Schöffentätigkeit als Lehrer

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    ich erinnere mich an den lebhaften Austausch im Thread "Referendariat und Schöffentätigkeit". Es erscheint mir trotzdem sinnvoll, für mein Anliegen ein neues Thema zu eröffnen. Wie immer hoffe ich, von euren Erfahrungen profitieren zu können :).


    Konkret geht es darum, dass jetzt ja wieder Schöffen für 2024-2028 gewählt werden und ich mir dieses Ehrenamt aufgrund persönlicher Neigungen gut vorstellen kann. Offene Fragen sind vor allem:

    - Fallen euch Nachteile ein, wenn es um die Verbindung von Schule und der Tätigkeit am Gericht geht?
    - Wisst ihr, wie streng/ flexibel die Gerichte mit der "vielen" unterrichtsfreien Zeit umgehen? Ungerne würde ich meine Urlaubsplanung (die tw. schon lange im voraus feststeht) wegen eines Gerichtstermins kippen...

    - Ich bin noch unschlüssig zwischen "Schöffe" und "Jugendschöffe", tendiere aber zu letzterem. Gibt es hierzu Gedanken?

    Ganz allgemein freue ich mich über Erfahrungsberichte, um meine mentale pro/con-Liste zu erweitern.


    Herzlichen Dank und ein schönes Wochenende!

    There are only 10 sorts of people - Those who know binaries and those who don't.

  • Nachdem der andere Thread dazu dir bekannt ist, in dem meiner erinnerung nach zumindest ein Teil deiner Fragen angesprochen wird, würde ich dir empfehlen, die User:innen, die dort geäußert haben als Schöffen tätig zu sein direkt anzuschreiben. BlackandGold war das meiner Erinnerung nach beispielsweise. Ich denke ganz grundlegend solltest du aber bei der Übernahme eines solchen Amtes dieses auch ernst genug nehmen, um eben auch in der unterrichtsfreien Zeit bei Bedarf zur Verfügung zu stehen. 30 Tage Urlaub wirst du dann möglicherweise für das Gericht eben anmelden müssen im Rahmen dieser unterrichtsfreien Zeit, damit man dich an diesen Tagen nicht mit einplant.


    Den größten Nachteil, den ich sehen würde sind tatsächlich die Ausfallzeiten, die ja nicht zuverlässig von Fachkolleginnen und -kollegen vertreten werden. Gerade in der Prüfungsvorbereitung könnte das Stress verursachen. Darüber hinaus kann es natürlich sein, dass man deutlich mehr Arbeitsstunden an so einem Gerichtstag hat, als man an dem Tag mit Unterricht und Vorbereitung gehabt hätte ohne die Möglichkeit einer individualisierten Pausenplanung, während man gleichzeitig kontinuierlich aufmerksam bleiben muss, angesichts der Tragweite der Entscheidungen, die man mitfällt.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Meine Mutter war zu ihrer aktiven Schuldienstzeit (Grundschule) auch mal eine Periode lang mal Schöffin. Mein Mann hatte sich es auch überlegt und sie deswegen dazu interviewt, also: Bei ihr waren es maximal 12 Termine pro Kalenderjahr als Schöffin, zu irgendwelchen Zeiten, für die man dann natürlich freigestellt wird. Sie fand es aber insgesamt sehr langweilig, weil man viel zuhören muss, wenig nachfragen kann, wenig Einblick nehmen kann und am Ende meistens in Ermangelung tieferen Wissens dem Richter folgt.

    Wenn du mehr wissen willst, kann ich sie nochmal fragen.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Ich hatte damals das Schöffenthema vor allem mit Hinblick auf die schlechten Erfahrungen eröffnet, die ich bei der Kombination Studium und Referendariat gemacht habe. Im Referendariat war es schon sehr viel leichter, beides unter einen Hut zu bringen, insbesondere von der Schule aus war das nie ein Problem, das ZfsL war da schon ein wenig mürrischer ("Da haben Sie sich ja die perfekte Zeit für so eine Tätigkeit ausgesucht"). Da mir das Schöffenamt gut gefällt, habe ich mich jetzt auch für die kommende Amtsperiode beworben, dann ist es diesmal immerhin auch freiwillig.

    Du kriegst zum Jahresanfang deine 12 Termine genannt, also grob einen pro Monat. Es kann dann sein, dass du am besagten Tag zum Gericht fährst, dir der Vorsitzende erklärt, dass das relativ flott gehen wird und du dann wirklich nach 40 Minuten fertig bist. Ich hatte allerdings auch einen großen Prozess, der sich über mehrere Verhandlungstage zog, sodass ich in der Schule im Grunde 2 Wochen ausgefallen bin. Das ist dann schon schwieriger, da leidet der Unterricht natürlich drunter, aber andererseits muss das Schöffenamt jemand ausführen und in anderen Berufen leidet da auch der Betrieb drunter.


    "- Wisst ihr, wie streng/ flexibel die Gerichte mit der "vielen" unterrichtsfreien Zeit umgehen? Ungerne würde ich meine Urlaubsplanung (die tw. schon lange im voraus feststeht) wegen eines Gerichtstermins kippen..."

    Also, meiner Erfahrung nach handhabt das jedes Gericht ein wenig anders. Bei uns ist es unglaublich schwierig, einen Termin ausfallen zu lassen, wenn man nicht gerade ein ärztliches Attest vorweisen kann. Mit beruflichen Gründen wird man da jedenfalls nicht freigestellt, da das Gericht davon ausgeht, dass die Gesetzeslage deutlich genug ist und man keine Nachteile davonträgt. Wie es mir Urlaub ist, kann ich allerdings nicht sagen.

  • Ganz herzlichen Dank für eure sehr ausführlichen Rückmeldungen. Dass man die Termine quasi zu Jahresbeginn schon bekommt, ist natürlich eine gute Sache und ermöglicht auch die Urlaubsplanung nicht allzu sehr einzuschränken.


    Mir hat sich noch eine neue Frage ergeben und die Antwort darauf (bisher nur ergoogelt) könnte der einzige Grund sein, mich doch nicht zu bewerben: So wie ich das lese, entschuldigt Elternzeit nicht vom Schöffenamt und ich kann mir - sollte die Familie noch erweitert werden - einfach nicht vorstellen, bis zu 12x im Jahr eine Betreuung für ein Baby zu suchen, wenn ich eigentlich für eben dieses Baby "zu Hause" bin. Vielleicht soll es also doch erst die nächste Periode sein... Entschieden habe ich mich aber noch nicht.


    Danke nochmal allerseits!

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  • Ich war in der vergangenen Periode Schöffe und habe mich eben weiter beworben. Ich war an einem Landgericht eingesetzt und hatte damit sehr unterschiedliche Termine: Mal hatte ich ein Jahr lang gar keinen Termin (da war ich einer Kammer für Delikte mit Todesfolge eingesetzt), im vergangenen Jahr hatte ich drei Verhandlungen. Aber diese drei Verhandlungen nahmen insgesamt 18 Tage in Anspruch, davon lagen mEn 3/4 innerhalb der Unterrichtszeit. Da fällt dann schon ordentlich Unterricht aus, im letzten Halbjahr fehlte mir dadurch am Ende fast ein Quartal mit einer Klasse, weil die dann auch noch zwischendurch ausfiel durch Krankheit und Klassenausflug. Das ist unangenehm, aber selten in dieser Heftigkeit.


    Ob das Schöffenamt interessant oder nervig ist, hängt von der eigenen Disposition und dem/r Vorsitzenden ab. Gute Leute nehmen auch die Schöffen mit und erklären, beraten und befragen ihre Schöffen. Schlechte Leute nicht. In letzteren Fällen kann man sich zwar wehren, aber das ist die Frage der eigenen Konfliktbereitschaft.

    Ich hatte auch schon nen Fall, wo mein Fachwissen gefragt war: Der Verteidiger wollte eine biophysikalisches Gutachten und die beiden Schöffen waren ein Medizinprofessor und ich als promovierter Physikdidaktiker. Die Kammer hat dann auf das "eigene Fachwissen" verwiesen und abgelehnt.


    Ansonsten habe ich einen sehr spannenden Einblick in unser Rechtswesen gehabt und deutlich tieferes Verständnis in die Entstehung von "unverständlichen" Urteilen gewonnen.

    Und tatsächlich gab es einen (kurzen) Kontakt mit der Schule: Ein Zeuge war ein Schüler von mir, der aber in seinem einem Jahr in der Ausbildungsvorbereitung nur durch Absentismus und Langzeitpraktika auffiel (bei welchem er unter anderem beim Angeklagten arbeitete).

    Mir hat sich noch eine neue Frage ergeben und die Antwort darauf (bisher nur ergoogelt) könnte der einzige Grund sein, mich doch nicht zu bewerben: So wie ich das lese, entschuldigt Elternzeit nicht vom Schöffenamt und ich kann mir - sollte die Familie noch erweitert werden - einfach nicht vorstellen, bis zu 12x im Jahr eine Betreuung für ein Baby zu suchen, wenn ich eigentlich für eben dieses Baby "zu Hause" bin. Vielleicht soll es also doch erst die nächste Periode sein... Entschieden habe ich mich aber noch nicht.

    Nach §35, Nr. 5 GVG könntest du vielleicht eine Streichung erwirken (http://www.gesetze-im-internet.de/gvg/__35.html). Aber das ist alles Andere als sicher, sofern du die Möglichkeit einer weiteren Betreuung des Kindes hast.


    - Fallen euch Nachteile ein, wenn es um die Verbindung von Schule und der Tätigkeit am Gericht geht?
    - Wisst ihr, wie streng/ flexibel die Gerichte mit der "vielen" unterrichtsfreien Zeit umgehen? Ungerne würde ich meine Urlaubsplanung (die tw. schon lange im voraus feststeht) wegen eines Gerichtstermins kippen...

    Zu 1: Ganz am Anfang sagte mein stellv. SL mal: "Dafür haben wir sie nicht eingestellt!" Das war aber auch der langwierigste Prozess, den ich in der gesamten Zeit hatte, insgesamt fast 20 Verhandlungstage, mit stundenlangen Telefonaten, die übersetzt werden mussten. Ansonsten keine besonderen Nachteile. Da ist die Tatsache, dass ich jetzt ne Abordnung bekommen habe, schlimmer für meine innerschulische Karriere.

    Zu 2: Unterschiedlich. Werden weitere Termine im Prozess festgelegt, wird darauf Rücksicht genommen. Ansonsten kann man sich wohl auch, je nach Gericht, im Vorfeld melden und Urlaub angeben. Spannend war, dass ich im ersten Jahr als Schöffe auf einer Veranstaltung in meinem Hobby war und zum Vorsitzenden sagte: "Naja, ich kann vorbeikommen, aber das sind 300 km Fahrstrecke hin und zurück, wie sieht es aus?" Ich bekam die in voller Höhe ausgezahlt.

  • Auch dir ganz herzlichen Dank für die ausführliche Rückmeldung.


    Ich bin in der luxuriösen Situation, zeitnah mit einem Schöffenrichter sprechen zu können, weil ich durch Zufall mit meiner Klasse im Rahmen des Politikunterrichts an einer Sitzung teilnehmen werde. Da werde ich meine Fragen auch nochmal anbringen und mich dann entscheiden.

    Danke nochmal an alle :)!

    There are only 10 sorts of people - Those who know binaries and those who don't.

  • An der Stelle einfach auch noch einmal ganz herzlichen Dank an diejenigen unter uns, die dieses wichtige Amt aktuell ausüben, bereits ausgeübt haben oder auch darüber nachdenken, sich in dieser Weise gesellschaftlich zu engagieren.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Wie sieht es mit der Bezahlung aus? Fahrtkosten werden erstattet, aber was bekommt man sonst noch? Wie macht sich der Beamtenstatus bemerkbar? Ich habe von 29€ pro Stunde Verdienstausfall gelesen, wird das mit dem Gehalt verrechnet?

  • Wie sieht es mit der Bezahlung aus? Fahrtkosten werden erstattet, aber was bekommt man sonst noch? Wie macht sich der Beamtenstatus bemerkbar? Ich habe von 29€ pro Stunde Verdienstausfall gelesen, wird das mit dem Gehalt verrechnet?

    Da du keinen Verdienstausfall hast, bekommst du auch nichts erstattet. So zumindest meine Denkweise.

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  • Da du keinen Verdienstausfall hast, bekommst du auch nichts erstattet. So zumindest meine Denkweise.

    Davon würde ich in dem Fall auch ausgehen. Die Tätigkeit an sich wird meines Wissens nicht bezahlt, nur entstandene finanzielle Nachteile durch Verdienstausfälle oder auch Fahrtkosten ausgeglichen. BlackandGold oder auch RosaLaune : Wie war/ist das bei euch gewesen?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Du wirst freigestellt ohne Geldeinbußen, alles andere wäre das Land, was dem Land was zahlt.


    Persönlich gibt es aber da zusätzlich noch 6€/h, die du nachher als Zusatzaufwand erhältst. Meine ich. Nicht viel, aber genug fürs Mittagessen in der Landgerichts-Kantine.

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