"Bundesbeauftragter will Sonderschulen abschaffen"

    • Offizieller Beitrag

    Bundesbeauftragter will Sonderschulen abschaffen


    a) macht das Sinn? (Okay, das ist wahrscheinlich jetzt eine Frage, die man hier noch in 50 Seiten diskutieren kann.)

    b) Gibt es in Deutschland noch "Sonderschulen"? ich kenne nur die Bezeichnung "Förderschulen". Okay, das ist vielleicht nur ein Name, eine Bezeichnung. Aber hinter dem Namen verbirgt sich ja auch eine Methodik / Didaktik / Ausrichtung / Idee.


    Zu b) aus der Wikipedia

    Mit dem Begriff „Förderung“ soll deutlich gemacht werden, dass die Schulen bestrebt sind, Beeinträchtigungen/Behinderungen abzubauen und zu kompensieren. Demnach genügt es nicht, einem Schüler zu attestieren, dass er an einer Regelschule zurzeit nicht optimal gefördert werden könne. Vielmehr ist es notwendig, durch eine eingehende und begleitende Förderdiagnostik eine geeignete pädagogische bzw. sonderpädagogische Förderung zu finden. Allerdings liegt bei den mehrfachen Umbenennungen auch der Gedanke an eine Euphemismus-Tretmühle nicht fern.


    Und ich persönlich finde es komisch / kritisch, dass der Beauftragte der Bundesregierung für Menschen mit Behinderungen noch von Sonderschulen spricht.

    Kann natürlich auch sein, dass er das bewusst so formuliert hat um seine Position zu unterstreichen. Wohlwissend, dass es die Schulform "Sonderschule" nicht mehr gibt. Das fände ich jetzt aber nicht weniger kritisch, gebe ich zu.


    *kopfkratz*


    kl. gr. frosch


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    Edit: nach dem Posting von Plattenspieler (siehe unten) habe ich mal weiter recherchiert. Der Begriff "Sonderschule" stammt scheinbar nicht von ihm. Mein Resümee dazu steht unten. Hier aber auch einmal. Zur Übersicht.

    Zitat

    Aber: so wie es aussieht, habe ich ihm wohl unrecht getan. Schade, dass der Begriff "Sonderschule" scheinbar noch so verankert und benutzt wird.

    Und - schade, dass man in der schulischen Praxis immer wieder die Vorbehalte gegenüber den Förderschulen feststellt. Die Förderschule ist kein Abstellgleich, sondern eine Chance. Da sind Profis, die wissen was sie tun und den Förder-Kindern besser helfen können als wir an der Grundschule.


  • Bundesbeauftragter will Sonderschulen abschaffen

    a) macht das Sinn? (Okay, das ist wahrscheinlich jetzt eine Frage, die man hier noch in 50 Seiten diskutieren kann.)

    Kurz und knapp nein und es ist dumm.

    Du kannst heute zwischen Förderschule und Inklusion in der Regelschule wählen. So lassen sich alle passend adressieren. Das einzuschränken führt nur zu Benachteiligungen und Einschränkungen der Bildungschancen.


    Und ich persönlich finde es komisch / kritisch, dass der Beauftragte der Bundesregierung für Menschen mit Behinderungen noch von Sonderschulen spricht.

    Georg Orwell nannte es "Neusprech". ;)

    Ich geh jetzt mal nicht davon aus, dass der Dusel so dement ist und sich, dass er sich nicht mehr an die Umstellung auf Förderschulen erinnert.

    Insofern ist anzunehmen, dass er den Begriff bewusst nutzt, um seine Ideologie zu transportieren und das Denken einzuschränken bzw. in die von ihm gewünschte Richtung zu leiten.

    • Offizieller Beitrag

    Danke.

    Zu meiner "Macht das Sinn"-Frage: das ist jetzt weniger eine "Klärt mich bitte auf"-Frage als eine "Lasst uns das Thema mal wieder aufwärmen und diskutieren, wo Dusel das auch gerade macht"-Frage. ;)

  • BW war das letzte Bundesland, das 2015 die Bezeichnung 'Sonderschulen' abschaffte.

    'Förderschule' heißt die entsprechende Schulform aber auch nicht in allen Bundesländern.

    Die Amtsbezeichnung der Lehrkräfte ist mancherorts noch 'Sonderschullehrer'.

    Aber:

    Zitat von kleiner grüner frosch

    Und ich persönlich finde es komisch / kritisch, dass der Beauftragte der Bundesregierung für Menschen mit Behinderungen noch von Sonderschulen spricht.

    Aus dem Artikel geht imho nicht hervor, dass der Beauftragte der Bundesregierung diesen Terminus verwendet hätte. In den zitierten Passagen taucht er nicht auf. Insofern denke ich eher, dass er auf die Redaktion der Tagesschau zurückzuführen ist.

    Oder sehe ich da etwas falsch?


    Inhaltlich könnte man da natürlich viel zu schreiben. Wie oft es während meiner Studien-, Referendars- und bisherigen Berufsjahre schon hieß, meine Schulform würde abgeschafft ... Und seit Jahren steigen die Schülerzahlen ... Warten wir ab, wie es weitergeht.

    • Offizieller Beitrag

    Hm, kann sein. Ich suche gerade nach dem Ursprung der Meldung.

    Bei der TAZ gibt es ein Interview, erschienen am 3.12. um 12:48, da taucht "Sonderschule" in der Frage auf, nicht in der Antwort.


    Eigentlich sollte längst jede Schule in Deutschland inklusiv sein. Gehören Sonderschulen abgeschafft?

    Langfristig ja, weil es richtig ist, dass Kinder mit und ohne Behinderung zusammen in die gleiche Schule gehen. Die Kinder mit Behinderung müssen aber ihren Mehrbedarf an Unterstützung bekommen, die Förderschulpädagogen müssen in die Regelschulen. Das fehlt in der Realität immer wieder, und dann fährt man das Thema Inklusion an die Wand. Dann fühlen sich die im Recht, die schon vorher gesagt haben, das klappt ja sowieso nicht mit dem gemeinsamen Lernen.

    Wenn das die Primärquelle ist, dann ist es ein Fall von "Journalisten, die nicht wissen, wovon sie reden".

    Wobei: ich hätte als Beauftragter dieser Wortverwendung explizit wiedersprochen.


    Aber: so wie es aussieht, habe ich ihm wohl unrecht getan. Schade, dass der Begriff "Sonderschule" scheinbar noch so verankert und benutzt wird.

    Und - schade, dass man in der schulischen Praxis immer wieder die Vorbehalte gegenüber den Förderschulen feststellt. Die Förderschule ist kein Abstellgleich, sondern eine Chance. Da sind Profis, die wissen was sie tun und den Förder-Kindern besser helfen können als wir an der Grundschule.

  • Fordert Herr Dusel so wie er es formuliert nicht sogar die Abschaffung des gegliederten Schulsystems? Denn wenn er sagt, dass alle Kinder in die gleiche Schule gehen sollen, bedeutet das, so wie ich ihn verstehe, dass ein Hochbegabter theoretisch neben einem Geistigbehinderten sitzen könnte. Dann bräuchte es keine Noten mehr und eine Versetzung wäre eh automatisch der Fall. Geistigbehinderte würden dann vermutlich auch keinen lebenspraktischen Unterricht mehr erhalten, sondern in Chemie und Latein dabei sitzen. Wäre das Inklusion gemäß den Vorstellungen von Herrn Dusel?

  • Geistigbehinderte würden dann vermutlich auch keinen lebenspraktischen Unterricht mehr erhalten, sondern in Chemie und Latein dabei sitzen.

    Oder Gymnasiasten kein Chemie und Latein mehr, sondern würden im lebenspraktischen Unterricht dabei sitzen?

  • Oder Gymnasiasten kein Chemie und Latein mehr, sondern würden im lebenspraktischen Unterricht dabei sitzen?

    Aber warum? Bei uns war das so dass eine bestimmte Zeit in der Woche (klar, wir sind Grundschule) alle diese Kinder gemeinsam eben solchen Unterricht hatten und z.B. Marmelade gekocht haben, Apfelmuss usw.

  • In NRW haben viele Sonderschulen inzwischen dichtgemacht und fehlen. So lange "Inklusion" weiterhin nur als Sparmaßnahme umgesetzt wird, macht es keinen Sinn, überhaupt weiter über solche Vorschläge zu diskutieren:

    Zitat

    Am heutigen Tag der Menschen mit Behinderung hat sich Bundesbeauftragter Dusel für die Abschaffung von Sonderschulen ausgesprochen. Kinder mit und ohne Behinderung sollten laut Dusel zusammen in die gleiche Schule gehen.

    Ist das Thema wirklich aktuell? Dann sollte man langsam anfangen, die "gleichen Schulen" (?) entsprechend auszustatten. Das ist nach Jahren der so genannten Inklusion nämlich nicht passiert.

  • In den Grundschulen ist es schon häufiger so, dass Hochbegabte Kinder auch neben Kindern mit GE-Unterstützungsbedarf sitzen.


    Mich nervt die Frage, OB sie aufgehoben werden sollen.

    Es müsste immer zuerst um die Bedingungen gehen.

    Setze ich die Kinder gemeinsam in einen Klassenraum zu einer Lehrkraft oder bilde ich Hilfen im Regelsystem ab, die an FöS gegeben sind oder waren, in den anderen Schulen aber nicht realisiert werden.

    Was stellt sich der Beauftragte vor und wie realistisch sind seine Ansichten hinsichtlich der gemeinsamen Beschulung, wenn es um Bedingungen geht, die ein Gelingen und die Förderung aller gewährleisten?


    Die Eltern stimmen mit den Füßen ab und wählen eher das kleinere Übel bzw. die bessere Ausstattung, sofern sie selbst geneigt sind, ihre Wahlfreiheit zu nutzen.

  • Eigentlich müsste man Herrn Dusel mal fragen, wie er sich Schule vorstellt und weniger, wie er sich Schule nicht vorstellt. Ich habe den Eindruck, dass er möchte, dass alle Schüler, womöglich unterschiedlicher kognitiver und sprachlicher Niveaustufen, gemeinsam unterrichtet werden und der Lehrer bietet zu jedem Thema Lerngegenstände auf allen möglichen Niveaustufen an. Am Ende haben alle etwas im Rahmen eines gemeinsamen Oberthemas gemacht, jeder ist im Idealfall schlauer als vorher und bekommt womöglich eine individuelle Rückmeldung vom Lehrer. Klingt schön in der Theorie, hat aber sicher nicht viel mit unserem derzeitigen Bildungssystem zu tun, in dem die Selektion nach Leistung ein zentrales Merkmal darstellt.

  • Solche Ideologen machen mir einfach nur Angst. Das ist in der Realität überhaupt nicht darstellbar. Neulich sagte mir ein Konrektor einer Förderschule, dass er für die Inklusion düster sieht. Selbst die Eltern mit Migrationshintergrund kehren der Inklusion mittlerweile zum Teil den Rücken, meinte er. Auch aus meiner Erfahrung haben diese Eltern schlechte Bedingungen in der Inklusion am ehesten hingenommen.

    Der Fachkräftemangel wird sich weiter zuspitzen und das wird auf Kosten der Inklusion gehen. Wer als Förderschullehrer die Wahl zwischen Förderschule und Inklusion hat, wird wohl eher an die Förderschule gehen. Die Stellen in der Inklusion werden leerlaufen. Das sehe ich doch jetzt schon bei einer Pilotschule, die sich eigentlich ihr eigenes Personal suchen müsste. Das finden sie aber nicht, weshalb dann das Förderschulpersonal vom BFZ abgeordnet wird. Ohne das wären sie am Ar...! An einer anderen Pilotschule ist das Bild ähnlich. Dabei sind wir in einer Großstadt und die Schulen sind personell gut aufgestellt, zumindest besser als auf dem Land.

  • Der Fachkräftemangel wird sich weiter zuspitzen und das wird auf Kosten der Inklusion gehen. Wer als Förderschullehrer die Wahl zwischen Förderschule und Inklusion hat, wird wohl eher an die Förderschule gehen. Die Stellen in der Inklusion werden leerlaufen. Das sehe ich doch jetzt schon bei einer Pilotschule, die sich eigentlich ihr eigenes Personal suchen müsste. Das finden sie aber nicht, weshalb dann das Förderschulpersonal vom BFZ abgeordnet wird. Ohne das wären sie am Ar...! An einer anderen Pilotschule ist das Bild ähnlich. Dabei sind wir in einer Großstadt und die Schulen sind personell gut aufgestellt, zumindest besser als auf dem Land.

    Beobachtung aus meiner beruflichen Realität:


    An Gesamtschulen, an denen Schule aus dem 19. Jahrhundert gemacht wird (Lehrkraft steht vor der Klasse, alle im „Gleichschritt“, starke Sanktionen, motivierte, aber ausbrennende Lehrkräfte, Selektion H/R/G), an denen die Förderschullehrkräfte zur Stabilisierung des Systems eingesetzt werden, damit der Unterricht so bleiben kann, wie er ist, trifft das zu. („Nimm mal Paul und Henry mit raus, damit ich in Ruhe unterrichten kann.“)


    An Schulen, bei denen es ums Lernen geht, Unterricht anders gedacht wird, an Schulen, die sich auf den Weg zu neuem Lernen und die Inklusion zum Markenzeichen machen, stelle ich das nicht fest.


    VG


    Hiz

  • An Schulen, bei denen es ums Lernen geht, Unterricht anders gedacht wird, an Schulen, die sich auf den Weg zu neuem Lernen und die Inklusion zum Markenzeichen machen, stelle ich das nicht fest.

    Es gibt Schulen, wo Inklusion gut funktioniert. Das will ich gar nicht bestreiten und das sehe ich auch in der Beratung.

    ABER: Das lässt sich so nicht verallgemeinern, weil diese Schulen oft durch ein oder mehrere Merkmale im Gegensatz zu anderen Schulen herausstechen, was das Ganze trägt. Das mit dem Ausbrennen würde ich genau diesen Schulen unterstellen, weil es i.d.R. die Belegschaft ist und war, die durch dauerhafte unbezahlte Mehrarbeit (= unheilbarer Idealismus) das System überhaupt erst ermöglicht(e). Dann waren es nur bestimmte (mildere) Behinderungsbilder, mit denen sie konfrontiert wurden. Ohne das würden sie krachend scheitern. Was ich auch immer wieder feststelle, wie man sich da bestimmte Sachen schönredet, wo ich den direkten Vergleich zwischen Inklusion und Förderschule sehe. Das können die Inklusionsbefürwörter, die i.d.R. nu ihre eigene Schule kennen, nicht von sich behaupten.

    Die allermeisten Kinder mit einer Sinnesschädigung sind alleine damit und kennen keine weiteren Hörgeschädigten/Sehbehinderten, weil es eben recht selten ist. Keine noch so gute Inklusion kann ihnen den Kontakt zu anderen Kindern und Jugendlichen mit einer Sinnesschädigung bieten, die manche brauchen. Das kann nur die Förderschule!

    Es gab bei uns in der Stadt die Überlegung, Schulen mit besonderer Ausstattung in Bezug auf eine Behinderungsart zu schaffen. Das hätte den Vorteil, dass Kosten geringer gehalten werden könnten, das begrenzte qualifizierte Personal zu bündeln sowie den Kindern und Jugendlichen Peer-Kontakte zu ermöglichen und eine auf Dauer eine Schülerschaft zu haben, die sensibler bezüglich dieses Themas ist. Die Wohnortnähe hätte gelitten, was aber in der Stadt verschmerzbar gewesen wäre. In der Sek I ist es ohnehin eine wildes Hin- und Hergependel. Es wurde aus ideologischen Gründen abgelehnt und auf diese ideologische Verbohrtheit trifft man leider immer wieder!

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