Situation Quer/Seiteneinsteiger -> Qualifizierungsangebote fehlen (?)

  • Hallo zusammen!


    Bin neu hier auf dem Forum und würde von angehenden oder aktiven Quer/seiteneinsteigern gerne eine Rückmeldung zu folgenden Gedanken bekommen:


    Ich behaupte, dass derzeit zu wenig für die Qualifizierung von Quer/Seiteneinsteigern seitens der Länder getan wird. Kompaktkurse zur Didaktik oder ein doch eher lasches Mentoring Programm an Schulen dürfen nicht alles sein, um auf den Job vor der Klasse vorbereitet zu werden. Die hohe Abbrecherquote unter Quereinsteigern in Berlin (50%) ist für mich ein eindeutiger Beleg dafür, dass es viele mit den derzeitigen Qualifizierungsbemühungen nicht schaffen, in ihrem neuen Arbeitsumfeld glücklich zu werden (auch wenn Berlin sicherlich ein spezieller Fall ist).


    Ich bin fortgeschrittener Lehramtsstudent, seit kurzem aber auch zertifizierter Kommunikations- und Rhetoriktrainer und überlege derzeit ein Angebot zur privaten Weiterbildung für Quer- und Seiteneinsteiger in den Lehrberuf zu schaffen. Konkret soll es darum gehen, den Fokus nicht in erster Linie auf Didaktik, sondern auf rhetorische Fertigkeiten zu legen - ein Aspekt, der auch in der klassischen Lehrerausbildung VIEL zu kurz kommt. Es nützt einer angehenden Lehrperson rein gar nichts, eine Unterrichtsstunde perfekt PLANEN zu können, wenn sie nicht in der Lage ist eine positive Beziehung zu den SuS aufzubauen, da rhetorische Basics (sicherer Stand, raumfüllende Stimme, souveränes Auftreten durch stimmige Mimik + Gestik etc.) fehlen. Wenn ich den Raum nicht im Griff habe, wird selbst die perfekt geplante Stunde zum Rohrkrepierer. Anders als vielfach behauptet (Reden kann man oder eben nicht) ist genau das erlernbar! Durch meine eigene Rhetorikausbildung kann ich sogar sagen, dass auch gute Redner sich in einem hochwertigen Training nochmal auf ein neues Level heben können.


    Seit der Hattie-Studie wissen wir, dass der Lernerfolg von SuS in höchstem Maße von einer guten Schüler-Lehrer Beziehung abhängig ist, im Klartext: Ich lerne am besten von einer Person, die mich überzeugt. Warum also nicht mehr im Bereich Lehrerpersönlichkeit ausbilden, statt den Fokus so stark auf didaktische Winkelzüge zu legen? Insbesondere bei den Quereinsteigern sehe ich hier großes Potenzial, da sie durch ihre Berufserfahrung oftmals schon gestandene Persönlichkeiten sind, denen oftmals (gerade in den MINT-Fächern) einfach die praktische Erfahrung im Sprechen vor größeren Gruppen fehlt. Dies im geschützen Raum eines Weiterbildungsangebotes zu lernen bzw. seine Fähigkeiten zu verbessern würde meiner Meinung nach den Berufseinstieg deutlich erleichtern.


    Wie seht ihr das? Würde mich über Rückmeldungen sehr freuen!:wink_1:

  • Die Quereinsteiger, die bei uns gescheitert sind, hatten eher gute Verhältnisse zu den Klassen. Manchmal sogar zu gut, so dass es als unprofessionell bezeichnet werden kann (mangelnde Distanz). Es haperte bei allen an der Planung des Unterrichts und der Aufbereitung der Themen passend zur Lerngruppe. Es erfolgte keine Analyse der Sus hinsichtlich Vorwissen usw.


    Die Klassen mochten diese Lehrer auch gern. So lange, bis plötzlich die Prüfung vor der Tür stand und die festgestellt haben: jahrelang Unterricht gehabt, immer gelacht, leider nix gelernt.

  • Bevor du so pauschal auf den Quer- und Seiteneinstieg draufhaust, solltest du dich vorher informieren. Es gibt so viele verschiedene Wege, die sich in den Begriffen ähneln, die aber in der Form der pädagogischen Qualifizierung extrem unterschiedlich sind. Wenn ich NUR die Programme in meinem BL betrachte, könnte ich nämlich genau das Gegenteil von dir behaupten (und damit andere Programme in anderen BL ignorieren): Mein BL qualifiziert QE und SE in vorbildlicher Art und Weise, da sie ein 24-monatiges (QE, SE, Fachlehrkräfte) oder 18-monatiges (Fachpraxis-LK) Referendariat durchlaufen. Und auf diesem Weg findet unser BL eben auch sehr viele hervorragende pädagogische Talente, die mit passender Qualifizierung in die Schulen kommen. Bei dieser Quali wird neben der Planung des U auch das Agieren in der Klasse gelernt.

    Und dabei sind eben auch ganz viele gestandene Persönlichkeiten, die aufgrund ihrer Erfahrung einen ganz tollen Draht zu den SuS bei uns an der BBS haben, die berufliche Realität kennen und in der Regel souverän kommunizieren und agieren können ;) Diese Erfahrung gibt es auch.

    Und nu? Kann ich das pauschalisieren? Und auf nicht-qualifizierende Programme übertragen? Nee. Das ist ein viel zu komplexes Thema für pauschales Bashing oder pauschales in den Himmel heben solcher Programme.


    Aber zu deiner Frage: Anbieten kannst du vieles. Probier's. (Aber eigentlich sollte das BL qualifizieren.)

  • Und mal abgesehen davon, gibt es auch ausgebildete Lehrer, bei denen die SuS nichts lernen, viel lachen und die erwähnten Kolleginnen und Kollegen ebenfalls kein Unterricht vorbereiten und Noten nach dem Sonnenstand geben. Wie immer im Leben gibt es solche und solche. Ob es der "ausgebildete Lehrer" ist, der nur Filme mit den Schülern guckt, oder nur Spiele spielt oder nur Aufgaben gibt und das dann Unterricht nennt. Es gibt aber genauso Seiteneinsteiger, die sich einlesen, sich informieren und Rat holen und alles versuchen guten Unterricht zu machen. Und sind wir mal ehrlich, wir werden in den nächsten Jahren auf Seiten- und Quereinsteiger, vor allem in den MINT-Fächern angewiesen sein. Das sollte auch mal die Landesregierung merken und was an der Bezahlung tun.

    Danke.

  • Die Quereinsteiger, die bei uns gescheitert sind, hatten eher gute Verhältnisse zu den Klassen. Manchmal sogar zu gut, so dass es als unprofessionell bezeichnet werden kann (mangelnde Distanz). Es haperte bei allen an der Planung des Unterrichts und der Aufbereitung der Themen passend zur Lerngruppe. Es erfolgte keine Analyse der Sus hinsichtlich Vorwissen usw.


    Die Klassen mochten diese Lehrer auch gern. So lange, bis plötzlich die Prüfung vor der Tür stand und die festgestellt haben: jahrelang Unterricht gehabt, immer gelacht, leider nix gelernt.

    Das hört sich nach meiner Schulzeit an.

    Und da gab es noch keine Quereinsteiger :pfeifen:

    Zum Glück sind die Lehrer von gestern und vorgestern verbeamtet :geschenk:

  • Bevor wir jetzt pauschal uns âussern, sollte klar sein, dass sich die Bundesländer so grundlegend unterscheiden, dass wir von der Ausgangsfragestellung ausgehend entweder sagen es geht in Berlin und nur um Berlin. Ansonsten empfehle ich für jedes BL einen Thread aufzumachen, so groß sind die Unterschiede

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Allein in NRW könnte ich auf Anhieb vier unterschiedliche Varianten für den Quer und oder Seiteneinstieg nennen.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Es spricht eigentlich nichts dagegen, ein entsprechendes Angebot für vertiefende Fertigkeiten in der Rhetorik zu platzieren, außer dass es einerseits bereits entsprechende Angebote gibt und diese nicht selten auch Bestandteil der berufsbegleitenden Qualifizierung sind. Ob es daher eine hinreichende Nachfrage nach einem weiteren kostenpflichtigen Angebot gibt, kann ich nicht einschätzen.

  • Ich sage jetzt Mal was zu NRW

    Während der Einstieg sowohl über die pädagogische Einführung als auch über den Weg OBAS mit einer relativ soliden berufsbegleitenden Qualifizierung verbunden ist, gibt es zwei Gruppen von Lehrkräften für die eine solche Qualifizierung interessant wäre. An erster Stelle stehen da die Kolleg:innen die seit Jahren von einer zur nächsten Vertretung hoppeln. An zweiter Stelle die sogenannte MPT Kräfte. Das sind aber auch gleichzeitig die Kollegen mit dem wenigsten Geld. Insoweit müsste man hier die jeweilige Schule mit im Boot haben, dass sie die Kollegen erstens freistellt und zweitens die Kosten übernimmt. Ansonsten wird es schwierig

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Ohne dir zu nahe treten zu wollen.


    Du steckst selbst noch in Kinderschuhen. Selbst hast du wahrscheinlich kaum nennenswerte Erfahrung im Unterrichten und praktische Erfahrungswerte, die du weitergeben könntest. Möchtest aber den, von dir pauschal als unterqualifiziert und unfähig abgestempelten, Quereinsteiger*innen erzählen, wie es richtig geht?


    Es ist ein Unterschied, ob man rhetorische Mittel für eine Rede oder ein Referat nutzt oder ob man in einem komplexen Gruppensystem interagieren muss.


    Natürlich braucht es Präsenz in der Klasse und eine natürliche Autorität, aber auch Authentizität.

    Wer Fehler findet darf sie behalten und sich freuen! :victory:

    Einmal editiert, zuletzt von ISD ()

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