Tandem lesen in der Grundschule Erfahrungen Nachteile?

  • Liebe Lehrer:innen da draußen,

    ich bin noch eine recht junge Kollegin und habe eine dritte Klasse im Fach Deutsch. Nun ist mir schon seit längerem aufgefallen, da meine SuS sehr gut im Lesen und Text verstehen sind, jedoch hapert es noch etwas am lauten Vorlesen. Gerne würde ich diese im Unterricht trainieren und bin auf das Tandem lesen gestoßen, wovon meine Kollegen aber gar nichts halten. Aus pädagogischer Sicht kann ich das nachvollziehen, dennoch denke ich, dass es hierzu so viel Material etc gibt, dass ich vielleicht etwas übersehe hierbei?

    Die Gründe meiner Kollegen:

    • der leseschwache Schüler wird vorgeführt, indem es vom starken Kind angeleitet und korrigiert wird
    • der leseschwache Schüler wird als Sportler definiert und bekommt daher einen Stempel aufgedrückt
    • was ist der Lernerfolg beim lesestarken Schüler?

    Ich habe mir diese Fragen auch gestellt und mir kamen gleich zwei Schüler in den Sinn, welche wahrscheinlich Probleme damit haben könnten und es ihnen peinlich wäre, obwohl gerade sie am meisten profitieren würden.

    Gibt es ansonsten andere gute Methoden oder was haltet ihr davon?

    Danke schon einmal für das Teilen eurer Erfahrungen!



  • Mit dem Tandemlesen habe ich nur gute Erfahrungen. Die befürchteten Probleme, die oben geschildert sind, sind nie aufgetreten. Die Partner habe ich nicht streng nach den Regeln eingeteilt, sondern darauf geschaut, dass sie gut zusammen harmonieren. Beim "Eingangstest" habe ich nicht die Lesefehler gezählt, sondern für mich eine differenzierte Tendenznote gemacht, wie der Schüler insgesamt gelesen hat, die aber nicht gezählt. Danach habe ich die Partner eingeteilt.

    Außerdem habe ich beim letzten Durchgang des Partnerlesens die Rollen umdrehen lassen. Die Partner mussten nach Abschluss der Leserunden einzeln zur mir kommen und ihre Ergebnisse ausschnittsweise vorlesen. Ich habe dann den Trainer gelobt, wenn er gut gearbeitet hat und den Sportler, wenn er gute Fortschritte gemacht hat. Den Trainer fällt eine verantwortungsvolle Aufgabe zu, die haben die Kinder auch so wahrgenommen. Die Sportler haben sich gefreut, wenn sie Fortschritte gemacht haben.

    Fürs Tandemlesen arbeitete ich mit einem ausgemusterten Lesebuch, wo wir noch genügend Exemplare aufgehoben haben.Wenn du willst, schicke ich dir per pn die Anleitungsblätter für die Schüler.

  • Auch hier: eindeutig gute Erfahrungen. Die Kinder machen das gerne und ich sehe eine Entwicklung. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass sich jemand "vorgeführt" vorkommt, auch weil sie gar keinen Überblick haben, wer in der Klasse welche Rolle einnimmt. Sie wissen es für ihr eigenes Team, aber nicht für die anderen. Ich finde auch, dass es durch den Sportvergleich gut zu vermitteln ist, das man regelmäßig trainieren muss um besser zu werden. Und ganz ehrlich: die Kinder vergleichen sich eh untereinander und müssen lernen, damit umzugehen, dass sie unterschiedliche Fähigkeiten haben. Entscheidend dürfte am Ende sein, wie vertrauens- und respektvoll der Umgang in der Klasse allgemein ist und nicht ob man Lesetandems einsetzt oder nicht.

  • Mit dem Tandemlesen habe ich nur gute Erfahrungen. Die befürchteten Probleme, die oben geschildert sind, sind nie aufgetreten. Die Partner habe ich nicht streng nach den Regeln eingeteilt, sondern darauf geschaut, dass sie gut zusammen harmonieren. Beim "Eingangstest" habe ich nicht die Lesefehler gezählt, sondern für mich eine differenzierte Tendenznote gemacht, wie der Schüler insgesamt gelesen hat, die aber nicht gezählt. Danach habe ich die Partner eingeteilt.

    Außerdem habe ich beim letzten Durchgang des Partnerlesens die Rollen umdrehen lassen. Die Partner mussten nach Abschluss der Leserunden einzeln zur mir kommen und ihre Ergebnisse ausschnittsweise vorlesen. Ich habe dann den Trainer gelobt, wenn er gut gearbeitet hat und den Sportler, wenn er gute Fortschritte gemacht hat. Den Trainer fällt eine verantwortungsvolle Aufgabe zu, die haben die Kinder auch so wahrgenommen. Die Sportler haben sich gefreut, wenn sie Fortschritte gemacht haben.

    Fürs Tandemlesen arbeitete ich mit einem ausgemusterten Lesebuch, wo wir noch genügend Exemplare aufgehoben haben.Wenn du willst, schicke ich dir per pn die Anleitungsblätter für die Schüler.

    Vielen, vielen Dank dafür. Wenn du mir die Anleitungsblätter schickst wäre ich ich dir sehr dankbar.

    Hast du den Kindern denn gesagt, dass es einen Trainer und einen Sportler gibt oder hast du nur gesagt, dass die kinder den Satz von vorne lesen müssen, wenn sie ein Wort falsch gelesen haben?

    Liebe Grüße!

  • Auch hier: eindeutig gute Erfahrungen. Die Kinder machen das gerne und ich sehe eine Entwicklung. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass sich jemand "vorgeführt" vorkommt, auch weil sie gar keinen Überblick haben, wer in der Klasse welche Rolle einnimmt. Sie wissen es für ihr eigenes Team, aber nicht für die anderen. Ich finde auch, dass es durch den Sportvergleich gut zu vermitteln ist, das man regelmäßig trainieren muss um besser zu werden. Und ganz ehrlich: die Kinder vergleichen sich eh untereinander und müssen lernen, damit umzugehen, dass sie unterschiedliche Fähigkeiten haben. Entscheidend dürfte am Ende sein, wie vertrauens- und respektvoll der Umgang in der Klasse allgemein ist und nicht ob man Lesetandems einsetzt oder nicht.

    Das heißt, du hast die Gruppen eingeteilt und bist dann hingegangen und hast die "Rollen" verteilt? Und da durfte der sowohl der lesestarke, als auch der leseschwache Schüler mal Trainer und mal Sportler sein?

    Danke für deine Antwort!

  • Ich habe die Partner eingeteilt und jedem Paar gesagt, wer was macht. Rolle wechseln tun wir nicht, weil das m.E. keinen Sinn gibt. Die Rollen sind ja vor allem in folgenden Punkten wichtig: bei der Textauswahl (die sollte für den Sportler zu schaffen sein) und beim Tempo während des synchronen Lesens: da muss sich der Schnellere an den Langsameren anpassen (umgekehrt ginge das schlecht). Beim abwechselnden Lesen dürfen eh beide Partner den anderen auf Verleser hinweisen oder ihm weiterhelfen, aber das passiert natürlich in der einen Richtung häufiger als in der anderen.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Ich versuche aber auch nicht die Rollenverteilung künstlich geheim zu halten. Das vermittelt für mich nämlich auch, dass das was wäre, was für die Sportler unangenehm sein müsste. Das sollte es nicht. Wir habe am Anfang darüber gesprochen, dass Menschen unterschiedlich sind und Dinge unterschiedlich gut können und dass deswegen niemand besser oder schlechter ist. Ich habe aber auch wirklich nicht den Eindruck, dass für die Kinder die Einteilung so eine große Rolle spielt. Ich hatte auch schon Paare, die sich auf Nachfrage gar nicht mehr sicher waren, wer ursprünglich welche Rolle hatte.

  • An unserer Schule machen wir das Tandemlesen noch mit den 5- und 6-Klässlern. Das klappt ganz gut. Bei den Teams verfahren wir genau wie Caro07, die Chemie muss auch stimmen :)


    Bei älteren Schüler/innen geht es nur, wenn sie den Willen haben, sich zu verbessern. Sonst ist es ihnen zu blöd. Ich hatte einen Schüler in Klasse 7 (vorher hatte ich ihn nicht im Unterricht), der sehr schlecht lesen konnte, Er konnte nicht mal alle Buchstaben sicher. Für ihn haben wir täglich Tandemlesen in mehreren Stunden je für 5 Minuten eingeführt. Er ist, je nachdem, wann es bei dem jeweiligen Lehrer zeitlich passte, mit seinen Tandempartnern für die 5 Minuten auf den Flur gegangen, meist am Anfang oder Ende der Stunde. In Klasse 9 konnte er dann richtig gut lesen!

  • Vielen, vielen Dank dafür. Wenn du mir die Anleitungsblätter schickst wäre ich ich dir sehr dankbar.

    Hast du den Kindern denn gesagt, dass es einen Trainer und einen Sportler gibt oder hast du nur gesagt, dass die kinder den Satz von vorne lesen müssen, wenn sie ein Wort falsch gelesen haben?

    Du hast eine pn (siehe Konversationen). Die Antworten deiner Fragen ergeben sich aus dem Material, was ich dir geschickt habe.


    Die Lautlesetandems sind gar nicht so kompliziert. Man kann die "Urform" abwandeln. Wichtig finde ich, dass man bei dem gleichzeitigen, halblauten Lesen zu zweit bleibt (also wenn der Sportler noch unsicher ist), den Fehler verbessert und den Satz nochmals liest. Außerdem sollte der Text mehrmals gelesen werden, damit der Text flüssiger wird. Damit das fünfmalige Lesen desselben Textes nicht zu langweilig wird, habe ich den Text beim ersten Mal den Trainer erstmal vorlesen lassen und beim letzten Mal die Rollen vertauscht. Ein Arbeitsblatt dokumentiert die gemachten Leserunden und die können jederzeit unterbrochen und an einem anderen Tag weitergeführt werden. Wenn einer krank war, habe ich bei gerader Zahl diejenigen, die keinen Partner hatten, zusammen machen lassen oder zu dritt ging im Notfall auch einmal.

    Für mich sind die Lautlesetandems der beste Weg in der Schule Lesefortschritte zu erreichen. Außerdem ist diese Art für die Schüler motivierend.

  • Wow, danke für eure Antworten! War da einfach etwas verunsichert auf Grund meiner Kollegen, aber vielen Dank dafür. Ich werde es direkt ausprobieren und vielleicht kriege ich nach einem Erfolg auch weitere Kollegen dazu, dies auszuprobieren.

    Ich habe mir nun auch alte Lesebücher rausgesucht, schon einen kleinen Plan mit Gruppen etc gemacht und werde nächste Woche starten 😃Ich bin gespannt!

  • hab chorischem Lesen in der Erprobungsstufe (5+6) in meinem Nebenfach etabliert, nachdem ich bei einer unfassbar tollen Fortbildung zur Lesekompetenzförderung in der Sek I bei Ludger Brüning war. es ist wirklich ne Supersache und all diese geäußerten Befürchtungen Deiner KollegInnen entsprechen nicht meinen Erfahrungen.


    hier finden sich auch interessanter Artikel zum reziproken Lesen, der Dir vlt. noch didaktische Argumente liefern: Ludger Brüning - Lesekompetenz (ludgerbruening.de) Wer nicht flüssig lesen kann, der kann auch nicht sinnentnehmend lesen.

  • Vielleicht noch eine Bemerkung zur Einteilung von den Partnern:

    Ich finde, es macht grundsätzlich Sinn, dass man für sich eine Leserangliste macht. Wenn man 24 Schüler hat, und die Nr. 1 der beste Leser und die Nr. 24 der schlechteste Leser ist, ist es so, dass man erstmal Nr. 1 (Trainer) und Nr. 13 (Sportler) zusammennimmt, darauf folgt Nr. 2 - 14 usw. So ist der Niveauunterschied nicht so gravierend und es liest der beste der Trainer mit dem besten der Sportler. Allerdings habe ich mir die Freiheit herausgenommen und Schüler ausgetauscht, je nachdem wie sie harmonierten.

    Die Schüler wussten nicht, nach welchen Kriterien ich die Liste zusammengesetzt habe und sie wussten auch nicht, dass ich für mich eine Rangliste erstellt habe. Ich habe ihnen gesagt, dass jeder mal vorlesen soll und ich mir aufnotiere, wie jeder liest, weil ich Lautlesetandems machen möchte, das ich ihnen dann, wenn es so weit ist, erklären werde, wie es funktioniert. Letztendlich war es klar, dass die besseren Leser die Trainer sind und die schlechteren die Sportler. So ein mancher mittelmäßiger Leser hat sich sicher gewundert, dass er Trainer war. Trainer Nr. 12 und Sportler Nr. 13 haben z.B. ein ähnliches Leseniveau. (Ihre Ranglistennummern kennen die Schüler nicht.)

  • Ich habe die Klasse in Trainer und Sportler eingeteilt und die Sportler durften sich ihren Trainer aussuchen.

    Dann hätte ich aber sicherlich auch Paare bekommen, die sich auf dem gleichen Leseniveau befinden. Ich hatte bei dem Lesegeschwindigkeitstest, den ich zugrunde gelegt habe, ein breites Mittelfeld. Da wären die schnellsten Sportler genauso schnell wie die langsamsten Trainer. Ich habe es auch so gehandhabt, wie Caro. Ich habe aber auch eine sehr verträgliche Klasse, da finden sich genug Kombis, die gut zusammenarbeiten können.


    Mein Highlight war ja mein leseschwächstes Kind (massive LRS und auch sonst diverse Baustellen), das es nach der Übungsphase im Tandem das erste mal geschafft hat, mir einen kleinen Text verständlich vorzulesen. Das war sooo stolz und wollte mir das gleich nochmal vorlesen:).


    Ein Punkt, der übrigens auch für die starken Leser ein echter Lerngewinn ist: Texte mehrfach lesen lohnt sich! Gerade die guten und schnellen Leser sind bei mir oft der Meinung einmal lesen reicht. Tut es aber oft nicht und sie erfassen eben doch die Details nicht oder hetzen beim Vorlesen ohne jegliche Betonung durch den Text.

    Denen tut es tatsächlich gut, mal einen Gang runter zu schalten und wirklich sorgfältig zu lesen

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Empfohlen war 3×10 Minuten pro Woche. Manchmal schaffe ich das, manchmal nicht. Ich schau aber auch nicht auf die Uhr dabei. Sie sollen eine Lesekarte lesen und dann mit der nächsten Aufgabe anfangen.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Vielen Dank für den link, icke .

    Ich glaube damit werde ich auch einmal ausprobieren, wie das Tandemlesen in meiner Klasse klappt!

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