Nutzt ihr im Unterricht gendergerechte Sprache?

  • Ich als einziger generationenübergreifend einziger in meiner Familie, der studiert hat und der in einem 800 Einwohner Kaff ausgewachsen ist und dessen komplette Familie um 5km Radius um dieses Kaff lebt, sitze natürlich im akademischen Elfenbeinturm.


    Genau weil ich das nicht tue, kotzt mich das Getue so an.

  • Ich tippe, dass überhaupt keiner befragt wurde, sondern es sich um eine Beobachtung handelt, wie sie sich selbst vorgestellt haben und untereinander unterhalten haben.


  • "Wolfgang Heithorst


    ·

    Liebe Kolleginnen und Ķollegen, wer von Euch hat gute Erfahrungen mit Hotels für Busgruppen ab 40 Personen in Kempten/Allgäu und kann mir entsprechende 3 bis 4-Sterne-Häuser empfehlen? Vielen Dank im Voraus für Eure Unterstützung."

    https://www.facebook.com/group…26531908584/?locale=de_DE



    Das hat jetzt 2 sec. gedauert, gleich der erste Tag - aktuell aus Facebook.

    Ein Busfahrer spricht seine Kolleginnen und Kollegen an mit Doppelnennung.


    Also bitte :)


    Spaßeshalber bin ich nun 5 min in Foren von Busfahrer:innen und Reiseleiter:innen rumgeturnt. Auch das ist natürlich nur eine klitzekleine Stichprobe. Da haben sich Reiseleiterinnen als ebensolche betitelt, manche haben das generische Maskulinum benutzt, einige Doppelformen. Wir brauchen also nicht so zu tun, als sei die Diskussion ein elitäres Uni-"Getue", das Menschen "ankotzt". Diese despektierliche Ausdrucksweise finde ich befremdlich. Wer so an Diskurse herangeht... ich weiß nicht. Das ist schon sehr verachtend anderen Menschen gegenüber, die ja die gleichen Rechte haben.

  • Ehrlich gesagt finde ich es einigermassen beschämend, wenn ausgerechnet Naturwissenschaftler*innen in Bezug auf Sprache auf dem "wo komm wer denn da hin!!!" Niveau diskutieren. Ich hatte in der Fachdidaktik in beiden Fächern Veranstaltungen zu gendergerechtem Unterricht, es gibt regelmässig Fortbildungen zu sprachsensiblem Unterricht in den Naturwissenschaften.

    Der gute alte Leisen ... ja, den kennt man eigentlich.

  • Ich hatte in der Fachdidaktik in beiden Fächern Veranstaltungen zu gendergerechtem Unterricht, es gibt regelmässig Fortbildungen zu sprachsensiblem Unterricht in den Naturwissenschaften.

    Cool, ich wusste nicht, dass es sowas gibt. Hast du diese Veranstaltungen in der Schweiz belegt, oder gehören sie in Deutschland auch zur Ausbildung?

  • Diese Tendenz gibt es vor allem unter "Lehrkräften" und sonstigem privilegierten Bildungsbürgertum.


    Frag mal die Frau, die den Bus lenkt. Die stellt sich vor mit "ich bin Busfahrer".

    Also meine unstudierten Nachbarinnen bezeichnen ihre Berufe selbst als „Erzieherin“, „Zugbegleiterin“, „Bürokauffrau“, „Hausmeisterin“, „Verkäuferin“, „Mechanikerin“,… Ist natürlich nur anekdotische Evidenz, aber ich bezweifle sehr, dass du du dir je die Mühe gemacht hast, mit Busfahrerinnen darüber zu sprechen, wie sie ihren Beruf bezeichnen und ob sie sich von einem generischen Maskulinum ausreichend mitgemeintund sprachlich repräsentiert fühlen. Insofern ist das genauso wie bei Kollege Gymshark mit seinen diversen „Weisheiten“ einfach nur Whataboutism.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich als einziger generationenübergreifend einziger in meiner Familie, der studiert hat und der in einem 800 Einwohner Kaff ausgewachsen ist und dessen komplette Familie um 5km Radius um dieses Kaff lebt, sitze natürlich im akademischen Elfenbeinturm.


    Genau weil ich das nicht tue, kotzt mich das Getue so an.

    Entschuldige bitte, aber das trifft auf mich exakt gleich zu. Man hat bei uns auf'm Dorf vor 30 Jahren schon vom Chemielaboranten und der ChemielaborantIN gesprochen. Meine Mutter war übrigens gelernte EinzelhandelskaufFRAU.

  • Ich kann nicht für Antimon sprechen, aber an meiner Uni gab es das auch.


    Im Bereich der Erziehungswissenschaften, in den Heterogenitätsmodulen, sowohl im B.A., als auch im Master nochmals. Da ging es um Gendersensibilität, aber auch um Umgang mit Mehrsprachigkeit, uvm., das war fächerübergreifend, wir saßen da alle "gemischt".

    Wie ändere ich z. B. Schulbuchtexte um, dass sie leichter verständlich werden. Ist es richtig zu sagen, Nordamerika wurde "besiedelt" und Völker "befriedet" usw.?

    Josef Leisen (Physiklehrer) war da immer genannt und die Funktionale Grammatik nach Halliday (in Verlängerung auch dazu Schleppegrell, Olivera etc.) war ein mögliches Tool.

    Für mich war das ein bisschen langweilig, weil ich das ja in meinen eigenen Fächern eh schon hatte ...

  • Ich kann mir vorstellen, dass es vielleicht doch auf die Länge ankommt.

    Die Busfahrerinnen nennen sich Busfahrer, weil das kürzer ist.

    Die Fachangestelle nennt sich Fachangestellte, weil das kürzer ist als Fachangestellter.

    :autsch: Oder, sie machen das eben naheliegenderweise, weil sie sich von einer generisch männlichen Form nicht mitgemeint und sprachlich ausreichend repräsentiert fühlen würden.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Gendergerechter Unterricht hatten wir als Thema schon damals in der Ausbildung; sowohl in Mathe als auch Physik.

    Dabei ging es aber nicht um Dinge wie "Schüler:innen", oder soetwas.

    Sondern darum, dass wir bei Textaufgaben nicht schreiben sollen:

    "Die Mutter kauft für das Mittagessen .... Wie teuer ist das Essen", sondern "Der Mann kauft für das Mittagessen .... Wie teuer ist das Essen"

    und statt "Die Erzieherin besucht mit ihren Kindern den Zoo... Wie viel muss sie bezahlen?", sondern "Der Erzieher geht mit seinen Kindern in den Zoo..".

    Im Grunde also immer das Geschlecht nehmen, dass in der "Berufsgruppe" die (angebliche) Minderheit darstellt.

  • :autsch: Oder, sie machen das eben naheliegenderweise, weil sie sich von einer generisch männlichen Form nicht mitgemeint und sprachlich ausreichend repräsentiert fühlen würden.

    :autsch: Du hast das Wort "vielleicht" in meinem Text gesehen und kennst die Bedeutung des Wortes "vielleicht"? :autsch:

  • :autsch: Du hast das Wort "vielleicht" in meinem Text gesehen und kennst die Bedeutung des Wortes "vielleicht"? :autsch:

    Ja, kenne ich. Macht den Text aber nicht besser.


    —————————————————————————————————



    Papergirl : Danke für deine zahlreichen, wirklich interessanten und informativen Beiträge in diesem Thread. Du bereicherst diese Debatte sehr mit deiner Sach- und Fachkenntnis.


    Ich wünsche dir von Herzen einen guten Start!

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Immer das "andere Geschlecht" nehmen ist sicher so auch nicht gelehrt worden, aber dass man das eben auch macht.

    Es geht bei Gendersensibilität eben um mehr als nur Morpheme, auch das wurde mehrfach gesagt.

    Z. B. Bilder. Wer wird wie oft und wie genau abgebildet? Frauen immer als Opfer von Morden, am Herd, mit Puppen? Auf welcher Seite vom Bild (Agency wird typischerweise mit der linken Bildseite verknüpft, das hat die Forschung belegt, meistens sind Männer links auf Bildern abgebildet)... uvm.

  • Ja, kenne ich. Macht den Text aber nicht besser.

    Es macht den Text dadurch besser. Ich hatte es ja sogar zwei mal eingeschränkt eingeschränkt. Mit "vielleicht" und sogar ein zweites mal mit "kann". Hätte ich diese beiden Worte nicht benutzt, dann wäre meine Aussage falsch gewesen. Mit den beiden Worten ist sie aber richtig. Oder möchtest du jetzt Behaupten, dass ich mir das nicht vorstellen kann?

    Das vermutliche Problem in der Kommunikation ist einfach, dass du vermultich glaubst zu wissen wie ich denken würde.

  • Wer bestimmt denn, was für wen wichtig sein darf? Wenn genügend Menschen doch sagen, hey, wir fühlen uns damit nicht angesprochen. Wenn genug Literatur zeigt, dass ganze Absätze nochmal neu gelesen werden, wenn plötzlich klar wird, Frauen sind auch mitgemeint, vorher aber im generischen Maskulinum verschluckt worden, ist das denn nicht Grund genug, denen zu glauben, dass es zwar für einen selbst keinen Unterschied macht, für andere aber ganz bestimmt?

    Wurden denn nicht Männer im generischen Maskulinum genauso verschluckt? Ich würde da den Vergleich mit den Worten "Mensch" und "Person" anstellen. Denkst du beim Begriff "Mensch" erst einmal an eine Frau, einen Mann oder doch erst einmal ein nicht näher geschlechtlich definiertes Wesen, was sich durch bestimmte biologische Merkmale äußerlich definiert?

  • So käme ich in dem Beispiel „Alle Grundschullehrer erhalten ab jetzt A13.“ nie auf die Idee, diese Form als die männliche Form zu interpretieren. Quittengelee dagegen schon.

    Stell' dir vor: Ich auch!

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Wurden denn nicht Männer im generischen Maskulinum genauso verschluckt? Ich würde da den Vergleich mit den Worten "Mensch" und "Person" anstellen. Denkst du beim Begriff "Mensch" erst einmal an eine Frau, einen Mann oder doch erst einmal ein nicht näher geschlechtlich definiertes Wesen, was sich durch bestimmte biologische Merkmale äußerlich definiert?

    Nein. Eben nicht.

    Ich habe Schulbücher untersucht. Wenn immer das generische Maskulinum genutzt wird, dann zusätzlich 87-90% Autoren (Männer) aufgeführt werden, für manche Epochen sogar zu 100%, dazu dann noch ein Großteil spezifischer Maskulina genutzt werden, weil es explizit um Goethe oder Schiller geht, es fast keine Feminina gibt, dann ist das generische Maskulinum nicht Männer-verschluckend. Im Gegenteil. Man kann es gar nicht mehr inklusiv lesen.

    Darüberhinaus wurden in meinen Quellen auch noch zu 88% Männer zitiert (Expertise ist männlich konnotiert), 130 Werke von 84 Frauen wurden teilweise abgedruckt, dem stehen 957 Werke von 439 Männern gegenüber ... und dann kommen noch Sätze wie "informieren Sie sich über die Biographien der drei Autoren" - 2 davon waren Männer, 1 eine Frau!


    Dann grenzt das an Geschichtsverfälschung und sicherlich nicht zugunsten der Frau.


    70-97,6% des Bildmaterials stammte aus Männerhand, die meisten zeigten auch nur Männer. Wenn Frauen abgebildet wurden, dann als Opfer (das Parfum z. B.). Lexeme, die Frauen betrafen, waren u. a. "Hure, Tippfräulein, Trümmerfrau, Spinnerin, Bardame, Waschfrau", Männer waren "Hauptmann, König, Autor, Widerständler, Universalgelehrter, Professor, Journalist, Minister, Anwalt" ...


    Das sind aktuelle Oberstufenbücher, die ich untersucht habe.

    Welches Weltbild machen die auf?

  • "Einen ersten Überblick über Namen und ihr Vorkommen geben die Literaturangaben

    der Schulbücher. Diese wurden ausgezählt und grafisch aufbereitet. Alle drei

    Quellen favorisieren männliche Autoren mit 151:17 (Q1); 184:55 (Q2) und 673:85 (Q3)

    Einträgen, sodass insgesamt 1008 Männer und lediglich 157 Frauen in diesen genannt werden.

    Gemeinsam mit dem GENERISCHEN Maskulinum, das Frauen miteinschließen soll, aber

    nicht tatsächlich abbildet, und Themenfeldern, die Frauen auf Familie und Beziehung

    festlegen, Männern jedoch Handel, Politik, Justiz, Militär etc. zuschreiben, kurzum ihnen

    das Lenken des Weltgeschehens an- und Frauen aberkennen, führt diese weitere Dominanz

    des Männlichen zu einem weiteren Ausschluss von Frauen."


    "In allen drei Quellen werden vornehmlich männliche Autoren und ihre Werke vorgeschlagen [in der Rubrik Literaturtipps] und ergeben zusammen 376 männliche zu 57 weibliche Angaben."


    (Selbstzitat aus meiner Masterarbeit)

Werbung