Klassenfahrten nach UK unter den derzeitigen Rahmenbedingungen

  • ...um als Lehrkraft zu wissen, dass man so viel wie möglich schriftlich dokumentieren muss für den Fall, dass doch einmal etwas schief gehen sollte. Darauf wird schließlich ständig hingewiesen im Schulalltag

    Kleine Randbemerkung: In Ba-Wü habe ich das auch so gelernt und es wurde immer auf die schriftliche Dokumentation wegen der Absicherung hingewiesen. (Klassenbucheinträge...) Dasselbe Vorgehen betraf auch die Aufsicht. Vielleicht ist da Ba-Wü speziell, denn in Bayern habe ich das nicht so "extrem" erlebt.

  • Die Eltern sind getrennt, der Vater ist gar nicht mehr sorgeberechtigt. Im Vorfeld der Fahrt war er nicht beteiligt.

    Ich habe irgendwo gelesen, Vater und Tochter hätten am Informationsabend teilgenommen und weder an dem Abend noch danach auf die Erkrankung hingewiesen. Ersteres sei ihnen auch nicht zuzumuten gewesen, da das Thema sensibel ist.


    Am Freitagmorgen sollten Freundinnen bei Emily bleiben (und auch dem anderen Mädchen), die 4 Lehrkräfte waren mit den knapp 60 Kindern den Tag über unterwegs.

    Es waren mehr als 60 SUS (zwischen 60 und 70) und eine Lehrerin war wohl an diesem Tag schon mit einem anderen Kind im Krankenhaus. Es musste also sowieso schon umdisponiert werden und jeder der übrigen Lehrer musste also im Schnitt mehr als 20 mehr oder weniger unbekannte SUS durch London führen.


    Man hat die dritte Lehrerin und den Lehrer aus dem Verfahren herausgenommen, ganz offensichtlich, weil man im Verhalten der vier Lehrer vor Ort alles in allem eben nicht genug Chancen für eine Verurteilung gesehen hat.


    Deshalb ist man einen anderen Weg gegangen, um die Verurteilung doch noch zu erreichen. Zwar war schon festgestellt worden, dass von medizinischen Laien auch bei Kenntnis der Krankheit nicht erwartet werden konnte, in jedem Fall richtig zu reagieren. Daher hatte man vor, die Garantenstellung ins Feld zu führen. Lehrer sind zumindest bei Kenntnis der Erkrankung eben keine normalen medizinischen Laien, sondern man muss von ihnen aufgrund der Garantenstellung erwarten, dass sie sich schlau machen bzw. umgehend und umsichtig reagieren. Das ist ja auch richtig so. Insofern war es für die Feststellung der fährlässigen Tötung durch Unterlassen entscheidend, dass die beiden für die Planung verantwortlichen Lehrerinnen nicht dafür gesorgt haben, dass die Erkrankung bekannt ist. Die anderen beiden Lehrer hätten sich darauf verlassen dürfen, dass die für die Planung zuständigen Lehrerinnen das korrekt erledigt hätten und werden deshalb nicht belangt.

  • Man spricht dann von einer Vorerkrankung, wenn die Krankheit einer aktuellen Erkrankung oder einem Antrag vorausging. Zum Beispiel spricht man von einer Vorerkrankung, wenn ein Covid-Patient bereits an Diabetes leidet oder wenn ein (ehemaliger) Krebspatient einen Versicherungsantrag stellt. Ich weiß also nicht, ob "Vorerkrankung" hier der richtige Begriff ist.

  • Was mir neben dem unfassbaren Verlust der Eltern halt einfach sehr leid tut, ist, dass die jüngste und unerfahrenste von allen denkbaren Mitverantwortlichen (Schulleitung, Stufenleitung, mitfahrende Kollegen, Klassenlehrer (hat auf eine Rundmail im Vorfeld nicht reagiert), Eltern) den größten Schaden davontragen wird. Die ältere Lehrerin wird vielleicht mit Abschlägen nach längerer Krankmeldung frühpensioniert, wird aber Beamte bleiben (Geldstrafe, nicht Gefängnis). Beide haben wohl keine Regressforderungen zu befürchten, wenn noch auf Schadenersatz geklagt wird, da ihnen Fahrlässigkeit vorgeworfen wird, nicht grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Aber die junge Lehrerin war vermutlich allenfalls Beamte auf Probe und wurde mit einem offenen Verfahren und wird mit einer Vorstrafe wohl nicht mehr verbeamtet. Sie ist psychisch erkrankt. Die Mindestpension hat sie sicher noch nicht. (Sie ist in Elternzeit.) In ihrem Beruf weiterzuarbeiten, kann sie sich im Moment zumindest nicht vorstellen, hat aber mit ihrer Ausbildung so ohne Weiteres erst einmal keine Alternative. Insofern kommen alle anderen mit einem blauen Auge davon, nur sie steht vor dem Nichts. Natürlich hat sie dazu auch selbst beigetragen, indem sie nach über 4 Jahren zum Beispiel immer noch keinen passenden Fachanwalt hatte oder indem sie sich nicht an den Rat ihres Anwalts gehalten hat, keine Aussage zu machen (was aber vermutlich auch nichts gebracht hätte).

    • Offizieller Beitrag

    Sie hatte doch schon jahrelang Diabetes. Das ist keine Krankheit, die plötzlich geheilt ist, sondern die begleitet einen. Natürlich ich ist eine Vorerkrankung.

    Kann man auch googeln.

    Siehe Pyro und Pepe - die Bezeichnung "Vorerkrankung" ist falsch gewählt.

    • Offizieller Beitrag

    Ähm ... natürlich müsste es angegeben werden. Es sei denn, man spielt russisch Roulette mit seiner Tochter.

    Aber nicht wegen der "Vorerkrankung, die evtl. Auswirkungen haben könnte", sondern weil es eine chronische Erkrankung ist, auf die die Lehrer achten müssen.

  • Kleine Randbemerkung: In Ba-Wü habe ich das auch so gelernt und es wurde immer auf die schriftliche Dokumentation wegen der Absicherung hingewiesen. (Klassenbucheinträge...) Dasselbe Vorgehen betraf auch die Aufsicht. Vielleicht ist da Ba-Wü speziell, denn in Bayern habe ich das nicht so "extrem" erlebt.

    Spannend. Offenbar haben wir hier in BW also auch ein paar besonders strenge „Sperenzchen“, nicht nur das dafür notorisch berüchtigte Bayern. Wird denn, nachdem du ein wenig vergleichen kannst, deines Erachtens weniger schriftlich dokumentiert in Bayern als in BW oder wird hier in BW nur häufiger und nachdrücklicher darauf hingewiesen?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich lese mir Verwunderung,, dass die Abfrage von Vorerkrankungen nicht bei allen Kollegen zum selbstverständlichen know how gehört. Mir persönlich würde diese Erkenntnis bereits mit 16 Jahren im Jugendrotkreuz Gruppenleiteraufbaulehrgang vermittelt. Bei meinem nächsten Besuch eines Zfsl werde ich ernsthaft mal nachfragen was da diesbezüglich vermittelt wird.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Ich bin mir da nicht so sicher. Nicht darin, dass Klassenfahrten angeordnet werden, sondern eben in der Begründung im Urteil, dass Vorabfragen zwingend notwendig seien. Wenn Lehrkräften in diesem formalen Punkt der Prozess gemacht wird, dann sollte dafür das Ministerium die Verantwortung übernehmen. Denn genau das könnte doch in anderen Fällen auch passieren. Fürs Schwimmen gibt's sooo genaue Anweisungen und wenn man sich an alle hält und dann trotzdem etwas passiert, ist man nicht persönlich haftbar.


    Mal abgesehen davon, dass ich das für geschmacklos halte, sehe ich auch überhaupt keine Grund dafür:

    - die Schülerin war bereits 6 Jahre lang erkrankt, in der Schule war die Erkrankung mit Sicherheit bekannt. Wenn dann bei der Fahrt fremde Lehrkräfte begleiten und weder ein innenschulischer Informationsfluss stattfindet noch abgefragt wird, liegt die Verantwortung ganz klar bei der Schule


    Vorerkrankungen und erforderliche Medikationen schriftlich abzufragen vor einer Klassenfahrt muss aber halt nicht erst ein Dienstherr anordnen, damit gesunder Menschenverstand plus Aufsichtspflicht das zwingend geboten erscheinen lassen, um eine Klassenfahrt überhaupt rechtssicher planen und durchführen zu können.


    Es geht darum, etwas im Nachhinein zum Gesetz zu erheben, das vorher keins war. Wir alle können einfach froh sein, dass auf einer unserer Fahrten bislang nichts derartiges passiert ist.


    Noch einmal: eine entsprechende Sorgfaltspflicht bei der Vorbereitung und der Durchführung von Schulfahrten (wie auch des Unterrichts an sich) ist überhaupt nichts neues und wird gerade nicht "im Nachhinen zum Gesetz erhoben".


    Ich bin z.B. verwundert darüber, dass ihr Vorerkrankungen überhaupt abfragt. Ok, ich unterrichte ausschließlich in der Sek. 2, aber bei uns wurden Vorerkrankungen noch nie abgefragt.

    Ich habe mich jetzt eine ganze Weile herausgehalten, weil ich gedacht habe, irgendjemand würde die Legende, Vorerkrankungen abzufragen sei nicht geregelt, mit Hinweis auf die entsprechende Rechtsnorm als eine Legende entlarven. Bisher ist das aber meines Wissens nur indirekt von Seph gemacht worden.

    Der in Rede stehende Fall bezieht sich auf eine Schulfahrt aus NRW; dort gelten mindestens seit 1997 die Richtlinien für Schulfahrten. Dort steht unter 6.1

    Zitat

    Art und Umfang der Aufsicht haben sich nach den jeweiligen Gegebenheiten zu richten; mögliche Gefährdungen sowie Alter, Entwicklungsstand und Ausprägung des Verantwortungsbewusstseins der Schülerinnen und Schüler, bei Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen auch die Art der Beeinträchtigung, sind zu berücksichtigen.

    [...]

    Auch bei nicht unmittelbar beaufsichtigten Unternehmungen muss eine Begleitperson jederzeit (!) erreichbar und ansprechbar (!) sein.

    Daraus lässt sich ableiten, dass zumindest die Fahrtleitung sich vorab ein genaues Bild über die Teilnehmenden machen muss.

    Dass daraus dann entsprechende Konsequenzen vor Ort zu ziehen sind (bei einer 13-Jährigen mit bekannter Diabetes z. B. die eigene aktive (!) Erkundigung, wie es ihr geht), liegt m. E. auf der Hand.

  • Der Germanist

    Danke für das tw. Zitat aus der BASS.

    An der Stelle nochmal der eindringliche Appell diese Erlasse auch durchzulesen. Wir verweisen in den jährlichen Belehrungen immer auf den Wandererlass.

    Achtet Ihr beispielsweise auch bei jedem Schulausflug darauf, dass wenigstens ein Ersthelfer dabei ist? Nein? Dann schaut mal in den Erlass. Was wird wohl passieren, wenn ein Schüler einen plötzlichen Herzstillstand bekommt und keiner da ist der reanimieren kann. Jetzt muss nur noch ein Vater dem Staatsanwalt den Wandererlass zuspielen. Der Planer und Genehmigter der Fahrt kann sich schon Mal warm anziehen. Aus diesem Grunde Schulen wir das gesamte Kollegium in erster Hilfe.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

    • Offizieller Beitrag

    Daraus lässt sich ableiten, dass zumindest die Fahrtleitung sich vorab ein genaues Bild über die Teilnehmenden machen muss.

    Dass daraus dann entsprechende Konsequenzen vor Ort zu ziehen sind (bei einer 13-Jährigen mit bekannter Diabetes z. B. die eigene aktive (!) Erkundigung, wie es ihr geht), liegt m. E. auf der Hand.

    Genau deshalb frage ich mich seit dem tragischen Ereignis, wieso die Lehrkräfte nicht primär dafür zur Rechenschaft gezogen wurden.

  • Der Planer und Genehmigter der Fahrt kann sich schon Mal warm anziehen.

    Und genau deswegen plädiere ich dafür gar nicht mehr zu fahren, um jeglichen Gefahren aus dem Weg zu gehen.


    Meine Klasse fragte z.B. gerade in der letzten Woche, ob wir nicht in 2025 für eine Woche nach Amsterdam fahren könnten. Gewiss habe ich den Vorteil, dass dann alle Schüler volljährig sind, aber wenn ich das alles hier so lese, bin ich aktuell gewogen lieber gar nicht zu fahren, weil die Aufsichtspflichten anscheinend strenger sind als bei den eigenen Kindern.


    Oder wie würdet Ihr reagieren, wenn es nach Amsterdam gehen soll und vorab zwei Schüler den Eindruck erwecken drogenabhängig zu sein?

  • Klärende Gespräche unter Einbindung der Schulsozialarbeit. Je nach Absprachefähigkeit einerseits und persönlicher Gefährdungslage andererseits kommt ein Fahrtenausschluss durchaus infrage. Alternativ könnte auch einfach ein anderes Ziel gewählt werden, wo sich zu bekiffen nicht direkt Teil des erwarteten Freizeitprogramms einiger Teilnehmenden sein wird, sondern es tatsächlich um kulturelle Ziele , sportliche oder das soziale Miteinander geht.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Meine Klasse fragte z.B. gerade in der letzten Woche, ob wir nicht in 2025 für eine Woche nach Amsterdam fahren könnten.

    Dazu müsste die Schulkonferenz vorab ein allgemeines Fahrtenkonzept verabschiedet haben. Einfach fahren nach dem Motto "Darauf haben wir gerade Lust." geht nicht und wird von der SL (hoffentlich) nicht genehmigt.


    Im Übrigen hast du Recht: Die Aufsichtspflichten (auch für volljährige SchülerInnen) sind immens. Allerdings liegt das auch in dem Umstand begründet, dass bei Unfällen die Unfallkasse einspringen muss.

  • Spannend. Offenbar haben wir hier in BW also auch ein paar besonders strenge „Sperenzchen“, nicht nur das dafür notorisch berüchtigte Bayern. Wird denn, nachdem du ein wenig vergleichen kannst, deines Erachtens weniger schriftlich dokumentiert in Bayern als in BW oder wird hier in BW nur häufiger und nachdrücklicher darauf hingewiesen?

    Nach meinem Erleben (ich war in beiden Bundesländern an verschiedenen Schulen, entweder Grund- und Hauptschulen oder reine Grundschulen, habe ursprünglich Lehramt an Grund- und Hauptschulen studiert) wird in Ba-Wü mehr auf der rechtssicheren Aufsicht und den dazugehörigen Paragraphen in verschiedenen Schulsituationen "herumgeritten", sodass das einem in Fleisch und Blut übergeht, d.h. es wird häufiger und nachdrücklicher darauf hingewiesen und auch eingefordert. Dieses Bewusstsein habe ich in Bayern nicht so extrem beobachtet. Außerdem musste in Ba- Wü zum Eigenschutz im Vorfeld alles genau offengelegt und transparent gemacht werden. Um einiges lockerer war (ist?) man in Ba-Wü bei der Notengebung, so lange man vorher alles transparent macht. Allerdings ist das Erlebte schon einige Jährchen her.


    Bezüglich der Dokumentation über Verhalten kenne ich es von Ba-Wü noch über die Klassenbucheinträge. In Bayern ist man bei dieser Art von Dokumentation etwas freier, man dokumentiert für sich, wenn es nicht gerade ein Verweis ist, der in die Schülerakte kommt. Irgendwann wurde es in Bayern in den Grundschulen so oder so Pflicht, regelmäßig Schülerbeobachtungen in allen Bereichen aufzuschreiben und zu dokumentieren. Doch als dies sozusagen neu erdacht wurde, war ich nicht mehr in Ba-Wü.

  • Im Übrigen hast du Recht: Die Aufsichtspflichten (auch für volljährige SchülerInnen) sind immens. Allerdings liegt das auch in dem Umstand begründet, dass bei Unfällen die Unfallkasse einspringen muss.

    Ich empfinde es halt bei dieser Klientel besonders schwierig und unangebracht bestimmte Regeln durchzusetzen. Wie soll ich z.B. das absolute Alkoholverbot auf einer Klassenfahrt durchsetzen, wenn die Schüler eben diesen Alkohol legal an jeder Straßenecke kaufen können?


    Warum sollte ich dies überhaupt durchsetzen, wenn der Alkoholkonsum von Volljährigen doch gesellschaftlich nicht nur akzeptiert sondern sogar in gewissen Grenzen als normal angesehen wird?

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