Schüler*innen nehmen mich nicht ernst?

  • Hallo zusammen,


    ich bin Student und bald fertig mit meinem Bachelor. (Grundschullehramt)


    Vor nicht allzu langer Zeit stand ein Schulpraktikum an, welches mich in meinem Vorhaben, Grundschullehrer zu werden, stark entmutigte.

    Die Schüler*innen der Klasse sind sehr lebhaft und versuchten mich bereits in der ersten Stunde stark zu testen und zu provozieren.
    Meine „Strafen“ werden nicht ernst genommen. Genauso wenig das Belohnungssystem. (Beides von der Klassenlehrerin eingeführt. Bei ihr springen die Kinder darauf an.)


    Kurz zu mir: Ich bin 21 Jahre alt, sehe aber eher aus wie 16. Des Weiteren bin ich für einen Mann ziemlich klein und schmächtig.

    Ich habe Angst, dass es vielleicht daran liegen könnte. Mir ist bewusst, dass es mir an Autorität fehlt, allerdings arbeite ich schon stark daran.

    Trotzdem fühle ich mich vor dieser Klasse extrem unsicher und bin mir ziemlich sicher, dass die Kids das merken.


    Meine Kolleg*innen werden ausnahmslos ernst genommen. Sobald die Klassenlehrerin etwas sagt, sind die Schüler*innen leise und arbeiten.

    Auf mein Kommando erfolgt aber keine Reaktion.


    Außerdem ist mir aufgefallen, dass die Schüler*innen mit der Lehrerin viel höflicher kommunizieren.

    Bei mir verdrehen sie die Augen und benutzen Wörter wie „Digga“, „Alter“, „Nerv nicht“ und „Geh weg“.


    Ich bin einfach enttäuscht und fassungslos. Die Kinder rauben mir meine ganze Motivation.

    Ich gebe mir wirklich viel Mühe, daran zu arbeiten, selbstbewusster und autoritärer zu werden, aber es klappt einfach nicht.

    Die Kids merken das wahrscheinlich und tanzen mir daher nach wie vor auf der Nase herum.


    Die Klassenlehrerin hat zwar einen deutlichen Fortschritt erkannt, kann sich aber nicht erklären, warum es keine Besserung gibt.

    Ich mache die Dinge teilweise genau wie sie, aber es fruchtet nicht.

    Selbst wenn ich lauter werde und einzelne Kinder beim Namen nenne, folgt nur ein Lachen als Reaktion.


    Hat jemand Tipps, wie man sich Respekt verschafft und allgemein Autoritärer und sicherer auftritt?

  • Ich glaub, die Anwort wird komplizierter, weil es verschiedene Ansätze zur Erklärung gibt (und dann evtl. zur Lösung):


    - "Ich mach alles so, wie die Lehrerin" ... ja, aber Du BIST NICHT die Lehrerin. Sowohl von der Rolle her, als auch von der Persönlichkeit her. Was bei mir in einer Klasse klappt, muss bei einem Kollegen (also nicht Praktikant) noch lange nicht klappen. Bestimmte Verhaltensweisen passen zu mir, sind Teil meiner Persönlichkeit, das ist authentisch. Wenn ein anderer das versucht, ist es evtl. nicht authentisch und die SchülerInnen merken das, reagieren nicht gut darauf.


    - Du bist nicht die Lehrerin - auch von der Rolle her. Deshalb bringen sie Dir auch nicht das gleiche Verhalten entgegen.


    - SchülerInnen testen aus ... wie weit kann ich gehen? Wie reagiert die Lehrkraft? Das passiert auch erfahrenen LehrerInnen immer wieder. Muss man halt entsprechend (der eigenen Persönlichkeit) darauf reagieren.


    - Respekt ... hat man nicht immer von Amts wegen, den muss man sich verdienen. Und ich halte sehr wenig von "Strafen" und "Belohnungen" (bin aber auch keine Grundschullehrkraft). Manchmal geht es nicht ohne "Strafe", aber das sollten Ausnahmen sein, grobe Regelverstöße. Auch "lauter werden" kann - ganz gezielt eingesetzt - wirken, nutzt sich aber rasch ab und kann - beim falschen Anlass, zur falschen Zeit - eher schädlich sein, man kann sich da auch schnell lächerlich machen bzw. bei den SchülerInnen entsteht das Bild, dass "der nur immer rumbrüllt ... keine Autorität außer durch Lautstärke".


    Dass das für Dich als Praktikant schwierig ist, kann ich nachvollziehen. "Autoritärer werden" ist aber evtl. der falsche Weg.


    Ich glaube nicht, dass die Körpergröße viel damit zu tun hat und auch ob man eher schmächtig ist oder nicht ... evtl. eher das "sichtbare" Alter - aber das gibt sich ja dann von ganz alleine.


    Mach es nicht "genau wie sie (die Lehrerin)". Überlege Dir, wie DU reagieren möchtest.


    Sicherer auftreten, Selbstbewusstsein etc. kann man lernen (ja, SchülerInnen spüren Unsicherheit und Deine Probleme können z.T. auch daher kommen), kommt mit Übung und Erfahrung.

  • Nachfrage:

    Was ist denn das für ein Einzugsgebiet, wo du das Praktikum machst?

    Sind das viele Schüler oder nur einzelne Fälle?

    Von welcher Klasse schreibst du?

    Ich finde das beschriebene Verhalten für Grundschüler komisch.

    In meinem Einzugsgebiet würden die das selbst bei einem Praktikanten nicht so wie beschrieben machen.

    Warum lässt dich die Klassenlehrerin mit den Kindern allein?

    Normalerweise ist die Klassenlehrkraft anwesend.

  • Wenn die Lehrerin Fortschritte sieht, ist es vielleicht auch einfach nur so, dass die Klasse für dich verbrannte Erde ist. Wenn Du als Neuling reingehst, hast du erstmal einen Bonus. Wenn die Kinder "gelernt" haben, dass sie bei dir machen können, was sie wollen ist um ein vielfaches schwierig dort wieder raus zu kommen.


    Am Ende ist es auch eine Entwicklung. Ich habe am Anfang auch mehrere negative Erfahrungen gemacht. Inzwischen habe ich seit Jahren keine echten Probleme.


    Für mich hängt auch vieles davon ab, mit welcher Einstellung ich in die Klasse gehen. Ich akzeptiere es nicht mehr, dass ein Schüler mir gegenüber respektlos auftritt. Sobald das passiert haben wir ein Break und klären das. Ohne Schimpfen und in der Regel ohne Strafen. Aber ich bestehe darauf, dass die Schüler eine vernünftiges Verhalten zeigen.

    Ist natürlich an der Grundschule einfacher aber ich habe auch in der Sek1 unterrichtet. Letztlich ist es überall das Gleiche. Da muss man erst Recht sofort reagieren und Grenzen setzen. Bei schwierigen Schülern im Team arbeiten.

  • Stuttgart Mitte, 3. Klasse.


    Überwiegend sind es die männlichen Schüler, die auffällig sind. Die weiblichen Schülerinnen hören mir meist aufmerksam zu und bearbeiten ihre Aufgaben.

    Klassengröße: 25 Schüler, davon sind 17 männlich.

    (Leider sind es auch eher die Schüler mit Migrationshintergrund, die laut und beleidigend werden. Dies entspricht etwa 80 % der Klasse.)


    Die Störungen fangen an, sobald die Klassenlehrerin mir die Klasse "übergibt". Also ab dem Zeitpunkt, an dem sie sich an den Rand des Klassensaals bzw. nach hinten setzt oder für eine Zeit lang ganz den Raum verlässt. (Dann ist es besonders schlimm und sie werden sehr Vorlaut.)


    Ja, die meiste Zeit ist die Lehrkraft anwesend. Das stört die Schüler aber nicht.

    Die Schüler ändern erst dann was an ihrem Verhalten, wenn sich die Lehrerin aktiv einmischt und sie verwarnt.


    Ich habe das Gefühl, dass die meisten ein persönliches Problem mit mir haben und mir das Praktikum zur Hölle machen wollen.

    Die Anmerkungen werden auch meist so kommuniziert, dass die Lehrerin es garnicht erst mitbekommt.



    Vielleicht noch gut zu wissen: Bei dem Praktikum hat es sich um ein integriertes Praxissemster gehandelt. Ging also über mehrere Monate.

    Einmal editiert, zuletzt von lm2002 () aus folgendem Grund: Anmerkung meinerseits

  • Ich habe das Gefühl, dass die meisten ein persönliches Problem mit mir haben und mir das Praktikum zur Hölle machen wollen.

    Die Anmerkungen werden auch meist so kommuniziert, dass die Lehrerin es garnicht erst mitbekommt.

    Normalerweise verhalten sich die Schüler nicht so. Sie haben in der Regel kein persönliches Problem sondern wollen einfach nur ihren Spaß. Es ist natürlich etwas anderes, wenn du dich irgendwie mit ihnen angelegt hast.


    Ist vielleicht ein Klassenwechsel eine Option?

  • Normalerweise verhalten sich die Schüler nicht so. Sie haben in der Regel kein persönliches Problem sondern wollen einfach nur ihren Spaß. Es ist natürlich etwas anderes, wenn du dich irgendwie mit ihnen angelegt hast.


    Ist vielleicht ein Klassenwechsel eine Option?

    Ich habe mich keineswegs mit ihnen angelegt. Allerdings habe ich die "schlimmen" in bestimmten Situationen mit Zusatzaufgaben und visuellen Bestrafungen (Ampel) "bestraft". (Laut Klassenlehrerin war dies angebracht.)


    Das Praktikum ist seit letzter Woche vorbei. Im Oktober beginnt mein 6. Semester.

  • Ah ok, ich kenn das so, dass die Praktikanten, in möglichst vielen Jahrgangsstufen reinschnuppern sollen. Dachte, das wäre an der Grundschule genauso.

  • Du warst aber doch nicht das gesamte Praktikum in einer Klasse oder? Wie war es denn in den anderen Klassen?

    Insgesamt war ich in 2 Klassen.

    In der ersten Hälfte war ich in einer 1. Klasse und in der zweiten Hälfte in der 3. Klasse.


    Die 1. Klasse war vollkommen in Ordnung und es hat mir echt Spaß gemacht.

    Vielleicht lag es aber auch daran, dass zusätzlich zur Lehrerin noch 2 Integrationshelferinnen in der Klasse waren, die die Klasse permanent ruhig gehalten haben. Das hat mir natürlich sehr geholfen.

  • Vielleicht lag es aber auch daran, dass zusätzlich zur Lehrerin noch 2 Integrationshelferinnen in der Klasse waren, die die Klasse permanent ruhig gehalten haben.

    Die Klasse permanent ruhig zu halten halte ich weder für ein erstrebenswertes Ziel noch für die Aufgabe von Integrationshelferinnen.

  • Ich hatte einen Kunstlehrer am Gym, der war 1,60m groß und sehr beliebt.

    Es kommt also auf die innere Haltung an. Wenn du mit deiner Größe ein Problem hast, merken das die Schüler. So einfach ist das.

    Abgesehen davon hat das hier vor Längerem oder Kürzerem erst jemand gefragt, von daher glaube ich, du bist fake.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Ich habe das Gefühl, dass die meisten ein persönliches Problem mit mir haben

    Yep, und genau die Überwindung dieses Gefühls ist "die Kunst des Pädagogen".

    Sie meinen nicht dich. Sie kennen dich gar nicht. Sie meinen deine Rolle als Lehrer.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Jetzt darf ich auch mal fragen: Humblebee Was verwirrt dich an meinem Beitrag?

    Dass es bei euch üblich ist als Praktikant*in an einer GS nur in einer einzigen Klasse mal Unterricht durchzuführen, finde ich sehr seltsam und irritierend (wie schaff ja ebenfalls schon schrieb).

    Das kenne ich so überhaupt nicht (auch von Grundschulen nicht). Bei uns an der Uni hieß es damals immer - nicht nur für meinen Lehramtsstudiengang -, dass wir uns in unseren Praktika viele verschiedene Klassen anschauen und auch in mehreren unterrichten sollen, um uns als Lehrkraft "auszuprobieren". Und soweit ich weiß, bekommen das die heutigen Praktikant*innen der verschiedenen Schulformen noch immer so mit auf den Weg; zumindest habe ich es von einer derzeitigen Gym-Lehramtsstudentin und einer GS-Lehramtsstudentin, die an zwei verschiedenen Unis hier in NDS studieren, auch so erzählt bekommen.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Ich habe das Gefühl, dass die meisten ein persönliches Problem mit mir haben und mir das Praktikum zur Hölle machen wollen.

    Das siehst du völlig falsch. Die Grundschüler wissen, dass du Praktikant bzw. Student bist und sehen dich nicht in der Rolle als Lehrer, die denken nicht so weit, dass sie einen Lehrer fertig machen wollen. Das kommt erst mit der Pubertät. Die haben auch kein persönliches Problem mit dir, sondern weiten ihre Grenzen aufgrund deiner Rolle und Unerfahrenheit, die sie instinktiv spüren, aus. Sie wissen ja, dass das, was du sagst, nicht diese Gültigkeit hat wie das, was die Klassenlehrerin sagt.


    Ich hatte schon öfter StudentInnen mit im Schullandheim oder bei Lesenächten dabei. Da war es immer dasselbe Spiel. Selbst bei relativ verhaltensangenehmen Klassen haben sie sich bei den Studentinnen mehr Freiheiten erlaubt als bei mir. Ganz selten hatten von den Studentinnen welche schon die Autorität, die man als Lehrer braucht, es sei denn, sie waren diesbezüglich Naturtalente. Ich hatte auch schon StudentInnen, die haben sich überhaupt nicht durchsetzen können, die hatten sicherlich noch einen weiten Weg vor sich.


    Man lernt dazu. Wichtig ist, dass man sich auf eine Art durchsetzen lernt, die den Schülern nicht schadet. Z.B. finde ich Sarkasmus in der Grundschule (und überhaupt als Lehrkraft) unangebracht. In der Grundschule geht sehr viel über Beziehung. Als Praktikant kannst du das gar nicht erreichen.


    Man muss erst in seine Lehrerrolle finden und mit der Zeit wirst du merken, dass man mit der richtigen persönlichen Einstellung und ein paar erlernten Skills einiges erreichen kann. (Wobei Brennpunktschulen eine größere Herausforderung darstellen.) Außerdem kann man sich immer im Kollegium austauschen. Gerade in Grundschule - so meine Erfahrung - ist der Zusammenhalt und der Austausch unter den Lehrern ganz gut und das Einzelkämpfertum nicht weit verbreitet.


    Ich selbst war vor 30 Jahren! in Stuttgart Lehrerin. Und das war damals schon ein hartes Pflaster. Ich war in einem Außenbezirk, aber ich kann mich erinnern, dass Stuttgart Mitte noch härter war. Deswegen denke ich, dass du eine besondere Brennpunktschule erwischt hast.


    Die Größe macht bei der Grundschule überhaupt nichts aus, denn die Schüler sind kleiner als du und müssen zu dir aufschauen. ;)

    Hake die 3. Klasse ab, die sind älter als die noch naiveren Erstklässler und probieren es aus in dem Bewusstsein, dass du der Student bist und nicht der Lehrer.

  • Es geht sicherlich weniger um die Lehrperson als um die Dynamik in dieser Jungsgruppe. Und es würde mich nicht wundern, wenn die sich schon bei deinen Vorgängern eingeschossen hätten. Es liegt also nicht an dir und du konntest in deiner Rolle als Praktikant auch nicht wirklich viel dagegen tun. Lass dich nicht entmutigen. Wenn du als Lehrer auf eine solche Gruppe triffst, hast du ganz andere Möglichkeiten und kannst viel authentischer reagieren.

  • Ich denke, du hattest da auch eine ziemlich üble Klasse/Schule/Gegend erwischt - gehe bitte nicht davon aus, dass das die Regel ist.


    Dazu, dass man als Praktikant eine gewisse Sonderrolle hat und nicht als vollwertige Lehrkraft wahrgenommen wird, wurde ja schon einiges gesagt.


    Besteht für dich evtl. die Möglichkeit, als Vertretungslehrkraft stundenweise an irgendeiner (Grund-)Schule (also das ganz Jahr über) bei Bedarf stundenweise einzuspringen. Hier in Hessen gibt es extra ein Programm dafür - bei euch ja vielleicht auch. Normalerweise haben Grundschulen und nicht-gymnasiale Sek-1-Schulen eigentlich immer recht hohen Bedarf - kommt aber wahrscheinlich auch auf die jeweiligen Richtlinien des Landes bzgl. Unterrichtsausfall bzw. dem Umgang damit an.


    Ich kann dir aus persönlicher Erfahrung sagen, dass mir das so enorm viel mehr gebracht hat als irgendein Praktikum. Bei einem Praktikum ist man nur eine sehr begrenzte Zeit und ist quasi immer der Anhang irgendeiner Lehrkraft. Wenn man auf sich alleine gestellt ist, ist das schon was ganz anderes - es ist am Anfang hart, aber man lernt nach und nach, seine Lehrerpersönlichkeit zu finden und bekommt Erfahrung im Umgang mit bestimmten Situationen bzw. wann man wie einschreiten sollte und was man auch mal laufen lassen kann. Ich war früher auch viel zu nett (wenn es keinen Grund gab, nett zu sein) und habe oft zu zögerlich reagiert. Aber das kann man zu einem großen Teil wirklich lernen.

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