Stress, Druck und Kritik. Wie geht ihr damit um?

  • Hallo liebe Leute,


    das Thema wurde bestimmt schon angesprochen, aber in der Menge an Beitraegen, ist es nicht immer einfach, etwas zu finden (ja, trotz Suchfunktion). Also frage ich nochmal.


    Ich bin seit August im Referendariat und stehe schon wie die anderen Referendaren meines Seminars sehr unter Druck. Wir sind sehr viel am Seminar und die ersten UBs mussten sehr frueh stattfinden. Jetzt finden schon die unbenoteten Lehrproben statt.
    In meinem ersten UB ist sehr viel in die Hose gegangen. Die Besprechung danach war also entsprechend. Ich habe zwar fuer ein paar Stunden geheult (ja, schon. Bitte nicht lachen!), aber ich sehe trotzdem, dass die meisten Kritiken gerechtfertigt waren. Nun habe ich trotzdem Angst vor den Lehrproben, ganz besonders nachdem ich das Ergebnis der Lehrprobe einer anderen Referendarin an meiner Schule mitgekriegt habe. Sie wurde von allen (Schulleiter, Fachleiter...) absolut fertig gemacht. Ich war nicht dabei, aber wir besprechen oft unsere Stunden. Ich habe auch nach ihrer Stunde mit dem Fachlehrer gesprochen, der dabei war. Die Referendarin war fix und fertig, aber wirklich! Sie hat ernsthaft ueberlegt, was sie mit ihrem 1. Staatsexamen machen kannst (also Ref. abbrechen). Ich glaube, ich brauche nicht weiter vertiefen. Die Situation war fuer sie wirklich ernst. Am naechsten Tag habe ich von einem Referendaren (er ist fast fertig) einen guten Rat bekommen : "Du sollst es nicht an Dich herankommen lassen." Ja, richtig! Aber wie macht man das, besonders wenn irgendwie das Leben sich zur Zeit (fast) nur um ein Ding dreht, weil man voll unter Stress steht. Wie kriegt man so ein dickes Fell? Ich meine, es gibt oft schwierige Situationen im Leben, aber wie macht ihr das im Referendariat? Ganz besonders wenn man den Eindruck hat, dass es erstmal darum geht, immer nur die negativen Aspekte zu unterstreichen. Wieso erwartet man von "neuen" Referendaren, dass sie schon alles gut machen? Und warum muessen sich die Fachleiter als Halbgott betrachten und die anderen sich profilieren muessen, anstatt den Referendaren zu unterstuetzen? Ja klar, wir "muessen jetzt in der Lage sein, mit Kritik umgehen zu koennen" (hat man der Referendarin gesagt). Ja, aber gibt es nicht auch eine menschliche Art, Kritik auszudruecken?
    Ich weiss nicht, was ich noch schreiben soll. Die Situation hat mich schon schockiert, deshalb wuerde ich mich gern ueber Tipps und Ratschlaege freuen.
    Ich wuensche Euch einen schoenen Sonntag!
    Laura ;):P

  • Hallo Laura,
    zu allererst mal: !!!
    Ich kann dich nicht nur verstehen, sondern hätte vor genau drei Jahren das exakt gleiche posting verfasst. Ich stand damals kurz davor, alles hinzuschmeißen und hätte dies sicherlich auch getan, wenn mir die "netten" Mitarbeiter des Arbeitsamts nicht mit Nachdruck versichert hätten, dass ich in meinem hohen Alter (gerade mal über 30!) und meiner Fächerkombi keinerlei Chancen auf dem Arbeitsmarkt mehr hätte....
    Auch darüber kann ich heute nur noch lachen, obwohls' ne richtig, richtig fiese Zeit war!!
    Rückblickend kann ich nur sagen (und vielleicht kann ich dich damit etwas aufbauen), dass ich mich im Verlauf der Zeit trotz eines katastrophalen Einstiegs ins Ref immer besser mit meiner Situation zu arrangieren lernte. (Bei vielen meiner Mitrefs wars übrigens eher umgekehrt)
    Wie? Ich habe einfach versucht, mir ein dickes Fell zuzulegen, geäußerte Kritik zwar ernst und als fachliche Anregung hingenommen, aber nicht auf meine Person bezogen, gezielt Abstand von "Panikmachern/ -macherinnen" genommen und mich lieber mit Leuten ausgetauscht, die sich wirklich gegenseitig geholfen und ernst genommen haben und (meiner Ansicht ganz wichtig) mir einen gesunden Zynismus zugelegt.


    Es ist kaum zu glauben, aber es gibt wirklich ein Leben danach (freu dich drauf!) und das ist zwar auch ganzschön anstrengend, aber mit dem Psychoterror des Refs nicht zu vergleichen! Also: durchhalten - du schaffst das!!!!
    Alles Gute für dich!
    LG,
    brasil 8)

  • Hallo Laura,


    ich bin seit September dabei, aber der Druck ist bei uns noch nicht so immens und wir haben das Glück, eine Seminarleiterin zu haben, die konstruktiv kritisieren kann. Dafür kämpfe ich mit meinen Schülern und es graut mir vor den ersten echten Unterrichtsbesuchen. Es gab zwar schon welche, aber es wird ja zunehmend erwartet, dass wir immer besser werden und auch bei mir ist bei den ersten Besuchen viel schief gegangen.


    Ich habe versucht, mir folgende Einstellung aufzubauen: Menschen (egal ob Schüler einer schwierigen Klasse oder Vorgesetzte) sind es nicht wert, dass man sich die gesamte Zukunft wegen ihnen versaut. Ob ich die so aufrecht erhalten kann, weiß ich aber noch nicht.


    Ich würde dir empfehlen, einen Ausgleich in anderen Dingen zu schaffen, wo dich nichts an den Lehrberuf erinnert, Treffen mit Freunden (auch wenn die Zeit dafür eigentlich fehlt; ich werde mich z.B. demnächst mit meiner Schulfreundin mitten in der Schulwoche treffen, jawoll!), Zeit für ein gutes Buch usw.

  • Zitat

    brasil schrieb am 27.11.2005 16:11:
    Hallo Laura,
    zu allererst mal: !!!
    Ich kann dich nicht nur verstehen, sondern hätte vor genau drei Jahren das exakt gleiche posting verfasst. Ich stand damals kurz davor, alles hinzuschmeißen und hätte dies sicherlich auch getan, wenn mir die "netten" Mitarbeiter des Arbeitsamts nicht mit Nachdruck versichert hätten, dass ich in meinem hohen Alter (gerade mal über 30!) und meiner Fächerkombi keinerlei Chancen auf dem Arbeitsmarkt mehr hätte....
    l 8)



    Hallo, off-topic zwar, aber ich kann mir's nicht verkneifen und kann das hier so nicht stehen lassen: Das ist Bullshit! Die vom Arbeitsamt haben keine Ahnung und sind auch in 90% der Fällen nicht willens und bereit, uns zu helfen und erzählen uns dann eine solche K.....e. Wir haben Chancen! Wir müssen uns nur unsere Nische suchen und das kann sich etwas hinziehen, aber dass wir, gerade und auch über 30, nichts mehr machen können, stimmt definitiv nicht. Das macht mich echt wütend, dass die einem so etwas weismachen und man dann unter Umständen in einem Beruf verbleibt, der einen quält. Mich berührt das emotional gerade so, weil ich selber nach dem Ref mit dem Lehrerjob aufhöre und mir was anderes suche und noch nicht zu den Hartz4-Langzeitarbeitslosen zu zählen gedenke.


    Zum Ref kann ich nur das von den anderen bestätigen: Wenn du wirklich Lehrer werden willst und b i s t mit Leib und Seele, dann überstehst du das Ref und wirst davon stärker. Wenn du merkst (so wie ich) dass du dich vertan hast, musst du sehr viel Geduld und Schweiß aufbringen, um das Ref durchzuziehen. So ist das zumindest bei mir. Aber wenn du vom Lehrberuf für dich überzeugt bist, lernst du, abzuhärten und dir das Gestichel nicht so zu Herzen zu nehmen. Das, was du beschreibst, ist n o r m a l.


    Viele Grüße Sarah

  • @ Sarah:
    Sorry, ich hätte die Geschichte mit dem Arbeitsamt etwas ausführen sollen: NATÜRLICH waren die Aussagen der Mitarbeiter dort totaler "bullshit" und von den Sachbearbeitern, die mir damals dort begegnet sind, war auch keine/r bereit bzw. fähig, mir zu helfen, obwohl ich ihnen einige alternative Berufsvorstellungen darlegen konnte. Allerdings war ich zu diesem Zeitpunkt so eingeschüchtert von der ganzen Ref-Erfahrung, dass ich einfach Angst vor einer weiteren Ernüchterung hatte (zumal mir in dieser Zeit einfach auch die power fehlte was Neues zu beginnen!). Abgesehen davon (und auch hier stimme ich dir voll und ganz zu!) war die Arbeit mit den Schülern damals für mich das Einzige, was mir überhaupt noch ein bisschen Auftrieb gegeben hat. Dies war wohl auch der Grund, warum ich das Ref damals nicht beendet habe, worüber ich heute total froh bin...!
    Wenn aber jemand das Gefühl hat mit Schülern nicht klar zu kommen oder einfach kein Spaß am Unterrichten hat (und damit ist jetzt nicht Laura gemeint!) , gibt es andere Möglichkeiten ... auch mit 30+ :D , das ist ja wohl klar...!!!
    Gruß,
    brasil

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Laura!


    Ich kann Dich voll verstehen!


    Seit September bin ich im Ref und habe diese Woche meine ersten Unterrichtsbesuchem, dafür beide. Und es ist nicht einfach. Mein Entwurf ist zwar wohl in Ordnung, aber auch recht lang, weil ich alles drin hab, was in einen Lehrprobenentwurf rein muss. Mein Mentor will, dass ich kürze und ich weiß nicht wann, weil ich morgen früh Schule und morgen Mittag Seminar hab, Außerdem hat er noch was anderes bemängelt, was ich dann auch noch umsortieren muss.... Das macht Arbeit, mit der ich nicht mehr gerechnet habe. Dabei wollte ich ab heute schon den Entwurf für den zweiten UB diese Woche schreiben. Aber dann wird es wieder besser, denke ich. Nur momentan wollte ich, es wäre schon Freitag und alles vorbei. Momentan mag ich nicht mehr und hab auch geheult, weil ich manchmal das Gefühl habe, nicht verstanden zu werden. Es sieht keiner die Belastung, es sieht aber auch keiner, dass es da mal ein Zeitproblem geben könnte. Aber irgendwie geht es weiter und wird auch wieder besser. Und manchmal hilft auch das Ausheulen
    Mein Freund erträgt es mit Fassung, weil er weiß, wie mich Kritik belasten kann, vor allem, wenn ich sie nicht immer nachvollziehen kann. Ich hab aber auch ein Problem, die gerechtfertigte Kritik anzunehmen, wenn sie mir wie ein nasser Waschlappen um die Ohren geknallt wird. Nach dem Heulen und selbst reflektieren geht es aber auch wieder! Kopf nicht hängen lassen!!!


    Liebe Grüße,


    Dalyna

  • Hi Laura!


    Seit November 2004 bin ich Referendarin an einer Brennpunktschule. Zu Beginn hat mir die Vorstellung, 18 Monate absoluter Kritik ausgesetzt zu sein, Angst gemacht und mich in Selbstzweifel gestürzt. Nach etwa vier Monaten hatte ich einen totalen Nervenzusammenbruch (vor meinem Musikseminarleiter) und habe mich selbst vor die Entscheidung gestellt: Halte Stress und Kritik aus oder brich das Ref. ab! Ich habe mich für die erste Variante entschieden und habe folgende Strategie angewendet: In den Besprechung nach den UBs bin ich stets sehr selbstkritisch, kehre aber auch immer die positiven Sachen heraus die mir sehr wichtig sind. Ich habe den Eindruck, dass die Seminarleiter besonders beeindruckt sind, wenn man ihnen sehr selbstbewusst gegenübersteht, konstruktive Kritik annimmt, aber auch gleichzeitig seinen Standpunkt durch Argumente verteidigt. So wollen sie die zukünftigen Lehrer sehen. Kritik wird ein Leben lang kommen. Von einem selbst, von Schüler, Eltern usw. Man sollte den Seminarleitern also zeigen: Chakka! Ich steh dadrüber (auch wenn man manchmal nicht so richtig drübersteht).
    Ich habe mich dadurch komischerweise an Kritik sehr gut gewöhnt. Vielleicht kommt seitdem sogar weniger Kritik, weil ich mich durch meine Einstellung auch etw. verändert habe. Man muss sich immer vor Augen halten, dass es der Job der Seminarleiter ist, Kritik zu finden und diese auszusprechen. Ich habe Besprechungen erlebt (hatte gestern meinen 16. Unterrichtsbesuch...), in denen sich Seminarleiter an lächerlichen Kleinigkeiten hochgezogen haben. Das war mir dann meistens völlig egal. Damit will ich sagen, dass man ein Gespür dafür entwickeln muss, auf welchem Niveau diskutiert und reflektiert wird. Das hat mir meine PS-Leiterin gesagt, nachdem ich nach einer Besprechung zusammenfassen sollte, was ich aus der Besprechung inhaltlich mitnehme. Als ich meinte, dass ich etwas verwirrt bin, weil Lob und Kritik gleichermaßen vermischt wurden, meinte sie, dass man sehen muss, dass Kritik auf hohem Niveau nichts Schlechtes ist. Wenn Kleinigkeiten kritisiert werden, muss man das Positive darin sehen: "Wenn's sonst nichts ist, kann es ja nicht so schlimm sein". Seitdem ich so denke, sehe ich vieles gelassener.


    Hilft dir das weiter? Ich hoffe!
    Viele Grüße von
    Catha

  • Zitat

    Ich habe Besprechungen erlebt (hatte gestern meinen 16. Unterrichtsbesuch...), in denen sich Seminarleiter an lächerlichen Kleinigkeiten hochgezogen haben.


    Das erinnert mich (sinngemäß) an die Worte meiner Seminarleiterin (lang, lang ist's her) - als wir sie fragten, warum wir eigentlich immer nur Kritik bekommen und wir nie das Gefühl hatten, die Stunde sei mal okay:
    Wenn ich den Aufbau der Stunde kritisiere - wars eine schlechte Stunde.
    Wenn ich nur am Tafelbild was auszusetzen habe, war die Stunde ganz okay.
    Wenn ich anfange mich über Lächerlichkeiten aufzuregen, war die Stunde "super"!

  • Mir kommt das alles auch sehr bekannt vor...
    Ich bin seit Februar im Ref. Ich bin sehr stark kritisiert worden, immer, etwas Gutes gab es eigentlich nie. Von meiner Mentorin, wohlgemerkt, meine Fachleiterinnen sahen das anders. Ich habe auch geheult ohne Ende - teilweise auch im Seminar. Die haben alle mit mir gelitten und konnten mich gut verstehen. Gelacht hat niemand. Ich war auch kurz davor, aufzuhören, habe mich aber dann entschieden, die Schule zu wechseln.Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Mir geht es jetzt viel besser, und ich habe auch wieder Spaß am Unterrichten. Der nächste Unterrichtsbesuch steht mir am Mittwoch bevor (drückt mir die Daumen).
    klar ist das Referendariat super stressig. ich glaube, niemand wird etwas anderes erzählen. Aber es liegt nciht immer alles an einem selber. und wenn du schreibst, dass deine Mitreferendarin auch so sehr fertig gemacht wurde, würde dir ein Schulwechsel vielleicht auch helfen...
    Ansonste: Beiß die Zähne zusammen. Und alles Gute!

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