Fernunterricht für ukrainische Kinder und Anwesenheit in der deutschen Schule

  • Ich habe mitbekommen, dass meine ukrainischen Schüler wohl zweimal täglich für etwa eine Stunde „Aufgaben bearbeiten“. Unterricht per Videokonferenz ist es wohl nicht, aber irgendwas passiert da. Zugleich haben die Kinder bei uns hohe Fehlzeiten und wirken müde. Ich frage mich, ob man angesichts der wöchentlich etwa 10 Zeitstunden „ukrainischer Schule“ am Computer vielleicht mit den Eltern eine Vereinbarung treffen kann, was die Anwesenheit bei uns angeht. Jede Woche 24 Unterrichtsstunden bei uns plus 10 Zeitstunden am Computer sind ja für Drittklässler ein irres Pensum. Kennt ihr diese Situation? Wie regelt ihr es mit der Anwesenheit in der Schule? Gibt es für diesen Fall Vorgaben von eurem Bundesland (meins ist NRW)?


    Alles, was ich zur „ukrainischen Schule“ weiß, habe ich von einem der Drittklässler. Ich möchte in einem Elterngespräch mit Dolmetscherin mehr erfahren und dort auch ggf. eine Vereinbarung treffen, was den Schulbesuch bei uns angeht.

  • Mir wäre kein derartiger Spielraum aus BW bekannt. Wenn die Kinder bei uns an der Schule angemeldet sind, dann gilt für sie meines Wissens die Anwesenheitspflicht wie für unsere anderen SuS auch, in allen dafür vorgesehenen Unterrichtsstunden. Das erscheint mir auch sinnvoll, denn viele dieser Kinder werden letztlich deutlich länger im Land bleiben, als von ihren Eltern oder auch ihnen selbst erhofft, so dass es wichtig ist, dass sie hier Anschluss finden, die Sprache möglichst schnell erlernen und integriert werden können.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Mir wäre kein derartiger Spielraum aus BW bekannt. Wenn die Kinder bei uns an der Schule angemeldet sind, dann gilt für sie meines Wissens die Anwesenheitspflicht wie für unsere anderen SuS auch, in allen dafür vorgesehenen Unterrichtsstunden. Das erscheint mir auch sinnvoll, denn viele dieser Kinder werden letztlich deutlich länger im Land bleiben, als von ihren Eltern oder auch ihnen selbst erhofft, so dass es wichtig ist, dass sie hier Anschluss finden, die Sprache möglichst schnell erlernen und integriert werden können.

    Hängt das nicht vom Verlauf des Krieges ab? Zudem bin ich mir nicht sicher, ob eine entsprechend schnelle Integration hier nicht die Rückkehr in die Heimat erschwert.

  • Ich war letztes Schuljahr an eine andere Schule abgeordnet, da waren viele Flüchtlinge und es war so, dass die Kinder nachmittags am ukrainischen Unterricht teilnahmen und fast nie unsere Hausaufgaben machten. Man hatte den Eindruck, dass "unsere Schule" nicht so ernst genommen wird. Die Eltern sagten, sie wollen ja sowieso zurück. Wir haben uns so bemüht, bekamen aber von den Eltern kaum Unterstützung. Vielleicht ist es aber inzwischen besser.

  • Ich unterrichte auch ukrainische Schüler. Sie sind im Unterricht anwesend, beschäftigen sich aber durchaus auch mal mit ihrer ukrainischen Mathematik. Im Gegensatz zu den hier genannten Drittklässlern, machen meine ukrainischen Schüler aber gerade parallel online ihren ukrainischen Schulabschluss. Außerdem habe ich die Information, dass alle der Schüler im nächsten Jahr nicht mehr an unserer Schule sind, sondern mit ihren Familien zurückkehren werden. Ich bin nicht sicher, ob das am Ende dann wirklich alles so bleibt, gehe aber trotzdem gegen diese Aktivitäten nicht weiter vor. Ich unterrichte sie in einem Fach, dass sie im nächsten Jahr auf keinen Fall mehr weiter belegen.


    Dieses oben beschriebene Pensum für die Drittklässler halte ich aber für Wahnsinn. Falls es asynchroner Unterricht ist, könnte man den Schülern eventuell anbieten jeden Tag zumindest eine Schulstunde am Vormittag an ukrainischen Aufgaben zu arbeiten. Unsere großen Schüler haben das im letzten Jahr teilweise in den Fächern getan, in denen sie mangels Deutschkenntnissen damals noch nichts verstanden haben. Sie haben ja ganz klar auch den ukrainischen Schulabschluss in absehbarer Zeit ablegen wollen. Inzwischen sind ihre Deutschkenntnisse aber viel besser und mir ist nichts dergleichen mehr bekannt. Noten bekommen die ukrainischen Schüler, die ich unterrichte in diesem Jahr aber wieder nicht. Vielleicht spielt auch das eine Rolle.


    wieder_da: Vielleicht gibt es ja auch an deiner Schule Fächer, in denen ihr euch das vorstellen könntet. Nicht weil ich es richtig finde, wenn die Eltern da bestärkt werden, sondern weil es für die Kinder nicht machbar erscheint, beides parallel zu stemmen.

  • Hängt das nicht vom Verlauf des Krieges ab? Zudem bin ich mir nicht sicher, ob eine entsprechend schnelle Integration hier nicht die Rückkehr in die Heimat erschwert.

    Natürlich hängt das vom Verlauf des Kriegs ab, der, wie man ja bereits sieht, deutlich länger dauert, als vermutet und auch noch deutlich länger dauern wird, als erhofft. :weissnicht: Ergo werden viele Familien, die gehofft haben, nach einigen Wochen oder auch Monaten wieder nachhause gehen zu können, letztlich wohl eher Jahre hier bleiben, was bedeutet, dass Kinder hier Schulabschlüsse erwerben (sollten) und sich Familien eine berufliche Zukunft aufbauen werden, die dazu beitragen wird, dass viele dieser Familien am Ende dann eben doch auch dauerhaft bleiben werden, weil sie hier dann letztlich eben doch irgendwie integriert sind und ihren Lebensmittelpunkt haben.

    Das kann man versuchen zu negieren bzw. dieser Entwicklung einfach blind entgegen stolpern oder eben als realistischste Option mit einplanen und entsprechend agieren. Es gibt ausreichend Erfahrungen mit derartigen Kriegsflüchtlingen (Jugoslawien, Kosovo, Syrien,…), um die weitere Entwicklung vorausahnen zu können angesichts dessen, dass der Krieg eben weder aktuell beendet ist, noch zeitnah beendet werden wird.

    Die Integration dieser Menschen hierzulande ist im Übrigen ganz gleich, wer am Ende wo leben wird in sagen wir 10 Jahren in jedem Fall das, was wir alle anstreben sollten, denn es erhöht letztlich unser aller Lebensqualität, wenn wir nicht nur nebeneinander herleben, sondern miteinander als Gesellschaft agieren und uns für gemeinsame Werte und Ziele- gleich ob dauerhaft oder auf Zeit- stark machen. Das wird auch diejenigen stärken, die am Ende in die Ukraine zurückgehen, damit diese die Kraft finden, ihr Herkunftsland wieder aufzubauen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Mein Ukrainischer Schüler in Klasse 2 hat maximal bis 12:40 Unterricht. Sein Vater erzählte mir, dass der Onlineunterricht mit der Lehrerin nachmittags etwa 3 Stunden dauert. Im Gegensatz zum Deutschlernen am Vormittag, ist er da wieder sehr motiviert, meint jedenfalls der Vater.

    Dauerthema in der Familie ist die erhoffte Rückkehr. Da braucht man sich nicht zu wundern, dass der Junge seit einem Jahr nicht viel Deutsch gelernt hat.

  • Danke euch. Wir haben drei ukrainische Kinder, die im April 2022 zu uns gekommen sind. Ein Kind spricht schon ganz gut Deutsch, erzählt von älteren Geschwistern, vom Heimatort oder von Hobbies. Die Kinder, um die es hier geht, sprechen bestenfalls mal einen Drei-Wort-Satz, aber auch mal mehrere Tage kein deutsches Wort.


    Meine Haltung ist eigentlich: Die Kinder sollen Deutsch lernen, so viel und so schnell wie möglich. Falls sie nach drei Jahren noch in Deutschland sind, können sie im besten Fall ihre Schulkarriere so fortsetzen wie ein deutsches Kind. Mega! Falls sie nach drei Jahren in die Ukraine zurückgekehrt sind, beherrschen sie mit Deutsch eine der wichtigsten europäischen Fremdsprachen. Auch mega!


    Bei diesen beiden Kindern hier erwarte ich nicht mehr viel, was das Deutschlernen angeht. Die Motivation ist gleich null. Daher ist mir jetzt wichtiger, dass die Kinder einen strukturierten Tagesablauf haben, der sie aber nicht völlig überlastet, und dass sie Grundkompetenzen erweitern: Lesen, Schreiben, Zuhören, Erzählen, Rechnen, Strategien entwickeln … von mir aus eben auf Ukrainisch, es sind ja ukrainische Kinder. Wenn die Richtlinien das erlauben, würde ich Ihnen gerne ermöglichen, z. B. um 11.30 Uhr nach Hause zu gehen oder erst zur 2. Stunde zu kommen (der ukrainische Unterricht findet wohl teils mittags, teils abends statt).

  • Dauerthema in der Familie ist die erhoffte Rückkehr. Da braucht man sich nicht zu wundern, dass der Junge seit einem Jahr nicht viel Deutsch gelernt hat.

    Ich würde es mir so für sie wünschen. Ich habe mir letztens überlegt, wo ich hingehen würde, wenn hier in Deutschland *auf Holz klopf, dass das nie mehr passieren wird* Krieg herrschen würde. Zunächst würde ich hoffen, dass meine Region vom Kriegsgeschehen verschont bliebe. Wäre ganz Deutschland ein einziges Kriegsgebiet, wäre noch das deutschsprachige Umland eine Option. Darüber hinausgehend kann ich mir nicht vorstellen.


    Leider hat sich dieser ganze Krieg inzwischen festgefahren und einen militärischen Sieg halte ich für ausgeschlossen. Ohne Kompromissbereitschaft auf einer der beiden Seiten oder eine echte vermittelnde dritte Partei sehe ich kein baldiges Ende.

  • Ich würde es mir so für sie wünschen. Ich habe mir letztens überlegt, wo ich hingehen würde, wenn hier in Deutschland *auf Holz klopf, dass das nie mehr passieren wird* Krieg herrschen würde. Zunächst würde ich hoffen, dass meine Region vom Kriegsgeschehen verschont bliebe. Wäre ganz Deutschland ein einziges Kriegsgebiet, wäre noch das deutschsprachige Umland eine Option. Darüber hinausgehend kann ich mir nicht vorstellen.

    Du gibst Französisch als Unterrichtsfach an. Eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Frankophilie sollte da doch vorhanden sein. Das eröffnet noch einige andere Staaten.

  • Ich würde dennoch bei der Aussage bleiben und im Ernstfall zunächst auf das deutschsprachige Umland ausweichen. Bei allem Interesse für die französische Sprache und frankophone Kultur ist mir die eigene Muttersprache emotional noch ein Stück näher. Zudem gibt es ja auch europäische Länder, in denen gar beide Sprachen gesprochen werden.

  • Mir wäre kein derartiger Spielraum aus BW bekannt. Wenn die Kinder bei uns an der Schule angemeldet sind, dann gilt für sie meines Wissens die Anwesenheitspflicht wie für unsere anderen SuS auch, in allen dafür vorgesehenen Unterrichtsstunden. Das erscheint mir auch sinnvoll, denn viele dieser Kinder werden letztlich deutlich länger im Land bleiben, als von ihren Eltern oder auch ihnen selbst erhofft, so dass es wichtig ist, dass sie hier Anschluss finden, die Sprache möglichst schnell erlernen und integriert werden können.

    MD-Schreiben aus dem Dezember:
    Beurlaubungsmöglichkeit für SuS, die sich online auf ukrainische Abschlussprüfungen vorbereiten.

  • MD-Schreiben aus dem Dezember:
    Beurlaubungsmöglichkeit für SuS, die sich online auf ukrainische Abschlussprüfungen vorbereiten.

    Ja, mir ist im Nachhinein auch aufgefallen, dass ich mich unpräzise ausgedrückt hatte. Meine Aussage bezog sich spezifisch auf die GS als Schulart, an der der TE tätig ist. Danke für die Präzisierung.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich habe das Glück, sehr leistungsbereite ukrainische SuS zu haben, sind auch schon ein Jahr älter als unsere 10. Klässler. Die machen unseren Unterricht soweit mit, als es der ukrainische Onlineunterricht und der zusätzliche Deutschunterricht gestattet.

    In Mathe und Englisch sind sie jedenfalls deutlich weiter als unsere, deshalb können sie da ruhig fehlen.

    Wir gehen an unserer Schule nach meinem Eindruck recht gelassen damit um, wenn die SuS aufgrund ihres ukrainischen Unterrichtes keine HA haben oder auch mal fehlen, wenn es insgesamt ansonsten alles passt (also kein Blaumachen o. ä. ist).


    Bei kleinen Drittklässler:innen sollte das Gesamtpensum nicht so hoch sein. Man muss außerdem aufpassen, dass man mit zu starken Forderungen die SuS nicht in Loyalitätskonflikte bringt. Sie wollen bzw. sollen von ihren Eltern aus sicherlich noch jede Menge Dinge aus ihrer Heimat als Unterricht mitnehmen.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Ich unterstützte einen ukrainischen Schüler (13 J.) beim Deutschlernen. Er hatte ergänzend zur Schule jeden Nachmittag noch 3 Stunden Onlineunterricht seiner ukrainischen Schule, der überwiegend über Discord stattfand und zu 80% aus asynchronen Aufgabenstellungen bestand, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingereicht und anschließend von den Lehrkräften korrigiert wurden. In Mathe/ Englisch seiner deutschen Schule war er nur sehr wenig motiviert, was aber vmtl. eher an seiner Hochbegabung lag (er wurde in der Ukraine mit 12 Jahren in Klasse 11 in Mathe und Englisch beschult). Was er aber neben dem Fachlichen auch des öfteren artikuliert hat, war, wie gut ihm seine vertrauten Klassenkamerad*innen, seine Lehrkräfte und seine Muttersprache tun, um in dieser extrem schwierigen Situation sowohl das Heimatgefühl als auch die Kontakte und Sicherheit in all der Veränderung bewahren zu können. Das ist, glaube ich, neben aller Fachlichkeit auch etwas sehr wichtiges, was man nicht vernachlässigen oder den Kindern und Jugendlichen absprechen sollte.

    Für meinen Schüler war das Pensum auch sehr hoch - im wurde bspw. in freien Lernzeiten, Hausaufgabenbetreuung, Wochenplanarbeit ermöglicht, an den ukrainischen Aufgaben weiterzuarbeiten. Gegebenenfalls wäre das vielleicht auch eine Möglichkeit für die Jüngeren, sofern es keine offizielle Möglichkeit gibt anders darauf einzugehen? Quasi "Ukrainische Aufgaben" als Bestandteil ihres Wochenplans (sofern ihr damit arbeitet)?

  • Gab es diesen Onlineunterricht bereits bei den Syrern und Afghanen damals oder ist das jetzt eine Besonderheit mit den Ukrainern? Ich kann mich nämlich nicht daran erinnern, 2015-2018 schon davon gehört zu haben. Eigentlich aber schön, dass diese Option zu nutzen, um den Kindern die (möglichst baldige) Rückkehr einfacher machen zu können.

  • Gab es diesen Onlineunterricht bereits bei den Syrern und Afghanen damals oder ist das jetzt eine Besonderheit mit den Ukrainern?

    Schulen und Lehrkräfte haben in der Ukraine mit Sicherheit bessere Voraussetzungen für den Fernunterricht (gehabt), als in Afghanistan und Syrien...

  • Mein Ukrainischer Schüler in Klasse 2 hat maximal bis 12:40 Unterricht. Sein Vater erzählte mir, dass der Onlineunterricht mit der Lehrerin nachmittags etwa 3 Stunden dauert. Im Gegensatz zum Deutschlernen am Vormittag, ist er da wieder sehr motiviert, meint jedenfalls der Vater.

    Dauerthema in der Familie ist die erhoffte Rückkehr. Da braucht man sich nicht zu wundern, dass der Junge seit einem Jahr nicht viel Deutsch gelernt hat.

    Ich kann das so unterschreiben. Vormittags bei mir im Unterricht hält sich die Motivation teilweise in Grenzen, das Kind schweift auch oft ab und konzentriert sich auf andere Dinge.

  • Gab es diesen Onlineunterricht bereits bei den Syrern und Afghanen damals oder ist das jetzt eine Besonderheit mit den Ukrainern? Ich kann mich nämlich nicht daran erinnern, 2015-2018 schon davon gehört zu haben. Eigentlich aber schön, dass diese Option zu nutzen, um den Kindern die (möglichst baldige) Rückkehr einfacher machen zu können.

    Fragst du sowas eigentlich ernsthaft, aus Naivität heraus oder zur Provokation?

    Wäre ganz Deutschland ein einziges Kriegsgebiet, wäre noch das deutschsprachige Umland eine Option. Darüber hinausgehend kann ich mir nicht vorstellen.

    Das ist das Blöde am Flüchten: Es ist kein Synonym für Urlaub.

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