Religionsunterricht an staatlichen Schulen?

  • Der Staat bezahlt, die Religionsgemeinschaften entscheiden.

    So platt ist es nicht wirklich richtig. Der Staat entscheidet, dass religiöse Bildung sinnvoll ist. Da der Staat aber nicht für die Religionsgemeinschaften entscheiden kann, legen diese fest, welche Inhalte sinnvoll ist. Der Staat prüft, ob sich diese Inhalte mit den staatlichen Werten und dem staatlichen Erziehungsauftrag decken.


    Spannend wird es, wenn man das ganze mit dem Islamunterricht vergleicht. In Niedersachsen wird gerade projektartig islamischer Religionsunterricht angeboten. In der Summe wird es sehr positiv aufgenommen. Statt dass die Kinder in irgendeiner Moschee ggf. finanziert durch die türkische staatliche Relgionsbehörde oder durch irgendjemand anders, vom Islam hören, gibt es in der Schule einen staatliche Lehrkraft, die im Einklang mit unseren Verfassung und unseren Werten den Kindern den Islam näher bringt. Gerade dieser Aspekt wird überwiegend positiv gesehen. Statt im privaten erfolgt die religiöse Bildung unter staatlicher Aufsicht.

  • ...Statt im privaten erfolgt die religiöse Bildung unter staatlicher Aufsicht.

    Ja, das hat WillG auch schon geschrieben, das wäre dann der einzige positive Aspekt, wenn es denn so ist. Ob radikale Strömungen unterbunden werden, weil in der Schule Religionsunterricht angeboten wird, weiß ich nicht. Hast du dazu belastbare Zahlen gefunden?

    Hier geht es um einen Glauben, der in irgendeiner Form Millionen bzw. Milliarden von Menschen bewegt. Das kann man nicht einfach als Hokuspokus abtun.

    Vielen Menschen ist Glaube wichtig, deswegen hat trotzdem keiner von ihnen den "richtigen", den er staatlich finanziert an kinder weitergeben sollte.


    Ich hatte mal eine zehnte Klasse in Religion. Wir hatten das Thema Schöpfungsgeschichte. Es war eigentlich keinem Schüler bewusst, dass man die Schöpfungsgeschichte nicht als wissenschaftlicher Tatsachenbericht sehen muss.


    What? War das eine evangelikale Sekte? Umso mehr brauchen sie Biologie und Geografie und nicht noch mehr Bibelgeschichten.

  • Vielen Menschen ist Glaube wichtig, deswegen hat trotzdem keiner von ihnen den "richtigen", den er staatlich finanziert an kinder weitergeben sollte.

    Im Idealfall bietet der Staat verschiedene Alternativen an: evangelische Religion, katholische Religion, Werte und Normen und ggf. islamische Religionslehre. Dann kann jeder frei entscheiden, was er gerne lernen möchte. Trotzdem macht es durchaus Sinn, dass der Staat dieses Angebot vorhält.


    Hast du dazu belastbare Zahlen gefunden?

    Ich wüsste nicht, wie man das erreichen will. Insbesondere ist es bisher nur ein Projekt. Aber ich denke, dass grundsätzlich Aufklärung das sinnvollste ist, was man gegenüber radikalen Menschen machen kann.

    What? War das eine evangelikale Sekte? Umso mehr brauchen sie Biologie und Geografie und nicht noch mehr Bibelgeschichten.

    Die Schöpfungsgeschichte hat nichts mit Biologie oder Geografie zu tun. Es geht um die Beziehung von Gott und Mensch und Mensch und Erde. Insbesondere wenn man sie in den historischen Kontext mit dem babylonischen Exil und dem babylonischen Glauben setzt. Das ist durchaus ein spannendes Thema, wo man verschiedene Glaubensansätze miteinander in Beziehung setzen und vergleichen kann. Am Ende hat man eine kritische Auseinandersetzung mit dem Text.

  • Warum?

    Weil Religiösität / religiöse Bildung ein (wichtiger) Teil der menschlichen Existenz ist. Daher ist es sinnvoll, Schülern diese Inhalte näher zu bringen. Die Entscheidung was ich daraus mache, liegt dann natürlich bei der einzelnen Person. Man darf auch nicht vergessen, dass es auch Menschen gibt, die in der Jugend Atheisten sind und später vielleicht auch nach Schicksalsschlägen einen Zugang zum Glauben finden. Wenn wir uns beispielsweise an Fowlers Stufen des Glaubens orientieren, wäre es sinnvoll, dass viele Menschen eine hohe Stufe erreichen und dadurch befähigt werden eine kompetente Entscheidung über ihren persönlichen Glauben zu treffen.

  • Im Idealfall bietet der Staat verschiedene Alternativen an: evangelische Religion, katholische Religion, Werte und Normen und ggf. islamische Religionslehre.

    Und warum gerade diese? Werte und Normen reicht für die genannten Anliegen.

    Aber ich denke, dass grundsätzlich Aufklärung das sinnvollste ist, was man gegenüber radikalen Menschen machen kann.

    Konfessioneller Reliunterricht ist keine Aufklärung.

    Wenn wir uns beispielsweise an Fowlers Stufen des Glaubens orientieren, wäre es sinnvoll, dass viele Menschen eine hohe Stufe erreichen und dadurch befähigt werden eine kompetente Entscheidung über ihren persönlichen Glauben zu treffen.

    Kompetente Entscheidungen kann ich nur treffen, wenn ich verschiedene Optionen wertfrei vermittelt bekomme.


    Wir drehen uns im Kreis.

  • Im Idealfall bietet der Staat verschiedene Alternativen an: evangelische Religion, katholische Religion, Werte und Normen und ggf. islamische Religionslehre.

    Der Bildungsplan für mein Bundesland kennt darüber hinaus (und davon abgesehen, dass "Werte und Normen" hier unter "Ethik" firmiert und bei "Islamische Religionslehre" der Zusatz "sunnitischer Prägung" hinzugefügt wird):


    - Alevitische Religionslehre

    - Altkatholische Religionslehre

    - Jüdische Religionslehre

    - Orthodoxe Religionslehre

    - Syrisch-orthodoxe Religionslehre


    Wie oft diese in der Praxis angeboten werden, kann ich aber nicht abschätzen.

  • Syrisch-orthodoxe Religionslehre klingt nach einem ziemlichen Exoten. Es müsste erst einmal eine nennenswerte Anzahl an syrischstämmigen Schüler geben und dann sind nur ein kleiner Teil der Syrer überhaupt Christen, da der Großteil muslimischen Glaubens ist.

  • Eher syrisch-orthodox als altkatholisch, würde ich denken ... Gut, deren Religionsunterricht (also der Altkatholiken) würden vllt. auch Anglikaner besuchen, da besteht volle Kirchengemeinschaft.

  • Konfessioneller Reliunterricht ist keine Aufklärung.

    Natürlich ist er das. Die meisten religiösen Fanatiker berufen sich auf Inhalte und Thesen, die oft so nicht von der Mehrheit ihrer Religionsgemeinschaft vertreten werden. Außerdem findet der Unterricht unter staatlicher Aufsicht statt. Es wird beispielsweise sicherlich kein Unterricht stattfinden a la "Missioniere mit Gewalt deine Mitmenschen." Es ist auch sicherlich etwas anderes, wenn jemand den Kindern im islamischen Religionsunterricht erklärt, dass auch Frauen Rechte haben als wenn es jemanden im Werte und Normen Unterricht das macht.

    Kompetente Entscheidungen kann ich nur treffen, wenn ich verschiedene Optionen wertfrei vermittelt bekomme.

    Also erstmal ist die Frage, ob nicht die Religionsgemeinschaft ihre Inhalte selber am besten darstellen kann. Dann ist aber auch die Frage, warum es nicht in Ordnung ist, wenn das Kind/die Eltern selber entscheiden an welchem Religionsunterricht sie teilnehmen wollen. Warum kann ein Kind, dass christlichen Religionsunterricht wünscht, diesen nicht bekommen?

    Und kann Werte und Normen wirklich religiöse Bildung vermitteln? Wie kann ich bestimmte Inhalte wie z.B. Trost finden im Glauben im Rahmen eines Werte und Normen-Unterrichtes vermitteln?

  • Wie kann ich bestimmte Inhalte wie z.B. Trost finden im Glauben im Rahmen eines Werte und Normen-Unterrichtes vermitteln?

    Ich nehme mal an, dass für diejenigen, die hier für "Werte und Normen" plädieren, "Trost finden im Glauben" ein nur schwer vorstellebares Konzept ist.
    Ob das in den Schulunterricht gehört oder nicht, wurde hier schon mehr als ausführlich diskutiert, darum sage ich da nichts weiter zu.

  • Ich nehme mal an, dass für diejenigen, die hier für "Werte und Normen" plädieren, "Trost finden im Glauben" ein nur schwer vorstellebares Konzept ist.
    Ob das in den Schulunterricht gehört oder nicht, wurde hier schon mehr als ausführlich diskutiert, darum sage ich da nichts weiter zu.

    Ich möchte niemandem seinen Glauben ausreden, die Welt kann ein harter Ort sein und jeder kann gerne Trost finden, worin der möchte. Allerdings finde ich regelmäßig die Überheblichkeit irritierend, mit der religiöse Menschen glauben, ein Monopol darauf zu haben.


    Für mich hat die christliche Vorstellung einer "ewigen Glückseligkeit nach dem Tode und dem Einzug ins Paradies" etwas geradezu kafkaesk beklemmendes.

    "Ewigkeit"? Wirklich?

    Ich habe Milliarden Jahre lang vor meiner Geburt nicht existiert und ich hatte dadurch keinerlei Unannehmlichkeiten. Ich vermute, dass es nach meinem Ableben ähnlich sein wird.

  • Ich nehme mal an, dass für diejenigen, die hier für "Werte und Normen" plädieren, "Trost finden im Glauben" ein nur schwer vorstellebares Konzept ist.

    Ne, damit habe ich absolut kein Problem. Es kann sich im Privaten jeder sehr gerne vorstellen, was immer er will. Im Privaten halt. Trost finden im Glauben hat nun wirklich gar nichts mehr mit Schulbildung zu tun. Ob einer die Glückseligkeit im Ultra Trail findet, interessiert im staatlichen Schulwesen auch niemand, das ist halt ein Hobby. Auf dem Niveau verorte ich den sonntäglichen Kirchgang. Mach das, wer will, wir leben in Mitteleuropa in einer diesbezüglich freien Gesellschaft.


    Bezüglich der Ewigkeit: Ich bin fast ein bisschen irrational froh darum, dass ich vor 2 Jahren mal ne OP mit Vollnarkose hatte. Es knipst einem wirklich komplett die Lichter aus. So stelle ich mir das vor, wenn ich nicht mehr da bin. Einfach weg und fertig. Was ein Glück. Die Vorstellung, Reinkarnieren zu müssen, finde ich ehrlich auch sehr gruselig.

  • Im Religionsunterricht geht es ja nicht darum, zu sagen "Entweder ihr glaubt jetzt alle an Leben nach dem Tod oder ihr bekommt alle eine 6!". Von den Religionslehrern hier im Forum (Die meisten scheinen da aus dem Primarbereich zu kommen.) wird das keiner so machen. Mag sein, dass es vereinzelt Kollegen gibt, die das Fach dogmatisch betrachten, aber das kann nicht zur Konsequenz haben, die Sinnhaftigkeit des Faches infrage zu stellen.

    Es kann nicht 100% wissenschaftlich geprüft werden, ob es Gott gibt oder nicht. Das ist vielleicht der Unterschied zu einer "harten" und eindeutigen Naturwissenschaft wie Chemie. Das ist allerdings auch bei den Kerninhalten von Werte und Normen so - und das Fach stellt hier wohl keiner infrage.

  • Irgendwie bemerkenswert finde ich die Sorge, die mancher gläubige Kollege zu haben scheint, dass Kinder nicht ausreichend christlich glauben könnten, weil es niemand in der Schule erklärt. Wenn ich überzeugte Katholikin wäre, hätte ich diese Ängste nicht, weil ich wäre mir meiner Sache ja sicher. Und ob und wie andere Familien beten, könnte mir dann gleich sein. Missionarisch ist ja pfui, wurde allseits betont.

  • Viel irritierender finde ich die konsternierten Blicke, die man hervorruft, wenn praktizierenden Christen gegenüber offen kundtut, dass man glücklich religionsfrei lebt.

    Der Reaktionen gibt es da meiner Erfahrung nach zwei:

    1. Ein überhebliches "Na, du wirst schon auch noch auf den Pfad der Erleuchtung kommen / sehen was du davon hast / du kannst einem aber Leid tun ... "

    2. Ein überfordertes Abwenden, i.d.R. gepaart mit schnippischem "Du musst ja nicht gläubig sein, um zu einem Gottesdienst zu gehen / Das scheint jetzt der neueste Trend zu sein ..."


    Was ich damit sagen will: Die Toleranz alternativen Lebensmodellen gegenüber hält sich da arg in Grenzen (geht ja nicht anders, nimmt Herr/Frau Christ den Missionierungsgedanken ernst), ist aber in erster Reihe mit dabei beim Rufen nach Toleranz oder gar Akzeptanz für religiöse (deckungsgleich in deren Definition mit "christliche") Lebensentwürfe.

  • Auch hier sind Erfahrungen unterschiedlich. Ich habe praktizierende Christen im engen Freundeskreis. Die wissen natürlich, dass ich keine praktizierende Christin bin. Noch nie wurde versucht, mich zu missionieren.


    Im Bible Belt der USA habe ich diese Erfahrung allerdings ganz massiv gemacht. Dort gab es Personen, die nicht akzeptieren konnten, dass ich zwar die Existenz eines Gottes nicht abstreite, aber auch nicht sicher bin, dass es irgendeine Art von Gottheit gibt. Die haben dann Sonntagsmorgens um 7 Uhr bei mir angeklopft, um mich mit zum Gottesdienst zu nehmen. Ich lag da noch im Tiefschlaf. Irgendwann habe ich grundsätzlihc vor 10 Uhr Sonntagsmorgens meine Tür einfach nicht mehr geöffnet. Mir war schon klar, dass diese Personen es aus eigener Sicht heraus sehr gut mit mir meinten (sie wollten mich schließlich zum "richtigen Glauben bekehren, um micht vor der Hölle zu bewahren), aber mich hat es genervt, denn ich wollte schlafen.


    Antimon : Vollnarkose ist abgefahren. Ich wurde im Dezember in Vollnarkose gelegt. Das letzte, was ich zum Anästhesisten gesagt habe war "oh, das ist ja interessant!", dann war ich weg. Nicht so toll war das Aufwachen, denn obwohl ich die vorgegebene Zeitspannn nichts getrunken oder gegessen hatte, war mir im wahrsten Sinne des Wortes kotzübel. Dann ist mir auch noch nicht geglaubt worden (hier sehr passend), dass ich brechen muss. Aber da hätte ich sagen können (habe mich nicht getraut): Wer nicht glauben will, muss PUTZEN!

  • Warum kann ein Kind, dass christlichen Religionsunterricht wünscht, diesen nicht bekommen?

    Weil Schule kein Wunschkonzert ist. Warum kann mein Kind keinen Legounterricht bekommen?

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