Zweiklassengesellschaft Krankenkasse

  • Liebe KuKs,


    mir liegt folgendens Erlebnis dermaßen auf der Seele, dass ich mich dazu entschlossen habe mein schlechtes Gewissen durch diesen Post ein wenig zu erleichtern.


    Ich habe 2018 nach einem Krankenhausaufenthalt die Diagnose Multiple Sklerose bekommen mit der Empfehlung die Entzündungsherde im Gehirn sowie ein MRT der Wirbelsäule zu machen.


    Nach der empfohlenen Dauer von sechs Monaten habe ich Anfang 2019 einen Kontrolltermin beim Neurologen gemacht und bin davon ausgegangen, dass das nochmal ca. sechs Monate dauern würde, aber pustekuchen. Ich konnte mir subjektiv in den nächsten zwei Wochen alle möglichen Termine aussuchen.


    Angekommen zum Termin wartete ich ca. fünf Minuten vor dem Empfang, weil eine Mutter sehr emotional einen Termin für ihren Sohn ausmachen wollte, was seitens der Praxis allerdings unter Bedauern nicht unter einer Wartefrist von fünf Monaten erfüllt werden könne.


    Anschließend war ich an der Reihe und nach der Versicherungsfrage, pkv debeka, gabs eine Entschuldigung, dass sie mich nicht gesehen hätte (war das erste Mal da).


    Der Empfang war in der Mitte der Räumlichkeit, rechts der Warteraum der Kassenpatienten, wo ungelogen in der Mitte Personen, einer auch mit Rollator standen, weil das gesamte Zimmer so überfüllt war.


    Ich wurde dann auf die linke Seite des Empfangs geleitet. Das Wartezimmer war genauso groß wie das andere, nur saß dort außer mir eine weitere Person. Den Anamnesebogen, den ich in die Hand gedrückt bekommen hatte, konnte ich nicht vollständig ausfüllen, so schnell war ich im Behandlungsraum beim Arzt.


    Es wurden dann kurz die Ergebnisse des Berichts vom Krankenhaus besprochen und dann vereinbart, dass ich neue MRT-Auswertungen von Gehirn und Wirbelsäule machen solle. Für die weitere Vorgehensweise haben wir ein Folgetermin gesucht. Ich konnte ungelogen jeden möglichen Termin während der üblichen Arbeitszeit wählen. Der Neurologe hat dann vorgeschlagen, dass wir uns in zwei Wochen treffen zur Besprechung der Ergebnisse, woraufhin ich ihm begegnete, dass es unrealistisch ist beim speziellen Institut, das besonders leistungsstarke MRTs hat und dazu ein spezieller Radiologe, der besonders aussagekräftige Bilder liefern könne, innerhalb von zwei Wochen zwei Termine unter diesen Voraussetzungen zu erhalten.


    Tja was soll ich sagen, es hat ohne Aufwand geklappt. Von Freunden und Kollegen kenne ich ähnliche Geschichten und es widert mich ehrlich gesagt extrem an und ich war auch danach nicht mehr bei entsprechenden Ärzten.


    Bei Hausärzten habe ich nie die Erfahrung gemacht, dass die PKV irgendeinen Vorteil hätte bezüglich Terminen oder Wartezeit, aber bei Fachärzten scheint das nach meiner persönlichen Erfahrung gänzlich anders auszusehen.


    Einerseits habe ich diese Wand geschrieben, um mein Gewissen zu erleichtern (Arbeiterkind), zum Anderen eure Erfahrungen zu PKV vs GKV zu lesen. :)

  • Ich durfte als PKV-Patient meinen FSME-Impfstoff erstmal in der Apotheke kaufen, während der für Kassenpatienten beim Arzt im Kühlschrank stand.

    Es geht also auch anderes herum.


    Ansonsten, wenn es dir ein schlechtes Gewissen bereitet zügig Termine zu bekommen, dann sag am Telefon du wärst Kassenpatient oder wechsle in die GKV.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Beim Radiologen habe ich es auch schon ähnlich erlebt, beim Kardiologen muss ich genauso wie alle anderen auch meine Termine 4 Monate im Vorraus machen. Auch beim Zahnarzt und beim Gyn habe ich jetzt nicht eher Termine bekommen, weil ich privatversichert bin. An anderer Stelle gab es Termine für meine über mich versicherte Tochter sofort, auf die ein:e Kassenpatient:in sicher deutlich länger gewartet hätte.

    Fair ist das System natürlich nicht, aber das weiß man vorher und man wird ja nicht gezwungen, sich privat zu versichern. Man kann auch in der GKV bleiben, das ist dann nur im Normalfall deutlich teurer.

    Wenn man sehr unzufrieden mit dem System ist, kann man sich politisch entsprechend engagieren. Wie in allen anderen Bereichen auch.


    (Ich finde, im deutschen Gesundheitssystem muss einiges geändert werden, ich sage nicht, dass es gut so ist, wie es ist)

  • Getrennte Wartezimmer sind mir noch nicht untergekommen (wohl aber reine Privatpraxen!), ich habe aber ähnliche Erfahrungen gemacht wie du was die Terminvergabe angeht. Mein Mann fordert mich, wenn ich krank bin, immer auf, direkt meinen Versicherungsstatus zu erwähnen - ich kann das aber nicht, da wird mir emotional schlecht. Wenn ich gefragt werde, antworte ich, aber von mir aus kann ich das nicht einbringen.

    Ich bin politisch eindeutig für eine einheitliche Versicherung für alle Versicherungsnehmer*innen.

    Warum Trübsal blasen, wenn man auch Seifenblasen kann?

  • Morgen!

    Ich hatte so ein Erlebnis, als ich einen Termin zum Vorgespräch in der Geburtsklinik wollte. Die Dame sagte direkt, ich sei spät dran, kaum noch Termine frei... Sie gab mir einen Termin in 5 Wochen und erfuhr auf Nachfrage, dass ich bei der Debeka bin. Wurde plötzlich ganz freundlich und ich wurde mit dem Vorzimmer des Chefarztes verbunden. Neuer Termin wann ich wollte.

  • Ihr könnt nichts fürs System. Freut euch dran!

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

    • Offizieller Beitrag

    Während die GKV nur Fallpauschalen zahlt (plus evtl. Auslagen) und ebenso nicht alle Leistungen, die ein Arzt oder eine Ärztin erbringt, können selbige zum einen den 2,3fachen Satz abrechnen und für jeden Handgriff abrechnen. Damit verdienen Ärzte letztlich an den PKV-PatientInnen und nicht an den GKV-PatientInnen.

    Ich schwanke zwischen "leider" und "Gott sei Dank", was das Bevorzugen der PKV-PatientInnen betrifft.

  • Ich freue mich hingegen sehr, dass meine Ärzte den GKV-Patienten ein Behandlung mit modernen und innovativen Geräten anbieten können, weil sie durch meine erhöhten Beiträge leistbar sind.


    Ebenfalls freue ich mich, dass meine PKV die GKV subventioniert.

  • Die Praxen haben bei der Abrechnung mit den KVs ein enges Budget, bei Privatrechnungen nicht. Man bekommt als Privatpatient deshalb meist schnell einen Termin, weil man überhaupt behandelt werden kann, ohne dass der Arzt auf den Kosten sitzenbleibt, und man wird gerne behandelt, weil man die Praxis wirtschaftlich am Laufen hält. Das Problem ist also nicht der Privatpatient, sondern Gier und Geiz, die das Gesundheitswesen und die öffentliche Daseinsfürsorge im Zangengriff haben.


    Die Gefühle verstehe ich aber sehr gut. Meine Entlassung aus dem KH wurde bei einer Geburt zäh verzögert, während gesetzlich versichte Frühchenmütter zügig rausgeschmissen wurden. Das hat mir damals auch sehr zu schaffen gemacht. Auf der anderen Seite wurde ein Verwandter notfallmäßig wegen Netzhautablösung ins KH eingeliefert und dort tagelang nicht behandelt, weil der Chefarzt auf einem Kongress war und den Assistenzärzten verboten hat, in seinen Jagdgründen zu wildern. Das wissen wir, weil ein junger Arzt ausgeflippt ist und auf dem Gang emotional mit den Kollegen diskutiert hat. Ergebnis: Restsehkraft von 20 Prozent.

  • Man sieht es doch auch bei Doctolib sehr schön, wie viele Termine nur für Privatpatienten offen sind (und auch ganze Praxen).

    Die verrückteste Erfahrung hatte ich auch beim Zahnarzt, ich saß zuerst im "normalen Wartezimmer" und wurde dann abgeholt, wieso ich denn nichts gesagt hätte. Das "Privatwartezimmer" hatte dann eine große Couch mit TV und es gab Tee.

  • Ich meine folgende Anmerkung vollkommen neutral: Es ist schon interessant, wie sich auf der einen Seite im Forum hier immer wieder aufgeregt wird, dass Lehrer:innen zu wenig verdienen und zu wenige Perks haben und auf der anderen Seite dann die Vorteile der Privatversicherung irgendwie schlechtgeredet werden.


    (Ich weiß, dass das nicht zwingend die gleichen Personen sind)


    Ich sage, wenn ich zum ersten Mal in einer neuen Praxis anrufe, bei welcher Versicherung ich versichert bin. Da habe ich auch kein schlechtes Gewissen, auch wenn ich dadurch einen Vorteil habe.

    Ja, das System ist in vielen Bereichen ungerecht, aber dadurch, dass ich auf die Vorteile, die ich durch meine Alimentierung durch den Staat habe, verzichte, wird ja das System nicht besser.

    • Offizieller Beitrag

    Ich hatte bei einem MRT-Termin eine "typische" Situation von "in 6 Monaten um 6 Uhr 30, oh Sie sind privat versichert, warten Sie ein Termin hat sich gerade in 2 Tagen ergeben, suchen Sie sich die Uhrzeit aus", und mein Hautarzt hat auf der Homepage schneller Termine als für GKV-Versicherte.
    Ansonsten weiß ich, dass einige Ärzte sich freuen (haben sie zum Teil ganz deutlich gesagt, ich bin so lange bei denen, dass ich den Versicherungswechsel mit ihnen gemacht habe), sich sicher auf alle abgerechneten Handgriffe freuen, ich merke trotz horrender Rechnung nicht, dass sie sich mehr Zeit als vorher nehmen. Ich bin eine besondere ( = nervige) Patientin, und war schon bei denen, WEIL sie gut waren. Jetzt ernten sie die Früchte :D
    und da ich davon ausgehe, dass gestern keine 5 privat versicherte Patient*innen vor mir waren, werde ich immer noch nicht vorgelassen (ich habe sogar meinen Platz verloren, weil ich kurz auf der Toilette war).
    Auch wenn ich nie gedacht hätte, das von fossi74 zu lesen: ich versuche, meinen Seelenfrieden mit der Ungerechtigkeit zu machen. Ich kann nichts dafür. und jetzt wo ich eh nicht rauskomme, muss ich damit leben, und kann mich auch freuen, dass ich im Fall der Fälle (der hoffentlich nie eintritt!) schneller an eine notwendige Behandlung komme.

  • Eben. Deshalb mein Rat, sich über die Vorteile zu freuen, wenn man sie denn nutzen kann.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ich durfte als PKV-Patient meinen FSME-Impfstoff erstmal in der Apotheke kaufen, während der für Kassenpatienten beim Arzt im Kühlschrank stand.

    Das ist doch nicht vergleichbar damit, bei Verdacht auf eine schwere Krankheit erstmal mehrere Monate auf einen Facharzttermin zu warten, nur weil man nicht privat versichert ist.


    Ansonsten, wenn es dir ein schlechtes Gewissen bereitet zügig Termine zu bekommen, dann sag am Telefon du wärst Kassenpatient oder wechsle in die GKV.

    Das löst das Problem nicht.

    Bildung ist die Fähigkeit, fast alles anhören zu können, ohne die Ruhe zu verlieren oder das Selbstvertrauen. (Robert Frost)

    Bildung kann einen sehr glücklich und gelassen machen. (Günther Jauch)

    Was nützt es dem Menschen, wenn er Lesen und Schreiben gelernt hat, aber das Denken anderen überlässt? (Ernst R. Hauschka)




  • Von einer einzigen Ausnahme abgesehen, ist mir noch kein Fall bei mir bekannt, dass ich einen Vorteil als PKVlerin hatte.

    Diese Ausnahme beschränkte sich auf ein extra Wartezimmer (statt Stühlen Sessel, aber in der hinterletzten Ecke einer Praxis. Dort stand auch der brummende Kühlschrank), die Wartezeit war identisch nach Reihenfolge.

    Auf Termine muss ich, denke ich zumindest, genau so lange warten wie GKVler (Check Ups beim Zahnarzt, Frauenarzt etc nach mehreren Monaten). Mein Mann als GKVler bekommt Akuttermine genau so gut/schlecht wie ich. Ich sehe da wirklich keinen Unterschied, außer dass ich den lästigen Papierkram habe und ich mich über Ärzte aufrege, die den x-fachen Satz abrechnen.

    Wäre GKV in Hessen für mich nicht wesentlich teuer, würde ich sofort wechseln.

  • Unsere Hausärztinnenpraxis macht keine Unterschiede.

    Bei Fachärzten bekommt man wohl zum Teil schneller einen Termin, aber bei mir ist es nur so, wenn ich schon einmal da war und sie es dann wissen/sehen, dass ich privat versichert bin. Beim 1. Mal kommt es mir von selbst meist nicht über die Lippen, meinen Versicherungsstatus bei der telefonischen Terminvergabe ins Spiel zu bringen. Manchmal wird man aber danach gefragt.

    Was mich noch mehr ärgert: Ich war wegen desselben Anliegens bei 3 verschiedenen HNO Ärzten und habe für die für mich subjektiv gleichen Untersuchungen einmal eine Rechnung von 90 Euro, einmal eine für 150 Euro und einmal eine für 450 Euro!!! erhalten. Beihilfe und Versicherung zahlen das ohne Nachfrage.

    Von meiner Ärztinnenschwester weiß ich, dass Praxen auf Privatpatienten angewiesen sind, weil bei ihnen jeder Arztbesuch, der stattgefunden hat, abgerechnet werden kann

    Bei Kassenpatienten ist es wohl so, dass man für jede Erkrankung/jedes Anliegen des Patienten nur den Erstbesuch im Quartal bezahlt bekommt. Also wenn man mehrmals wegen Blutdruckbeschwerden lm Quartal kommt, wird nur der Erstbesuch bezahlt. Wenn man dann nochmals wegen Bauchweh kommt, wird das dann auch gezahlt, weil es eine andere Erkrankung ist. So verstehe ich es zumindest.

  • Ich habe es auch so erlebt, dass bei einigen Ärzten die Wartezeit als Privatpatient verkürzt war. Allerdings muss man auch bei vielen Ärzten die Rechnung genau nachprüfen, denn da gibt es Unterschiede in der Abrechnung. Aus diesem Grund sah ich mich gezwungen schon öfter den Arzt zu wechseln, denn letztendlich zahlen wir den Preis durch Erhöhung der Versicherungsbeiträge.

Werbung