Herausforderungen/Zweifel auf dem Weg zum Lehrer

  • Guten Tag, ihr könnt auch direkt runter schauen zur eigentlichen Frage, wenn ich nicht meinen ganzen Text lesen wollt,


    ich bin gerade 23 Jahre alt geworden und studiere HRSGe Lehramt und fange im Oktober mit dem ersten Mastersemester an. Um etwas praktische Erfahrung zu erhalten habe ich einen Werksstudenten Job an einer Realschule in Köln im Stadtteil Porz angefangen. Bei dem Job unterrichte ich nicht wirklich, jedoch leite ich Fußball AG's, leite Hausaufgaben Betreuung und ich mache im Pausenraum der Klassen 8-10 Aufsicht. Ich muss also schon schauen, dass vernünftig gearbeitet wird, nicht an die Handys gegangen wird und sich die Jungs nicht prügeln.


    Die Klasse 5 der Fußball AG ist eine große Herausforderung für mich, weil sich die Schüler bei kleinen Fouls sehr anfangen zu prügeln und stark zu beleidigen. Wenn wir anfangen dauert es erstmal 5 Minuten bis alle leise sind und ich die Anwesenheit checken kann. Wir spielen etwa 15 Minuten ohne Probleme und danach kommt meisten das erste Foul was die Schüler immer sehr persönlich werden, sodass sie sich dann anfangen zu prügeln. Obwohl ich echt laut werde kann ich sie nicht direkt auseinander bringen. Wenn sowas passiert kommt es im gleichen Moment vor, dass sich andere beleidigen. Mit anderen Worten es bricht echt ein Chaos aus über welches ich nicht mehr 100% Herr der Lage bin.


    Ich fange leider etwa an zu zweifeln, dass die Schüler nicht vollen Respekt vor mir haben. Ich bin zwar noch sehr jung, jedoch sehe ich auch noch sehr jung aus. Ich habe das Gefühl, dass mein Alter und der Fakt, dass ich noch kein richtiger Lehrer sondern nur ein Betreuer bin dazu führ, dass die Schüler (vor allem die jungen aus der 5. Klasse) nicht ausreichend Grundrespekt vor mir haben.


    Mit den Schüler*innen aus den Klassen 8-10 habe ich weniger Probleme. Klar muss ich da auch was doppelt sagen usw, aber diese respektieren mich insgesamt mehr. Ich denke ich mag den Job sehr gerne, vor allem die älteren Schüler*innen sind dankbar wenn ich mir Zeit nehme um denen ihnen bei Referaten Vorschläge gebe und wenn ich ihnen bei den Hausaufgaben helfe. Das macht mich sehr glückglich wenn sie sich bedanken, dass ich ihnen weitergeholfen habe. Bei der 5. Klasse der Fußball AG spüre ich wenig Dankbarkeit.


    Nun kommen wir zu meiner Frage: Ich wollte nun einfach mal erfahrene, richtige Lehrer fragen, ob solche Zweifel/Bedenken/Sorgen, dass man die Schüler*innen nicht 100% unter Kontrolle sind und dies einige angehende Lehrkräfte haben. Ob diese Herausforderung immer wieder im Beruf kommt und ob ihr gemerkt habt, dass der Respekt der Schüler*innen gewachsen ist, wenn man richtiger Lehrer ist. Man hört ja oft immer von diesen Szenarien, dass die Lehrer aufhören, weil sie sich nicht richtig durchsetzen können. Dies möchte ich natürlich vermeiden. Bisher habe ich bei meinem Job schon viel gelernt und auch schon schöne Momente gehabt. Ich wollte einfach mal die Sicht von erfahrenen Lehrer*innen dazu hören.


    Meine Mitstudierenden haben teilweise ähnliche Job und die haben noch nie darüber geklagt, dass sie nicht Herr der Lage sind.


    Vielen Dank schonmal für eure Erfahrungen.

  • Ich würde das nicht überbewerten. Realistisch betrachtet haben vermutlich alle Lehrer*innen (auch immer mal wieder) Schüler*innen und Klassen, in denen nicht alles rund läuft oder man sich den Respekt irgendwie sehr erkämpfen muss. (Das geben Lehrer*innen nur vermutlich nicht gerne zu oder erst, wenn sie souveräner geworden sind durch mehr Erfahrung.) (Und Hölle, wenn ich an meine Schulzeit als Schülerin denke. So richtig lustig war das für viele Lehrer*innen auch echt nicht rückblickend betrachtet…)

    Man muss Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“

    Elie Wiesel

  • "Grundrespekt" ist meiner Erfahrung nach nichts, was Du qua Person sofort hast, sondern etwas, das mit einer Beziehungsebene wächst und sich entwickelt, je besser Du die SchülerInnen kennst und umgekehrt. Kurzum: Nicht überbewerten. Nur nachmittags für wenige Stunden im Sport dabei zu sein, ist undankbar. Gib dem Ganzen eine Chance und lern deine SchülerInnen später mit ausreichend Zeit ordentlich kennen, dann reguliert sich Vieles durch gute Beziehungsarbeit von selbst.

  • Die Kleinen sind sowieso schwierig (finde ich), dann noch Nachmittags wo sie sowieso schon aufgedreht sind und dann noch im Sportunterricht? Wird schon :)

  • Wenn es zu körperlichen Übergriffen unter den Schülern kommt (ich weiß ja nicht, was du unter Prügeln verstehst) und das nicht spaßig gemeinte Klapse etc. unter Freunden sind, muss das aus meiner Sicht sofort unterbunden und geahndet werden (also zumindest den Klassenlehrer informieren).


    Ich würde an deiner Stelle da auch nicht zu viel rein interpretieren, vor allem, da du ja sagst, dass es sonst gut läuft und es dir eigentlich Spaß macht.

  • Das ist ganz normal und einen Sack Flöhe zu hüten, kann man tatsächlich lernen. Wenn die Anwesenheitskontrolle 5 min dauert, so what? Es ist ihre Spielzeit.


    Falls du ein paar Tips möchtest, können wir hier auch sammeln. Wenn nicht, ist es auch okay, das wird schon...

  • Obwohl ich echt laut werde kann ich sie nicht direkt auseinander bringen.

    Du solltest nicht laut werden, Schiedsrichter werden das auch nicht. Andere Strategie fahren, Spielstrafen vielleicht.

    Wirke ruhig. Souverän.

    Hab im Hinterkopf, dass so manche deiner Flöhe vereinsmäßig trainiert werden und dort auch spielen.

    Porz ist überschaubar. Lass dich mal bei nem Vereinsspiel deiner Kids blicken. Von dem Moment an bist du ne Nummer.


    Setze verrückte Trainingsmethoden ein, die sie aus dem Verein nicht kennen (blind spielen z.B., mit Schaumgummikrägen oder Schlafbrillen).

    Übertreib ein wenig hinsichtlich deiner Beziehungen zur Szene oder so ...

    Kinder wollen fasziniert werden.

    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

    Einmal editiert, zuletzt von Websheriff ()

  • Ich hatte als Studentin auch mal so eine Stelle, allerdings an einer Brennpunkt-Grundschule. Man hat mir sogar nahe gelegt, meinen Berufswunsch zu überdenken von Seiten der damaligen Schulleitung. Damals gab es aber noch keinen Lehrermangel. Ich hatte echt starke Zweifel. Letztlich passte die Schule gar nicht zu mir und meinem Stil und Hausaufgabenbetreuung plus eine Sport-AG am Nachmittag sind echt ziemlich schwierig je nach Umfeld und werden gleichzeitig unterschätzt.

    Auf jeden Fall war ich dann im Referendariat sehr erstaunt, wie häufig meine Lehrerpersönlichkeit und meine natürliche Autorität bei gleichzeitiger Zugewandtheit (an einer Brennpunkt-Gesamtschule) gelobt wurden. Später als fertige Lehrerin hatte ich zwar auch manchmal laute Stunden, aber ich denke ehrlich gesagt nach fast 20 Jahren Berufserfahrung, dass jede*r, der behauptet, die wirklich nie, auch nicht in der 8. Stunde in der Sport -Vertretung in einer fremden Klasse, Disziplinprobleme zu haben, ein*e Lügner*in oder ein ganz anderer (und nicht unbedingt besserer) Lehrertyp ist. Oder an einer Schule ist, wie ich sie noch nie von innen gesehen habe.

    Ergo: setze auf Beziehungsarbeit, wenn du den Werkstudentenjob länger machen möchtest und arbeite etwas an Körpersprache und Stimme, falls an der Uni was angeboten wird, das schadet eigentlich nie. Und ansonsten halte durch, mach auf jeden Fall noch das Praxissemester, da zeigt sich vieles dann wirklich.


    Alles Gute!

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