Freude am Lesen fördern

  • Um den anderen Thread, in dem es ja um konkrete Vorgaben in NRW zur Lesezeit an Grundschulen, nicht zu karpern, habe ich mal diesen Thread eröffnet. Die Thema sind verwandt, die Schwerpunktsetzung ist aber ja, vermutlich auch bedingt durch die Schularten, eine andere.

    Mir ging es bei meinem Beitrag (RE: 20 Minuten Lesezeit an Grundschulen NRW) im anderen Thread eher darum, Freude am Lesen zu fördern und darum, dass die Schüler das Lesen auch als Selbstzweck begreifen. Das geht natürlich Hand in Hand mit dem (Teil-)Auftrag des Gymnasiums, dass eben auch Bildung als Selbstzweck begriffen werden soll. Das ist aber natürlich etwas, was nie jeder Schüler mitnehmen wird. So ist das "Dann ist das aber so!" zu verstehen.

    In diesem Sinne würde ich es für die Herangehensweise, die ich beschrieben habe (zweckfreies Schmöckern in Büchern in klar abgegrenzten Zeiträumen) für eher kontraproduktiv halten, wenn die Schüler dazu Aufgaben bearbeiten müssten oder wenn sie danach das Gelesene vorstellen müssten. Es geht mir dabei um den Imperativ, wenn jemand vorstellen möchte, weil er so begeistert ist, ist das eine andere Sache.

    Aber das mit dem Verb "lesen" und dem Imperativ ist ja sowieso so eine Sache:


    Zitat

    Das Verb "lesen" duldet keinen Imperativ. Eine Abneigung, die es mit ein paar anderen teilt: dem Verb "lieben", dem Verb "träumen"...Man kann es natürlich trotzdem versuchen. Probieren Sie es mal: "Liebe mich!" "Träume!" "Lies! Jetzt lies doch, zum Teufel, ich befehle dir zu lesen!" "Geh in dein Zimmer und lies!" Ergebnis? Null. Er ist über seinem Buch eingeschlafen. Das Fenster, ungeheuer weit offen, schien ihm plötzlich auf etwas Beneidenswertes hinauszugehen. Dorthin ist er entflogen. Um dem Buch zu entgehen. aber es ist ein wachsamer Schlaf: Das Buch liegt aufgeschlagen vor ihm. Wenn wir seine Zimmertür auch nur ein bißchen aufmachen, können wir ihn brav lesend an seinem Schreibtisch sitzen sehen. Selbst wenn wir uns auf Zehenspitzen angeschlichen haben, hört er uns durch seinen oberflächlichen Schlaf kommen.

    "Na, gefällt's dir?"

    Er antwortet nicht mit Nein, das wäre ja eine Majestätsbeleidigung. Das Buch ist heilig, wie kann man ein Buch nicht mögen? Nein, er sagt, die Beschreibungen wären zu lang. Beruhigt setzen wir uns wieder vor unseren Fernsehapparat. Es kann sogar sein, daß diese Bemerkung eine leidenschaftliche Diskussion zwischen uns und den Unrigen auslöst. "Er findet die Beschreibungen zu lang. Man muß ihn verstehen, wir leben im Jahrhundert des Audiovisuellen, natürlich, die Romanciers des 19. Jahrhunderts mußten alles beschreiben..."

    "Das ist noch lange kein Grund, daß er die Hälfte der Seiten überspringt!"

    Bemühen wir uns nicht weiter, er ist wieder eingeschlafen.

    (Daniel Pennac: Wie ein Roman)

  • Ich finde, um die Lesefreude zu wecken, braucht es zwei Dinge:

    - die Texte/Bücher müssen dem Lese- und Verständnisniveau entsprechen (Ich meine das Leiseleseniveau, viele sind im Leiselesen weiter als im Lautlesen)

    - die Texte/Bücher müssen einen persönlich ansprechen, deswegen muss man den Schülern Gelegenheiten geben, sich mit Genres zu beschäftigen.


    In der Grundschule Klasse 3/4 habe ich es so versucht, dass ich eine Leseecke mit vielen Büchern hatte. Bei bestimmten Gelegenheiten musste oder konnte man sich ein Buch/ eine Zeitschrift holen und darin lesen.


    Des Weiteren ging ich mit der Klasse alle 4 Wochen in die öffentliche Bücherei (wir bekamen als Klasse einen Extratermin, wo normalerweise die Bücherei geschlossen war), wo sich jeder ein- zwei altersgemäße Bücher, davon ein Geschichtenbuch, ausleihen sollte. Um zu kontrollieren, dass es wirklich gelesen wurde, gab es vor Abgabe eine Vorstellungsrunde. Das Geschichtenbuch sollte vorgestellt werden. Dazu versuchte ich immer unterschiedliche Varianten der Buchvorstellung: ein Vorstellungsblatt ausfüllen, eine Kurzzusammenfassung, auf Nachfragen antworten - ein richtiges Referat darüber gab es im Schuljahr nur einmal. Gut, das war ein bisschen Zwang, aber das war notwendig, dass wirklich jeder sich mit dem ausgewählten Buch beschäftigte.

    Was ich feststellte: Durch die Buchvorstellungen wurden andere in der Klasse auf Bücher aufmerksam (ich legte Wert auf Nachfragen zum Inhalt) und es gab in jeder Klasse einen Run auf verschiedene Buchserien. Das waren sozusagen gegenseitige Empfehlungen. Man konnte auch deutliche Vorlieben von einigen Kindern feststellen (Fantasie, Krimi, Pferdegeschichten, das magische Baumhaus, einer las ständig Otfried Preußler, Hexenbücher, Gregs Tagebuch, die Schule der magischen Tiere, Feenmärchen usw.). Einige waren daraufhin auch privat "Kunden" der Bücherei.


    Ich habe schon Lesenächte zu diversen Büchern von Astrid Lindgren und Paul Maar durchgeführt - das war so eine Art Schnitzeljagd zu diversen Büchern mit einigen Aufgaben - ob das Leseinteresse geweckt hat, kann ich nicht sagen. Allerdings haben viele es genutzt noch im Schlafsack in eigenen Büchern zu lesen, manche machten noch mit Taschenlampen weiter. Ich denke, so eine Lesenacht könnte auch die Lesemotivation fördern.


    Man muss nicht immer Aufgaben zum Buch geben, Schüler reagieren dazu unterschiedlich. Z.B. hatte jeder Schüler ein Antolinzugang, den er freiwillig nutzen konnte. Obwohl es eine Belohnung gab, nutzten diesen nur ca. 10 Prozent der Schüler - also Fragen zu einem eigenen, gelesenen Buch antworten. Bei der Anwendung von besonderen Methoden zum Inhalt (also keine sturen ABs, sondern Leserolle, Lapbook usw.) wurde dies unterschiedlich ausgeführt. Vielleicht muss man einfach aus dem Methodenrepertoire schöpfen. ABs mit Aufgaben von unterschiedlichen Niveaustufen fördern in meinen Augen nicht die Lesemotivation, gehören aber wegen des Textverständnisses schon immer mal wieder mit einbezogen.

  • Ich glaube, die Grundschullehrkräfte denken eher in den Bahnen "ans Lesen heranführen" und "zum Lesen verlocken".

    WillG

    Du schreibst "zweckfrei" , aber du hast doch einen Zweck im Kopf, oder nicht?

    Warum sollen die SuS denn Lesen? Was soll die Zeit bewirken?

  • Du schreibst "zweckfrei" , aber du hast doch einen Zweck im Kopf, oder nicht?

    Warum sollen die SuS denn Lesen? Was soll die Zeit bewirken?

    Ich nehme an, dass die Frage ist, wie man "zweckfrei" bzw. "Zweck" definiert.

    Als Deutschlehrer verfolge ich natürlich viele Lehrziele, wenn ich im Unterricht lese bzw. lesen lasse. Viele habt ihr ja schon genannt. Das geht bei Texterschließungskompetenzen an und hört bei der Vermittlung von Bildungsinhalten im Literaturunterricht noch lange nicht auf. Aber, lange, sehr lange, bevor ich mich mit solchen Inhalten als Ziel beschäftigt habe, also schon als Kind, habe ich das Lesen einfach als eine Tätigkeit kennengelernt, die Freude bereitet und meine Fantasie anregt. Ganz ohne praktischen Mehrwert. So wie es auch einfach Freude bereiten kann, ein Musikinstrument zu spielen, mit einem Ball zu spielen, ein Bild zu malen. Als Selbstzweck eben. All diese anderen Tätigkeiten haben natürlich auch andere Vorteile und helfen Menschen auf die unterschiedlichste Art und Weise bei ihrer Entwicklung, aber zuerst steht eben die Freude daran, alles andere ist nachgestellt.

    Ich möchte, wenn ich meinen Schüler manchmal Lesezeiten gebe, diese zweckfreie Freude vermitteln. Und das wird nicht bei allen gelingen, vielleicht bei den meisten nicht, so wie auch der beste Sportlehrer immer diejenigen haben wird, denen Bewegung keine Freude machen wird und die dann im mittleren Alter eher aus Vernunftgründen ins Fitnessstudio gehen (- ich bin so einer). Aber wenn ein paar dabei sind, die einfach eine Freizeitbeschäftigung finden, die ihnen Spaß macht, ist viel gewonnen. Und dann ist es mi auch egal, was sie lesen, ob das jetzt Vampirromane, Liebesschnulzen, Comics, postmoderne Romane oder expressionistische Lyrik ist. Solange sie Spaß daran haben.

    Deshalb befinden ich in meiner Bücherkiste für diesen Zweck auch Comic und ein Twilightroman.

  • Ist es dann nicht eher so, wie wenn man sich gegenseitig Musik vorstellt und zeigt/erklärt, was es gibt und was einem daran gefällt?


    Instrumentalunterricht ist auch eher „Arbeit“ und weniger „jammen“,

    dagegen kann man sich eine Band, einen Chor, irgendwas suchen, wo es ums Musizieren geht.


    Die Frage ist, an welcher Stelle es in der Schule darum geht, etwas zur Freude zu tun und weniger, um das Vermitteln von Technik oder Wissen.

  • Übrigens ist der Ansatz eines Lesepasses, dass die Lektüre freigestellt werden kann und die Lesezeit dokumentiert wird, gerade weil die Kinder unterschiedliche Interessen haben und leichtere oder schwierigere Texte brauchen.


    Manche lernen/ üben auch mit Sachtexten lesen, weil die Themen sie interessieren.

  • Das Buch von dem Daniel Pennac mag ich auch sehr. Ich kann mich gerade nicht im Detail daran erinnern, aber was mir geblieben ist, ist: Ich habe beim Lesen jede Freiheit. Ich darf aus dem Buch Seiten herausreißen und Schiffchen daraus falten. Ich darf es mittendrin anfangen oder einfach auf die Seite legen, wenn es mich langweilt. Ich darf den Prolog überspringen (ich lese den Prolog meist erst ganz am Schluss). Diese Freiheit sollten die Kinder auch haben. Also, nicht die Bücher kaputt zu machen, aber zu sagen: Das mag ich nicht.


    Es ist wirklich manchmal schwierig. Ich reagiere immer etwas allergisch, wenn mir jemand sagt, dass ich ein bestimmtes Buch "unbedingt lesen" muss. Da ist schon was Wahres dran mit dem fehlenden Imperativ. Manchmal will das Buch einfach nicht zu mir sprechen.


    Ich denke, es ist ähnlich wie mit Essen. Ich biete an, Kind sucht aus. Ich muss öfter anbieten, auch mehrfach dasselbe (viele Leute essen mit 25 zum ersten Mal Broccoli, so etwa). Bücherecken sind bestimmt ein guter Anreiz. Da sollten aber auf jeden Fall auch Sachbücher liegen. Man liest ja nicht nur, um unterhalten zu werden, sondern auch, weil man etwas wissen will.


    Aber man kann halt nur immer wieder locken. Wollen machen geht halt nicht. Gibt ja noch mehr solche nicht vorhandenen Imperative. "Finde das lustig!" oder "Interessier dich dafür!" oder "hab Freude daran".


    Ich finde, das klingt bei dir schon ganz schön, WillG. Da möchte ich gern Kind sein :wink2:

  • Ist es dann nicht eher so, wie wenn man sich gegenseitig Musik vorstellt und zeigt/erklärt, was es gibt und was einem daran gefällt?

    Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dich richtig verstehe, aber wenn ich Freunden aus persönlicher Begeisterung ein Lied von einer Band vorspiele, die ich eben erst entdeckt habe, dann ist das eine spontane Handlung, die rein intrinsisch motiviert ist. Vielleicht auch etwas sehr persönliches, weil mich das Lied vielleicht aus sehr persönlichen Gründen berührt. Wenn ich aufgefordert werde - in welchem Kontext auch immer - jetzt ein Lieblingslied vorzustellen, ist das eine Aufgabe. Vielleicht eine Aufgabe, die mir Spaß macht, wenn sich mich auf dem richtigen Fuß erwischt, aber halt eine Aufgabe, die ich erfüllen muss.

    So ähnlich würde ich auch den Unterschied bei der Lesezeit sehen, so wie ich sie manchmal mache: Ich frage ganz selten mal, ob jemand etwas gelesen hat, was ihm gefallen hat, und wenn dann jemand etwas sagen will, dann darf er das. Aber meistens mache ich das nicht. Ich beobachte aber ab und zu, wie während der Lesezeit oder direkt danach einer einem Freund etwas über das Buch erzählt, das er dann hatte. Das ist dann schön.

    Und, klar, das ist jetzt nicht meine unterrichtliche Herangehensweise an Leseerziehung. Natürlich mache ich im Rahmen des Deutschunterrichts ganz normalen Leseunterricht, vermittle Lesestrategien und Analysemethoden, überprüfe Leseverständnis etc. Aber ab und zu eine Insel des zweckfreien Lesens, ganz ohne dass da irgendeine Aufgabe dranhängt oder dass irgendwas gelernt werden muss.


    Piksieben Danke schön, aber ich will jetzt nicht so tun, als wäre das bei mir immer so. Manchmal nehme ich mir dafür halt die (Unterrichts-)Zeit.

  • Ja genau :klatsch:


    Wie lang habe ich nicht mehr dieses schöne Wort gelesen: "Herumschmökern". Klingt so viel schöner als "irgendwie ziellos Bücher auf- und zuklappen". Ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, so wie ich im Garten mit Flora Inkognita herumlaufe: Ach, das gibt es alles hier!


    Vielleicht sollte man überhaupt diese 20 Minuten umbenennen. Nicht "Lesen" sondern "Herumschmökern". Damit der Fokus ein anderer ist: Verlockung! Freude! Neugier!


    Letztlich ist es nur die Neugier, die uns dazu treibt zu lesen.


    Wobei die Ursachen für die mangelnde Lesekompetenz sicher nicht mangelnde Neugier ist, sondern viel früher beginnen und außerhalb der Schule liegen.

  • Mal eine andere Frage: Hat jemand von euch in der Schule das Lesen liebengelernt? Oder hat sich euer Leseverhalten in der Schule irgendwie geändert?

    Ich habe es hassen gelernt. Das Lesen mit „Aufgabenstellung“ fand ich nämlich immer schon furchtbar. So gesehen finde ich die Idee des „komplett freien Lesens, woran man Interesse hat“ hilfreich.

  • Also ich hab als Kind eigentlich immer schon gerne gelesen, aber ab der wiederholten Klasse 9 ging bei mir die Post ab, initiiert durch Dürrenmatts "Romulus der Große".

    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

    • Offizieller Beitrag

    Mal eine andere Frage: Hat jemand von euch in der Schule das Lesen liebengelernt? Oder hat sich euer Leseverhalten in der Schule irgendwie geändert?

    Ohne die Schule hätte ich nicht gewusst, wo die Stadtbibliothek ist und die Fernsehzeitschrift wäre das gewesen, was das Lesesupport im Haus war. Mein Vater hat zwar viel gelesen, aber im Zug auf dem Weg zur Arbeit und nicht als Vorbild im Haus.
    3 verschiedene Lehrerinnen in der Grundschule, alle drei hatten verstanden, dass ich / man lesen darf, wenn ich mit allen Aufgaben fertig ist. Es gab in den Klassen Leseecken mit Büchern (die ich allerdings sehr schnell alle durch hatte) und es war etwas, was gefördert wurde (na gut, in den Pausen hatte ich 10 Minuten Bewegungspflicht, aber sonst war es okay und die Schule hat dafür gesorgt, dass meine Mutter dieses "merkwürdige Verhalten" trotzdem akzeptiert.)

    Und die Schule war es dann in der Pubertät, die mich vom Lesen abhielt. Ich habe bis zur 9. Klasse quasi ein angewachsenes Buch in der Hand gehabt, bin die Treppe zum Klassenraum mit einem Buch gelaufen und so weiter.
    Da aber die Französischlehrer*innen meine Literaturwahl ständig kritisiert haben (ich stand auf Jugendbücher, auf geschichtlich angerauchte Romane, auf Krimis oder einfach auf das, was mir in die Hände fiel) und mich unbedingt zur "richtigen" Literatur führen wollten (Zola, Balzac, Maupassant, usw..), habe ich irgendwann aufgehört zu lesen, weil ich dachte, lieber gar nichts, als kritisiert werden.
    (man stelle sich vor, man würde heutzutage die Leseratte der 9. Klasse sagen, es sei doch langsam Zeit, Thomas Mann und Schiller zu lesen, statt weitere Bücher).

    Zwischen dem 15. und grob 22. Lebensjahr habe ich fast nur noch die Pflichtliteratur des Schul- und Uniunterrichts gelesen. Einzige Ausnahmen: Jugendbücher auf Deutsch, wenn ich in Deutschland war und mir ein Buch gönnte. DAS machte mich zwar noch seltsamer aber da traute sich kein Mensch, was zu sagen.

    Jaja, die Schule kann viel Gutes tun, aber auch viel Schlechtes.

  • man stelle sich vor, man würde heutzutage die Leseratte der 9. Klasse sagen, es sei doch langsam Zeit, Thomas Mann und Schiller zu lesen

    Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:

    "Den Dank, Dame, begehr ich nicht!"

    Und verläßt sie zur selben Stunde.

    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

  • Mal eine andere Frage: Hat jemand von euch in der Schule das Lesen liebengelernt? Oder hat sich euer Leseverhalten in der Schule irgendwie geändert?

    Sobald ich die Buchstaben enträtseln konnte (und das habe ich tatsächlich erst in der Schule gelernt), habe ich gelesen. Immer. Ich war von klein auf Stammkundin in Büchereien. Mich hat später genervt, Sachen lesen zu müssen, die mich nicht gefesselt haben. Aber das hatte mit dem Lesen selbst nichts zu tun. Man muss sich ja auch sonst mit Dingen beschäftigen, die einen nicht so interessieren. Es gab auch eine Reihe von Büchern, die ich durch die Schullektüre lieben gelernt habe.


    Mir ist das ganz und gar fremd, wenn Menschen nicht lesen mögen. Ich stehe dieser mangelnden Lesekompetenz ratlos gegenüber.

  • Es gab auch eine Reihe von Büchern, die ich durch die Schullektüre lieben gelernt habe.

    Mir geht es ähnlich, die Leselust kam nicht in der Schule, die war unabhängig, Schullektüren waren gar nicht so schlecht gewählt und zeigten ganz andere Texte als die, die ich selbst gewählt hätte.


    Was ich nicht mochte, war das stückweise lesen in der Schule.

    Dennoch setze ich es heute da ein, wo Kinder sonst gar nicht lesen, um ihnen Häppchenweise Aufgaben aufzutragen, biete aber für schnellere Leser auch andere Möglichkeiten an, damit sie im eigenen Tempo lesen können.

  • Ich habe mit 5 lesen gelernt, aus Langeweile, weil ich immer sehr früh wach war und mich leise beschäftigen musste, bis irgendwer aufgestanden war. Irgendwie hab ich mir dann das Lesen beigebracht (es gab damals tatsächlich noch keine digitale Bespaßung und kein Fernsehprogramm am Morgen 😀). Eine Bücherei gab es nicht in meiner Nähe, und so war ich angewiesen auf die Bücher meiner Geschwister und meiner Mutter, die ein großes Bücherregal hatte. Nachdem ich die Klassiker und die Kinder- und Jugendbücher im Haus durch hatte, hab ich mich dann am Schrank meiner Mutter bedient: Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, Anne Frank usw, war mit 9 vielleicht nicht ideal, aber es hat mich fasziniert 🤓. Dementsprechend konnte die Schule nichts fördern, was es nicht schon gab - im Gegenteil, vieles, was ich dort lesen könnte, fand ich langweilig. Ich habe nicht wegen, sondern trotz Schule gelesen - morgens vor der Schule und mittags, sowie ich zu Hause war und nachts unter der Bettdecke heimlich mit der Taschenlampe, weil um 20.00 Uhr Schlafenszeit war. (Und ich habe mir geschworen, niemals meinen Kindern das Lesen zu verbieten, weshalb mein jüngster Sohn, 8 Jahre, gerade mit mir diskutiert, weil ich ihn darauf hingewiesen habe, dass es jetzt 21.30 Uhr ist und ob er nicht mal schlafen will - „noch 20 Seiten, dann hab ich das Buch durch!“. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, ihn weiterlesen zu lassen trotz der Uhrzeit, aber der hat sogar schon mit 4 gelesen, und ich kann die Liebe zu Büchern nachvollziehen, und ich glaube, mir hat es auch nicht geschadet…..?)


    Auf dem Gymnasium hat mich aber dann meine Englisch-Lehrerin ab der 6. Klasse mit englischen Kinder-und Jugendbüchern gefüttert- ab da habe ich etwa 20 Jahre privat nur englische Bücher gelesen, jedenfalls, wenn es sich um muttersprachliche Werke handelte (Elizabeth George, später Harry Potter usw). Da hat Schule also doch mein Lesen gefördert, auch wenn das nicht unterrichtlich geschah, sondern aus persönlichem Einsatz einer Lehrkraft.


    An der Uni war ich dann noch mal sehr ergriffen von Thomas Mann, da gab es irgendwie einen auslösenden Moment, ich erinnere mich nicht mehr.

    Aber insgesamt hat der Schulunterricht nicht zu meiner Lesefreude beigetragen, weil ich tatsächlich schon vorher Bücher lieben gelernt habe.

    Heute frage ich mich, ob es überhaupt möglich ist, Kindern in der Schule diese Freude an Büchern zu vermitteln, die ich empfinde - denn 1. glaube ich, das ist schon vorschulisch angelegt und 2. vermute ich, dass medial zu viel Konkurrenz besteht. Wenn es zu Hause nicht anders erlebt wird und das Lesen vorgelebt wird, ist es eher unwahrscheinlich, dass Kinder lieber zum Buch als zur Konsole greifen, oder?? Deprimierend irgendwie🙄

  • ... 2. vermute ich, dass medial zu viel Konkurrenz besteht. Wenn es zu Hause nicht anders erlebt wird und das Lesen vorgelebt wird, ist es eher unwahrscheinlich, dass Kinder lieber zum Buch als zur Konsole greifen, oder??

    Da kann ich dich beruhigen, zumindest unser jüngstes Kind liest Unmengen, es gibt sogar sein gesamtes Taschengeld für eine spezielle Reihe aus. Und gleichzeitig liebt es Computerspielen und irrwitzigen Youtubern auf Koks beim Computerspielen zuzusehen... Die Bücherliebe ist ungebrochen.

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