Nutzt ihr im Unterricht gendergerechte Sprache?

  • Was mir spontan einfiel: Wurden nichtbinäre Menschen je gefragt, ob sie die Sternchenschreibweise gut finden oder haben das binäre Menschen entschieden, dass das in deren Interesse sei? Und was wäre, wenn ein nichtbinärer Mensch jetzt sagen würde, dass er den Genderstern ablehnt? Würden die Befürworter ihn dann auch tatsächlich weglassen?

    Da sind die Meinungen sicherlich auch gespalten. Ich kenne leider nur sehr wenige und ich würde sage es hält sich die Waage. Extrapolieren kann man sicher aus meinen Erfahrungen nicht. Ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, wer diese Debatte angestoßen hat.

  • Ich weiß nicht, ob es an meiner westfälischen Herkunft liegt, aber ich produziere z. B. bei „Spiegel-Ei“ oder „Aleuten“ auch keinen Knacklaut, sondern mache eine winzige Pause. Muss ich jetzt zum Orthopäden?

    In Standardsprache muss bei (das) Spiegelei ein Glottisschlag zwischen Spiegel und Ei, um es von (die) Spiegelei zu unterscheiden, sonst klingt es gleich. In Alltagssprache passiert das jedoch überwiegend nicht, sondern es wird resilblifiziert (Spie-gel-ei > Spie-ge-lei). Dann sind die beiden Wörter lautlich nicht zu unterscheiden, aber der Kontext ist ja eindeutig genug.


    Der Glottisschlag im Sinne des Genderns wird sich sicherlich nicht durchsetzen. Er ist zwar ganz klar ein Phonem (Laut) der deutschen Sprache - hauptsächlich um Wörter voneinander zu trennen -, aber kein Morphem (bedeutungstragendes Element) des Deutschen. Da das Deutsche eine Wortsprache ist, was eine Stärkung der Wortränder durch Konsonanten(cluster) und Glottisschlag nach sich zieht, gibt es einen starken Hang dazu, Glottisschläge innerhalb von Wörtern zu vermeiden. Deshalb ist der Glottisschlag auch so irritierend, da er i.d.R. ein neues Wort ankündigt. Die Movierung "-innen" (wie in "Lehre-rinnen" mit dem Vorgängerkonsonant verschliffen!) klingt dann wie das Adverb "innen".


    Sehr interessant ist die Untersuchung von Sebastian Jäckle ( https://link.springer.com/article/10.1007/s11615-022-00380-z ) zur Einstellung zum Thema Gendern. Bei der Wahl zwischen Genderstern und generischem Maskulinum entscheiden sich 75% für das generische Maskulinum, nur 21% bevorzugen den Stern. Die drei größten Faktoren für die Bevorzugung des Gendersterns waren recht klar auszumachen: politisch links, ökologisch-alternatives Milieu, Zustimmung zu staatlichen Interventionen. Wer also immer mit Addressatenorientierung argumentiert und sich deshalb für die gegenderte Version entschließt, sollte bedenken, dass eine eindeutige Mehrheit es schlicht nicht lesen will! Der Genderstern ist für mich deshalb mehr ein politisches Symbol (einer bestimmten Strömung) als ein sprachliches Symbol mit allen damit verbundenen Konsequenzen.


    Wer sich für die vermeintliche Sprachwirking interessiert, sei das Buch von John McWhorter angeraten: "The Language Hoax. Why the world looks the same in any language". Er hat auch Vorträge dazu gehalten, die man einfach im Netz findet. Darin wird sehr anschaulich anhand zahlreicher Sprachbeispiele verdeutlicht, dass dieses ganze Thema mehr eine akademische Spielerei ist als alles andere.



    Zum Thema: Ich verwende in aller Regel das generische Maskulinum bei Texten, da es sich deutlich besser lesen und verstehen lässt. Um eine mögliche männerlastige Wirkung auszugleichen, verwende ich tendenziell Mädchen/Frauen bei Beispielen.

  • Neben der empirisch nachweisbaren Ablehnung des Gendersterns durch einen Großteil der Bevölkerung fällt mir noch ein weiterer Gedanke in dem Zusammenhang ein: Die Verwendung des Anhängels "-innen" mit vorangegangenem Glottisschlag diene der Sichtbarmachung von Frauen, heißt es oft. Da wir ja nicht nur neutral oder positive, sondern auch negative, Bezeichnungen für Personengruppen verwenden, könnte die Frage gestellt werden, ob die Befürworter auch die Sichtbarmachung von Frauen in gesellschaftlich als negativ betrachteten Kontexten wünschen. Zudem wird das Prinzip ad absurdum geführt, wenn die Genderkonstruktion verwendet wird, obwohl von außen ersichtlich eine bestimmte Gruppe von Personen nur einem Geschlecht zugehörig ist.

  • Also die Matheaufgabe, die bei meinen damaligen 2ern mit "14 Schüler und Schülerinnen" begann, hat damals für Verwirrung gesorgt und die Lernenden wollten immer wissen, wie viele Schülerinnen es denn nun seien, oder ob man da noch was ausrechnen müsse. :skeptisch:

  • Neben der empirisch nachweisbaren Ablehnung des Gendersterns durch einen Großteil der Bevölkerung fällt mir noch ein weiterer Gedanke in dem Zusammenhang ein: Die Verwendung des Anhängels "-innen" mit vorangegangenem Glottisschlag diene der Sichtbarmachung von Frauen, heißt es oft. Da wir ja nicht nur neutral oder positive, sondern auch negative, Bezeichnungen für Personengruppen verwenden, könnte die Frage gestellt werden, ob die Befürworter auch die Sichtbarmachung von Frauen in gesellschaftlich als negativ betrachteten Kontexten wünschen.

    Sag doch einfach, dass du auch Mörder*innen lesen willst.


    Zitat

    Zudem wird das Prinzip ad absurdum geführt, wenn die Genderkonstruktion verwendet wird, obwohl von außen ersichtlich eine bestimmte Gruppe von Personen nur einem Geschlecht zugehörig ist.

    Das dürfte höchst selten vorkommen.

  • Nun, beim ersten Überfliegen habe ich sechs Fehler in der Orthografie bei dir gefunden. Dann müssen deine Schüler*innen ohnehin nicht allzu viel befürchten, solltest du Kenntnisse der deutschen Sprache fachfremd beurteilen müssen. Oder gerade deshalb? Ich werde unsicher ...

  • Nun, beim ersten Überfliegen habe ich sechs Fehler in der Orthografie bei dir gefunden. Dann müssen deine Schüler*innen ohnehin nicht allzu viel befürchten, solltest du Kenntnisse der deutschen Sprache fachfremd beurteilen müssen. Oder gerade deshalb? Ich werde unsicher ...

  • Was ist denn ist denn, wenn Männer von Gleichberechtigung sprechen? Wenn diese also feststellen, dass sie selbst aufgrund ihres Geschlechts Vorteile haben? Was meinen die denn damit?

    Davon abgesehen, ist es sehr aussagekräftig (verräterisch), wenn die Mehrzahl der User*innen hier nur binär denkt und zusätzlich offenbar keinen wirklichen Unterschied zwischen "Genus" und "Sexus" und "Gender" kennt.

    Ich erprobe mich noch, weil es immer dann kompliziert wird, wenn Pronomen oder Begleiter ins Spiel kommen. Dann werden die sprachlichen Kontruktionen wirklich kompliziert und der Lese- oder Redefluss leidet.

    Die Phase des generischen Femininums hatte ich vor 20 Jahren, angeregt durch meine erste Schule mit einem "Lehrerinnenzimmer". Mittlerweile verwende ich meist neutrale Bezeichnungen wie z. B. "Lehrkräfte" oder das Sternchen. Im Zweifel das gernerische Maskulinum.

  • Nun, beim ersten Überfliegen habe ich sechs Fehler in der Orthografie bei dir gefunden. Dann müssen deine Schüler*innen ohnehin nicht allzu viel befürchten, solltest du Kenntnisse der deutschen Sprache fachfremd beurteilen müssen. Oder gerade deshalb? Ich werde unsicher ...

    Erstens fachfremd und zweitens ist Dein Text auch nicht fehlerlos. :zungeraus:

  • Davon abgesehen, ist es sehr aussagekräftig (verräterisch), wenn die Mehrzahl der User*innen hier nur binär denkt und zusätzlich offenbar keinen wirklichen Unterschied zwischen "Genus" und "Sexus" und "Gender" kennt.

    Dann erleuchte die anderen doch damit. ;) Vor allem beim (Gummi-)Begriff Gender wünsche ich wirklich viel Vergnügen, da jeder da etwas anderes drunter versteht. Mir sind Definitionen von Synonym für "sex" (biologisches Geschlecht) bis Geschlechtsidentität (so einer Art angeborener geschlechtlicher Essenz/Seele, die in einem wohnen soll) bekannt.

    Ich habe sogar schon eine Professorin aus den Gender Studies gehört, die sagte, dass sie diesen Begriff meiden würde, weil selten klar sei, was man damit eigentlich meine. Irgendwie tragisch, dass ein Fachbereich dann auch nach so etwas nahezu Undefinierbarem benannt ist ...

  • Witzig, Helmut.

    Eigentlich ist dieser Witz ziemlich erhellend, denn er verdeutlicht, dass es den richtigen Kontext braucht, damit ein Maskulinum im Singular generisch interpretiert wird.

    Bsp. 1: "Ich habe einen Kollegen getroffen." (meint aber Kollegin - das ist dann eine glatte Lüge!)

    Bsp. 2: "Der Spieler links neben dem Kartengeber fängt an." (da müsste schon Männerkartenspiel draufstehen, dass man das rein männlich versteht!)

  • Dann erleuchte die anderen doch damit. ;) Vor allem beim (Gummi-)Begriff Gender wünsche ich wirklich viel Vergnügen, da jeder da etwas anderes drunter versteht. Mir sind Definitionen von Synonym für "sex" (biologisches Geschlecht) bis Geschlechtsidentität (so einer Art angeborener geschlechtlicher Essenz/Seele, die in einem wohnen soll) bekannt.

    Ich habe sogar schon eine Professorin aus den Gender Studies gehört, die sagte, dass sie diesen Begriff meiden würde, weil selten klar sei, was man damit eigentlich meine. Irgendwie tragisch, dass ein Fachbereich dann auch nach so etwas nahezu Undefinierbarem benannt ist ...

    Natürlich kann man den Tenor eines Beitrages auch absichtlich missverstehen oder ignorieren. Ich habe mich in erster Linie an der rein binären Denkweise gestoßen. Dass Termini in Denotation und Konnotation kontrovers diskutiert werden, ist damit doch nicht ausgeschlossen.

    Aber vielleicht habe ich nicht präzise formuliert, ich versuche es erneut: Es gibt mir sehr zu denken, dass offenbar keine semantischen Unterschiede jenseits von 1 und 0 gesehen werden.

  • Eigentlich ist dieser Witz ziemlich erhellend, denn er verdeutlicht, dass es den richtigen Kontext braucht, damit ein Maskulinum im Singular generisch interpretiert wird.

    Bsp. 1: "Ich habe einen Kollegen getroffen." (meint aber Kollegin - das ist dann eine glatte Lüge!)

    Bsp. 2: "Der Spieler links neben dem Kartengeber fängt an." (da müsste schon Männerkartenspiel draufstehen, dass man das rein männlich versteht!)

    In dem Fall wählt man eine sprachliche Konstruktion, die lediglich ausdrückt "eine Person mit der ich zusammenarbeite". Es ist im Deutschen vergleichsweise schwierig, eine Person rein nach Eigenschaften zu charakterisieren, ohne das Geschlecht dieser Person zu benennen, wenn man dieses aus welchem Grund auch immer unbenannt lassen möchte. Für solche Fälle wird häufig zum generischen Maskulinum oder, wenngleich grammatikalisch oftmals inkorrekt, zu substantivierte Partizipien gegriffen.

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