Ruhezeiten vs. Lesenacht: Beamten-Arbeitszeitverordnung

  • Folgende Konstellation:


    Vorab: Eine GS hat Lesenächte als Teil ihres Konzepts im Feld "Lesen" und hat dies auf der HP veröffentlicht. Daraus folgt in meinen Augen, dass Lesenächte durch die SL nicht als freiwillig/Privatvergnügen abgetan werden können. Also, wenn es der SL in einem bestimmten Fall nicht passt, dann kann man das meiner Ansicht nach mit dieser Argumentation nicht abtun.


    Jetzt konkreter:

    Wenn die SL meint, dass nach einer Lesenacht in der Mitte der Woche am nächsten Tag keine Befreiung vom Unterricht gewährt werden kann, weil keine Vertretung an diesem Tag möglich ist, wird die Situation interessant und komplex.


    In der entsprechenden hessischen Arbeitszeitverordnung ist der relevante Paragraph der §2.

    Dort ist in (2) grundsätzlich festgelegt, dass "Pro 24-Stunden-Zeitraum [...] eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden zu gewähren" ist. Streng genommen dürfte gemäß dieser Regelung eigentlich keine Lesenacht stattfinden, da bspw. nach Unterrichtsende bis zu Beginn der Lesenacht dies nicht gewährleistet ist und dann bis zum nächsten Morgen während der Lesenacht auch nicht. Also in dem 24-Stunden-Zeittraum 8 Uhr Unterrichtsbeginn bis zum nächsten Morgen 8 Uhr wird gegen diesen Punkt verstoßen. Natürlich gibt es dann die entsprechende Ausnahme in (3): "Von Abs. 2 kann sie Ausnahmen zulassen, [...] dienstliche Belange dies erfordern und gleichwertige Ausgleichsruhezeiten gewährt werden." Das erlaubt dann prinzipiell die Lesenacht in dieser Konstellation, fordert aber die gleichwertige Ausgleichruhezeit. Diese müsste meiner Ansicht nach in der Form erfolgen, dass sich am Folgetag direkt eine Unterrichtsbefreiung anschließt, mit der Argumentation, weil dann aus den 24 Stunden ohne Ruhezeit ansonsten sogar 30 Stunden werden würden und das aus meiner Sicht nicht mehr zumutbar wäre. Problem: Das ist so natürlich in der Verordnung nicht wörtlich drin sondern Interpretation. Meinungen hierzu?


    Jetzt gibt es leider noch einen weiteren Satz in (3) "Soweit in Ausnahmefällen die Gewährung von gleichwertigen Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, ist ein angemessener Schutz der Gesundheit anderweitig zu gewährleisten." Ich fürchte, dass die SL sich auf diesen Ausnahmefall herausreden würde, dass eben einfach keine Vertretung möglich sei. Kennt jemand eine Interpretation von Ausnahmefall? Ist so ein - aus meiner Sicht - Standard wie die komplizierte Vertretungssituation ein Ausnahmefall? Ich sehe das als alltägliche Situation. Gleichzeitig sehe ich die SL in der Pflicht darzulegen, wie der angemessene Gesundheitsschutz zu gewährleisten ist und zwar ganz konkret und nicht nur mit einem lapidaren (jetzt mal unterstellend fiktiven): "Dann leg dich am Nachmittag mal hin."


    Also: Mein Tipp wäre grundsätzlich, sich gegenüber der SL natürlich nur auf die aus Lehrkräfte-Sicht entsprechend nutzbaren Teile dieses Paragraphen zu berufen. Bezüglich des "Ausnahmefalls" Vertretungsprobleme wäre dann ggf. meine Argumentation, dass das kein Ausnahmefall ist sondern alltägliches Problem. Und bezüglich des angemessenen Schutzes der Gesundheit würde ich (schriftlich) gegenüber der SL vorbringen, dass bspw. das Führen eines KFZs nach dem weiteren Unterrichtseinsatz im Anschluss an die Lesenacht zu einer massiven Gefährdung führen würde. Und gleichzeitig natürlich angemessenen Gesundheitsschutz schriftlich fordern.

    Nein, eine Remonstration scheidet aus, da GS-Lehrerin das nicht machen wird.


    Hätte jemand hilfreiche Ideen, meine Argumentation zu unterstützen oder könnte auf Schwächen der Argumentation hinweisen?


    PS: Konkret hat GS-Lehrerin das von Freitag auf Samstag gemacht, was ich grundsätzlich missbillige.

  • Wenn die SL meint, dass nach einer Lesenacht in der Mitte der Woche am nächsten Tag keine Befreiung vom Unterricht gewährt werden kann, weil keine Vertretung an diesem Tag möglich ist, wird die Situation interessant und komplex.

    Finde ich nicht. Wenn die Gesundheit der Lehrerinnen dabei nicht gewährleistet ist, gibt es keine Lesenacht. Ich finde das einfach.

  • Finde ich nicht. Wenn die Gesundheit der Lehrerinnen dabei nicht gewährleistet ist, gibt es keine Lesenacht. Ich finde das einfach.

    Du übersiehst den Faktor: "Aber die Kinder..."


    Deine Schlussfolgerung wäre auch meine, ist aber eben nicht die von GS-Lehrerin. Ich bin bei so was schmerzbefreit.

  • "Soweit in Ausnahmefällen die Gewährung von gleichwertigen Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, ist ein angemessener Schutz der Gesundheit anderweitig zu gewährleisten." Ich fürchte, dass die SL sich auf diesen Ausnahmefall herausreden würde, dass eben einfach keine Vertretung möglich sei.

    Dann muss die Schulleiterin benennen, wie sie denn sonst den „angemessenen Schutz der Gesundheit [...] gewährleisten“ wird. Wenn die Lehrerin sich am nächsten Tag krank melden muss, ist ja auch nichts gewonnen.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • Dann muss die Schulleiterin benennen, wie sie denn sonst den „angemessenen Schutz der Gesundheit [...] gewährleisten“ wird. Wenn die Lehrerin sich am nächsten Tag krank melden muss, ist ja auch nichts gewonnen.

    Danke! Das ist gut. Meiner Ansicht nach ist tiefe körperliche Erschöpfung im Anschluss an die Lesenacht ein Grund, sich bei weiterem Unterrichtseinsatz spontan krankzumelden. Die eigene Betriebsblindheit verstellt manchmal den Blick auf eine logische Konsequenz.

  • Meiner Ansicht nach ist tiefe körperliche Erschöpfung im Anschluss an die Lesenacht ein Grund, sich bei weiterem Unterrichtseinsatz spontan krankzumelden.

    Pauschal weiß man das nicht. Aber ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass man nächsten Tag „nicht mehr kann“. Das muss man individuell prüfen. man wird es erst man betreffenden Morgen selbst wissen. Also recht knapp bevor der Unterricht beginnen wird. Das stellt dann eine Schulleitung vor das Problem, spontan eine Vertretung zu organisieren, die sich geplnt nicht sicher stellen konnte.


    Aber das sit nicht das Problem der erkrankten Kollegin. Die muss sich um ihre Gesundheit kümmern.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • Wenn die Grundschule Lesenächte als Teil ihres Konzeptes führt, dann sollte sie sich vorher überlegen, wie das durchzuführen ist. Bei uns gehen "Lesenächte" bei den Kleinen auch mal nur von 17 bis 20 Uhr, teilweise mit halber Klasse. Nach einer "richtigen" Lesenacht auf hartem Schulfußboden mit 25 kleinen Kindern ist ein normaler Schulbetrieb am nächsten Tag kaum möglich, auch für die Kinder nicht. Wenn ich betroffen wäre und ich eine Lesenacht durchführen müsste, würde ich wahrscheinlich auch auf den Freitag gehen, was sonst. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob man dazu gezwungen werden kann.


    Bei so einer Gelegenheit erhielt ich mal von meinen damaligen Viertklässlern eine Einweisung ins schwäbische Frühstück. Sie haben ihre Eltern gebeten, das für uns zu organisieren. Ich bekam einen Kaffee und für alle gab es Brezeln und Nutella. Das Nutella wurde mit dem Löffel auf den Teller gepackt und da musste man seine Brezel reinditschen. Es war einigermaßen lecker.

  • Pauschal weiß man das nicht. Aber ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass man nächsten Tag „nicht mehr kann“. Das muss man individuell prüfen. man wird es erst man betreffenden Morgen selbst wissen. Also recht knapp bevor der Unterricht beginnen wird. Das stellt dann eine Schulleitung vor das Problem, spontan eine Vertretung zu organisieren, die sich geplnt nicht sicher stellen konnte.


    Aber das sit nicht das Problem der erkrankten Kollegin. Die muss sich um ihre Gesundheit kümmern.

    Natürlich. GS-Lehrerin geht natürlich in die Lesenacht mit dem Ziel, den Unterricht auch noch am nächsten Tag durchzuführen. Die gesundheitlichen Probleme sind eine Möglichkeit in Folge der Lesenacht, sind aber selbstverständlich nicht geplant. Wenn sie dann auftreten sollten, ist natürlich die Krankmeldung folgerichtig. Wenn sie nicht auftreten, wird der Unterricht durchgeführt. Logisch.


    Und zu der anderen Frage: Meines Wissens nach haben die Kinder am Folgetag Unterricht, ich frage aber noch mal nach.

  • Wenn die Grundschule Lesenächte als Teil ihres Konzeptes führt, dann sollte sie sich vorher überlegen, wie das durchzuführen ist. Bei uns gehen "Lesenächte" bei den Kleinen auch mal nur von 17 bis 20 Uhr, teilweise mit halber Klasse. Nach einer "richtigen" Lesenacht auf hartem Schulfußboden mit 25 kleinen Kindern ist ein normaler Schulbetrieb am nächsten Tag kaum möglich, auch für die Kinder nicht. Wenn ich betroffen wäre und ich eine Lesenacht durchführen müsste, würde ich wahrscheinlich auch auf den Freitag gehen, was sonst. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob man dazu gezwungen werden kann.


    Bei so einer Gelegenheit erhielt ich mal von meinen damaligen Viertklässlern eine Einweisung ins schwäbische Frühstück. Sie haben ihre Eltern gebeten, das für uns zu organisieren. Ich bekam einen Kaffee und für alle gab es Brezeln und Nutella. Das Nutella wurde mit dem Löffel auf den Teller gepackt und da musste man seine Brezel reinditschen. Es war einigermaßen lecker.

    GS-Lehrerin ist bzw. GS-Lehrerinnen sind zu wenig auf die eigene Gesundheit und den Erhalt derselben fokussiert. Die Variante mit dem Freitag (die du ja auch durchziehen würdest) ist (leider) das, was die allermeisten "für die Kinder" tun. Das ist Ausdruck eines übermäßigen Engagements. Das meine ich nicht negativ, "ihr" beutet euch für die Kinder in einem Maße aus, das die Dienstherrin nicht honoriert.

    Ich sehe so etwas - in einer völlig anderen Schulform - eben viel pragmatischer.


    Und das Frühstück: Interessant :D :D Bretzeln würde ich doch eher mit Spundekääs und Zwiebelchen kombinieren. Aber nicht zum Frühstück. Und beim Wein dazu wird's jetzt völlig inkompatibel zur GS ;)

    • Offizieller Beitrag

    Und zu der anderen Frage: Meines Wissens nach haben die Kinder am Folgetag Unterricht, ich frage aber noch mal nach.

    Am besten direkt eine Klassenarbeit schreiben, Teil 1 Texte verfassen, Erlebnisbericht. Mindestens 3 Seiten. Teil 2 Arbeit mit dem Wörterbuch, mindestens 80 Wörter nachschlagen lassen. Dann hat die GS-Kollegin mal etwas Ruhe.

    Ich bekomme von Schlafentzug im blödesten Fall Migräneattacken, die länger als einen Tag dauern.

    • Offizieller Beitrag

    Das Nutella wurde mit dem Löffel auf den Teller gepackt und da musste man seine Brezel reinditschen. Es war einigermaßen lecker.

    Das wäre bei uns unmöglich. Zum einen sind wir vom schwäbischen Teil Berlins doch noch ein kleines Stück entfernt und zum anderen würden mindestens 2 Elternteile eine Angstattacke bekommen wegen des ungesunden Frühstücks. Wir bekämen vermutlich Haferkleie mit Leitungswasser angerührt.

  • GS-Lehrerin ist bzw. GS-Lehrerinnen sind zu wenig auf die eigene Gesundheit und den Erhalt derselben fokussiert. Die Variante mit dem Freitag (die du ja auch durchziehen würdest) ist (leider) das, was die allermeisten "für die Kinder" tun. Das ist Ausdruck eines übermäßigen Engagements.

    Wenn man Lesenächte ins Konzept reinschreibt, sollte man sie ja auch durchführen. Vielleicht sollten einfach alle unisono nach so einer Nacht frei bekommen. Die Kleinen und die Großen.

  • GS-Lehrerin ist bzw. GS-Lehrerinnen sind zu wenig auf die eigene Gesundheit und den Erhalt derselben fokussiert.

    Und deshlab ist es völlig nutzlos, dass wir hier darüber diskutieren.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • Wenn man Lesenächte ins Konzept reinschreibt, sollte man sie ja auch durchführen.

    Umgekehrt. Wenn man Lesenächet ins Konzept schreiben will, muss man dafür sorgen, dass sie auch durchführbar sind. Z. B., das genügend Personal zur Verfügung steht.


    Ändert sich etwas an den Voraussetzungen, fehlen z. B. Vertretungen für den nötigen Ausgleich, kann die Lesenacht entgegen dem Konzept halt doch nicht durchgeführt werden. Wenn die Ressourcen nicht reichen, kann nicht alles angeboten werden.

Werbung