Religionsunterricht an staatlichen Schulen?

  • Sobald aber ein Lehrer sagt "es gibt einen Gott und deswegen müssen wir uns so und so verhalten", wird es willkürlich und nicht mehr nachvollziehbar oder kritisierbar

    Das sagt ja auch kein Lehrer, zumindest habe ich so einen Religionsunterricht nicht gehabt und auch nicht erteilt, als ich es noch unterrichtet habe.

  • Das sagt ja auch kein Lehrer

    Jede meiner Religionslehrpersonen hat das genau so gesagt. Aber ich war natürlich auch auf einem katholischen Gymnasium und in der Grundschule hatten wir den versoffenen Dorfpfarrer in Reli. Ich hoffe inständig, dass das heutzutage nicht mehr gar so übel ist, aber abzustreiten, es ginge im konfessionsgebundenen Religionsunterricht auch irgendwie um diesen ominösen Gott ist dann schon etwas absurd. In den Lehrplänen wird der jedenfalls immer mal wieder erwähnt.

  • Ich kenne solche Aussagen auch aus meinem eigenen Religionsunterricht als Schüler.


    Im Prinzip ist es ganz einfach:

    Politik ist keine Wissenschaft, aber Politologie, die sich (geistes-)wissenschaftlich mit Politik beschäftigt, ist eine (Geistes-)Wissenschaft.

    Literatur ist keine Wissenschaft, aber Literaturwissenschaft, die sich (geistes-)wissenschaftlich mit Literatur beschäftigt, ist eine (Geistes-)Wissenschaft.

    Sprache ist keine Wissenschaft, aber Sprachwissenschaft / Linguistik, die sich (geistes-)wissenschaftlich mit Sprache beschäftigt, ist eine (Geistes-)Wissenschaft.

    etc.

    Es lohnt sich wirklich, sich mal mit den Wissenschaftsbegriffen zu beschäftigen, wie ich es oben mal angedeutet hatte. Und zwar gerade auch mit der Art von Wissenschaft, mit der man nicht qua Fach beschäftigt ist, also als Geisteswissenschaftler mit den naturwissenschaftlichen Prinzipien und als Naturwissenschaftler mit den geisteswissenschaftlichen Prinzipien und der Hermeneutik. Man erweitert den eigenen Horizont ungemein.


    Übrigens, Religionswissenschaft, die sich (geistes-)wissenschaftlich mit Religion beschäftigt, ist eine (Geistes-)Wissenschaft.

    Theologie, schon dem Wort nach "Die Lehre von Gott", ist keine Wissenschaft.


    Gender Studies, also die Beschäftigung mit gesellschaftlichen Zusammenhängen um das gesellschaftliche, nicht biologische, Geschlechterkonstrukt ist keine eigene Wissenschaft. Aber als Bestandteil der Soziologie natürlich ein geisteswissenschaftlicher Bereich.

  • Kannst du welche dieser Weisheiten benennen?

    wie wärs mit: "Liebe deinen nächsten, wie dich selbst" oder "Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem anderen, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus" oder "und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben."

    Soll man jetzt Kindern davon erzählen, wie der Verurteilten die Gewebsflüssigkeit in die Lungen läuft, weil es dabei um eine damals übliche Strafe handelte?

    Nein, warum willst du das tun? Das spielt für den Glauben überhaupt keine Rolle wie er gestorben ist.

    Was für eine Gesellschaft soll das sein, in der die „Vergebung von Sünden“ nicht an Reue gebunden ist, an Einsicht und Wiedergutmachung, sondern an ein Menschenopfer?

    Das ist auch nicht das Konzept des Christentums, sondern: "So tut nun Buße und bekehrt euch, dass eure Sünden getilgt werden." Die Voraussetzung der Vergebung von Sünden ist immer die Reue und Einsicht und dazu gehört auch die Wiedergutmachung. Das "Menschenopfer" hat im Christentum eine andere Bedeutung in der Vergebung der Sünden zu Gott und entbindet dich nicht in der Reue und Wiedergutmachung, was du anderen Menschen angetan hast.

  • Ich kenne solche Aussagen auch aus meinem eigenen Religionsunterricht als Schüler.

    Solche Aussagen kannte und kenne ich aus meinem Elternhaus, aber nicht aus der Schule. Meine Mutter setzte Gott gerne als Erziehungsmittel ein und fühlte sich durch meine Antworten als Jugendliche vor den Kopf gestoßen. Sie will mich noch heute vor dem Essen zum Beten zwingen, weil Gott mir angeblich das Essen schenkt.

  • Um mal die Gesamtstimmung hier etwas zusammenzufassen: Bin ich richtig, dass Religionsunterricht nicht gänzlich abgelehnt wird, sondern eher eine Variante gewünscht, die

    - informierend statt bekehrend ist

    - Inhalte statt Meinungen bewertet

    - Bezüge zu ethische Fragestellungen und andere Weltreligionen zulässt

    - auch Raum für Religionskritik (vermutlich eher Richtung Sek II) bietet

    ?

  • Ich sehe das so wie Antimon.

    Ganz grundsätzlich sehe ich das Problem in jeder Form des konfessionellen Religionsunterricht.

    Ja, ich weiß schon, Reichskonkordat, Grundgesetz und so weiter. Ich habe aber bisher in vielen Diskussionen bisher nur einen einzigen überzeugenden inhaltlichen Grund gehört, der für konfessionellen Religionsunterricht an staatlichen Schulen spricht, und zwar, dass der Staat damit die Diskurshoheit nicht in wenig kontrollierbaren Sonntagsschulen (und anderen konfessionellen Einrichtungen) lässt und damit fundamentalistischer Glaubenslehre ein wenig Einhalt bieten kann. Allerdings frage ich mich, ob das heute, in generell eher religionsfernen Zeiten, noch so eine große Rolle spielt, bzw. ob diejenigen, die für derart fundemantalistische Lehre offen sind, nicht sowieso dort landen, zusätzlich zum staatlich organisierten konfessionellen Religionsunterricht.

  • Ja, ich fand meinen Religionsunterricht ziemlich gut. Er war moderner als das was mir zu Hause über Gott vermittelt wurde. Betrifft alle Themen, die du aufgezählt hast. Das waren auch schon zu meiner Zeit als Schülerin Unterrichtsinhalte und stehen so bis auf den letzten Punkt auch schon im Bildungsplan der Grundschule.

    Heutzutage sind viele Kinder getauft und haben oft erst in der Grundschule Kontakt zur christlichen Lehre. Die brüsten sich in der 3. Klasse damit, schon zwei mal in der Kirche gewesen zu sein (das waren die Schulgottesdienste in Klasse 1 und 2). Nicht bei allen ist es so, aber bei vielen. Die Glaubenserziehung wird also auch oft auf die Schule abgewälzt, was aber eigentlich eine Chance sein könnte. Prinzipiell stellt sich mir die Frage, warum Eltern ihre Kinder oft schon als Babys taufen lassen und in den Religionsunterricht schicken, wenn der Glaube zu Hause keine Rolle spielt. Wahrscheinlich sind es die schönen Feste, die man feiern will. Taufe, Kommunion, Konfirmation, Hochzeit, Weihnachten, Ostern...

  • Was spricht für dich gegen Ethik statt konfessionsgebundenem Religionsunterricht?

  • Was spricht für dich gegen Ethik statt konfessionsgebundenem Religionsunterricht?

    Vielleicht, damit die Kinder mehr oder überhaupt etwas über ihre eigene Religion erfahren, die Variante von oben ist sowieso dabei.

    Da ich kath. Religionsunterricht erteile, habe ich auch mindestens zur Hälfte italienische Kinder, da spielen der Glaube und die religiöse Erziehung doch noch eine größere Rolle. Aber ich befinde mich ja auch in der katholischen Diaspora, da ist es schwierig, eine gute deutschprachige katholische Kirchengemeinde zu finden. Die Kroaten und Italiener, manchmal auch die Polen haben hier ihre eigenen kath. Gemeinden.

  • Ich bin null religiös und halte konfessionsgebundenen Religionsunterricht für komplett überholt und abschaffungswürdig. Dennoch: indoktriniert und missioniert wurde ich dort nie. Es ist halt nur einfach unsinnig genutzte Zeit im Stundentableau. Wer sich detailliert mit den Ansichten und Prinzipien seines jeweiligen Vereins beschäftigen möchte, sollte das privat bei eben diesem Verein tun.

  • Vielleicht, damit die Kinder mehr oder überhaupt etwas über ihre eigene Religion erfahren, die Variante von oben ist sowieso dabei.

    Da ich kath. Religionsunterricht erteile, habe ich auch mindestens zur Hälfte italienische Kinder, da spielen der Glaube und die religiöse Erziehung doch noch eine größere Rolle. Aber ich befinde mich ja auch in der katholischen Diaspora, da ist es schwierig, eine gute deutschprachige katholische Kirchengemeinde zu finden. Die Kroaten und Italiener, manchmal auch die Polen haben hier ihre eigenen kath. Gemeinden.

    Was ist "die eigene Religion" deiner Ansicht nach? Ist sie angeboren und muss in der Schule ausgebildet werden, weil sonst was eigentlich genau passiert?


    Für mich ist Religion Privatvergnügen, manchem tut sie gut, andere begehen in ihrem Namen Kriege, verdienen einen Sack Geld oder diskriminieren Minderheiten. Nichts an sich staatlich Schützenswertes, gleichwohl die Freiheit zur Ausübung derselben natürlich bewahrt werden muss.

  • Wenn wir uns als Gesellschaft religionsoffen zeigen, sollen auch Kinder Kontakt zur Religion erhalten, die aus Elternhäusern kommen, die aufgrund fehlendem Hintergrundwissens selbst keine religiöse Grundbildung bieten können. Außerdem hat ein staatlich kontrollierter Religionsunterricht den Vorteil, dass Fehlvorstellungen und Extremismus eingeschränkt werden. Und natürlich das Offensichtlichste: Ostern und Weihnachten sind Feiertage, die nicht vom Himmel gefallen sind. Kinder sollten wissen, warum diese Feste gefeiert werden, ob sie sie selbst aktiv feiern oder nicht.

  • Für mich ist Religion Privatvergnügen

    Das sind Politik, Sport und ästhetische Fächer streng genommen auch. Dennoch sind diese Fächer verpflichtende Fächer, weil sie als wichtig empfunden werden, um junge Menschen gesellschaftsfähig zu machen. Jeder junge Mensch hatte mit Politik, Sport und Ästhetik über mehrere Jahre hinweg unausweichlich Berührungspunkte. Ob er dann im Erwachsenenalter jemals wieder Berührungspunkte damit haben wird, das ist dann wiederum Privatvergnügen, welches er auf Grundlage seiner bisher gemachten Erfahrungen erleben kann oder sich bewusst dagegen entscheidet.

  • Wenn wir uns als Gesellschaft religionsoffen zeigen, sollen auch Kinder Kontakt zur Religion erhalten, die aus Elternhäusern kommen, die aufgrund fehlendem Hintergrundwissens selbst keine religiöse Grundbildung bieten können. Außerdem hat ein staatlich kontrollierter Religionsunterricht den Vorteil, dass Fehlvorstellungen und Extremismus eingeschränkt werden. Und natürlich das Offensichtlichste: Ostern und Weihnachten sind Feiertage, die nicht vom Himmel gefallen sind. Kinder sollten wissen, warum diese Feste gefeiert werden, ob sie sie selbst aktiv feiern oder nicht.

    Was wäre denn eine universelle religiöse Grundbildung? Anleitung zum Beten? Ich habe den Eindruck, als ob du immer als katholischer Christ denkst, es aber nicht zu merken scheinst. Klar kann man was von Ostern erzählen. Und eben auch von anderen Feiertagen. Ich erinnere mich an eine Kollegin im Referendare-Forum vor vielen Jahren, die es schade fand, dass ihr nie jemand zu Chanukka gratuliert (sagt man so?) oder überhaupt nur weiß, was Jom Kippur ist.

    • Offizieller Beitrag

    das wird jetzt absurd. Es gibt keinen interessensgebundenen Sport- oder Kunstunterricht oder meinungsgebundenen Politikunterricht.
    Ich erteile keinen parteipolitischen Unterricht, damit die Kids "ihre eigene politische Meinung" kennenlernen und dann die anderen Parteienmeinungen erkunden.
    Wir haben einen kriterienorientierten, offenen, meinungsungebundenen Politikunterricht, der sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert.


    Es ist beim Religionsunterricht anders. Alles, was religionsübergreifend und werteorientiert ist, ist eigentlich Ethikunterricht. Und der Reliunterricht ist es auch immer mehr (Ethikunterricht) mit jeweiligem Touch. Also könnte man gemeinsamen Ethikunterricht für Alle haben, und wer "seine eigene Religion" kennenlernen möchte, kann dies auch im Katechismus oder Konfirmandenunterricht (etc..) machen.

    • Offizieller Beitrag

    Ich erinnere mich an eine Kollegin im Referendare-Forum vor vielen Jahren, die es schade fand, dass ihr nie jemand zu Chanukka gratuliert (sagt man so?) oder überhaupt nur weiß, was Jom Kippur ist.

    Was ist aus ihr geworden, eigentlich? Ist sie mit hierher "gewandert"?

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