Einschätzung des Verhaltens einer Dozentin-Kurs schieben?

  • Erst einmal möchte ich mich bei euch bedanken. Ich habe in Teilzeit mein Studium wieder aufgenommen und die meisten Dozenten zeigen Verständnis für meine Lage.

    Ich habe ja ein Stoma und immer noch mit den Nachwirkungen meiner Krebserfahrung zu kämpfen.

    Nun ist letzte Woche etwas passiert, was ich etwas befremdlich finde.

    Ich habe den Dozenten zuvor einzeln in Mails und Telefonaten meine Lage dargestellt.

    Grundtenor war wie gesagt sehr verständnisvoll, bis auf eine.

    Die schlug vor, sie möchte nach einer Onlinekonferenz nochmal im geschützten Raum über meine Situation sprechen und über meine Erkrankung.

    Obwohl ich eigentlich schon alles dazu geschrieben hatte, kam mir das sehr neugierig vor, auch wenn ich dann dachte, okay besser sie weiß Bescheid.

    Na, ja die Einführungsveranstaltung lief, danach blieb ich noch da. Sie sagte, sie konnte ja nicht verstehen, warum ich letztes Semester nicht nochmal im Seminar war.

    Ich habe sie dann daran erinnert, dass ich da mit meiner Chemo zu kämpfen hatte.

    Na, ja ich habe dann meine gesamte Krankheitsgeschichte mit sehr vielen Details erzählt (Stoma, Einzelheiten zu O.Ps, mein Problem keine Haare zu haben etc), die ich bereue und nachdem ich so fertig bin, taucht unten am Bildschirm noch ein Name auf, der sich scheinbar nicht aus der Onlinekonferenz verabschiedet hatte. Die Dozentin hatte mir aber Verschwiegenheit zugesichert!

    Glücklicherweise habe ich nicht auf ihre Drängen reagiert, vorm Bildschirm noch vor laufender Kamera zu erscheinen. Ich hatte ja gleich so ein merkwürdiges Gefühl.

    Die Dozentin merkte dann auch, dass noch jemand zuhört, hat die Person ausgeschlossen vom virtuellen meeting und versuchte das zu überspielen, aber eine Entschuldigung kam nicht.

    Ich habe mich in Grund und Boden geschämt, weil ich ihr doof wie ich war so viele Einzelheiten erzählt habe, die ich bereue.

    Nie wieder erzähle ich auf einer Onlinekonferenz von meinem Gesundheitszustand.

    Das fand ich schon sehr befremdlich.


    Heute war dann das Seminar und um ehrlich zu sein, ich bin da körperlich echt an meine Grenzen gekommen. Es ist ein Seminar, in dem man sehr viel steht und eben auch interaktiv arbeitet und ich habe gemerkt, dass mich das ziemlich an die Grenzen gebracht hat.

    Es ist ein Unterschied, ob ich vor einer Klasse stehe, wo ich mich auch mal hinsetzen kann oder ob ich mit Stoma in die Knie gehe, mich interaktiv bewege und derartige Spielchen mache.

    Ich muss mittlerweile nicht nur auf mein Stoma achten, sondern habe eben auch noch Schmerzen durch die Chemo.

    Ich bin nun am überlegen, ob ich das Seminar weiter schiebe und stattdessen ein anderes besuche, wo ich eben nur sitzen kann und maximal ein Referat halte.

    Insgesamt kommt mir die Dozentin eh übermäßig merkwürdig in Hinsicht auf meine Lage rüber.

    Was meint ihr?

  • Vorweg: du studierst kein Sport oder?


    Falls doch, kannst du meinen Tipp ignorieren. Falls nein:


    Schiebe das Seminar nicht. Wegen so einer (digital) inkompetenten und wunderfitzigen Dozentin solltest du keine Nachteile in Kauf nehmen und länger studieren müssen.


    Wenn es wieder viel Bewegung gibt (ich kann mir gar nicht vorstellen, was das für ein Seminar sein kann, aber darum gehts ja nicht), dann sag du kannst dich gerade nicht bücken oder in die Knie gehen, musst dich mal hin setzen etc. Falls ein Mitstudent fragt, erzählst du halt was von Knie Problemen. Und selbst wenn du wo gar nicht mitmachen kannst: lass es drauf ankommen. Die Dozentin kann das nicht einfordern, besonders nachdem sie nun die wahren Gründe kennt.


    Nachdem du deinen Leistungsnachweis erbracht hast und das Semester rum ist, würde ich der Dozentin die Sitzation von dem Zoom Meeting erläutern, freundlich aber bestimmt, und sie außerdem drauf hinweisen, dass für solche Gespräche ein digitales Meeting zu zweit eröffnet werden muss und nicht einfach nach dem Kursmeeting noch drin bleiben. Ich stelle mir vor, das wäre mir mit nem Schüler passiert… eieiei da hätte ich die Eltern am nächsten Tag auf der Matte oder beim Schulleiter.


    Im Anschluss solltest du die Dozentin meiden. Die sollte natürlich nicht deine Abschlussprüfung abnehmen oder Ähnliches.

  • Ich kann mir gut vorstellen, wie du dich nach diesem Gespräch gefühlt hast. Aber sowas muss man abhaken, und du hast ja auch schon für dich die "Lehre" daraus gezogen. Merkwürdige Geschichte. Ob die Dozentin ein persönliches Interesse an deiner Erkrankung hat? Aber egal, das muss dich nicht interessieren. Ich bin auch stark für Weitermachen. Du musst für dich einen Weg finden, mit deinen Einschränkungen zu leben, und du hast ja schon den Entschluss gefasst, weiter zu studieren. Also jetzt keinesfalls einknicken!


    Aber Vorsicht mit "hab's am Knie" oder sowas, das dachte ich auch zuerst ... gerade darum: Das haben so viele Leute, da kann es passieren, dass man dich in Gespräche über Sportverletzungen und Meniskusschäden verwickeln will ... "Ich kann nicht" muss auch genügen, vielleicht ist das sogar eine sehr gute Übung für die innere Stärke.


    Viel Erfolg!

  • Liebe Petalie, deine Situation ist körperlich und seelisch eine unheimliche Belastung. Gibt es an der Uni eine Schwerbehindertenvertretung? Oder findest du in deiner Stadt eine psychoonkologische Beratungsstelle? Ich würde mir kompetente Hilfe holen und diese Dozentin meiden. Sprich mit ihr nur das Nötigste. Mach im Seminar nur das, was du gut machen kannst und setze dich ansonsten hin. Du bist nicht jedem Hanswurst Rechenschaft schuldig.


    Dein Gefühl ist richtig, ihr Verhalten ist äußerst übergriffig und seltsam. Du brauchst jetzt so viel Unterstützung und Entgegenkommen, wie du kriegen kannst. Dein Leben ist völlig aus der Bahn geworfen worden und niemand hat das Recht, dich auszufragen. Gib Acht auf dich und suche dir Menschen, die dich dabei unterstützen, deinen Weg zu gehen. Ich würde den Kurs im Zweifel meiden, wenn ich dort jedes Mal unter Druck gesetzt würde und gestresst wieder rausginge. Noch besser wäre es jedoch, wenn eine übergeordnete Stelle dich unterstützen würde und dir bei der Wiedereingliederung helfen könnte und die Dozentin ganz scharf in ihre Schranken verwiese. Es muss nicht jeder jedes Detail kennen, um Rücksicht zu nehmen, im Gegenteil, manche innerlich vereisten Menschen verstehen sowieso nicht, wie es dir geht, egal, wie ausführlich du dich zu erklären versuchst.

  • Ich würde dir auch den Gang zur Schwerbehindertenvertretung empfehlen und ggf. auch mit dem ZfL o.ä. sprechen. An vielen Unis muss dir zur Zeit und insbesondere auch in Fällen wie deinem das Ablegen von Prüfungsleistungen auch ohne Präsenzteilnahme ermöglicht werden. Darauf würde ich im Moment pochen. Ansonsten würde ich der Dozentin tatsächlich direkt mitteilen (ggf. schriftlich), dass du körperliche Aktivitäten nicht mitmachen kannst, aber gerne ggf. als Ausgleich einen Text zusammenfasst o.ä.

    Falls es Parallelgruppen gibt, würde ich evtl. wechseln, eben mit dem Grund, dass du an dem körperlich anspruchsvollen Aktivitäten nicht teilnehmen kannst.

    Abbrechen würde ich aber auch nicht. Du hast ein Recht darauf unter Berücksichtigung deiner Vorraussetzungen zu studieren. Das würde ich auch einfordern.


    Ansonsten verstehe ich dein Unwohlsein bezüglich der Videokonferenz, würde das aber auch abhaken als Lektion. Ich hatte auch in meinem Studium eine schwerere Erkrankung und habe da positive und sehr negative Erfahrungen gemacht. Leider gibt es an den Unis zu wenige Schulungen zum Thema Umgang mit gesundheitlichen Einschränkungen und die werden dann auch nur von den Dozent*innen besucht, die eh schon recht empathisch sind.


    Alles Gute für dich!

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