Lästern im Kollegium

  • Ich habe mich kürzlich mit einem Kollegen (mwd) unterhalten, der gerade ziemlich frustriert ist. Das Gespräch hat mich noch eine Weile beschäftigt und ich hab erst im Nachhinein festgestellt, warum das so war: es war unheimlich negativ und es ging eigentlich die ganze Zeit darum, was andere falsch machen. Besagte Person arbeitet so viel, weil Teilzeitkräfte (Kollege xy/Kolleginnen kurz vor der Rente/Schulleiter...) so wenig machen und sie das alles auffangen muss. Die Klasse 123 ist so anstrengend, weil deren Klassenleitung so schlecht organisiert ist und die Kinder deswegen so chaotisch. Der Schüler ABC ist so arbeitsintensiv, weil der Vorgängerkollege in einem anderen Schuljahr eine falsche Entscheidung bzgl. dieses Kindes getroffen hat. Und so ging es fort.


    Danach habe ich mich gefragt, ob diese Person, die ich übrigens menschlich durchaus schätze, sobald ich den Raum verlasse, sich bei allen anderen beschwert, wie chaotisch/faul/etc. ich bin?


    Nun will ich nicht behaupten, dass ich mich noch nie bei einer Kollegin über eine andere beschwert hätte. Aber generell versuche ich das zu vermeiden. Und nur wenn ein Verhalten meine Arbeit direkt beeinflusst, spreche ich das bei der Person, die es betrifft, direkt an.


    Wie erlebt ihr das? Habt ihr Dauerlästernde/sich laufend Beschwerende in der Runde? Wie reagiert ihr darauf? Erwischt ihr euch selbst dabei, wie ihr euch sinnlos irgendwo beklagt, außer an der richtigen Stelle und was macht ihr dann, wenn es euch bewusst wird? Gibt es überhaupt ein so abgeklärtes Kollegium ohne Animositäten?

  • ein Lehrerzimmer ist ein Dorf; in einem Dorf finden sich sämtliche Typen von Menschen, und alle reden auch mit- oder übereinander. Wie in jedem Dorf gibt es auch im Lehrerzimmer öfters mal Zwistigkeiten, oder sogar ausgewachsene Animositäten. Und jedem geht es mal gut, und manchmal wieder weniger gut - und jeder tendiert dann eben dazu, irgendwen oder irgendetwas für seinen momentan als schlecht empfundenen Zustand verantwortlich zu machen. Daraus entsteht dann etwas, das man in Ostösterreich "Gesuder" nennt - ein Jammern und Lamentieren, und damit verbunden manchmal auch ein (meist nicht ganz ernstgemeintes) Suchen nach vermeintlich dafür Verantwortlichen. Dieses Sudern ist oft auch nicht Ausdruck eines tatsächlichen Vorwurfs, sondern dient einzig der Psychohygiene und ersetzt somit in gewisser Weise den Besuch beim Beichtvater oder Psychotherapeuten - so gesehen, würde ich das nicht allzu ernst nehmen. Dieses "Dampf ablassen" wirkt vielleicht im ersten Moment konsternierend (vor allem dann, wenn man es nicht gewöhnt ist), aber meist steckt auch nichts wirklich ernstzunehmendes dahinter. Ich würde das ganze halt recht gelassen sehen, und vielleicht erst dann, wenn es zu häufig/zu negativ oder tatsächlich ehrenrührig wird, meinen Standpunkt dem jeweiligen Kollegen klarmachen...

  • Erwischt ihr euch selbst dabei, wie ihr euch sinnlos irgendwo beklagt, außer an der richtigen Stelle und was macht ihr dann, wenn es euch bewusst wird?

    Ehrliche Antwort, ja dabei erwische ich mich in letzter Zeit immer öfter. In der Regel habe ich das allerdings dein Personen auch schon gesagt, es ist aber nichts passiert. Im Sinne von Zusammenarbeit Person x hat zugesichert etwas zu machen, ich verlasse mich und warte und es passiert wiederholt nichts. Sowas hasse ich einfach total. Oder es werden für eine Klasse mit allen KuK Absprachen getroffen und die Klassenleitung sagt der Klasse drei Tage später sie könnten das ja nochmal mit uns Lehrkräften diskutieren. Angesichts der aktuellen Mehrstunden und dadurch wohl entsprechendem Stresspegel platzt es da dann doch öfter mal aus mir raus... Ich kann aber auch damit leben, wenn das auf der anderen Seite auch passiert, würde mir aber tatsächlich auch wünschen, dass man mir sagt, wenn jemandem etwas an meiner Art oder Arbeit nicht passt.


    Irgendwelche Animositäten gibt es in kleinerer oder größerer Form wohl überall, auch außerhalb von Schule.

  • Lästern gehört m.E. zur Psychohygiene und bleibt im vertraulichen Kreis.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Ich tendiere leider auch dazu, dass, wenn ich mit dem Verhalten einer Person sehr unzufrieden bin, mit anderen Personen über diese Person spreche. Eigentlich weiß ich, dass man sowas nicht machen soll, aber in Ermangelung von Alternativen kann dieses Lästern als eine Art Ventil dienen, die innerlich aufgestaute Wut loszuwerden, was vermutlich in Richtung von SteffdA s Argument tendiert.

  • In meinem Team sudern (wie lera1 beschreibt, ein sehr passendes Wort dafür) wir sogar mittlerweile gezielt und lassen es zu. Es dient der eigenen Psychohygiene und sogar der Teambildung. Dinge werden ausgesprochen usw. Es gibt uns das Gefühl, dass man nicht alleine ist. Jeder hat seine Probleme, die wir mittlerweile offener im Team zugeben. Irgendwer hat dann schon einen Tipp. Über die PH hatten wir sogar 2x schon eine Beraterin für Supervision da (Tipp an die Österreicher: gilt als Fortbildungsstunde).

    Ich finde daher leichtes Lästern ok, wird man eh nicht verhindern können. Ich würde auch unterscheiden, ob der betreffende Kollege mal einen schlechten Tag hat oder ob es ein Dauerzustand ist.


    (Team: Die Lehrer einer Jahrgangsstufe bilden bei uns ein Team. Zum Beispiel Einserteam sind die Lehrer der ersten Klassen (in D 5. Klassen)).

  • Danach habe ich mich gefragt, ob diese Person, die ich übrigens menschlich durchaus schätze, sobald ich den Raum verlasse, sich bei allen anderen beschwert, wie chaotisch/faul/etc. ich bin?

    Kurz gesagt: Ja!

    Es sei denn es ist jemand, der nur einmalig wegen akuter Überlastung Frust abgelassen hat.


    Wie erlebt ihr das? Habt ihr Dauerlästernde/sich laufend Beschwerende in der Runde? Wie reagiert ihr darauf?

    Meistens so nach dem Motto. "Was schlägst du zur Veränderung/Verbesserung vor?" Manchmal auch nach dem Motto: "Schade, dass du das so empfindest, nehme ich anders wahr." Kommt immer auf die Situation an.

    Ich vermeide dabei grundsätzlich in die Klage einzustimmen, wenn es nicht lösungsorientiert ist. Das bringt sonst nix außer mieser Stimmung.


    Erwischt ihr euch selbst dabei, wie ihr euch sinnlos irgendwo beklagt, außer an der richtigen Stelle und was macht ihr dann, wenn es euch bewusst wird?

    Wer hat sich dabei nicht schon einmal erwischt. Sobald ich das merke, breche ich das ab.


    Gibt es überhaupt ein so abgeklärtes Kollegium ohne Animositäten?

    Ja gibt es. In der Regel wenn es allgemein gut läuft und die Arbeitszufriedenheit hoch ist.

  • Ja, ich kenne das auch, dass das Handeln der anderen einer bei der eigenen Arbeit im Weg steht. Das sollte such benannt werden, damit man den Wirkungsgrad zukünftig erhöhen kann.


    Allerdings sehe ich nicht, warum man derartiges bei der nächstbesten Kollegin abladen sollte. ich finde derlei bei Vorgesetzten koordinierenden Lehrkräften besser aufgehoben. Die können sich grundsätzlich um die Vermeidung von Reibungsverlusten kümmern.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • Animositäten gibt es auch in meinem Kollegium das lässt sich m. E. bei mittlerweile fast 150 unterschiedlichen Charakteren gar nicht vermeiden. Aber "Dauerlästernde" bzw. "Dauerbeschwerende", die sich über alles und jeden beklagen, sind mir noch nicht begegnet (ich kenne aber natürlich auch nicht alle KuK näher und habe mich mit vielen noch nie unterhalten). Wir hatten mal eine Kollegin in der Abteilung, die "zum Lachen in den Keller ging" und wirklich ständig am Stunden- und/oder Vertretungsplan, den Klassen, einzelnen Kolleg*innen und Schüler*innen, dem Inventar, der Technik etc pp etwas auszusetzen hatte, aber die ist seit mehreren Jahren im Ruhestand :) .

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Oha, habt ihr da mehrere Lehrerzimmer oder so oder wie organisiert man so eine riesige Schule? Das ist sicher ganz anders als bei uns, etwa 30 Personen, die eher aufeinander hängen...

    Ja, meine BBS hat fünf verschiedene Abteilungen und sie verteilt sich auf zum einen auf zwei Standorte und zum anderen am Hauptstandort auf ein großes Gebäude, bestehend aus drei Gebäudeteilen (davon ein Anbau, der mittlerweile 16 Jahre alt ist), sowie zwei weitere Gebäude, die in den letzten acht Jahren neu erbaut wurden. Dadurch haben wir am Hauptstandort fünf Lehrerzimmer (pro Gebäude bzw. Gebäudeteil eines) und natürlich ein weiteres am Nebenstandort.

    Meine Abteilung "Wirtschaft und Verwaltung" ist die größte Abteilung mit fast 40 KuK - inkl. Refis -, die aber ja nie alle gleichzeitig in der Schule bwz. im Lehrerzimmer sind.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Wir lästern überhaupt nicht.

    Wir beobachten und analysieren.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ich vermeide dabei grundsätzlich in die Klage einzustimmen, wenn es nicht lösungsorientiert ist

    Manchmal ist Lästern die einzig praktikable Lösung.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Manchmal ist Lästern die einzig praktikable Lösung.

    Exakt das. Ich "analysiere" auch ziemlich viel. Kolleginnen und Kollegen, die mir nahe stehe, wissen aber auch sehr genau, was ich so "analysiere", das ist gar nicht heimlich und hintenrum. Das ist eben der kleine, aber feine Unterschied. Ich bin oft diejenige, die irgendwann findet ... meine Güte, wenn etwas so offensichtlich stört an einer Person, dann geh doch hin und sag es ihr. Das ist doch nur fair. Es hat ein paar ganz wenige Personen im Kollegium, über die ich wirklich die Augen verdrehe, was dann aber auch auf Gegenseitigkeit beruht. Ich habe genügend "Informanten" im Schulhaus, dass ich jederzeit weiss, wer was über mich lästert.

  • Exakt das. Ich "analysiere" auch ziemlich viel. Kolleginnen und Kollegen, die mir nahe stehe, wissen aber auch sehr genau, was ich so "analysiere", das ist gar nicht heimlich und hintenrum. Das ist eben der kleine, aber feine Unterschied. Ich bin oft diejenige, die irgendwann findet ... meine Güte, wenn etwas so offensichtlich stört an einer Person, dann geh doch hin und sag es ihr. Das ist doch nur fair. Es hat ein paar ganz wenige Personen im Kollegium, über die ich wirklich die Augen verdrehe, was dann aber auch auf Gegenseitigkeit beruht. Ich habe genügend "Informanten" im Schulhaus, dass ich jederzeit weiss, wer was über mich lästert.

    Eben, dann ist es ja kein Lästern, denn dass man Dinge verschieden macht oder sieht ist ja logisch. Aber dass sich Kollege A über Kollegin B echauffiert und eigentlich genau dieselben Probleme in seiner Klasse hat, finde ich schon irgendwie seltsam. Was soll ich denn dann sagen? "Kollegin B ist ja wirklich doof. Neulich hat sie auch das und das gemacht, meine Güte..." oder lieber "Pff, guck mal deine eigenen unerzogenen Gören an."?


    Wenn ich etwas genauso sehe, wie die sich beschwerende/lustigmachende Person, fällt es mir aber nicht leicht, mir auf die Zunge zu beißen. Naja, ich versuche weiterhin, mich an Leuten zu orientieren, die den Austausch meckerfrei hinbekommen.


    Wie sagte irgendwer Weises einst? Lasse deine Worte durch drei Tore schreiten. Sind die Worte wahr, notwendig und freundlich? :engel:

Werbung