Deutschlehrer mit Migrationshintergrund

  • Vielleicht ist mir britisches Understatement schon in Fleisch und Blut übergegangen. Die Formulierung „meilenweit vom Muttersprachler entfernt“ ist sicherlich auch eher ein Ausdruck meiner Mentalität als eine präzise fachliche Einschätzung. Ein sehr guter Uniabschluss inklusive Auslandsstudium machen mich sicherlich nicht zum native speaker. Einen Uniabschluss haben auch Kommilitonen mit gruseligem Englisch bekommen. Wahrscheinlich ist mein Wortschatz sogar größer als der eines durchschnittlichen Briten. Aber ich müsste schon länger im Land leben, wenn ich am Muttersprachler auch nur kratzen wollte. Ist vielleicht auch gar nicht notwendig. Je älter die Schüler sind, desto weniger wichtig fände ich perfekte Sprachkenntnisse. Im Grundschulbereich ist man ja auch sprachliches Vorbild für Muttersprachler.


    Ein Abschluss in Germanistik ist doch auch kein Garant für ein Deutsch auf dem Niveau eines muttersprachlichen Germanisten. An der Uni lernt man doch kaum die Sprache selbst, man verwendet sie doch „nur“. In Englisch waren bei uns damals viele Veranstaltungen auf Deutsch…

    • Offizieller Beitrag

    Ein Abschluss in Germanistik ist doch auch kein Garant für ein Deutsch auf dem Niveau eines muttersprachlichen Germanisten. An der Uni lernt man doch kaum die Sprache selbst, man verwendet sie doch „nur“. In Englisch waren bei uns damals viele Veranstaltungen auf Deutsch…

    Auf jeden Fall. Aber als Germanistin habe ich eben nicht gelernt, Deutsch (als Fremdsprache) beizubringen (Das habe ich im DaZ-/DaF-Studium), sondern kann mit der deutschsprachigen Literatur umgehen, auch mit älteren Sprachstufen, usw. und diese eben didaktisch aufbereiten. Dass ich nicht perfekt spreche.. ist halt so. Ich habe mich nach Jahren des "ich peitsche mich selbst aus - Understatements" gelöst und irgendwann beschlossen, dass in einer Welt, wo fast Alle mit Abitur sich für zweisprachig in Englisch und konversations- und arbeitsfähig in Französisch halten, darf ich ruhig im Lebenslauf "nahezu muttersprachliche Kompetenz" schreiben. Wenn man selbst was von C1 schwafelt, glauben die Menschen dann, dass ich gerade die 10. Klasse abgeschlossen habe.

    Neben der sehr vielen Gründe, warum es SEHR SEHR gut ist, dass ich nicht an der Grundschule gelandet bin, spielt aber tatsächlich die sprachliche Korrektheit eine Rolle.
    Allerdings auch eine Lanze für "Wer es gelernt hat...": Ich habe durchaus die Tendenz, im Deutschunterricht oder im deutschsprachigen Fachunterricht, auch mit den Schüler*innen "Wortschatzarbeit" zu machen, damit sie nicht ständig "der Autor sagt / der Autor will" schreiben. Eigentlich das, was im Fremdsprachenunterricht gemacht wird, aber viele (meiner?) Schüler*innen haben den deutschsprachigen Wortschatz auch nicht aktiv im Kopf. Da hilft mir durchaus mein anderer Zugang (oder einfach: das Nachdenken darüber, dass Bildungssprache erlernt werden muss).
    Ein bisschen wie die These, dass die Schwere des Mathestudiums den Mathelehrer*innen oft zum ersten Mal "fail"-Erfahrungen schenkt, die im späteren Mittelstufenunterricht nützlich sein können.

  • Zu diesem Puppenexperiment fällt mir eine Geschichte ein. Ich erzählte ja bereits, dass wir jahrelang in Asien gelebt haben und so habe ich meiner Tochter eine asiatisch aussehende Puppe gekauft. In Deutschland übrigens, denn in Asien (möchte das Land nicht nennen, um nicht zu sehr privat zu werden) gab es zu der Zeit tatsächlich nur kaukasisch aussehende Puppen zu kaufen. Als sie das erste Mal mit ihrer asiatisch aussehenden Puppe in den Kindergarten ging, sagte sofort eine (asiatische) Erzieherin zu ihr: "That's a creepy looking doll." Ich war perplex.

    Aber eigentlich klar, wenn alle Puppen weiß sind, kennt man nur das. Auch die meisten Barbies sind ja blond. Da müsste viel mehr Diversität rein, und das passiert mittlerweile ja auch, man kann nur hoffen, dass solche Experimente wie oben verlinkt, oder solche Puppen-Vorfälle wie von uns erlebt, irgendwann anders ablaufen.

    Gerade deshalb finde ich es übrigens sehr positiv, dass die neue Arielle dunkelhäutig ist.


    Wenn ich höre, wie begeistert meine türkischen Schulkinder oft von der Tatsache sind, dass der Nikolaus aus der heutigen Türkei kam, dann kann ich mir schon vorstellen, dass sie einen Lehrer aus ihrem Heimatland mehr als Vorbild nehmen würden als eine deutsche Lehrerin.

    Insofern, wenn die Sprache beherrscht wird und "der Rest passt", spricht absolut nichts dagegen! Eher dafür!

    Ein guter Mix macht es aus. Auch Grundchullehrer, männliche, sind für die Jungen der Klasse ein Vorbild. Ich würde mir ein Kollegium wünschen, das aus Frauen, Männern, Menschen ohne und Menschen mit Migrationshintergrund besteht, sodass jedes Kind ein Vorbild haben kann, das genau seinen Bedürfnissen entspricht.

  • Und ja, auch wenn es in Beverly Hills aufgewachsene Schwarze sind, es ist wichtig, dass sie sichtbar sind, denn auch sie werden Diskriminierung erlitten haben, wenn auch nicht so stark in Harlem oder in den Südstaaten (Racial Profiling und co..).


    In Harlem dürfte die Diskriminierung auch kaum bis nicht vorhanden sein - dort leben fast nur Schwarze. In den USA habe ich das erste Mal in meinem Leben erlebt, wie es ist, selbst die Minderheit zu sein.



    In den Südstaaten wird es historisch bedingt wahrscheinlich mehr Diskriminierung geben, ja. Das Thema Racial Profiling ist ein schwieriges. Wenn statistisch 9 von 10 Straftätern in einer Gegend eben schwarz sind, auf wen achtest du als Polizist dann mehr? Die Debatte gab es in Deutschland ja auch schon. Es ist einfach ein schmaler Grat zwischen rationaler Polizeiarbeit und Diskriminierung.

    • Offizieller Beitrag

    In den Südstaaten wird es historisch bedingt wahrscheinlich mehr Diskriminierung geben, ja. Das Thema Racial Profiling ist ein schwieriges. Wenn statistisch 9 von 10 Straftätern in einer Gegend eben schwarz sind, auf wen achtest du als Polizist dann mehr? Die Debatte gab es in Deutschland ja auch schon. Es ist einfach ein schmaler Grat zwischen rationaler Polizeiarbeit und Diskriminierung.

    Deshalb habe ich mich vor Jahren auf wahnsinnig darüber gefreut, dass ich früh morgens am Kölner Hauptbahnhof als einziger Mensch mit sichtbarem Migrationshintergrund von der Bahnpolizei kontrolliert wurde. Bei so einem schmalen Grat muss man eben Verständnis haben, schließlich ist das rationale Polizeiarbeit...

    ... und da müssen persönliche Befindlichkeiten eben hintenanstehen...

  • Deshalb habe ich mich vor Jahren auf wahnsinnig darüber gefreut, dass ich früh morgens am Kölner Hauptbahnhof als einziger Mensch mit sichtbarem Migrationshintergrund von der Bahnpolizei kontrolliert wurde. Bei so einem schmalen Grat muss man eben Verständnis haben, schließlich ist das rationale Polizeiarbeit...

    ... und da müssen persönliche Befindlichkeiten eben hintenanstehen...

    Ich las vor kurzem von einer farbigen amerikanischen Journalistin in Berlin, die nach einem Jahr froh war, wieder in die USA zu dürfen. Sie wurde in diesen 12 Monaten 11x gründlich von der Polizei kontrolliert. Sie blieb immer freundlich, dachte anfangs sogar, dass dies hier üblich sei, empfiehlt aber ihren farbigen Kollegen inzwischen nicht nach Deutschland zu gehen.


    Eine Schwarze gut gekleidet, dass machte anscheinend verdächtig. (Ich bin in meinem ganzen Leben zweimal anlasslos kontrolliert worden, beide Male während des Studiums und nachts. 11x in einem Jahr ist sicher nicht normal.)

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Ich bin einmal innerhalb von drei Tagen ca. 4 Mal an der Grenze zur Schweiz kontrolliert worden (zweimal in jede Richtung). Sonst bin ich eigentlich immer durch gewunken worden. Bei den Kontrollen saß ich jeweils im Auto eines Kommilitonen arabischen Aussehens (Exkursion zum CERN, Übernachtung in Frankreich). Das kannte ich vorher wie gesagt nicht. Die Kontrollen waren nicht übermäßig streng, aber die Papiere mussten wir zeigen.


  • Beim Schüleraustausch hatten wir als deutsche Schule mal einen polnischen Kleinbus gemietet. Jedes Mal, wenn wir mit dem Bus auf deutschen Autobahnen unterwegs waren, wurden wir rausgewunken zum Kontrollieren der Papiere. Beim ersten Mal ist das auch für die SuS noch spannend und aufregend (waren relativ jung), irgendwann nervt das nur noch, kostet schließlich auch Zeit.

  • Bei Flugreisen geht es mir mit sehr wenigen Ausnahmen immer so, dass ich genauer kontrolliert werde. "Kommen Sie mal bitte mit." (in einen separierten Bereich). Bitte mal die Hose öffnen (um dann unangekündigt einen Drogentest zu machen). Bitte mal die Hosenbeine hochziehen oder die Hose komplett ausziehen.

    Genauestes Öffnen des Handgepäcks, genauestes Untersuchen des Inhaltes.


    Bei mir ist die "Begründung" für diese ungefragte Aufmerksamkeit nicht das Aussehen. Stattdessen bin ich im Alltag meist mit "Stützen" an Gelenken unterwegs. Da könnte man ja Waffen verstecken, das könnten Waffen sein. Also müssen die genau untersucht werden, ausgezogen werden. Im Handgepäck eine Handvoll Tabletten, für den Fall, dass das Reisen doch schmerzhafter wird. (Aber so viele Tabletten könnten wiederum Drogen sein, oder?) Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, die "Prothesen" vor der Sicherheitskontrolle in der engen Toilettenkabine auszuziehen, hinterher die nächste Toilette anzusteuern, um sie wieder anzuziehen. Das hilft nur leidlich, weil die auffällige Konstruktion & Tabletten beim Durchleuchten des Handgepäcks ja immer noch da sind. Die intensiven Kontrollen bleiben also.

  • Unsre besten Freunde:


    https://taz.de/Polizeieinsatz-in-Muenchen/!5869634/


    Sie haben uns die Geschichte 2 Tage nach dem Vorfall erzählt. Der Papa ist ein sehr, sehr entspannter Mensch, der nie auch nur laut wird, mein Mann kennt ihn seit Geburt und wir kennen alle einander sehr, sehr gut.

    Das Verfahren wurde eingestellt.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

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