Deutschlehrer mit Migrationshintergrund

  • Du meinst, Bayern haben außerhalb ihres Freistaates Migrationshintergrund?

    Oder reicht es schon aus, wenn sie nach Frange ziehen?

    Definitiv! Ich habe in München studiert und bin hier der Exot im Frangeland.

    Geboren bin ich ja in Argentinien, deswegen das "bissl Migrationshintergrund".

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Da wundert man sich an anderer Stelle, warum sich viele Ossis nicht zugehörig fühlen.


    Es macht für mich schon einen Unterschied, ob man einfach nur in der DDR gelebt hat (blieb vielen schließlich auch kaum was anderes übrig), oder, ob man im Dienste des "Unrechtsstaates" tätig war.


    Wie gesagt, es ist im Nachhinein oft schwer, zu beurteilen, wer Mitläufer und wer Überzeugter war, und noch viel schwerer, zu beurteilen, wie sich diese Personen evtl. reflektiert und verändert haben. Trotzdem geht mit einer Lehrtätigkeit in der DDR in meinen Augen unausweichlich eine gewisse ideologische Vorbelastung einher. Denn die werden eher weniger jemanden zum Lehrer gemacht haben, der dem System kritisch gegenüberstand, dafür war die Stasi einfach zu aktiv.

  • Meiner Meinung nach benötigen SuS mit Migrationshintergrund Vorbilder mit Migrationshintergrund.

    Klassische Rollenbilder mögen in manchen Kulturen (oben wurde so manches erwähnt) anders sein als "bei uns" (in Bayern? in Hamburg?). Dort ein Vorbild zu haben, dass man mit Migrationshintergrund studieren kann, einen anerkannten Beruf erlernen kann, ist wichtig. Dass man als Mann nicht nur "Macho" sein muss, sondern auch in der Grundschule mit Kindern arbeiten kann. Dass man als Frau nicht nur an den Herd gehört.

    • Offizieller Beitrag

    Finde ich zu pauschal. Es gibt auch Regionen/Kulturkreise der Welt, in denen teilweise menschenverachtende (oft antisemitische, homophobe oder frauenfeindliche) oder zumindest diskriminierende Einstellungen die Normalität sind. In diesen Fällen würde ich eher sagen, dass jemand eine Bereicherung sein kann, weil er ein guter Mensch und eine gute Lehrkraft ist, und das gerade trotz seines Migrationshintergrundes.


    Wenn du damit auch die Annahme der Implikation der kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Migrationshintergrund meinst, dann sehe ich das genauso. Ein Migrationshintergrund sollte nur kein Selbstläufer zur Beurteilung sein, ob jemand eine Bereicherung ist.

    Dann müssen wir aber die Definition von Migrationshintergrund ändern bzw. vorher festlegen. Als Mensch mit Zuwanderungsgeschichte gilt man, wenn ein Elternteil nicht aus Deutschland stammt. Mit dem Kulturkreis hat das dann erst ab dem Zeitpunkt zu tun, wenn man auch in einem anderen Kulturkreis aufgewachsen ist oder mit selbigem dauerhaft verbunden ist.
    Nebenbei: Wäre ich Moslem, hätte ich keine Lust, mich ständig für die Verfehlungen oder die Weltbilder anderer Muslime zu rechtfertigen oder mich immerfort kritisch damit auseinanderzusetzen. Wenn ich als Moslem integriert wäre, würde ich mich freuen, wenn zuerst meine Integrationsleistung irgendwo gewürdigt würde und nicht direkt mit dem Fingere auf meinen angenommenen kulturellen Hintergrund gezeigt würde. Genau solche Haltungen führen nämlich dazu, dass man sich als Mensch mit Migrationshintergrund nicht angenommen fühlt.

  • Dann müssen wir aber die Definition von Migrationshintergrund ändern bzw. vorher festlegen. Als Mensch mit Zuwanderungsgeschichte gilt man, wenn ein Elternteil nicht aus Deutschland stammt. Mit dem Kulturkreis hat das dann erst ab dem Zeitpunkt zu tun, wenn man auch in einem anderen Kulturkreis aufgewachsen ist oder mit selbigem dauerhaft verbunden ist.

    Als ich das das erste Mal gelesen habe, hat mich diese Definition tatsächlich etwas gewundert...


    Ich selber bin in einem anderen Land geboren und kam als Kind nach Deutschland. Ich spreche inzwischen natürlich Deutsch auf Muttersprachniveau - alle sind immer überrascht, wenn ich erzähle, dass ich nicht in Deutschland geboren wurde und meine Muttersprache nicht Deutsch ist, sondern ich erst später Deutsch gelernt habe.


    Mein Sohn spricht meine Muttersprache überhaupt nicht, sondern ausschließlich Deutsch als "Muttersprache". Hat auch mit meinem ursprünglichen Herkunftsland sehr wenig zu tun... Laut der Definition zählt er aber als Kind mit Migrationshintergrund.

  • Ich denke wenn man das realistisch betrachtet, kann es wie überall in unserer leider teilweise noch immer von rassistischem Denken geprägten Gesellschaft auch in der Schule zu Diskriminierungserfahrungen aufgrund der (angenommenen) Herkunft oder Hautfarbe kommen. Es gibt aber einerseits offizielle Stellen, über die man sich zur Wehr setzen kann und hoffentlich in allen Kollegien auch Menschen, die sich selbst als Verbündete verstehen und Stopp sagen, wenn sie Diskriminierendes mitbekommen.

    Dass das nicht alle betrifft, zeigen leider einige der sehr unsensiblen Aussagen, die hier getroffen wurden. Der junge Kollege hat eine berechtigte Sorge geäußert und sofort springen x Leute bei, die meinen er soll sich nicht anstellen und dass sie als Schwabe in der Eifel ja auch "Ausländer" wären. Dass die Bedenken nicht aus der Luft gegriffen sind, kann man zum Beispiel hier nachlesen: https://www.idz-jena.de/wsddet/wsd2-7/

    • Offizieller Beitrag

    Es reicht im Grunde, wenn auf die Frage hin, wo ich denn herkäme, und auf meine Antwort "aus dem Rheinland" die Frage "und wo kommst Du wirklich her?" gestellt wird. Damit wird - ob aus Ignoranz, Unwissen oder Unbedachtheit - mittelbar impliziert, dass jemand, der/die nicht nordisch-arisch aussieht, kein/e Deutsche/r sein kann bzw. dass er/sie woanders herkommen müsse (und damit nicht wirklich dazugehören kann.)
    Es ist auch heute noch nicht selbstverständlich, dass ein/e "Nicht-Weiße/r" auch Deutsche/r sein kann. Das dürfte vor allem auf die MitbürgerInnen zutreffen, die man pauschal oder spontan dem türkisch-arabischen Kulturraum zuordnet.
    Vor mehreren Jahren wurde ich einmal gefragt, ob ich (mit Ur-süddeutschem Nachnamen) denn den Namen meiner Frau angenommen hätte (sprich: Jemand wie ich kann nicht auf "natürliche" Art und Weise einen deutschen Nachnamen haben.)


    Diese Geisteshaltung finden wir natürlich immer noch in unserer Gesellschaft. Aber die Leute, die heute (oder morgen) SchulleiterInnen werden, sollten genug Erfahrungen mit Menschen mit Migrationshintergrund gemacht haben, dass dieser Umstand bei ihren Personalentscheidungen keine Rolle spielt.
    Bei mir war das so, aber das lag daran, dass ich eben ein geschliffenes Hochdeutsch spreche, in das ich gerne "Antiquismen" einstreue, um eben auch klarzustellen, dass ich deutsch sozialisiert bin. Das führt dann schnell dazu, dass man sich seiner Vorurteile entledigt...

  • Meine Kinder hatten schon eine Deutschlehrerin mit türkischem Migrationshintergrund, das hat keinen in der Elternschaft groß interessiert, weil sie eben fließend Deutsch sprach. Und so sollte es ja auch sein.

    Ich selber hatte damals als Schüler eine französische Deutschlehrerin. Da gab es schon in der Elternschaft Mecker obwohl sie aus dem Elsaß kam und entsprechend fließend Deutsch konnte.

  • Es ist natürlich wichtig, wie oben bereits erwähnt wurde, dass die Kenntnisse schon gut sein sollten... In der Uni ist mir und anderen aufgefallen, dass Lehrkräfte, die Fremdsprachen unterrichten, aber keine Muttersprachler waren, meist besser erklären konnten als die Muttersprachler, die die Regeln internalisiert und nie hinterfragt haben. Die Nicht-Muttersprachler mussten sich diese Regeln erarbeiten, kannten sie dafür aber auch. Eine ganze Reihe von Kommilitonen ist zumindest in den Einführungsveranstaltungen lieber zu den Nicht-Muttersprachlern gegangen.

    Langer Rede kurzer Sinn: Ein Migrationshintergrund muss kein Nachteil sein.

  • Wobei mir die Ex-DDR als Migrationshintergrund reicht, auch für nach 1989 Geborene.

    Dann bin ich mit einer Migrantin verlobt... und ja, als ihre Familie in den frühen 1990ern direkt nach der Wende rüber gekommen ist, gab es da wohl schon einige Anfeindungen in der Schule (als Schülerin). Die Details erspare ich Euch mal.


    Nebenbei: Wäre ich Moslem, hätte ich keine Lust, mich ständig für die Verfehlungen oder die Weltbilder anderer Muslime zu rechtfertigen oder mich immerfort kritisch damit auseinanderzusetzen. Wenn ich als Moslem integriert wäre, würde ich mich freuen, wenn zuerst meine Integrationsleistung irgendwo gewürdigt würde und nicht direkt mit dem Fingere auf meinen angenommenen kulturellen Hintergrund gezeigt würde. Genau solche Haltungen führen nämlich dazu, dass man sich als Mensch mit Migrationshintergrund nicht angenommen fühlt.

    Versuche es doch einmal andersrum zu sehen: Besagte Frau von oben heißt mit Nachnamen "Zein". Früher dachte ich, daß es bei der Heirat schon einer größeren Überlegung bedarf wer wessen Namen übernimmt. Aber bei ihr sieht es so aus, daß sie ihren Nachnamen lieber heute als morgen loswerden will, weil der Name nur Probleme bereitet. So wurde ihr im ersten Anlauf aufgrund des Namens die Kontoeröffnung sowie die Kreditkarte verweigert. Versicherungen weigern sich auch häufig Verträge abzuschließen. Nach längerer Recherche sind wir auf die Ursache gekommen. Es gibt einen Al-Zein Clan und sobald die Algorithmen in den Computern den Namen "Zein" hören, gehen alle Warnlampen an. Auf Internet-Shops erleben wir es immer wieder, daß ihre Bestellungen nicht durch gehen, wohl aber meine. Der Bankmitarbeiter der lokalen Volksbank hat uns dann im Vertrauen aufgeklärt woran es immer wieder scheitert, nämlich das wirklich der Name in den Computern hinterlegt ist und sie einfach aufgrund der Namensgleichheit immer wieder diese Probleme hat.


    Entsprechend kannst Du dir ausrechnen, wie sie auf Menschen mit entsprechendem migrations- und kriminalitätshintergrund zu sprechen ist? "Diese Menschen machen mir aufgrund ihrer Anwesenheit das Leben zur Hölle." Und die Justiz und Polizei hat bitte entsprechend durchzugreifen, was sie leider nicht einmal ansatzweise tut.

  • Dann bin ich mit einer Migrantin verlobt... und ja, als ihre Familie in den frühen 1990ern direkt nach der Wende rüber gekommen ist, gab es da wohl schon einige Anfeindungen in der Schule (als Schülerin). Die Details erspare ich Euch mal.

    Da ich selbst aus Argentinien nach D, nach Niederbayern kam, wo wir keinerlei Familie oder Freunde oder sonstige Beziehungen hatten, kenne ich das Gefühl.

    1990 kamen auch einige Ex-DDR Kinder zu uns (Abiturienten), ich war mit ihnen befreundet. Einem habe ich mal die Abitipps unseres Lehrers gebracht mit den Radl. Dann haben wir zusammen Abitur gemacht.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Meiner Meinung nach benötigen SuS mit Migrationshintergrund Vorbilder mit Migrationshintergrund.

    Klassische Rollenbilder mögen in manchen Kulturen (oben wurde so manches erwähnt) anders sein als "bei uns" (in Bayern? in Hamburg?). Dort ein Vorbild zu haben, dass man mit Migrationshintergrund studieren kann, einen anerkannten Beruf erlernen kann, ist wichtig. Dass man als Mann nicht nur "Macho" sein muss, sondern auch in der Grundschule mit Kindern arbeiten kann. Dass man als Frau nicht nur an den Herd gehört.


    Klingt erst mal schön. Ich frage mich dann nur, warum nicht auch eine Person, die nicht offensichtlich einen ähnlichen Migrationshintergrund hat, ein Vorbild sein kann.

    Einer Lehrkraft mit polnischen Wurzeln sieht man es eher nicht an. Und auch, wenn Merkmale wahrgenommen werden, die einen ähnlichen Migrationshintergrund nahelegen, muss dies nicht der Fall sein.

    Zum Beispiel:


    Schüler: Ein Kind aus erster Migrantengeneration, dessen Famile von Hartz IV (oder bald dem Bürgergeld) lebt, und das mit seinem Vater jede Woche in die Moschee geht. Die Familie hat das Heimatland hauptsächlich aus Armut bzw. der Perspektive auf ein finanziell besseres Leben verlassen.


    Lehrer: Ein Migrantenkind der dritten Generation, dessen Vater Arzt und dessen Großvater Ingenieur war, und dessen Familie (schon lange) sehr wohlhabend ist. Die Familie lebt seit vielen Generationen eher säkular (was mit ein Grund war, das Heimatland zu verlassen).


    Die Lebenswirklichkeiten und Migrationshintergründe dieser beiden Personen haben also quasi nichts miteinander zu tun. Die Eignung zur Vorbildfunktion wird dann nur noch an optischen Merkmalen festgemacht.


    Das ist mir einfach zu oberflächlich. Aber vielleicht funktioniert es auch einfach so primitiv. Oder mal anders gefragt: Warum kann ein muslimisches Kind nicht (oder nicht gleich gut) von einem Nicht-Moslem lernen (bzw. jemandem, der nicht wie ein Moslem aussieht), dass man eine Frau vernünftig behandeln sollte / als gleichberechtigt ansehen sollte?

    Damit billigt man doch gerade zu, dass Nicht-Muslime nicht als Vorbilder für Muslime taugen, weil sie eben keine Muslime sind. Man akzeptiert damit einfach das dem Islam immanente Vorurteil, dass Nicht-Muslime auf einer niedrigeren Stufe stehen als Muslime, bis hin zu den "Ungläubigen".


    Andersherum würde dies auch nahelegen, dass ein Schwarzer - evtl. sogar einer, der in Deutschland geboren und sozialisiert wurde - weniger geeignet als Vorbild für weiße deutsche Schüler ist als ein Weißer, egal ob in Deutschland geboren und sozialisiert oder nicht. Das ist doch absurd! Mit solchen Denkmustern begibt man sich in gefährliche Sackgassen.


    Das sportliche Idol meiner späten Kindheit / frühen Jugend war ein Afro-Amerikaner. Daran fand ich nie etwas seltsam. Wenn ein Moslem einen Nicht-Moslem nicht als Vorbild akzeptieren kann, würde ich eher sagen, dass da ein wesentlich größeres Problem im Hintergrund steht, das nicht damit beseitigt ist, wenn ein Moslem Grundschullehrer wird.

    Ironischerweise haben einige der hier angesprochenen streng gläubigen Muslime, die sich auf der Uni-Toilette die Füßen gewaschen haben, sogar tatsächlich Grundschullehramt (mit Unterrichtsfach Islamische Religion) studiert. Solche liberalen Freigeister werden bestimmt tolle Vorbilder sein.

    • Offizieller Beitrag

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  • chilipaprika


    Man könnte sich sicher darauf verständigen, dass sich optisch ähnliche Vorbilder für Minderheiten positiv auswirken.


    Wie tief rassistische Vorurteile auch von den Betroffenen selbst verinnerlicht werden können, zeigt ja z.B. das Doll-Experiment:


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    Die Frage, welche sich mir stellt, ist jedoch, inwiefern es z.B. noch eine Minderheit ist, wenn über 50% der Klasse einen Migrationshintergrund (was bei Afro-Amerikanern eher der falsche Begriff wäre) haben, und inwiefern die Annahme, dass gute Vorbilder den eigenen optischen Merkmalen entsprechen sollten, eher Vorurteile und Ressentiments festigt, statt sie zu beseitigen.


    Ein m.E. interessantes Beispiel dafür ist, dass es mittlerweile eine Gegenbewegung gibt, die sehr dünnen Personen - oft Models - pauschal Magersucht und eine ungesunde Lebensführung vorwirft. Witzig auch, dass Models für Dove dann keine Models mehr sein sollen, weil sie nicht dem klassischen Model-Bild entsprechen. Tatsächlich wurden sie aber natürlich genauso gecastet und sind faktisch ebenso Models. Aber das sollen dann die "echten" Frauen sein, und keine Models.

    Auch haben viele Afro-Amerikaner, die z.B. wie Lenny Kravitz in Beverly Hills die High School besucht haben, nie ähnliche Diskriminierungs- und Prekaritätserfahrungen gemacht wie ein großer Teil der afro-amerikanischen Community.


    Aber wie gesagt, vielleicht funktionieren Vorbilder auch einfach so primitiv. Fände ich schade, aber ist vielleicht so.

    • Offizieller Beitrag

    Ich befürchte: ja, auf eine gewisse Art und Weise IST es primitiv.
    Das Video hatte ich nicht für Migrationshintergrund, sondern für "Vorbild".

    Meine ersten Auseinandersetzungen mit dem Thema "Vorbild bei struktureller Minderheit" waren bei gehörlosen Kindern. Gehörlose Kinder haben/hatten ganz oft gar keine Vorbilder. Sie kennen nur andere gehörlose Kinder und viel zu selten gehörlose Eltern. (Zum Glück ändert sich die Situation in den Schulen seit 1-2 Jahrzehnten). So dass viele Kinder glauben können, dass sie entweder später auch hören, oder gar nicht so alt werden.
    Ich finde solche Gespräche / Dokumentationen schrecklich.

    Aber ja, es spielt eine Rolle, was ich sehe. Und ja, auch wenn es in Beverly Hills aufgewachsene Schwarze sind, es ist wichtig, dass sie sichtbar sind, denn auch sie werden Diskriminierung erlitten haben, wenn auch nicht so stark in Harlem oder in den Südstaaten (Racial Profiling und co..).

    Es ist für Kinder im Rollstuhl wichtig zu sehen, dass sie später als Erwachsene nicht nur in einer Behindertenwerkstatt arbeiten können, sondern auch auf einem Amt, als Lehrkraft, als Forscher*in, usw..
    Auch wenn es vielleicht erstmals nur möglich wurde, weil der Papa vom behinderten Kind Jurist war und alles durchgeklagt hat.

    Und nach und nach kommen eben auch die Arbeiterkinder der Migrantenschichten an die Unis, weisen dort den Weg und sorgen dadurch auch für mehr Diversity.
    Ich finde es gut, dass die sichtbaren Migrant*innen nicht nur die Putzkraft nach Feierabend oder die Lehrkräfte für muttersprachlichen Herkunftsunterricht oder extern angestellte Lehrkräfte für Religion. Es ist gut, dass es Lehrkräfte mit Examen gibt, die Islamische Religion unterrichten und zeigen, dass sie nicht "am Rand" bleiben müssen.

    Wenn wir schon bei Lektüreempfehlungen sind: neben Karim Fereidoonis Studien, die zweifelsohne vorreitend sind, empfehle ich den soziologischen Blick von Aladin El-Mafaalani und unter anderem sein (letztes?) Buch "Wozu Rassismus?" und den "Integrationsparadox". Es eröffnet Augen, ganz ohne Vorwürfe.

  • Da wundert man sich an anderer Stelle, warum sich viele Ossis nicht zugehörig fühlen.

    Ich bin aufgewachsen mit 2 Ländern, BRD und DDR, für mich war da nix mit "zusammengehören". Rein persönlich war ich gegen die Wiedervereinigung. Historisch gesehen ist sie natürlich logisch.

    Ich habe immer noch nicht das Gefühl, dass die neuen Bundesländer "dazu" gehören. Aber nun ist es so und ich lebe die neue Wirklichkeit. Und finde erstmal alle Menschen mit Migrationshintergrund spannend. Auch welche aus... das hatten wir ja schon.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Die Lebenswirklichkeiten und Migrationshintergründe dieser beiden Personen haben also quasi nichts miteinander zu tun. Die Eignung zur Vorbildfunktion wird dann nur noch an optischen Merkmalen festgemacht.


    Das ist mir einfach zu oberflächlich. Aber vielleicht funktioniert es auch einfach so primitiv. Oder mal anders gefragt: Warum kann ein muslimisches Kind nicht (oder nicht gleich gut) von einem Nicht-Moslem lernen (bzw. jemandem, der nicht wie ein Moslem aussieht), dass man eine Frau vernünftig behandeln sollte / als gleichberechtigt ansehen sollte?

    Zu diesem Thema empfehle ich den Song "Superheld" von Samy Deluxe.

  • Mal anders herum gedacht: wenn ich als Englischlehrer in ein englischsprachiges Land auswanderte, würde man mich dort als Englischlehrer einstellen? Ich selbst könnte mir das nicht vorstellen, da ich zwar sicherlich gut Englisch kann, aber vom Muttersprachler meilenweit entfernt bin. Für Englisch als Zweitsprache wäre ich sicherlich eine gute Besetzung.


    Als Mutter eines Schülers wäre mir der Migrationshintergrund an sich völlig egal, sogar eher positiv besetzt, wenn denn die Sprachkenntnisse auf Muttersprachlerniveau wären. Vermutlich würde mir bayrischer Dialekt mehr Sorgen machen als ein osteuropäischer Akzent (nur um mal zwei Beispiele zu nennen). Das wird vermutlich jeder anders empfinden, schließlich sprechen wir in Deutschland auch nicht alle gleich.

    • Offizieller Beitrag

    Mal anders herum gedacht: wenn ich als Englischlehrer in ein englischsprachiges Land auswanderte, würde man mich dort als Englischlehrer einstellen? Ich selbst könnte mir das nicht vorstellen, da ich zwar sicherlich gut Englisch kann, aber vom Muttersprachler meilenweit entfernt bin. Für Englisch als Zweitsprache wäre ich sicherlich eine gute Besetzung.

    Weil das (ESL) auch deine Qualifikation ist. Für muttersprachlichen Englischunterricht bist du nicht ausgebildet (könntest aber durchaus den Transfert schaffen, wenn du das anstreben würdest). Es ist immer eine persönliche Einstellungs- und Anspruchssache, aber ich finde es traurig, dass du dich als Gym-Englischlehrer*in als "meilenweit" vom Muttersprachlerniveau entfernt einschätzst.
    Hier als Deutschlehrer*in arbeiten kann man aber (in der Regel) nicht mit einem ausländischen DaF-Abschluss, sondern mit einem inländischen Germanistik-Abschluss. Und es ist gut so.

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