Die mit der Keule kommen... Muss das sein?

  • So sieht es an deinem Gymnasium aus. Nicht alles, aber manches wird anderswo anders gemacht.

    Was? (Gut so verwinkelt sind neue Gebäude vermutlich nicht, aber gerade Gymnasien sind oft alt (und oft erweitert).)


    Profile und verschiedene Kollegen pro Fach kenne ich auch von anderen Gymnasien heute.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Streng genommen müssten solche Schulen auch Schülern ohne Förderbedarf aber mit (leichter unter-)durchschnittlichem IQ aufnehmen, die realistische Chancen auf einen Haupt- oder Realschulabschluss haben, da nicht vermittelbar ist, warum Schüler mit Förderbedarf "Lernen" beschult werden dürfen, Schüler mit höherem kognitiven Potential jedoch nicht. Gleichermaßen dürfte auch keiner sitzen bleiben, da Schüler mit Förderbedarf "Lernen" das Klassenziel mit größter Wahrscheinlichkeit ebenso wenig erreichen konnten. Wir wären hier bei einer Gesamtschule ohne Selektionsmöglichkeit (also auch ohne das Selektionsinstrument "Noten").

  • Ich frage mich bei Inklusion am Gymnasium, welche Kinder dann trotz Anmeldung nicht aufgenommen werden. Hier müssen immer wieder Kinder abgelehnt werden, ist das dort nicht so?

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Rein theoretisch haben manche Kinder Förderbedarf und andere nicht. Also können Schulen jemanden mit Förderbedarf bewusst integrieren, jemand mit Haupt-/Realschulempfehlung nicht.


    Und genau das ist das Problem, an Gymnasien mag es Präzedenzfälle geben, bei denen ein Kind mit Förderbedarf (zum Beispiel das Kind mit Downsyndrom) inklusiv beschult wird. Was Oberschulen aber leisten müssen, ist, neben dem ganz normalen Unterricht, 5 Verhaltensauffällige und 5 Lernschwache je Klasse plus die SuS, die offiziell einen anerkannten Förderbedarf haben zu beschulen. Das bringt zu viele Probleme, die Schulen haben überhaupt keine Lobby. An Gymnasien sitzen ganz andere Elternverbände.


    Also wenn irgendwo das passiert, was man landläufig unter Inklusion versteht, dann ist es am Gymnasium, das medienwirksam ein Kind mit Förderbedarf inkludiert. Die eigentlichen Probleme in diesem Bereich gibt's wirklich an anderen Schularten.

  • h hatte neben den fachlichen Fehlern meiner Realschulkollegen das als das größte Problem bemerkt (eine nannte es geführt). Konkretes Beispiel, ich übernahm eine 9. Klasse Chemie. Ich erklärte chemisches Rechnen (Stöchiometrie) an einem Beispiel, gab Tipps zur allgemeinen Vorgehensweise und wollte, dass die Schüler an einem weiteren Beispiel (nur ähnlich) es selbst versuchten. Sie weigerten sich, die Aufgabe sei anders (stimmt), die Kollegin hätte es an der Tafel vorgerechnet, ich solle auch diese erklären, sie würden abschreiben und zuhause es lernen. Es kam regelrecht zum Aufstand. Aber so funktionieren "Textaufgaben" nicht.

    Auch meine FMS-Schülerinnen rechnen selbst. Sie üben häufiger den gleichen Aufgabentypus und besrimmte Transferausgaben machen wir gar nicht. Aber ich hample ihnen sicher nicht jede Aufgabe an der Tafel vor. Die Klassen sind viel heterogener als am Gymnasium. Es hat immer gute Schülerinnen, die anderen helfen können und ich kann mir die Zeit nehmen, bei den Schwächsten zu sitzen. Im Labor ist FMS Berufsfeld Gesundheit zuverlässig sehr viel selbständigiger und geschickter als Gymnasium Grundlagenfach. Das ist schon so wenn die aus der Mittelstufe zu uns kommen, der Leistungszug E hat nämlich hauptsächlich praktisch gearbeitet und hatte so gut wie gar keinen Theorieunterricht. Die kommen wenigstens nicht mit Falschinformationen, dafür können sie alle einen Bunsenbrenner bedienen.


    Was du schilderst ist nicht fachlich niveauloser Unterricht, das ist insgesamt schlechter Unterricht und offensichtlich nicht adäquat ans Zielpublikum angepasst. Die Arbeitsaufträge müssen so kleinschrittig und einfach formuliert sein, dass sie für die SuS ohne meine Hilfe lösbar sind.

  • Wie? Abschaffung der Profile? Bei uns hat jeder Schüler ab Klasse 5 einen anderen Stundenplan, andere Kollegen

    Das organisatorische Problem sind hier nicht die Profile. Ihr habt alles von der 5. bis zur 13. Klasse im Schulhaus. Wenn man nach Stufen trennt, hat man grössere Kohorten mit dem gleichen Profil un die Organisation wird sehr viel einfacher. Wirklich mühsam für unseren Stundenplaner wird es nur wenn es am Gymnasium nur eine Klasse mit Immersion gibt, dann sitzen da nämlich 5 verschiedene Profile drin. Das hatten wir bisher aber nur 2 x, dieses Jahr haben wir sogar eine Immersionsklasse sortenrein mit Profil B. Ich unterrichte übrigens in einer meiner Klassen im nächsten Semester 8 Wochenlektionen und bin nicht mal Klassenlehrperson. Gymnasium geht also auch ganz anders ;)

  • Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum man geistig behinderte Schüler am Gymnasium inkludieren wollte. Das Gymnasium ist (zumindest in Bayern) eine Schulart, wo bei der Aufnahme der Elternwille egal ist und für die man einen bestimmten Notenschnitt braucht, und die den höchsten existierenden Schulabschluss zum Ziel hat.

    Kinder und Jugendliche mit Notenschutz könnten da natürlich mit im Klassenzimmer sitzen und zum Beispiel im Zahlenraum bis 100 rechnen, während der Matheunterricht der Klasse komplett an ihnen vorbeigeht. Aber: Warum? Was bringt es ihnen? Wären sie nicht an einer Förderschule besser aufgehoben, wo die Lehrkräfte ausgebildet sind und sie mehr Aufmerksamkeit bekämen? Wenn es keine Förderschule sein soll, wären sie dann nicht an einer Haupt-/ Mittelschule besser aufgehoben, wo zumindest Klassleiterunterricht in fast allen Fächer herrscht und die Räume nicht ständig gewechselt werden? Und wo sie vielleicht dem Unterrichtsstoff doch in manchen Fächern, zumindest hin und wieder, ganz teilweise ein bisschen mehr folgen könnten als am Gymnasium?


    Das einzige Argument dafür, geistig Behinderte am Gymnasium zu inkludieren, wäre meiner Meinung nach, dass man die Lehrer gleichmäßiger belasten will, was die Inklusion angeht. Aber das geht doch völlig am Kind vorbei.

  • Genau darum geht es doch aber: hier wird nach wie vor die Haltung vertreten, Behinderte einfach an andere Schulformen abzuschieben und damit zu exkludieren. Das ganze erfolgt unter dem Tarnmantel "es sei besser für die Betroffenen, da sie wenn man sie separiert, besser gefördert werden könnten". Vielleicht muss man die Frage andersherum stellen: vlt. ist eine Schulform, die es nicht schafft auch lernzieldifferent zu fördern, schlicht nicht mehr zeitgemäß.


    PS: Deutschland ist eines von sehr wenigen Ländern, mit einem so stark gegliederten Schulsystem. Das schlägt sich nicht gerade in durchschlagenden Erfolgen in vergleichenden Bildungsstudien nieder. Auch darüber könnte mal nachgedacht werden.

  • China schließt doch auch immer sehr erfolgreich in Bildungsstudien ab und da kann mir keiner weismachen, dass die Chinesen besonders inklusiv sind. Da müssen andere Faktoren eine Rolle spielen, z.B. sowas wie Leistungsdruck/Erwartungshaltung der Elternhäuser.

    Davon mal abgesehen, heißt es nicht, dass andere Länder etwas zwangsläufig besser machen, nur weil sie es anders machen. Man könnte das Ganze mal positiv formulieren: Während andere Länder behinderte Kinder einfach "nur" mitlaufen lassen, gibt (gab?) sich Deutschland extra die Mühe, sich zwecks individueller Förderung eigene Schulen, in denen Kinder mit besonderem Förderbedarf gezielt in Bezug auf ihre kognitiven, körperlichen und/oder psychischen Bedürfnisse beschult werden, mit eigens hierfür ausgebildeten Lehrern, niedrigerem Klassenteiler, zusätzlichem Personal (~ geistige Entwicklung, körperlich-motorische Entwicklung) und finanziellen Ressourcen, zu leisten.

    Analog das Ausbildungssystem, das es in dem Ausmaß in anderen Ländern so auch nicht gibt. Nur weil in anderen Ländern mehr Leute studieren, spricht das ja nicht gegen unser Bildungssystem, in dem anteilig mehr Leute sich für eine (qualitativ hochwertige) Ausbildung entscheiden.

  • Sorry, dass ich da jetzt echt mal lachen muss. In den vergleichenden Bildungsstudien, du meinst vermutlich PISA, schneiden zuverlässig Länder wie China und Singapur am besten ab. Diese Länder sind ja international bekannt für ihre inklusiven Systeme und auch für ihr freundliches und integratives Menschenbild, gell? Ich frage mich bei PISA ja schon lange, warum ausgerechnet die Schweiz im Bereich Mathe immer so weit vorne liegt. Spricht nicht für den Standard, der da abgefragt wird. :rofl:


    hier wird nach wie vor die Haltung vertreten, Behinderte einfach an andere Schulformen abzuschieben und damit zu exkludieren

    Es ist übrigens interessant, dass die Befürworter*innen der Inklusion es regelmässig nicht schaffen die Begrifflichkeit zu differenzieren. Die Gymnasien exkludieren lediglich alldiejenigen von denen auszugehen ist, dass sie die allgemeine Hochschulreife nicht erreichen.

  • Viel Spass beim Lesen, Roger schreibt immer sehr unterhaltsam:


    https://lvb.ch/lvbinform/2022-…oerderklassen-initiative/


    (Das Heft bietet noch einige Artikel zum Lehrpersonenmangel in der Region, die greifen das Thema der gescheiterten Inklusion auch noch mal sehr hübsch auf. Es ist wirklich unfassbar, was die KuK der Volksschulen jeweils an den KV-Sitzungen der Gewerkschaft erzählen. Ich sitze da mit meinen Luxusproblemen immer etwas kläglich daneben.)

  • Wirklich inklusiv wäre nur eine Gemeinschaftsschule mit entsprechenden Bedingungen. Hamwer nich, also hamwer auch keine Inklusion.


    Woher die irrige Annahme kommt, dass eine Realschule besser geeignet wäre als ein Gymnasium, zeigt m.E. einfach nur, dass jeder in seinem eigenen Saft schwimmt und die Bedingungen anderer Schularten überhaupt nicht kennt. Weil nein, Realschulen sind tatsächlich nicht ein kleines bisschen geeigneter, Kinder mit Behinderung zu beschulen. Dort herrscht weder Klassenleiterunterricht noch ist der Stoff so, dass jeder leichter Frontalunterricht und Lehrplan folgen könnte. Im Gegenteil, diese Schulart hat mit mehr Verhaltensproblemen, anderen Muttersprachen und Lernschwierigkeiten zu tun, sie hat dadurch also eher weniger Kapazitäten.


    Die Frage, die Seph stellt, sollte man natürlich stellen dürfen: wie ist die grundsätzliche Sichtweise auf Gesellschaft? Und wieso sind die Bedingungen in einem der reichsten Länder der Welt nicht so, dass kleine Lerngruppen und ausreichend Personal zur Verfügung stehen? Aber solange Schulen unsaniert sind und nicht mal für das jeweilige Lehramt genug Lehrkräfte da sind, braucht man nicht weiter überlegen. Das ist aber nicht die Schuld der hier Anwesenden, die in ihren Klassen alles tun, um die dort Lernenden gut zu unterrichten. Es ist eine gesellschaftliche Frage.

  • Genau darum geht es doch aber: hier wird nach wie vor die Haltung vertreten, Behinderte einfach an andere Schulformen abzuschieben und damit zu exkludieren. Das ganze erfolgt unter dem Tarnmantel "es sei besser für die Betroffenen, da sie wenn man sie separiert, besser gefördert werden könnten". Vielleicht muss man die Frage andersherum stellen: vlt. ist eine Schulform, die es nicht schafft auch lernzieldifferent zu fördern, schlicht nicht mehr zeitgemäß.


    PS: Deutschland ist eines von sehr wenigen Ländern, mit einem so stark gegliederten Schulsystem. Das schlägt sich nicht gerade in durchschlagenden Erfolgen in vergleichenden Bildungsstudien nieder. Auch darüber könnte mal nachgedacht werden.

    Ich wüsste nicht, wo ich von Abschieben sprach, deine Antwort passt aber gut zum Thema "Gleich mit der Keule kommen".

    In der Grundschule ist Inklusion seit Jahren selbstverständlich und auch deshalb meine ich, durchaus mitreden zu können, da ich eine ziemlich klare Vorstellung davon habe, wie schwierig es schon sein kann, geistig behinderte Kinder so in den Grundschulunterricht zu inkludieren, dass es gewinnbringend (im besten Fall für alle!) ist. Wie soll es dann am Gymnasium klappen? Wohlgemerkt: Inklusion ist eigentlich kein: "das Kind sitzt mit Schulbegleiter möglichst leise in der Ecke und löst den ganzen Tag in Einzelarbeit seine Aufgaben, während die Klasse etwas ganz anderes macht".


    Nur weil ich der Meinung, bin geistig behinderte Schüler sind am Gymnasium weniger gut aufgehoben, heißt das noch lange nicht, dass ich dafür bin, sie abzuschieben. Aber das hier:

    Während andere Länder behinderte Kinder einfach "nur" mitlaufen lassen, gibt (gab?) sich Deutschland extra die Mühe, sich zwecks individueller Förderung eigene Schulen, in denen Kinder mit besonderem Förderbedarf gezielt in Bezug auf ihre kognitiven, körperlichen und/oder psychischen Bedürfnisse beschult werden, mit eigens hierfür ausgebildeten Lehrern, niedrigerem Klassenteiler, zusätzlichem Personal (~ geistige Entwicklung, körperlich-motorische Entwicklung) und finanziellen Ressourcen, zu leisten.

    sollte man vielleicht auch im Kopf behalten.

  • Hier mal eine Stimme aus der Förderschule.

    Meine Schüler, und zwar je nach Einzugsgebiet zwischen 80%-100% könnten nicht am Gymnasium oder auch der Grundschule inklusiv beschult werden.

    Warum?

    Sie können nicht so lange still sitzen.

    Sie können nicht so lange leise sein.

    Sie kommen morgens mit Sorgen und Nöten, die jemand auffangen muss.

    Sie stänkern lautstark, sobald sie überfordert sind (das ist was andres als Punkt 2!).

    Sie bringen Konflikte mit, die sie während des Unterrichts ausstragen (es versuchen).

    Sie kommen ohne Frühstück und wollen als erstes essen. Was sie in der Schule bekommen (in Bayern: Stichwort "BrotZeit" von Uschi Glas)

    Sie zahlen nichts und niemals pünktlich.

    Sie können sich keine Namen und Räume merken.

    Sie haben nie ihre Materialen dabei, nicht mal Papier und Stifte.



    Sicher gibt es immer wieder Schüler, an Landschulen mehr, an Stadtschulen weniger, die sich regelkonform verhalten, für jene gilt folgendes:

    Man muss ihnen alles kleinschrittig erklären.

    Sie merken, dass sie langsamer sind und sind frustriert.
    Sie können sich Räume und Namen nicht merken.

    t.b.c.



    Wir haben ein durchlässiges Schulsystem. Unsre Sopäds sind an den Regelschulen und unterstützen dort, wer dort unterstützt werden kann. Wem das zu wenig ist, der kommt zu uns. Und kann auch wieder gehen.

    Interessanterweise erzählt man sich an Förderschulen L immer von "dem einen Schüler, der es dann ans Gym geschafft hat" - vor Jahren. Das sind absolute Ausnahmefälle.


    Wenn ich den Unterricht meines Kindes (5. klasse Gym) mit dem meinen vergleiche (ich sehe, was sie leisten), so fällt auf: Es ist überall laut. Aber die Gymis lernen dabei, während die Förderschüler weniger als nichts tun.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Ne schöne Anekdote: Eine Kollegin ist in der Kleinklasse (also Kind mit Förderbedarf) eingeschult worden und hat an der ETH studiert. Gibt's wirklich.

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