Professor Krötz übt Kritik am Mathematikunterricht der Grundschule

  • Offenbar war mein Grundschulunterricht in Mengenlehre der Grundstock für meine Mathematikliebe 😀. Ich kann mich tatsächlich an „Kartoffeldiagramme“ vage erinnern und auch Vereinigungs- und Schnittmengen waren Thema. Meine Lehrerin hat immer Beispiele aus dem Leben genommen. War Ende der 60er Jahre.


    Im Ernst: es steht und fällt mit den Lehrkräften und ob die was von Mathematik verstehen und vor allem, wie interessant Kinder teilweise beim Rechnen denken, ach beim Fehlermachen. Dafür sollte man m. E. auch mehr können als LK Mathe Abistoff. Ein bisschen Grundsätzliches ist echt gut.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Das gab es ja schon einmal und wurde dann wieder abgeschafft, weil angeblich der Bourbakismus ein Grund für das schlechte Image der Schulmathematik gewesen sein soll.

    Und auch, weil die Eltern die Mengenlehre nicht begriffen haben und so ihren Kindern nicht bei den Hausaufgaben helfen konnten. Wenn die Kinder dann noch zu Hause gehört haben, "braucht man eh nicht" und "was für ein Quatsch, die Kinder sollen rechnen lernen", hat dies sicherlich nicht zu einer höheren Motivation geführt, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen.


    À+

  • Ich bin 1974 eingeschult worden und erinnere mich bis heute an Mengenlehre und Venndiagramme (und definitiv länger als 6 Wochen, es ging über mehrere Schuljahre von Klasse 1 bis Klasse 8? Spiralcurriculum gab es damals schon). Wir hatten extra Schablonen, um kleine und große Rechtecke, Kreise usw. zu zeichnen. Ich habe meine noch irgendwo. Auch Dreiersystem, Vierersystem hatten wir bereits an der Grundschule, ich erinnere mich an Türmchen und Mäuerchen. Mir hat es Spaß gemacht. Meine Mutter erzählte mir später, dass es auf den Elternabenden einer damals noch dörflich geprägten Grundschule heftigste Kritik gab und sie deswegen nie gerne hin ging. An meinem Gymnasium (viele Professorenkinder) wurde es meistens akzeptiert.


    Trotzdem bin ich geschockt, wenn ich meine alten Mathebücher aus Klasse 5 - 8 (aus heutiger Sicht) ansehe. Sie sind einfach nicht ansprechend, seitenweise nur Text. Ich mochte Mathe, ich verstehe meine Mitschüler aber sehr gut, die anderer Meinung waren.


    Letztendlich stellt sich die Frage, wozu Mathe in der (weiterführenden) Schule dienen soll. Nur Rechnen? Das kann jeder TR schneller (und ernsthaft, wer von uns rechnet wirklich größere Aufgaben von Hand?) Geometrie?


    In meiner Referendariatzeit gab es Forderungen einiger Experten, Mathe nur bis Klasse 7 zu unterrichten und es dann auf freiwilliger Basis weiterlaufen zu lassen. Ich erinnere mich an interessante Diskussionen im Seminar. Aber die Frage bleibt, welche Aufgabe hat Mathe? (Und ist dann Mengenlehre vielleicht wichtiger als Rechnen? )

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Und auch, weil die Eltern die Mengenlehre nicht begriffen haben und so ihren Kindern nicht bei den Hausaufgaben helfen konnten. Wenn die Kinder dann noch zu Hause gehört haben, "braucht man eh nicht" und "was für ein Quatsch, die Kinder sollen rechnen lernen", hat dies sicherlich nicht zu einer höheren Motivation geführt, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen.


    À+

    Genau das erzählte mir meine Mutter später. Mein Beitrag hat sich mit deinem überschnitten.




    Was soll der Matheunterricht erreichen? Rechnen? Dann reicht Unterricht bis Klasse 7 (und anschließend verwenden wir alle den Rechner). Für mich hat Mathe mehr Aufgaben. (Ich stelle mir die Frage hin und wieder, vielleicht ist auch deshalb Chemie mein 1. Fach?)

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  • Und auch, weil die Eltern die Mengenlehre nicht begriffen haben und so ihren Kindern nicht bei den Hausaufgaben helfen konnten.

    Ich bin froh, wenn Eltern ihren Kindern nicht bei den Hausaufgaben "helfen".


    Das war übrigens auch die (dämliche) Begründung dafür, dass ich am Ende der Grundschule keine Gymnasialempfehlung bekam und man meiner Mutter nahelegte, mich an einer Hauptschule anzumelden.


    (Sorry fürs OT. Zurück zum Thema.)

  • In meiner Referendariatzeit gab es Forderungen einiger Experten, Mathe nur bis Klasse 7 zu unterrichten und es dann auf freiwilliger Basis weiterlaufen zu lassen. Ich erinnere mich an interessante Diskussionen im Seminar.

    Das ist natürlich eine fast schon ketzerische Frage, die heutzutage reflexartige Empörung auslösen würde. Insbesondere natürlich bei Herrn Krötz. Genau solche Überlegungen finde ich aber hochgradig spannend. Als ich Abi gemacht habe, bekanntlich in Bayern, war Mathe noch kein verpflichtendes Prüfungsfach. Da gab es reihenweise komplette Abschiffer, die dann aber trotzdem irgendwas studieren gegangen sind. Jetzt heisst es immer, früher sei alles besser gewesen, mit der Mathematik. Echt jetzt? Vielleicht hat sich über die Jahre der Mathematikunterricht auf einfach nur den tatsächlichen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler angepasst und die Resultate sind heute ehrlicher denn je.

  • Ich habe es schonmal geschrieben: Die guten haben den Stoff damals gepackt, die schlechten sind unabhängig vom Niveau schlecht. Umgekehrt würden gute Schüler heute auch nach wie vor die Inhalte von früher verstehen, wenn man sie ihnen vorsetzt und einübt.


    Ich sehe es übrigens auch so, dass Mathe nach der Prozentrechnung für den größten Teil der Allgemeinheit keine Relevanz mehr hat. Es ist halt Allgemeinbildung, die Gedichtanalyse braucht auch keiner.

  • Gilt das nicht für alle Fächer? Wer braucht noch den langweiligen Geschichtsunterricht mit der deutschen Entstehungphase. Kann sich eh keiner merken.


    Wer braucht Biologie, wer braucht Chemie, wer braucht Englisch außerhalb der Fähigkeit, im Malleurlaub ein Bier zu bestellen.


    Denke, ca. 90% der Bevölkerung benötigt nur das Grundschulniveau für die Arbeit und das tägliche Überleben.


    Also Schule abschaffen?

  • Gilt das nicht für alle Fächer?

    Ja prinzipiell ist das so. Ich weiß nicht, wieso immer ausgerechnet von der Mathematik erwartet wird, dass sie alltäglich nutzbar ist, während selbst der Fremdsprachenunterricht sobald der Spracherwerb weitestgehend abgeschlossen ist, nichts mehr unmittelbar bringt.

  • Die Reaktionen waren vorhersehbar, genau das meinte ich weiter oben. Wenn immer gleich die Empörungsbrille aufgesetzt wird, macht diskutieren nicht so recht Spass.

  • Nee, is klar. "wir brauchen nur noch Schulstoff bis Klasse 6" ist natürlich eine wahnsinns Diskussionsgrundlage.


    Dazu gerade passend reungespült worden:

    https://www.sueddeutsche.de/bi…-20090101-230612-99-30053


    "Ob die verpflichtende Matheprüfung im Nordosten zukünftig entfällt, darüber soll eine Lenkungsgruppe entscheiden. Dieses aus Praktikerinnen und Praktikern bestehende Gremium berate seit mehr als einem Jahr «ergebnisoffen» über die Weiterentwicklung des Abiturs. Ziel ist demnach, die Vergleichbarkeit zu stärken und eine Benachteiligung der Schülerinnen und Schüler in MecklenburgVorpommern zu vermeiden."


  • Ja, schrieb ich weiter oben schon. 1999 war Mathe in Bayern kein verpflichtendes Prüfungsfach, man musste nicht mal alle Semester in der Oberstufe einbringen. Gleiches galt für Deutsch. Mathe hatte ich LK, Deutsch im 4. Semester nur 1 Punkt im Zeugnis. Hat nicht gezählt. Das Abi habe ich mit 1.9 bestanden, erfolgreich studiert und mit der Promotion abgeschlossen. Aber früher war ja mehr Niveau.

  • wer braucht Chemie

    Es ging früher, und da war ja eigentlich alles besser, in Bayern mit exakt EINEM Schuljahr Chemie Abitur zu machen. Von mir aus dürfte man auch heute wieder sehr gerne eine der drei Naturwissenschaften fürs Abi bzw die Matura abwählen.

  • Ja, Bayern hatte damals vergleichsweise wirklich ein Schmalspurabi. Ist jetzt aber auch kein Maßstab. In BW mussten in den 1990er Jahren alle verpflichtend in Deutsch und Mathe Abitur machen. Im sprachlichen Zweig waren es in Chemie 3 Jahre (9.-11. Klasse).

  • Ist jetzt aber auch kein Maßstab.

    Wofür? Es hat doch ziemlich gut funktioniert. Uns ist ja damals schon erzählt worden, wie unglaublich viel toller wir seien als die Leute aus Hessen oder NRW oder gar Bremen und es war damals halt schon Quatsch. Ich habe dann mit Leuten aus Hessen studiert, die - oh Wunder - aber sehr viel fitter waren im Praktischen und auch mit Lern- und Lösestrategien. Uns hatte man im Wesentlichen mit fleissigem Auswendiglernen aufs Zentralabi getrimmt. Ich hatte sicher meine Stärken, vor allem habe ich sehr stark vom Mathe-LK profitiert und trotzdem ich gar nicht so lange Physikunterricht hatte, war ich irgendwie auch da den meisten anderen deutlich voraus. Wenn man aber alles zusammennimmt, hat sich das irgendwie ausgeglichen und am Ende gab's keine relevanten Unterschiede.

  • Ich habe 1980 Abi gemacht und durfte noch großzügig abwählen. Z. B. Deutsch (hatte ich dann in der 13 nicht mehr). Chemie hatte ich auch nur ein Schuljahr (in der 10), auch Erdkunde und Bio war für mich nach Klasse 10 erledigt.

    Und das Matheniveau im GK war echt gering (nur ganzrationale Funktionen diskutieren, keine andere Funktionsklasse, keine Vektorgeometrie, keine Stochastik). Wir mussten aber technisch ganz gut drauf sein (alles ohne Taschenrechner).

    Bei meinen beiden Geschwistern war es teils etwas mehr, aber auch nicht so wahnsinnig toll.

    Ich finde ehrlich nicht, dass es früher besser war, lediglich anders.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Ich finde ehrlich nicht, dass es früher besser war, lediglich anders.

    Genau das. Ich war oben ein bisschen sarkastisch, falls das nicht rübergekommen ist :)

  • Wofür? Es hat doch ziemlich gut funktioniert. Uns ist ja damals schon erzählt worden, wie unglaublich viel toller wir seien als die Leute aus Hessen oder NRW oder gar Bremen und es war damals halt schon Quatsch. Ich habe dann mit Leuten aus Hessen studiert, die - oh Wunder - aber sehr viel fitter waren im Praktischen und auch mit Lern- und Lösestrategien. Uns hatte man im Wesentlichen mit fleissigem Auswendiglernen aufs Zentralabi getrimmt. Ich hatte sicher meine Stärken, vor allem habe ich sehr stark vom Mathe-LK profitiert und trotzdem ich gar nicht so lange Physikunterricht hatte, war ich irgendwie auch da den meisten anderen deutlich voraus. Wenn man aber alles zusammennimmt, hat sich das irgendwie ausgeglichen und am Ende gab's keine relevanten Unterschiede.

    Dem ersten Teil kann ich auf jeden Fall zustimmen. Unser Schulleiter pflegte bei jeder Gelegenheit zu erwähnen, wir seien "die Elite der Elite"... 🤢


    Allerdings hab ich in Hessen dann einige "Abiturflüchtlinge"kennengelernt, die fürs Abi täglich über die Grenze pendelten...


    Ich denke jedoch, dass das wenig mit besser oder schlechter zu tun hat, sondern, wie du ja auch andeutest, mit unterschiedlichen Lerntypen. In Bayern wird man schon sehr aufs Auswendiglernen und Wiederkäuen getrimmt.

    Wer Fehler findet darf sie behalten und sich freuen! :victory:

    Einmal editiert, zuletzt von ISD ()

  • Es ging früher, und da war ja eigentlich alles besser, in Bayern mit exakt EINEM Schuljahr Chemie Abitur zu machen. Von mir aus dürfte man auch heute wieder sehr gerne eine der drei Naturwissenschaften fürs Abi bzw die Matura abwählen.

    Und im nicht-naturwissenschaftlichen Zweig hatte man nach der 10. Klasse die mittlere Reife, ohne jemals Chemieunterricht gehabt zu haben. Das wurde zum Glück mit dem G8 geändert, als Chemie auch dort in der 9. Klasse einsetzte statt in der 11.

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