Keine Notengebung in Kunst, Musik und Sport?

  • 1. Sportliche "Begabung" gibt es definitiv und das fängt schon mit dem Muskeltonus an, der bereits bei der U8 (eine Untersuchung im Kleinkindalter, ich habe eben extra nachgesehen) meines Kindes als nicht ausgeprägt vom Kinderarzt notiert wurde. Ich habe alles versucht, meinem Kind Bewegung schmackhaft zu machen, wir waren beim Kinderturnen, haben etliche Sportarten ausprobiert und einige auch über einen gewissen Zeitraum durchgezogen (in der Hoffnung, der Knoten würde noch platzen), haben den Garten seit Jahren voller Bewegungselemente wie Trampolin, Balancierstange, Turnstangen, ... Mein Kind hat null Interesse, es läuft nicht gern und klettert nicht gern und entsprechend entwickeln sich Muskeln auch nicht so stark wie bei Kindern, die von sich aus einfach ständig in Bewegung sind.

    Ist es dann nicht einfach schlusslogisch so, dass dein Kind sich in Sport besonders anstrengen muss, um dieses Manko auszugleichen?
    Andere Kinder müssen sich in Mathe besonders anstrengen, weil sie Schwierigkeiten mit dem Zahlenverständnis haben, wieder andere beim Auswendiglernen von Fakten, weil sie sich Dinge nicht gut merken können usw.

    Aus einem persönlichen Defizit die generelle Illegitimität eines Faches abzuleiten, halte ich für bequem.

  • Es dürfte kein Fach geben, das ohne Begabung oder Talent leichter zu wuppen wäre als mit. Gerade dann lernt man übrigens etwas, was das Schulsystem den SuS mittlerweile systematisch vorenthalten will: Frustrationstoleranz.

    Ich frage mich, woher solche Behauptungen kommen.

    Es ist sinnvoll, die Anstrengung zu belohnen und zu fördern, sowohl bei den Schwächeren, die sich um kleine Fortschritte bemühen müssen, denen man auch kleine Schritte spiegeln sollte (da ist das Aussetzen der Note manchmal hilfreich),

    wie auch bei Begabten, damit sie lernen, sich für etwas anzustrengen, Grenzen zu überschreiten, sich selbstständig um etwas zu kümmern, etwas auszuhalten und zu übernehmen, das einem nicht liegt oder nicht in die Wiege gelegt wurde.


    Neben der Frustrationstoleranz steht somit die Anstrengungsbereitschaft, die es zu wecken und unterstützen gilt. Das ist nicht immer leicht, aber wertvoll.

    Und sicher sind gerade dabei die Fächer oder Teilbereiche hilfreich, die nicht im Fokus der Kinder oder Familien liegen.

  • Ist es dann nicht einfach schlusslogisch so, dass dein Kind sich in Sport besonders anstrengen muss, um dieses Manko auszugleichen?

    Die entscheidende Frage ist, ist der Sportunterricht so gestaltet, dass dies möglich ist und eine Entwicklungsperspektive geboten wird? Wird diese Entwicklung dann auch honoriert?

    Im Gegensatz zu den anderen Fächern, war dies beim Sportunterricht in der Vergangenheit nicht immer klar erkennbar.

  • Ersetze doch in deinem Text den Begriff Sport durch Mathematik (Sprache, ...) und andere dann dazu passende Vokabeln , dann kann man, wenn man deiner Argumentation folgt, gegen die Benotung in allen Fächern und Bereichen argumentieren. Das erscheint mir nicht sinnvoll.

    1. Sportliche "Begabung" gibt es definitiv und das fängt schon mit dem Muskeltonus an, der bereits bei der U8 (eine Untersuchung im Kleinkindalter, ich habe eben extra nachgesehen) meines Kindes als nicht ausgeprägt vom Kinderarzt notiert wurde. Ich habe alles versucht, meinem Kind Bewegung schmackhaft zu machen, wir waren beim Kinderturnen, haben etliche Sportarten ausprobiert und einige auch über einen gewissen Zeitraum durchgezogen (in der Hoffnung, der Knoten würde noch platzen), haben den Garten seit Jahren voller Bewegungselemente wie Trampolin, Balancierstange, Turnstangen, ... Mein Kind hat null Interesse, es läuft nicht gern und klettert nicht gern und entsprechend entwickeln sich Muskeln auch nicht so stark wie bei Kindern, die von sich aus einfach ständig in Bewegung sind. Es hasst Mannschaftssportarten, weil es immer wieder vorkommt, dass es als eines der letzten Kinder in die Gruppe gewählt und angepöbelt wird, wenn es z.B. einen Ballverlust erleidet. Mittlerweile besucht mein Kind ein Gymnasium und liebt es dort - bis auf Sport, das absolute Hassfach.

    ...
  • Das mit der Entwertung der Fächer finde ich das zentrale Argument. Kunst, Musik und Sport sind keine "Spaßfächer", die so als Hobby betrieben werden. Kunst und Musik sind ganz zentral für das Bilden unserer Urteilskraft. Wir werden ständig mit Bild und Ton geflutet und manipuliert. Da hilft es schon sehr, zumindest mal davon gehört zu haben, dass es Dur und Moll gibt und was das mit Stimmungen zu tun hat, die bei uns erzeugt werden. Was Künstler malen, hat immer damit zu tun, wie sie die Welt sehen. Kunst und Musik gehören ebenso zu unserer Kultur wie Literatur, und da spricht kein Mensch davon, dass das ja eigentlich nur Unterhaltung ist.


    Und Sport ist ja nicht nur Spiel und Spaß. Die körperliche Fitness spielt in so vielen Berufen eine Rolle. Da ist es nur legitim, dass ein angehender Feuerwehrmann auch schriftlich kriegt, dass er sportlich ist.

  • Mal zum Nachdenken: Im Grunde ist privater Musikunterricht oder Teilnahme im Sportverein wie private Nachhilfe (die über viele Jahre läuft.). Wer es sich leisten kann, hat demnach einen ordentlichen Vorteil bei der Benotung.


    À+

  • Mal zum Nachdenken: Im Grunde ist privater Musikunterricht oder Teilnahme im Sportverein wie private Nachhilfe (die über viele Jahre läuft.). Wer es sich leisten kann, hat demnach einen ordentlichen Vorteil bei der Benotung.


    À

    Ja und jetzt? Ist es traurig, dass nicht alle SuS die gleichen guten Ausgangsbedingungen haben? Ja. Aber meinst du ernsthaft das bloße Abschaffen von Noten würde grundsätzlich zu mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit führen?


    Ich hab an einer GMS mit Verbalbeurteilungen gearbeitet. Weder die SuS noch die meisten Eltern konnten damit etwas anfangen und spätestens ab der Mittelstufe wurde von der breiten Masse der Eltern doch wieder Noten beantragt und die ganzen schönen Texte, die übrigens eine Heidenarbeit gemacht haben, interessierten überhaupt niemanden mehr.

  • Absolute Chancengleichheit kann es meiner Meinung nach nicht geben, weil Eltern immer auch einen Erziehungsauftrag haben, den sie unterschiedlich interpretieren, geprägt durch vorhandene monetäre und temporale Ressourcen, eigene Erziehungserfahrungen und -ideale. Dieser Auftrag prägt die Kinder und Jugendlichen ziemlich intensiv und das wirkt natürlich auch noch in die Schulen hinein. Ich wüsste jetzt kein Setting, in dem man gänzlich den Einfluss von Eltern und Umfeld auf Bildungserfolg ausblenden könnte. Ich denke, Chancengleichheit meint da eher, dass jedes Kind überhaupt erst einmal die Chance hat, eine 1 in einem Fach zu bekommen, solange die Leistung stimmt, und dies nicht erst davon abhängt, ob mir als Lehrer die Nase des Kindes passt.

  • Nö, Chancengleichheit gibt es nicht. Die Frage, was Bewertung von SuS überhaupt für einen Sinn hat, habe ich aber hier noch nicht gelesen. Die Angst der Kunstlehrergilde, dass man ihr Fach noch weniger ernst nehmen könnte ist vielleicht begründet, vielleicht auch nicht. Ich sehe in Kunst, Musik und Sport jedenfalls einen ganz anderen Beitrag für die Menschheit als breit diverse Techniken anzuschneiden und nach Kriterien zu bewerten. Kreativ ist jedenfalls weder Musik- noch Kunstunterricht, weil eben genau die Bewertung nach Kriterien jegliche Kreativität verhindert.


    Und wer das für Deutsch auch so sieht, kann ich mitgehen.

  • Kreativ ist jedenfalls weder Musik- noch Kunstunterricht, weil eben genau die Bewertung nach Kriterien jegliche Kreativität verhindert

    Was schiebst du zur Zeit eigentlich für einen Frust? Offenbar geht ja bei deinem Kind an der weiterführenden Schule irgendwas schief und deswegen ist es jetzt überall doof?! Also unsere Musiker und Zeichner machen wirklich tolle Sachen im Unterricht.

  • Was schiebst du zur Zeit eigentlich für einen Frust? Offenbar geht ja bei deinem Kind an der weiterführenden Schule irgendwas schief und deswegen ist es jetzt überall doof?! Also unsere Musiker und Zeichner machen wirklich tolle Sachen im Unterricht.

    Es fehlt weiters jeglicher Beleg, dass Notengebung grundsätzlich Kreativität verhindert.

  • Bei uns ist übrigens Sport am Gymnasium nicht promotionsrelevant. Ich finde das schlecht, aus den gleichen Gründen, die hier schon sehr schön von unter anderem Kathie geschrieben wurden. Dass die Note nicht zählt führt in keinster Weise dazu, dass irgendjemand motivierter ist. Im Gegenteil hängen diejenigen, die keine Lust haben, nur noch mehr ab und als Klassenlehrperson weiss ich, wie häufig man mysteriöse Absenzen für den Schulsport entschuldigt.


    Die Diskussionen um die Benotung in der Musik und im Bildnerischen Gestalten sind auch immer die gleichen, seit ich unterrichte. Bei uns zählen alle Noten gleich, d. h. eine 3 in Mathe kann mit einer 6 im BG kompensiert werden. Meine Güte, was können manche Leute sich darüber empören. Die Musiker sind immer so latent beleidigt, dass BG als Grundlagenfach halt deutlich häufiger gewählt und auch besser benotet wird. Deswegen müssen bei der kommenden Maturreform auch unbedingt beide Fächer Pflicht, am besten bis zur Matura werden. Ich rolle da unterdessen nur noch mit den Augen drüber. Chemie und Physik sind natürlich auch viel fieser als Bio, etc. pp. Als hätten wir nichts Wichtigeres zu diskutieren.

  • Mein Sohn hatte bisher in Basketball immer eine 1 und in Bodenturnen immer eine 6.


    Auch wenn er sich noch so bemüht, er kann noch nicht einmal eine Rolle vorwärts.


    Ich behaupte, er hätte beide Noten auch ohne jeden Sportunterricht. Und im graut schon vor dem Turnunterricht im 2. Halbjahr.

    Ich bin ja nicht dabei, er behauptet aber, dass noch kein Sportlehrer versucht hat, ihn im Turnen etwas weiter zu bringen.

    Die Lehrer turnen etwas vor, lassen die Schüler versuchen, es nachzumachen und danach sollen sie etwas auf Note vorturnen.


    Im Basketball, wo er sehr gut ist, profitiert er davon, dass er Vereinsspieler ist und die, die nicht so mit dem Ball umgehen können, dies in 10 Unterrichtsstunden auch nicht lernen können.


    Anekdotisch, aber bei vielen Sportlehrern realistisch.


    Und die Sportnote ist dann eine 3, auch total nichtssagend, da er in einer Sportart Spitze ist und in der anderen eine Niete.

  • Was schiebst du zur Zeit eigentlich für einen Frust? Offenbar geht ja bei deinem Kind an der weiterführenden Schule irgendwas schief und deswegen ist es jetzt überall doof?! Also unsere Musiker und Zeichner machen wirklich tolle Sachen im Unterricht.

    Halt dich mal mit persönlichen Spekulationen zurück. Und nein, es geht nicht darum, ob Sachen 'toll' sind, sondern dass man Techniken bewerten muss und Kreativität dann zu kurz kommt. Für Sport gilt Ähnliches, was will man denn erreichen? Dass die Kinder in Sportarten reinschnuppern und Freude am Bewegen entwickeln, den Rest des Lebens für sich eine Sportart entdecken? Oder geht es vor allem darum, Noten zusammen zu bekommen? Z.B. sowas in Leichatlethik, in der man vor allem aus Listen Weitsprungdaten abliest und in Noten 'umrechnet' wem soll das was bringen? Kann ja jeder kurz für sich selbst überlegen, was er oder sie aus den Fächern mitgenommen hat. Und das kreide ich keiner Lehrkraft an.

  • Genau das!


    Ich liebe schon immer Schwimmen, gehe heute noch zum Leistungstraining, habe früher Rettungsschwimmen gemacht. In der Schule hatten wir nicht eine einzige Schwimmstunde.

    Basketball habe ich auch sehr gerne gespielt, in der Schule hieß es nach einer Einheit, naja, ich finde, deine Bemühungen sind so semi, Note 3. Danke, ich habe es dann auch nicht weiter probiert.

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