Schreiben lernen - Klasse 1

  • Liebes Forum,

    ich war lange nicht mehr selbst aktiv hier und nun melde ich mich mit einer persönlichen Frage, die mein Kind betrifft.

    Unser Sprössling besucht die 1. Klasse (NRW). Obwohl er bei Einschulung gerade mal seinen Namen lesen / schreiben konnte, war er bereits in den Weihnachtsferien in der Lage, eigene Bücher zu lesen. Mit Begeisterung.

    Was jetzt aber überhaupt nicht klappt, ist das Schreiben. Er setzt keine Lücke zwischen den einzelnen Wörtern eines Satzes. Und wenn ich jetzt keine schreibe, dann meine ich das leider auch so. Im Unterricht hat er ausgerechnet genau die Einheit zu „Wort und Satz“ verpasst. Er war mal wieder eine Woche krank. Nun soll er aber in der Schule im Zebraheft Bilder beschreiben und kleinere Sätze formulieren. Das sieht dann beispielsweise so aus: „franzistiriesenrat“ (Franz ist im Riesenrad). Seufz. Ich gebe hier zu Hause wirklich mein Bestes aber ich weiß überhaupt nicht mehr, was genau da gerade schief läuft? Ich habe mit ihm gefühlt 100 x den Unterschied zwischen Silben / Wörtern und Sätzen gemacht und wir sind das auch in seinen Büchern, die er selbst gelesen hat, durchgegangen: „zeig mir die Wörter“, „Wo beginnt und endet ein Satz“? Heute habe ich ihm kleine Zettel hingelegt und wir haben auf jedes Blatt nur ein Wort geschrieben. Daraus haben wir dann Quatschsätze gelegt, die verdeutlichen sollten, dass man die Wörter untereinander auch austauschen kann, es also wichtig ist, dass man nicht alles zusammen schreibt.

    Ist das normal, dass sich unser Sohn da so schwer tut? Ich habe mir schon die Finger wund gegoogelt aber auf so ein Phänomen bin ich noch nicht gestoßen… habt ihr Ratschläge und / oder Tipps, auf was ich noch achten kann bzw wo ich weiter ansetzen kann? Seine Lehrerin hat es ihm auch noch mal erklärt aber er trennt die Wörter wirklich nur, wenn jemand 1:1 neben ihm sitzt.

    Lieben Dank im Voraus.

  • Das ist kein Phänomen, das ist normal.


    Kinder in Klasse 1 lernen auf andere Weise, als es deiner Vorstellung entspricht: erklären, Ergebnis sichern, gelernt. Es war eine der Sachen, die die Gym-Abordnungen an unsere GS von sich aus deutlich beschrieben haben.


    Es dauert bei vielen Kindern eine Weile, bis sie Inhalte begreifen und verstehen, und eine weitere Weile, bis sie das Verstandene umsetzen können.


    Wenn dein Kind schon so gut lesen kann, dann freue dich daran und darüber mit ihm.

    Wenn es schon so gut schreiben kann, dann freu dich daran und darüber mit ihm und unterstütze das Schreiben durch Interesse an den Texten. Dann schreibt dein Kind sicher gerne noch mehr … und übt ganz nebenbei sehr viel.

    Wenn nur die Lücken fehlen, dürfte es für dich leicht sein, die Texte zu lesen. (Bei anderen Kindern sähe der Satz derzeit noch so aus: Fans ist im risnat.)


    Den Begriff „Satz“ erklärt man in Klasse 1 und 2 und meist auch 3.

    Wortgrenzen übt man in Klasse 1 und oft auch noch 2, manchmal auch in 3/4, dann finde ich es aber auch schon bedenklich. Gesehen habe ich es bei Kindern, die nicht gut hören können.


    Die Idee, die Wörter auf einzelne Zettel zu schreiben, ist schon gut.

    Eine weitere Möglichkeit ist, Sätze zu sprechen und das Kind hören zu lassen und für jedes Wort im Satz einen Baustein zu legen.


    Außerdem legen wir den Zeigefinger der linken Hand hinter das erste Wort und markieren damit die Lücke als Erinnerung, während das nächste Wort geschrieben wird. Bei Linkshändern ist es schwieriger, es geht aber auch dann mit einem kleinen flachen Gegenstand, z.B. dem gelochten Streifen aus Mappen.


    Beim Abschreiben würde ich erklären, dass man die Lücken mit abschreiben muss, weil sie auch ein Zeichen sind. Am PC müsste man sogar eine Taste dafür drücken.

    Noch eine Idee, die ich aus einem Schreiblern-Programm am PC kenne, die man aber auch mit einem Übersetzungsprogramm darstellen kann: Lasse einen Satz (ohne Lücken) tippen und ihn vom PC vorlesen, dann wird hörbar, dass die Lücken fehlen.

  • Liebe /r Palim,

    Danke für deine Ausführungen.

    Zuerst einmal finde ich es wirklich beruhigend, von dir zu hören, dass es „normal“ ist, dass Kinder in der 1. Klasse noch keine Wortgrenzen kennen müssen.

    Für mich hörte sich das im Gespräch mit der Klassenleitung so an, als müsste man diese Grenzern nun automatisch erkennen und da stellt man sich natürlich die Frage, ob es an den langen Fehlzeiten des eigenen Kindes liegt, dass es die Unterrichtsreihe verpasst hat oder ob es ein auditives / kognitives Problem ist.

    Da sie zuvor in der Schule im Franzheft immer Silben schwingen mussten, kommt das Kind jetzt leider total durcheinander mit den ganzen Begrifflichkeiten.


    Den linken Zeigefinger zur Hilfe zu nehmen um Lücken zu lassen, machen sie auch in der Schule.


    Wie gesagt: bei 1:1 Betreuung klappt das mit dem Hören und Abzählen der Wörter aber wenn er alleine schreibt, dann schreibt er wirklich alles zusammen…


    Die Idee mit den Bausteinen finde ich sehr gut. Das werde ich mit umsetzen. Bisher habe ich ihn immer den Satz mit den Fingern zerlegen lassen.


    Dann warte ich mal geduldig ab. Und ja: natürlich freuen wir uns sehr darüber, dass er so viel Spaß am Lesen hat und es so super klappt.

  • Ich kenne das auch von vielen Schüler(inne)n. Ich hatte dazu die "Wörterpolizei" in meiner Klasse eingeführt: Eine Polizistenhandpuppe, die sich bei den Wörtern beschwert hat, dass sie den Kindern das Lesen so schwer machen, wenn sie sich so eng zusammendrängen. Die Wörterpolizei hat dann für Ordnung bei den Wörtern gesorgt bzw. die Kinder haben der Wörterpolizei geholfen, indem sie die Wörter voneinander getrennt haben. Auf den Finger haben wir ein Gesicht gemalt und dann immer einen Finger neben jedes Wort als Lücke legen, wie auch Palim schrieb oder z.B. "Absperrungen" zwischen den Wörtern errichten, damit diese nicht wieder mit dem Gedrängel anfangen. Dazu kann man Holzspatel nehmen (gerne bunt bemalt), Muggelsteine, Gummibärchen, Smarties, Aufkleber... Mir war jedenfalls wichtig, nicht von einem Fehler der Kinder zu sprechen, sondern von einem Fehler den die Wörter machen, wenn sie so nah zusammenstehen.

  • Die Kinder in meiner Klasse benutzen entweder den kleinen Finger als Abstandhalter oder können einen Holzspatel nehmen. Klappt bei den meisten ganz gut.

  • Ja. Alles prima Ideen.

    Wie ich aber im Ausgangspost geschrieben habe, weiß mein Kind nicht, was ein Wort ist.

    Es kann nicht zwischen Silbe und Wort unterscheiden. Und daher schreibt es alles zusammen. Dass es „in der Bäckerei“ heißt statt „inderbäkarai“ ist ihm nicht klar.

    Daher war meine Frage ja auch, ob dieses Phänomen „normal“‘ist.

    Natürlich gebe ich nicht ihm die Schuld. Aber die Frage, die ich mir stellen muss, ist, ob es anderen Kindern ebenso schwer fällt, überhaupt zu wissen/ unterscheiden, was ein Wort ist…

  • Aus meiner Förderschulperspektive: Ja, es ist normal. Würde ich beim Schreiben nicht korrigieren. Stattdessen irgendwelche "Wortspiele" machen, zB einzelne Wörter auf große Blätter schreiben un lesen lassen und daraus einen Satz legen lassen oder Bücher anschauen oder "Ein-Wort-Sätze" spielen ("Komm" "Mach"), irgendsowas halt. Mach dir keinen Kopf.

    Was sagt die LK?

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Wie Palim schrieb, die Bewusstheit, was (geschriebene) Sprache ist und welchen Regeln sie folgt, ist ein Prozess und dauert seine Zeit. Erkennt man auch daran, dass zum Thema "Wortgrenzen" ganz viel im Netz zu finden ist, was Erst- und Zweitklässler*innen so üben...


    Was dein Kind bereits kann, ist der schwierigste Lernschritt: es kann Laute in Zeichen umsetzen.


    Du hast zwar schon viele Ideen bekommen. Ich habe nur eben noch was zu Wortgrenzen gefunden und hänge es mal an, vielleicht ist da auch noch etwas für euch dabei? Da geht es darum, 'Schlangenwörter' zu trennen, aber auch schon um Wortarten. Vielleicht ist das noch ein Aspekt: Franz ist ein Name und steht für sich alleine, so wie der Name deines Kindes. Den ersten Buchstaben schreibt man dann groß usw., am Ende lautet die Aufgabe, das Kind eine Definition formulieren zu lassen.


    Wenn es allerdings zu Hause in Krampf ausarten sollte, würde ich zusätzliche Übungen lieber erst mal weglassen. Die Lehrkraft des Kindes wird sich sicher melden, wenn ihr etwas auffällig vorkommt.

  • Ich finde auch, dass dein Kind die schwierigeren Sachen schon gut umsetzt. Das ist auch viel schwieriger zu vermitteln, zu üben, aufzufangen.


    Die Schlangenwörter-Übung setze ich in Klasse 1 auch schon um. Es fällt sehr vielen Kindern schwer, die Wortgrenzen zu finden, wir setzen einen Strich oder kreisen die Wörter ein, das Abschreiben ist dann schon einfacher.


    Aufgaben zu Wortarten mache ich erst in Klasse 2.

  • Super. Ich danke euch von Herzen.


    Es wurde auch gefragt, was die LK sagt: wenn ich die Aussage richtig interpretiert habe, ist unser Kind in seiner Klasse das einzige, das Probleme mit der Wortgrenze hat….

    Ich werde mich deshalb aber jetzt nicht verrückt machen.


    Ganz liebe Grüße

    Québec

  • Du schreibst: "Was jetzt aber überhaupt nicht klappt, ist das Schreiben. Er setzt keine Lücke zwischen den einzelnen Wörtern eines Satzes. Und wenn ich jetzt keine schreibe, dann meine ich das leider auch so." - Wer hat dir vermittelt, dass das schon Ende des 2. Drittels des ersten Schuljahrs da sein muss.


    Manche Lehrwerke vermitteln die Wortgrenzen sehr früh - andere bahnen es nur in der ersten Klasse an. Es kommt also sehr auf das Lehrwerk und auf die Art und Weise an, wie bei deinem Kind Sprachunterricht vermittelt wird. Vielleicht könntest du das Lehrwerk nennen, nach dem dein Kind lernt, dann kann ich es etwas besser abschätzen.


    Wenn du einordnen möchtest, was bis zum Ende der Klasse 2 als verbindliche Anforderungen im Lehrplan steht, könntest du folgendem Link folgen. Du wirst merken, dass oftmals viel mehr erwartet wird, als da sein muss. https://www.schulentwicklung.n…sammelband_2021_08_02.pdf


    Ich wäre sehr entspannt, wenn nur die Einhaltung der Wortgrenzen ein Problem wäre - denn auch ohne diese Kompetenz zu beherrschen, kann man sehr gut in der 2. Klasse mitarbeiten. Zum jetzigen Zeitpunkt fände ich es wichtig, dass alle Buchstaben beherrscht werden, dass ein Wort lautgetreu aufgeschrieben werden kann und dass die Lesekompetenz zunimmt. Wenn mein Kind bereits Lernwörter in Klasse 1 trainiert, wäre es wichtig, diese auswendig aufschreiben zu können. Dies wäre mein Ziel.


    Ich persönlich habe zu den Wortzwischenräumen die Erfahrung nach zig Durchgängen in der Jahrgangsmischung, dass es verschiedene Lernausgangslagen dazu führen, dass sich ein Kind damit schwertut. Ist es Haltung? - Einige Kinder, insbesondere mit Mathebegabung- finden es lästig, auf Schrift und gleichmäßige Zwischenräume zu achten. Ist es ein Problem der Auge-Hand-Koordination (einige Kinder nehmen es nicht genau wahr). Wenn du üben möchtest, würde ich zum einen empfehlen, dass dein Kind einzelne Sätze (aus den Lernwörtern der Fibel) abschreibt (später auch als Knickdiktat oder Schleichdiktat ) und dass es nach jedem Wort einen Punkt machen soll, um sich bewusst zu machen, an die Wortzwischenräume zu denken.


    Außerdem schwöre ich - obwohl es veraltert ist- u.a. auch auf einen Schreibschriftlehrgang, der eine verbundene Schrift lehrt. Da müsstest du schauen, was an eurer Schule für eine Schrift vermittelt wird. Erfahrungsgemäß fangen spätestens nach diesem Lehrgang die Kinder an, nach jedem Wort eine Lücke zu lassen, da die Graphemverbindungen nach einem Wort unterbrochen werden. Man schreibt ganze Wörter ab und lässt nach jedem Wort eine Lücke. Ist dies immer noch schwierig, könnte man eine Hand mit Finger nach oben basteln an einem Schaschlikstab, damit man Platz zwischen den einzelnen Wörtern lässt.


    flip

  • (...) und dass es nach jedem Wort einen Punkt machen soll, um sich bewusst zu machen, an die Wortzwischenräume zu denken.

    Sich den Wortzwischenraum bewusst machen finde ich gut.

    Ich würde aber keinen Punkt zwischen den Wörtern machen. Das könnte später Probleme geben mit dem Punkt am Satzende.


    Unsere kleinen Schüler legen eine zeitlang einen Stift nach jedem Wort und schreiben erst dann das nächste, oder sie malen ein farbiges Kästchen oder einen dicken farbigen Strich.

  • In den Schönschreibheften von anno dunnemals sind Sterne zwischen den Wörtern gemalt, es gehen auch Dreiecke oder so, aber Punkte würde ich auch nicht setzen lassen.


    Wenn die Kinder jetzt gerade beginnen, Sätze zu schreiben, haben sie davon oft noch kein Verständnis. Dann kommt es vor, dass sie hinter jedem Wort einen Punkt setzen. In Klasse 2 ist es gut zu vermitteln, sicher auch, weil die Lesefähigkeit für den Satz ausreicht. Um diese Zeit lesen etliche noch Wort für Wort u d Erfassen den Sinn eines Satzes nur schwer, sie sind also mit anderen Anforderungen beschäftigt u d können den Satz noch nicht fassen, deshalb auch oft noch keine Punkte am Satzende setzen (bei uns bis Ende Klasse 2 gefordert und eines der Ziele, das nahezu alle erreichen).

  • Aus meiner Erfahrung als 1./2.Klasslehrkraft kann ich mir NICHT vorstellen, dass dein Kind das Einzige ist, dass dies nicht beherrscht. Dann wäre es eine absolute Überfliegerklasse. In meiner zweiten Klasse sind es nur noch wenige, die damit Probleme haben. Aber Mitte der ersten Klasse sind es sicher noch EINIGE Kinder.

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