Hohe Abbrecherquote bei Seiteneinstieg in Sachsen-Anhalt, warum?

  • Hallo, :wink_1:

    gibt es hier Erfahrungsberichte von Seiteneinsteigern in Sachsen-Anhalt?

    Frage mich, warum die Abbrecherquote so hoch ist?


    "Allein im Jahr 2022 wurden zwar 804 neue Seiteneinsteiger eingestellt, 499 aber verließen das System auch wieder, sei es durch Kündigung oder befristete Verträge."

    https://www.mdr.de/nachrichten…teiger-geben-auf-100.html


    Ist es da so schlimm?

    Zum Glück sind die Lehrer von gestern und vorgestern verbeamtet :geschenk:

  • Ich bin weder Seiteneinsteigerin, noch in Sachsen-Anhalt tätig. Persönliche Erfahrungen kann ich also nicht teilen. Ein Gutteil der Abbrecher lässt sich aber wie in anderen Bundesländern dadurch erklären, dass Menschen sich falsche Vorstellungen machen vom Beruf als Lehrkraft, ihren konkreten Aufgaben, diversen Voraussetzungen oder eben auch ihrer persönlichen Eignung für den Beruf. Das lässt einige sich bewusst umorientieren, andere werden umorientiert, weil sie beispielsweise die Probezeit nicht erfolgreich abschließen und schließlich gibt es sicherlich auch einige Abbrecher, die bei besserer Nachqualifikation, Beratung, Betreuung und Begleitung durch das Land, um in den neuen Job wirklich hineinwachsen zu können, womöglich niemals gekündigt hätten oder auch gekündigt worden wären.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Aus Niedersachsen, aber mit Sicherheit übertragbar:

    Nur wenige Seiteneinsteiger sind spät Berufene, die wirklich Lehrer werden wollen. Viele sind in ihrem ursprünglichen Beruf nicht erfolgreich, oft aus Gründen, die auch in ihnen selber liegen. Es ist ein Konstruktionsfehler des Seiteneinstiegs-Systems, dass es nicht nur aber in großen Teilen eigentlich ungeeignete Kandidaten anzieht. (Und das sehen wir oft genug auch bei "Hallo, ich denke über den Seiteneinstieg nach"-Anfragen in diesem Forum.)


    Ich hatte in meinem Berufsleben mit 4 Seiteneinsteigern so engen Kontakt, dass ich mir zutraue ihre Eignung beurteilen zu können. Einer ist hervorragend und seit 20 Jahren zufrieden im Beruf. Eine hat die Anforderungen einigermaßen gepackt, aber nach 2 Jahren hingeschmissen, weil ihr die Belastung für das verdiente Geld zu groß war (mehr als halbe Stundenzahl schaffte sie nicht), zwei waren eine Katastrophe bis hin zur Selbst- und Fremdgefährdung, die waren kaum in der Lage pünktlich mit den SuS am Klassenraum zu erscheinen.

    Ganz grob würde ich behaupten, dass man diese Quote auf die Gesamtgruppe hochrechnen kann.

  • Hallo zusammen,


    aus meinen Erfahrungen heraus würde ich meinen, dass die soziale Integration von Seiteneinsteigenden in die Schulen selbst oft nicht hinreichend forciert wird. Methodik, Didaktik usw. sind alles wertvolle Bestandteile des Berufs, aber nichts wert, wenn man sozial nicht integriert wurde oder sich auch nicht integrieren wollte.

  • Ich glaube, dass die Ursachenanalyse im verlinkten Artikel völlig am Problem vorbei geht. Wir haben als Sek-II-Lehrpersonen in der Schweiz alle nicht "auf Lehramt" studiert und trotzdem machen die allermeisten von uns einen sehr guten Job. Ich stimme Moebius und CDL zu, da scheitern Leute mit einer falschen Vorstellung vom Beruf. Die meisten Lehrpersonen an meiner Schule haben sich eben direkt nach dem Studium für genau *diesen* Beruf entschieden. Einige haben noch das Doktorat gemacht oder vielleicht für ein Jahr oder so irgendwo anders gearbeitet. Manche machen auch neben der Schule noch was anderes. Aber die grundsätzliche Entscheidung für den Beruf der Lehrperson fällt eben relativ schnell und sehr bewusst. Wir haben jemanden in der Fachschaft, der im Zuge einer grösseren Umstrukturierung im Betrieb aus der Industrie rausgeflogen ist. Der hat sich die ersten Jahre an der Schule sehr schwer getan. In der letzten Runde Bewerbungsgespräche hatten wir wohl einige ziemlich schräge Vögel dabei, die meinten bei uns eine ruhige Kugel schieben zu können nachdem sie bei Novartis & Co mangels Qualifikation abgeblitzt sind. Noch ist die Not nicht gross genug, als dass wir solche Typen überhaupt nehmen müssten.

  • Ich glaube, dass die Ursachenanalyse im verlinkten Artikel völlig am Problem vorbei geht. Wir haben als Sek-II-Lehrpersonen in der Schweiz alle nicht "auf Lehramt" studiert und trotzdem machen die allermeisten von uns einen sehr guten Job. Ich stimme Moebius und CDL zu, da scheitern Leute mit einer falschen Vorstellung vom Beruf. Die meisten Lehrpersonen an meiner Schule haben sich eben direkt nach dem Studium für genau *diesen* Beruf entschieden. Einige haben noch das Doktorat gemacht oder vielleicht für ein Jahr oder so irgendwo anders gearbeitet. Manche machen auch neben der Schule noch was anderes. Aber die grundsätzliche Entscheidung für den Beruf der Lehrperson fällt eben relativ schnell und sehr bewusst. Wir haben jemanden in der Fachschaft, der im Zuge einer grösseren Umstrukturierung im Betrieb aus der Industrie rausgeflogen ist. Der hat sich die ersten Jahre an der Schule sehr schwer getan. In der letzten Runde Bewerbungsgespräche hatten wir wohl einige ziemlich schräge Vögel dabei, die meinten bei uns eine ruhige Kugel schieben zu können nachdem sie bei Novartis & Co mangels Qualifikation abgeblitzt sind. Noch ist die Not nicht gross genug, als dass wir solche Typen überhaupt nehmen müssten.

    Hallo Antimon !

    Ich fange im August in Basel an. Du hast mir mal ein paar Tipps zum System geben. Vielen Dank dafür!

  • Aus Niedersachsen, aber mit Sicherheit übertragbar:

    Nur wenige Seiteneinsteiger sind spät Berufene, die wirklich Lehrer werden wollen. Viele sind in ihrem ursprünglichen Beruf nicht erfolgreich, oft aus Gründen, die auch in ihnen selber liegen. Es ist ein Konstruktionsfehler des Seiteneinstiegs-Systems, dass es nicht nur aber in großen Teilen eigentlich ungeeignete Kandidaten anzieht. (Und das sehen wir oft genug auch bei "Hallo, ich denke über den Seiteneinstieg nach"-Anfragen in diesem Forum.)


    Ich hatte in meinem Berufsleben mit 4 Seiteneinsteigern so engen Kontakt, dass ich mir zutraue ihre Eignung beurteilen zu können. Einer ist hervorragend und seit 20 Jahren zufrieden im Beruf. Eine hat die Anforderungen einigermaßen gepackt, aber nach 2 Jahren hingeschmissen, weil ihr die Belastung für das verdiente Geld zu groß war (mehr als halbe Stundenzahl schaffte sie nicht), zwei waren eine Katastrophe bis hin zur Selbst- und Fremdgefährdung, die waren kaum in der Lage pünktlich mit den SuS am Klassenraum zu erscheinen.

    Ganz grob würde ich behaupten, dass man diese Quote auf die Gesamtgruppe hochrechnen kann.

    Ok, also liegt es an den Seiteneinsteigern selber.

    Zum Glück sind die Lehrer von gestern und vorgestern verbeamtet :geschenk:

  • Ok, also liegt es an den Seiteneinsteigern selber.

    Oft ist es so. Natürlich kann auch das System was ändern, aber so sind aktuell die Rahmenbedingungen. Unsere Schule hat schon viel getan, um die SE aufzufangen. Ergebnis: Es hat sich eine Anspruchshaltung entwickelt, die schon unverschämt ist. Insbesondere was Stundenplanung etc angeht, aber auch was Hilfen betrifft, die erwartet werden. Wir stecken sehr viel rein, bekommen aber wenig zurück. Das ist nicht bei allen so, aber doch bei einigen.

    Wir fahren daher unsere Unterstützungsmaßnahmen wieder etwas zurück. Es ist schon wichtig, dass sich die Personen selbst für den Erfolg verantwortlich fühlen.

  • Ok, also liegt es an den Seiteneinsteigern selber.

    Ich würde es eher so formulieren, dass die Passung zwischen den eigenen Vorstellungen über den Beruf des Lehrers und der tatsächlichen Realität im Berufsalltag nicht immer gegeben ist. Da geht es auch gar nicht um Begriffe wie "Schuld" o.ä.

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