Lernerin kommt 30 Minuten zu spät zur Klassenarbeit - muss ich ihr das Recht einräumen, nachzuschreiben?

  • In meinem Fall liegen die Dinge etwas komplizierter und komplexer. Sagen wir es so: Wenn du in meiner Haut wärest (mit Umständen, die du nicht kennst und die ich hier nicht näher beschreiben will), hättest du auch die Schnauze voll vom System mittlerweile. Ein Großteil meines Frustes liegt in Dingen begründet, die mir versprochen, aber nicht gehalten worden sind. Dafür habe ich auf vieles verzichtet. Oder anders: Wenn wir jetzt noch mal Mitte 2019 hätten, ich hätte es nicht nochmal gemacht: Der Preis, den meine Familie und ich für diese Ausbildung bezahlt haben, ist zu groß. Vielleicht ist es in ein paar Jahren anders. Aber momentan ist das mein Statement dazu. Ich stehe kurz vor der Scheidung - mein Mann hat keine Lust mehr eine Frau zu "haben", die faktisch nur am Schreibtisch sitzt und jedes Jahr sagt, dass es besser wird. Es wird aber nicht besser. Welcher Job ist das wert? Der jetzige wohl kaum.

    Dann mache es dir doch nicht selbst so schwer. Ich hätte die Zuspätkommerin schreiben lassen ab dem Zeitpunkt, wo sie da war und mit den anderen abgeben lassen. Dann bräuchtest du keinen neuen Test, keine Prüfung, keinen Ärger mit wem auch immer. Den Kürzeren hätte sie selbst gezogen. Welt retten geht nicht.

  • Ich find's irgendwie wahnsinnig paradox.
    Du kommst in den Job, weil du dir viel Freizeit für dein Kind und eine geregelte Bezahlung erhoffst, hast aber keine weiteren Ambitionen.

    Und dann willst du trotzdem die Abschlüsse retten, indem du deiner Meinung nach unqualifizierte, sich fehlverhaltende Schüler in die Schranken weist.

    Das beißt sich.

    Vielleicht solltest du dir klar darüber werden, was du von dem Job willst und wie viel du bereit bist, reinzugeben.

  • Übermäßige Wertschätzung sollte man in diesem Job nicht erwarten, von keiner Seite. Die Wertschätzung wird Ende des Monats für den Folgemonat überwiesen.


    Alles andere ist ein Job, den man macht wenn ein Lob kommt, schön. Aber wenn nicht, auch egal.

  • Bei den meisten wird sogar am Ende des Vormonats im Voraus überwiesen.

    Stimmt, wir bekommen quasi sogar Vorschusswertschätzung ^^


    Eigentlich ist es ja traurig, da jeder Mensch Erfolge, Wertschätzung und Lob braucht. Aber ich versuche mich davon auch frei zu machen, der Straßenbahnfahrer bekommt auch kein Danke dafür, dass er jeden Tag die Leute heil von a nach b bringt.

  • Zum Fall hier:


    Ich halte das Verhalten auch pädagogisch nicht für besonders vorteilhaft für die Einstellung der Schülerin. Sie kommt oft zu spät - wie geschrieben wurde - und dafür ist es auch begründet, sanktioniert zu werden. Wenn sie jedoch wie in diesem Fall hier - obwohl sie nichts dafür konnte (es war doch offenkundig die Schuld der Bahn) trotzdem sanktioniert würde, könnte daraus leicht die Einstellung entstehen oder bekräftigt werden: Egal, was ich mache, ich bekomme eh eins auf den Deckel, alle sind gegen mich etc.


    Andererseits könnte man hier auch die Geschichte mit dem Jungen, der immer "Wölfe" gerufen hat, anführen. Würde sie sonst nie zu spät kommen, hätte die Lehrerin bestimmt anders reagiert. Schwierige Kiste. Am Ende sollte man aber vielleicht einfach locker sein, dann braucht man sich später nicht solche Gedanken machen.

  • Das klassische Beispiel ist für mich der Mitarbeiter beim Finanzamt.


    Wofür? Von allen gehasst zu werden? :D Spaß. ;)



    Noch undankbarer scheint mir allerdings nachts Streife fahren in einer Großstadt...


    Glaube ich nicht. Da kommt es auch mal vor, dass Personen Hilfe benötigen und dann auch dankbar sind. Beim Finanzamt hingegen bist du nur ein weitgehend anonymer Bürohengst*in. Kommt aber sicher auch auf die Position an, wie viel "Kundenkontakt" man hat.

    • Offizieller Beitrag

    der Straßenbahnfahrer bekommt auch kein Danke dafür, dass er jeden Tag die Leute heil von a nach b bringt.

    und vielleicht ist es auch eine Frage.
    Ich sage tatsächlich in ca. 70% der Fahrten "Danke" oder "Schönen Tag noch" beim Aussteigen. Das erste Mal habe ich es in Neuseeland mitbekommen, dass die Leute "Thank you" zum Busfahrer sagten und ganz ehrlich: ja, warum nicht?
    Ich sage auch Danke an der Kasse, in der Bäckerei oder bei Auskünften am Telefon. Warum nicht was Nettes sagen?

    Ich musste am Wochenende zum (Hunde)Notdienst, es ist eine reine Katastrophe, "unsere" nächste Tierklinik hat zugemacht, die nächste 70km weiter ist nicht erreichbar gewesen (und ist von einer Schließung bedroht, wie ich später erfuhr), durch soziale Medien erfuhr ich von einer Arztpraxis 20km weiter, die auch Samstag Abend uns empfangen konnte (natürlich zum Wochenendtarif PLUS Notdienstzuschlag). Die Frau hat es am Telefon erwähnt und betont, vor Ort haben wir bezahlt und ich habe mich bedankt, dass sie den Notdienst macht und uns aufgenommen hat. Sie ist mir nicht ums Hals gefallen, aber sie hat sich bedankt, dass ich mich bedanke. Viel zu oft würden die Leute kommen und dann nach der Rechnung schimpfen und warum sie es halt nicht für das Tierwohl mache.

    (oder in unserem Sprech: für die glänzenden Kinderaugen).

    Lasst uns ALLE mehr Menschen Danke sagen, dann ändert sich die Gesellschaft im Kleinen.
    Ich ERWARTE nicht, dass man mir Danke sagt. Aber die (EINE) Mutter, die sich nach einer Klassenfahrt bedankt hat, die trage ich noch im Herzen. Genauso wie Abiturientinnen, die Danke sagten, oder die Mutter einer Abiturientin, die mir extra eine Karte schrieb.
    Kleine Sternchen auf meinem Weg und den Rest erträglich und verdrängbar machen.
    Und wenn ich dem Busfahrer durch meinen Danke ein Lächeln zaubere, dann gerne (und letztens hatte er sogar einen Leckerli für meinen Mitfahrer, also winwin)

  • und vielleicht ist es auch eine Frage.
    Ich sage tatsächlich in ca. 70% der Fahrten "Danke" oder "Schönen Tag noch" beim Aussteigen. Das erste Mal habe ich es in Neuseeland mitbekommen, dass die Leute "Thank you" zum Busfahrer sagten und ganz ehrlich: ja, warum nicht?
    Ich sage auch Danke an der Kasse, in der Bäckerei oder bei Auskünften am Telefon. Warum nicht was Nettes sagen?
    [...]

    Und wenn ich dem Busfahrer durch meinen Danke ein Lächeln zaubere, dann gerne (und letztens hatte er sogar einen Leckerli für meinen Mitfahrer, also winwin)

    Ja mit Freundlichkeit kann man manche irritieren und viele erfreuen :)


    Und zu den Leckerli für den Mitfahrer: In dem Fall dein Hund oder dein Mann? :D

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

    • Offizieller Beitrag

    Und zu den Leckerli für den Mitfahrer: In dem Fall dein Hund oder dein Mann? :D

    Es gibt Sachen, die lasse ich offen.
    Aber man steigert seinen Erkennungswert eher mit "Die mit dem Hund (der so stolz an der Bushaltestelle wartet und sich direkt auf seine Decke hinlegt" als "die mit dem Mann (ja, was.. was KANN der Mann?")

  • Ich versuche mich auch immer zu bedanken. Neulich noch extra bei einer Praxis vorbeigefahren, die einen Nottermin eingeschoben hat, ohne dass meine Tochter da Patientin war. Gottseidank, denn sie musste sofort ins Krankenhaus. Ich bin später vorbeigefahren und habe mich bedankt. Darüber haben sie sich sehr gefreut. Ich bedanke mich auch beim Einkaufen, beim Arzt, im Taxi....


    ABER: Ich erwarte es nicht von meinen Schülern oder Kollegen, denn ich weiß, dass es nicht alle machen und möchte mir die Enttäuschung sparen. Wenn ein Danke kommt: Umso besser. Und natürlich wäre es wünschenswert, wenn man sich bedankt oder auch mal ernsthaft interessiert fragt: "Wie gehts Dir?" Aber das ist hier in der Gegend nicht besonders verbreitet, daher erwarte ich es nicht.

  • Mit denen habe ich auch kein Mitleid. Wer sich sowas aussucht, selbst schuld.

    Mit dem Spruch kann man jedwede Empathie mit Angehörigen des eigenen oder eben auch anderen Berufen abbügeln. Schade eigentlich, dass sich so etwas so viel leichter sagt/ schreibt/ denkt, als, „vor dem/ der habe ich den größten Respekt, weil er/ sie sich einen Job herausgesucht hat, den ich im Leben nicht machen wollen oder machen können würde, den wir aber dennoch benötigen als Gesellschaft“.


    Ich bedanke mich häufig * bei Verkäuferinnen und Co. Ich erwarte nichts im Gegenzug, freue mich aber, wenn ich ebenfalls entsprechend behandelt werde.

    Heute hat mich gänzlich unerwartet ein 10 er im Hinausgehen gefragt, wie es mir gehe, weil er gehört hatte, ich hätte zuletzt einen Unfall gehabt und das Bedürfnis hatte mir zu sagen, dass er froh sei, dass ich nicht verletzt wäre und hat sich für mein Engagement bedankt. Das sind dann so die kleinen, unerwarteten Geschenke auch im Berufsalltag, die gut tun.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: * bei

  • Ich freue mich auch immer, wenn Klassen mich fragen, wie es mir geht. Ich frage zB immer: Wie geht es Euch, wie gehts im Betrieb, was habt ihr am Wochenende gemacht? Und es interessiert mich wirklich: Ob sie heute konzentriert sind oder schlechte Erlebnisse hatten und deswegen heute nicht gut arbeiten können und und und. Die Schüler haben mich nur 2-4 Stunden pro Woche, also habe ich wenig Anteil an ihrer Woche, daher interessiert mich immer, was bei ihnen grad los ist.


    Manche Klassen fragen ersthaft interessiert zurück und dann plaudern wir ein bißchen. In diesen Klassen ist die Leistung aller besonders gut, da die Stimmung einfach passt.

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