle leider oft nicht gesehen wird: Entlastung kostet zwar Geld, wertet aber den Beruf auf. Eine Aufwertung des Berufs führt zu mehr Interessenten am Beruf, führt zur Lösung des Lehrpersonenmangels. Frau Gschwind weiss das, die ist schlau. Nur im Landrat hast du halt auch Leute sitzen, die nicht so schlau sind. Dabei nehme ich "uns" eigentlich recht pragmatisch wahr. Die Kinder/Jugendlichen sind, wie sie sind. Man will sich eigentlich nur vernünftig drum kümmern und dafür braucht die einzelne Lehrperson mehr Kapazitäten. Oh ... Das hast du ja genau gleich geschrieben. Ich sehe, wir sind uns einig ^^

  • 1.) Es gibt zu wenig Lehrer

    2.) Die Zahl der Lehramtsstudenten nimmt ab

    3.)Die Zahl der Förderpädagogen ist unterirdisch und wir können uns einen NC

    Ich studiere Lehramt für sonderpädagogische Förderung, die die Halte die wir lernen müssen sind einfach nur unnötig. Etliche veraltete Modelle, Studien, Theoretiker, die man nie wieder brauchen und anwenden wird.

    Und in den Schulen fehlen die Lehrkräfte

  • Mir hat jedenfalls keiner erklärt, wie man Jugendliche mit ADHS im Unterricht adäquat beschäftigt. Das überlegt man sich so nebenbei dann.

    Das ist wohl so, aber ich verstehe ältere Kolleg*innen, die damit nicht mehr klarkommen und auch Primarleute, die sich nicht jedes Problem zusätzlich ans Bein binden wollen. ADHS-Symptome sind ja das geringste, dafür gibt es keinen Inklusionsstatus. Dass die Kinder in dem Beitrag die Party gesprengt haben und einer in den Becher gespuckt hat, das war, so mein Eindruck, fast schon verletzend für die Lehrerin. Auch wenn (oder eher weil) sie meinte, sie nähme nichts mehr persönlich.


    Eine inzwischen pensionierte Kollegin sagte mal, sie hat nach der Wende eine ganze Weile gebraucht, sich an *fick dich* und co zu gewöhnen und damit umzugehen...


    Wir haben auch schon wesentlich gewalttätigere SuS als oben dargestellt beschult. Trotzdem finde ich es richtig, das weiterhin zu sehen und sich nicht zu sehr zu gewöhnen, das nicht für normal zu halten.

  • Wie nimmst du diesbezüglich dein aktuelles Aufbaustudium wahr?

    Deutlich professioneller.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Trotzdem finde ich es richtig, das weiterhin zu sehen und sich nicht zu sehr zu gewöhnen, das nicht für normal zu halten

    Da hast du absolut recht. Was ich mich aber auch frage, nehmen solche Szenen wirklich zu? Der LCH hat letztes Jahr eine Studie durchgeführt, bei der Lehrpersonen nach Gewalterfahrungen gefragt wurden. Jede zweite Lehrperson wurde in den letzten 5 Jahren schon mal beleidigt, heisst es. Ist hier gross durch die Medien gegangen. Allerdings ist es das erste Mal, dass der LCH überhaupt diese Frage stellt. Sind wir einfach an einem Punkt, an dem wir sowas nicht mehr stehen lassen wollen? Das finde ich ja grundsätzlich richtig. Aber macht man sich damit das Leben vielleicht auch unnötig schwer? Diskutieren und lamentieren wir zu viel? Führt vielleicht auch das dazu, dass Kinder und Jugendliche das Gefühl haben, sich mehr rausnehmen zu können? Ich kann nur für mich selbst feststellen, dass die Dinge seit 10 Jahren im Wesentlichen gleich sind. Gefühlt würde ich schätzen, dass rumstressende Eltern etwas zugenommen haben. Mein Setting ist aber auch seit 10 Jahren immer das gleiche. Also ist vielleicht nicht das Publikum sondern mehr der Rahmen das Problem?

  • Wie nimmst du diesbezüglich dein aktuelles Aufbaustudium wahr?

    Ich musste in meinem Sonderpäd-Studium sowohl allgemeine Pädagogik (in geringerem Ausmaß) als auch die Sonderpäd-Seminare (in deutlich größerem Ausmaß) besuchen. Die allgemeinen Sachen empfand ich als nichtssagend und von der Realität entfernt. Das sah in Sonderpäd deutlich anders aus. Schon allein die Dozenten hatten deutlich mehr Praxiserfahrung oder arbeiteten gerade als Lehrer. Die kannten die Thematik nicht nur aus der Literatur.

    In den allgemeinen Seminaren palaverten die von Inklusion und wollten von der realen Praxis nichts wissen. Skepsis und Kritik wurde schön abgetan mit "Ja, aber das ist ja beschlossen.", während in der Sonderpäd die Grenzen des Systems klar aufgezeigt und benannt wurden. Die Leute hatten ja den Vergleich zwischen altem und neuem System.

    • Offizieller Beitrag

    Als ich studiert habe, gab's noch gar keine Inklusion :P

    Ich bin so alt, bei uns war die Integration der heiße Sch... und die Studienordnung wurde dahingehend geändert, dass wir ein Seminar zur Integration behinderter Menschen zusätzlich besuchen mussten. Das, was ich besucht habe, hatte sogar 4 SWS. Das Highlight war, dass wir eine Mutter von Zwillingen mit Down-Syndrom zu Besuch hatten, die über die Anfänge der Integration in der Geschichte der Kita und Grundschule, die die Kinder besucht hatten, sprach. Der Rest... naja, wir waren dann mal einen Tag an Förderschulen oder Integrationsschulen zu Besuch. Der Leiter der Integrationsschule sagte, dass es mit der damaligen Personaldecke kaum noch zu leisten ist. Da waren ca. 20 Kinder in der Klasse mit Doppelsteckung. Ein Kind mit LE (heute hätte es kein LE mehr, da das eine 2. Klasse war und es LE erst ab Klasse 3 gibt), ein insgesamt entwicklungsverzögertes Kind (heute wäre da gar kein Förderbedarf mehr möglich), 1 Kind mit Diabetes (kein Förderbedarf heutzutage) und 2 mit ADHS (heutzutage auch kein Förderbedarf).

    Das Seminar an sich (also das, was in der Uni stattfand) habe ich als idealistisch, aber eher praxisfern wahrgenommen.

  • 1 Kind mit Diabetes (kein Förderbedarf heutzutage) und 2 mit ADHS (heutzutage auch kein Förderbedarf)

    Was für einen sopäd. Förderbedarf sollten denn Diabetes oder ADHS (ohne weitere Entwicklungsproblematik) früher ergeben haben? Von welcher Zeit sprichst du (DDR?)?

    • Offizieller Beitrag

    Was für einen sopäd. Förderbedarf sollten denn Diabetes oder ADHS (ohne weitere Entwicklungsproblematik) früher ergeben haben? Von welcher Zeit sprichst du (DDR?)?

    BRD, ehemaliger Westteil, null DDR-Anteil. Die Kinder mit ADHS hatten teilweise weitere Problematiken (von denen ich jetzt im Praktikum nicht im Einzelnen weiß) und daher Förderbedarf Em-Soz.

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