Macht den Thread dicht.
Nö. Das "Problem" kann auch anderweitig gelöst werden, hier eskaliert ja offensichtlich nur eine Person.
Macht den Thread dicht.
Nö. Das "Problem" kann auch anderweitig gelöst werden, hier eskaliert ja offensichtlich nur eine Person.
Beispiel: Mathelehrbuch Kl. 11
Das Extrakapitel 6 ist von Wußing, dem deutschen Mathematikhistoriker. Es geht um Infinitesimalrechnung von 1600 bis 1900. Und nein, da steht nichts von Sozialismus usw.
Wußing gehört zu den besten Mathematikhistorikern der Welt. Ich hatte das große Glück, ihn einmal "live" erleben zu dürfen.
Ich möchte mich auf keinen Fall Quittengelees Äußerungen anschließen, alphas ungetrübtem Vertrauen in die völlige Ideologiefreiheit der DDR-Lehrmittel allerdings auch nicht.
Ich finde die Bücher sehr spannend und habe mich grade mal ein bisschen durch das verlinkte Buch geschmökert.
Auf S.7 wird Lenin zitiert (wusste gar nicht, dass der auf dem Feld der mathematischen Beweisverfahren unterwegs war), auf S. 7 und 8 der Wahrheitsbegriff anhand von Beispielsätzen wie "XY hat ein Recht auf Arbeit" und "XY hat kein Recht auf Arbeit" geübt.
Das ist eine Kleinigkeit, aber dennoch.
Die unverhohlene Kirchenkritik ist in dem von alpha zitierten Kapitel ab S. 268 augenfällig. (Nicht, dass ich sie nicht teilen würde, aber dennoch, erneut.)
Zu bedenken geben möchte ich auch, dass es durchaus eine Rolle spielen kann, was in einem Buch NICHT drinsteht.
Dafür von Anfang des Kapitels an unterschwellige bis offensichtliche Religions-/Kirchenkritik. Hat imho auch nur begrenzt etwas in einem Mathematikbuch zu suchen.
Darf man nicht schildern, was in der Zeit durch „die Kirche“ an Morden und anderen Verbrechen begangen wurde, wenn es direkten Einfluss auf die Wissenschaftsentwicklung hatte?
Ungewöhnlicher fand ich da das Lenin-Zitat zu Axiomen und die Aussage-Aufgabe zu „Jeder Bürger der DDR hat ein Recht auf Arbeit“.
PS: Kieselsteinchen war schneller.
Wir sollten nicht vergessen, dass unsere aktuellen Lehrwerke auch voll von Ideologie sind - nur dass sie eben als "gute Ideologie" erachtet wird und damit per se legitimiert ist.
Betrachtet man DDR-Lehrwerke historisch, dann heben sie sich funktional nicht sonderlich ab. Dass die Ideologie womöglich direkter, ungeschminkter zu Tage trat, ist gleichwohl der wesentliche Unterschied.
Blick in ein Buch: In dem 1970er-Buch fürs 3. Schuljahrdreht sich jede 2 Textaufgabe um die Pioniere, die Produktion in Betrieben, Auszeichnungen für Soldaten, Kooperationsgemeinschaften in Brigaden etc.
Ist das jetzt drin, weil es die Lebenswelt der damaligen Kinder darstellt ... oder weil es die Lebenswelt der Kinder darstellen soll?
Ich
Wir sollten nicht vergessen, dass unsere aktuellen Lehrwerke auch voll von Ideologie sind - nur dass sie eben als "gute Ideologie" erachtet wird und damit per se legitimiert ist.
Betrachtet man DDR-Lehrwerke historisch, dann heben sie sich funktional nicht sonderlich ab. Dass die Ideologie womöglich direkter, ungeschminkter zu Tage trat, ist gleichwohl der wesentliche Unterschied.
Eben! Es ist für unsere Mathebücher offenbar völlig normal, dass Benzinkosten berechnet, Kredite aufgenommen, Preise für Fernsehwerbe-Zeitslots ermittelt werden, statt Benziner, E-Auto und Radfahren zu vergleichen, die Lebensbedingungen (muss ein Auto oder ein Haus gekauft werden und ginge es nicht besser ohne Kredit?) oder den Werberummel zu prüfen (alles Beispiele aus Neue Wege 7 zu den Zuordnungen und zur Prozentrechnung). Preiskalkulationen in der Differenzial- und Integralrechnung sind nicht unüblich und im Bereich der Binomialverteilung wird ganz selbstverständlich akzeptiert, dass mehr Tickets für ein Flugzeug verkauft werden als Plätze vorhanden sind!
À
Was heute fehlt, ist die Diktatur dahinter.
Die unverhohlene Kirchenkritik ist in dem von alpha zitierten Kapitel ab S. 268 augenfällig.
Z. B.: „Der Discours und seine anderen Werke wurden auf den päpstlichen Index (der vernoteten Bücher) gesetzt, da in ihnen im Sinne der Kirche verbrecherische Versuch unternommen wurde, die Welt aus den Gesetzen der Mechanik zu erklären, nicht aber aus dem Willen Gottes.“
Wenn man diesem Text etwas vorwerfen kann, dann, dass er nicht kritisch genug mit der wissenschaftsfeindlichen Haltung der katholischen Kirche ins Gericht geht.
Die unverhohlene Kirchenkritik ist in dem von alpha zitierten Kapitel ab S. 268 augenfällig
Ist es falsch, was da steht?
Hier mal ein interessantes Video, "was die anderen so können".
Aus mathematischer Sicht sicherlich interessant. Aus pädagogischer Sicht würde ich zu gerne wissen, in welchem asiatischen Land diese Art von Aufgaben repräsentativ für eine Abschlussprüfung ist, wie hoch der Anteil innerhalb eines Jahrgangs ist, der bis zu diesem Niveau überhaupt beschult wird und wie hoch die Durchfallquote unter den Prüflingen letztendlich ist.
Hat imho auch nur begrenzt etwas in einem Mathematikbuch zu suchen.
In einem Mathematikbuch hat Wissenschaftsgeschichte durchaus etwas zu suchen. Die unrühmliche Rolle der katholischen Kirche in ihrem Versuch, die Wissenschaft zu behindern, gehört dazu.
Welche Kritik an Religion vermagst du zu erkennen?
Jupp, mir ist das ehrlich gesagt zu viel. Ich glaube ich erwähnte irgendwann schon mal, dass ich selbst als Schülerin im Grundkurs (!) Chemie die elektrophile Substitution am Aromaten als Reaktionsmechanismus der Organischen Chemie lernen musste, inkl. dirigierende Effekte bei der Zweitsubstitution. Ich unterrichte das heute nicht, nicht mal im Schwerpunktfach. Ich bezweifle überhaupt nicht, dass ich meinen Jugendlichen das beibringen könnte, ich halte es schlichtweg für irrelevant für das, was man im Fach zur Matura können sollte. Ich vermittle solide Grundlagen, kein spezialisiertes Uni-Wissen.
In dem verlinkten Mathe-Buch, um das hier plötzlich diese dämliche Streiterei ausgebrochen ist, geht es zu Beginn mal sehr viel um Wissenschaftspropädeutik. Das gefällt mir gut, habe ich in dieser Ausführung noch nie in einem "modernen" Lehrmittel gesehen. Auf sowas lege ich sehr viel Wert. Dass der Stoffumfang heutzutage reduziert ist, damit habe ich noch nicht mal ein Problem. Es kommt zu früh und zu oberflächlich von allem ein bisschen was, am Ende wird nichts richtig vertieft und beherrscht. Unsere Jugendlichen glauben selbst, sie hätten's voll drauf, wenn sie zu uns ans Gymnasium kommen. Ja, ja, das mit den Kraftmessern, das haben wir alles schon mal gemacht, blabla. Ach ... Masse und Gewicht ist nicht das gleiche? Ups. Kraft und Energie ist auch nicht das gleiche? Ups. Arbeit und Leistung auch nicht? Uiuiui. Ja aber ... haben wir alles schon mal gemacht!!! Wir verschwenden mindestens ein halbes Jahr darauf denen beizubringen, dass wir beim Experiment jetzt verdammt noch mal genau hinschauen, hinter jede Zahl eine Einheit schreiben und wirklich einen Rechenweg aufschreiben und zwar ordentlich. In Chemie der gleiche Scheiss. Atome wollen immer volle Schalen, ja ja, und wenn zwei Stoffe nicht mischbar sind, dann liegt's zuverlässig an der Dichte. Aber eine Suspension im Teilchenmodell kann mir keiner zeichnen. Ich würge gerade mit einer 2. Klasse FMS am Dreisatz rum. Das ist 11. Schuljahr, ich muss Kügeli wiegen und zählen damit alle mitkommen. Ich bin froh, dass ich nicht auf zentrale Prüfungen vorbereiten muss, am Ende können die wenigstens das, was *ich* von ihnen will.
Mal ignorierend, dass die Trigonometrie kaum behandelt wird und damit auch die damit verbundenen Zusammenhänge unklar sind, im Video werden auch andere wichtige Konzepte sehr selbstverständlich verwendet. Substituieren, Gleichung umstellen, Brüche erweitern und addieren, Dinge an anderer Stelle einsetzen, ausklammern.
Da sind ja die wirklichen Probleme und große Teile der Schülerschaft erlangen diese Routine nicht, trotz aller Versuche.
Ich habe da noch einen alten Text (kennen einige bestimmt), der die Probleme der Schulmathematik auch gut beschreibt:
Mathematikunterricht im Laufe der Zeit
Achtung! Das ist Satire.
Bevor hier wieder jemand Schnappatmung bekommt.
Den Thread verfolge ich mit Interesse. Ich ging zu der Zeit in die Schule als man noch mit dem Rechenschieber arbeitete. Die Oberstufenreform kam erst in den Jahrgängen nach mir. D.h. ich habe ganz normal das Abitur in Mathematik gemacht. Mittelmäßig in Mathe mit viel Fleiß, aber ich habe es geschafft.
Wenn ich im Nachhinein schaue, was bei mir von der Schulzeit hängengeblieben ist, dann muss ich für Mathematik sagen, dass ich von der Oberstufen- und vielleicht auch von Teilen der Mittelstufenmathematik am allerwenigsten weiß. Ich könnte ohne mich ganz tief einzulesen nichts mehr mit den Formeln (bis auf das, was man in der Unterstufe macht - Brüche umformen kann ich noch oder mit Unbekannten operieren...) anfangen. Die hier im Thread gezeigten Formeln sind erstmal für mich spanische Dörfer, obwohl ich sicher so etwas in der Schule (Ba-Wü) gemacht habe. Kurvendiskussion habe ich damals, so weit ich mich erinnern kann, verstanden, aber heute weiß ich nur noch, dass es sie gibt.
Dagegen sind mir die sprachlastigen Fächer viel präsenter, abstrakte Gedanken und Philosophien sowie die Grammatik war durch die drei Sprachen, die ich lernte, viel nachhaltiger. Da ist vieles noch da.
Aber ganz losgelöst in Formeln zu denken (wie man es dann in der Mathematik macht) war wohl trotz Abitur und guten Mathematiklehrern, bei denen es Spaß gemacht hat, bei mir nicht nachhaltig genug. Die grundsätzlichen Physikformeln würde ich wahrscheinlich noch eher verstehen, weil ich mich da an die Versuche erinnern würde.
Die Frage wäre, was will man mit Mathematik erreichen? Studierfähigkeit? Erweiterung des Wissens? Abstraktionsfähigkeit? (Ich habe die Abstraktionsfähigkeit eher über den sprachlichen Weg, die Philosophie, gelernt.)
Eine weitere Frage wäre - und so hat man uns das Sprachliche in der Grundschulmathematik begründet - ob man durch die Höherwertung des Sprachlichen in der Mathematik nicht das Verständnis fördert und dadurch (indem man vieles verbalisieren muss) mehr Zugang zum Abstrakten schafft.
Mathematische Methoden spielen in verschiedenen Fachbereichen eine Rolle, ob Naturwissenschaften, Wirtschaft, Technik; die Statistikanteile auch in Sprachen oder Sozialwissenschaften. Da macht es durchaus Sinn, im Mathematikunterricht die mathematische Theorie allgemein vorzubereiten und mit diesem Theoriewissen wiederum in die einzelnen Fachbereiche zu gehen, um im nächsten Schritt ein technisches, naturwissenschaftliches oder sprachliches Problem mithilfe eben dieser Methoden lösen zu können. Das geht aber natürlich nur, wenn es am Ende nicht an Dreisatz und quadratischen Funktionen scheitert.
Aber ganz losgelöst in Formeln zu denken (wie man es dann in der Mathematik macht)
Das macht man eben nicht. Als Naturwissenschaftlerin verwende ich Mathe sowieso nur als Werkzeug, ich kann jedes Problem, welches ich lösen will, auch verbalisieren. Meinen SuS sage ich, Mathe ist die "Sprache für die Faulen", ich habe einfach keine Lust so viel zu schreiben wie ich müsste um das gleiche in Worten auszudrücken, was meine Rechnung gerade meint. Ich stelle in der Physik aber immer auch Prüfungsaufgaben in dem Stil "erklären Sie in Worten und mit Bezug auf die Formel ..." um genau dieses Bewusstsein zu schaffen. Ein Mathematiker-Hirn funktioniert sicher anders als meins aber es denkt auch in Sprache bzw. gibt Zahlen eine Bedeutung.
Insofern kann ich deiner Argumentation für den Anwendungsbezug in der Mathe schon folgen. Ich glaube aber, wir sind da irgendwie im Überdosierten angekommen und der Blick aufs Wesentliche wird durch zu viel konstruierten Text verstellt. Man müsste wohl versuchen irgendwo ein gesundes Mittel zu treffen.
Das macht man eben nicht. Als Naturwissenschaftlerin verwende ich Mathe sowieso nur als Werkzeug, ich kann jedes Problem, welches ich lösen will, auch verbalisieren. Meinen SuS sage ich, Mathe ist die "Sprache für die Faulen", ich habe einfach keine Lust so viel zu schreiben wie ich müsste um das gleiche in Worten auszudrücken, was meine Rechnung gerade meint.
Ich hatte in der 7./8. Klasse einen Mathematiklehrer (M/Ph), der insbesondere bei den Konstrutkionsbeschreibungen viel Zeit darauf verwandt hat, uns die kürzere mathematische Fachsprache beizubringen.
Ab der 9. Klasse hatte ich dann einen Mathematiklehrer (M, kein Ph, eher Ethik oder Philosophie), der uns zu jedem neuen Thema erst einmal eine Seite in nicht mathematischer Schreibweise diktiert hat. Ich hatte mich mal beschwert, die Antwort war sinngemäß, dass wir ja erst einmal verstehen müssten, worum es geht, bevor wir dass dann kurz und knapp mathematisch formulieren können.
Ich mache das zwar lange nicht so extrem, aber es stimmt schon. Wenn man Leute, die kaum noch mit Mathematik zu tun haben, nach dem Satz des Pythagoras fragt, hört man oft die Formel a^2+b^2=c^2. Wer es aber nicht mal verstanden hat, dem sagt die Formel auch nichts.
Mathe ist die "Sprache für die Faulen", ich habe einfach keine Lust so viel zu schreiben wie ich müsste um das gleiche in Worten auszudrücken, was meine Rechnung gerade meint
Ach, ist das wunderbar. Verstehe genau, was du meinst. Vllt. kommt Mathe auch deshalb den Jungs oft so entgegen. Die reden ja meist nicht gern.
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