Zukunftsangst und schlechte Berufsaussichten im Lehramtsstudium

  • Liebe Forumsgemeinde,


    ich werde seit einiger Zeit von großer Zukunftsangst geplagt, da ich in meinem Umfeld mitbekomme, wie es Lehramtsabsolvent*innen geisteswissenschaftlicher Fächer geht. Mittlerweile habe ich den Eindruck gewonnen, dass sich ein Lehramtsstudium nur noch mit wirklichen Mangelfächern (MINT-Fächern) lohnt, bei allem anderen würde man wohl in die Arbeitslosigkeit studieren, befristete Verträge und niemals eine volle Lehrverpflichtung bekommen.


    Zu meiner Situation: Ich bin 27 Jahre alt, habe BA und MA in Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Inklusive Pädagogik. Durch die Studieninhalte und meine Arbeit in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft für Kinder und Jugendliche ist schließlich der Wunsch in mir erwachsen, Lehrerin zu werden. Ich studiere nun im vierten Semester für das Gymnasiallehramt in den Fächern Deutsch, Ethik und evangelische Religion und bin sowohl von den Fachwissenschaften als auch von den Fachdidaktiken absolut begeistert. Leider wird meine Freude an dem Studium und meine Vorfreude auf den Lehrer*Innenberuf von den schlechten Berufsaussichten getrübt und durch die Bedarfsprognosen zahlreicher Bundesländer bestätigt.


    Bin ich doch voller Idealismus in das Studium gestartet, so frage ich mich nun, ob sich die jahrelange Mühe überhaupt lohnt. Da ich das Studium mit meinem Job selbst finanziere, ist ein Einserdurchschnitt für mich nicht erreichbar, was meine Einstellungschancen zusätzlich reduzieren würde. Mir ist bewusst, dass nicht prophezeit werden kann, wie die Einstellungschancen in einigen Jahren aussehen werden und trotzdem hätte ich gerne Eure ungeschönte Einschätzung: Lohnt sich ein Lehramtsstudium mit meinen Fächern? Ich muss auch nicht zwingend ans Gymnasium. Förderschullehramt, was ja sehr gefragt ist, kann ich leider gut mich ausschließen. Ich habe einige Zeit in der Betreuung von Schüler*innen mit intellektuellen Beeinträchtigungen gearbeitet und kann mir ein Lehramt in dem Bereich nicht vorstellen.


    Vielen Dank im voraus und einen schönen Abend,


    Gribaldi 🙂

  • Was wäre denn mit einem Förderschullehramt ohne intellektuelle Beeinträchtigung? Gibt es das in Österreich nicht?


    Ginge auch Berufsschullehramt … im Hinblick auf die Fächer oder den anderen Beruf?

  • Ginge auch Berufsschullehramt

    Ich hätte auch an deiner Stelle probiert, hier evtl. einen Quereinstieg zu machen (Bereich Sozialpädagogik), oder es nachzustudieren, sofern ein Studienangebot in deiner Nähe verfügbar wäre.


    Auch für Sonderschullehramt wärst du mit inklusiver Pädagogik als Schwerpunkt eigentlich fast schon prädestiniert - es gibt, wie Palim schreibt - ja auch noch andere Förderschwerpunkte.



    Wie es in Österreich aussieht, kann ich nicht beurteilen, aber hier hättest du es - wie du selbst schon festgestellt hast - mit deinen Fächern und keinem 1er-Durchschnitt wohl in der Tat recht schwer.

  • Danke für Eure Anregungen, werde noch einmal über die Spezialisierung für das Förderschullehramt nachdenken, da könnte ich mir auch sicher einiges anrechnen lassen.

    Volksschullehramt (Grundschule) könnte ich mir auch gut vorstellen, dass ist zumindest in Österreich sehr gefragt. Ich hätte mich vor Studienbeginn besser informieren müssen, man hört immer, dass ein Hauptfach und ein Nebenfach eine solide Kombi ist, aber leider ist Deutsch ja hoffnungslos überlaufen...

  • Hi,

    ich würde das jetzt nicht so negativ sehen. Zum einen ist dein Lehramt Sek 1 (Gym + MS) und zum anderen könnten deine anderen Fächer auch interessant sein. Ethik wird Pflicht für die Religionsabmelder. Deutsch würde ich mit DaF erweitern.

    Du kannst auch zunächst mal an die Mittelschule und dann ans Gymnasium wechseln (zum Beispiel zu uns :rose:).

  • aber leider ist Deutsch ja hoffnungslos überlaufen...


    Erstens das, zweitens ist auch die Kombination Ethik und ev. Religion eher suboptimal. Mich wundert es, dass du das überhaupt parallel studieren konntest vom Stundenplan her. Beide Fächer sind doch im Schulunterricht ein Pendant zueinander, d.h. der Ethik-Unterricht einer Jahrgangsstufe oder Klasse wird parallel zum ev. Religionsunterricht und umgekehrt stattfinden. Ähnlich würde es sich mit zwei dritten Fremdsprachen verhalten.

    Daraus, dass du drei Fächer hast, ergeben sich deshalb für die Schule nur geringe Vorteile bei der Stundenplanerstellung. Der einzige Vorteil für dich bestünde darin, dass du etwas breiter aufgestellt bist im Hinblick auf Ausschreibungen. Ich persönlich sehe keinen großen Nutzen in Relation zum Aufwand. Du kommst dann für Deutsch/ev. Reli und Deutsch/Ethik infrage - ev.Reli/Ethik hingegen wird höchstwahrscheinlich nie ausgeschrieben werden - da hättest du dir mit einem anderen Drittfach einen größeren Gefallen getan.

  • Der Religionsunterricht und Ethik finden selten zur selben Zeit statt. Religionsunterricht ist meistens am Nachmittag, da die Schüler dafür oft an eine andere Schule müssen.

  • Der Religionsunterricht und Ethik finden selten zur selben Zeit statt. Religionsunterricht ist meistens am Nachmittag, da die Schüler dafür oft an eine andere Schule müssen.

    Okay, bei uns immer parallel (Schüler kann wählen).

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Kleine Anmerkung noch zum Sonderschullehramt:


    Es werden auch Sonderpädagogen an Grundschulen eingestellt. Habe vor einer Weile erst eine kennengelernt, die an unterschiedlichen Schulen tätig ist und Gutachten über den Lernstand bzw. im Hinblick auf eine eventuelle Förderbedürftigkeit von SuS erstellt, also viel mit einzelnen SuS arbeitet. Sie verdient dabei mehr als die regulären GS-Kräfte. Auch gibt es generell (zumindest in Deutschland) Integrations-Klassen (sonst "normale" Klassen, in denen sich SuS mit Förderschwerpunkt befindet) - auch hier werden Sonderpädagogen eingesetzt.


    Sonderpädagogen können also sehr vielfältig eingesetzt werden. Sonderpädagogik heißt nicht, dass du später auch an einer Sonderschule arbeiten musst.

  • Schüler kann wählen

    Nein. Schüler - bzw. je nach Alter Eltern - kann sich vom Religionsunterricht abmelden (und belegt dann Ethik). Das ist etwas anderes.

    Man konnte ja auch nicht zwischen Wehr- und Zivildienst wählen, sondern man konnte den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigern und musste dann Zivildienst leisten.

    Anmerkung: Gilt für BW. Andere Länder haben teilweise tatsächlich eine Wahlmöglichkeit.

  • mjisw

    Zum Sonderschullehramt/ Förderschullehramt wird es je nach BL ganz unterschiedliche Konstrukte geben, wenn die TE in Österreich bleiben möchte, muss man dazu Informationen suchen.


    FöS Lernen war ja schon quasi ausgeschlossen, aber wie ist es mit anderen Schwerpunkten, z.B. Sprache, Sehen, Hören, Körperliches in Österreich?

  • Nein. Schüler - bzw. je nach Alter Eltern - kann sich vom Religionsunterricht abmelden (und belegt dann Ethik). Das ist etwas anderes.

    Man konnte ja auch nicht zwischen Wehr- und Zivildienst wählen, sondern man konnte den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigern und musste dann Zivildienst leisten.

    Anmerkung: Gilt für BW. Andere Länder haben teilweise tatsächlich eine Wahlmöglichkeit.

    Warum wusste ich, dass du dies entgegnet?


    Ja, du hast theoretisch recht. In der Praxis wird (bei uns) von Schülern nach Kollegen ausgewählt (und im nächsten Jahr wieder geändert). Gewissensfragen muss keiner mehr beantworten. Deshalb schreibe ich gewählt. Problematisch wird dies ständige Wechseln, wenn man es als Prüfungsfach im Abitur wählen möchte.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Danke für die vielen Rückmeldungen! 🙂

    Ich könnte Religion noch gegen ein anderes Fach eintauschen. Informatik hat ein sehr interessantes Curriculum, das wäre ja auch absolut gefragt und ist vielleicht ein interessanter Ausgleich zu Deutsch und Ethik. Ich hatte das Fach aber selbst nie in der Schule und habe schon mehrfach gehört, dass es ohne sehr gute Mathekenntnisse und Vorerfahrungen mit Programmiersprachen nicht machbar ist.

  • Der Programmieranteil ist nicht so hoch, wie man vielleicht denken mag. Vieles wird auch in Pseudocode gemacht. Schon vor Studium (weitreichende) Programmierkenntnisse zu haben, ist deshalb nicht notwendig.

    Wie hoch der Mathe-Anteil ist, hängt stark von der Uni ab. Aber klar, Mathe ist ein elementarer Bestandteil und ganz sicher das Fach, das der Informatik an nähesten steht.



    Hast du dich mal informiert, wie es mit Quereinstieg (oder wie auch immer das bei euch heißt) Berufsschullehramt aussieht? Du hast schließlich einen fachnahen Master + Berufserfahrung + Creditpoints für sogar mehrere allgemeinbildende Unterrichtsfächer.

    Oder wäre Berufsschule gar keine Option für dich?

  • Danke für die vielen Rückmeldungen! 🙂

    Ich könnte Religion noch gegen ein anderes Fach eintauschen. Informatik hat ein sehr interessantes Curriculum, das wäre ja auch absolut gefragt und ist vielleicht ein interessanter Ausgleich zu Deutsch und Ethik. Ich hatte das Fach aber selbst nie in der Schule und habe schon mehrfach gehört, dass es ohne sehr gute Mathekenntnisse und Vorerfahrungen mit Programmiersprachen nicht machbar ist.

    Hi, demnächst startet der Studiengang für das neue Fach "Digitale Grundbildung". Das könnte weniger mathematisch sein, ist aber noch nicht ganz ausgereift. Wie schauts aus mit BE und Musik?

  • FöS Lernen war ja schon quasi ausgeschlossen, aber wie ist es mit anderen Schwerpunkten, z.B. Sprache, Sehen, Hören, Körperliches in Österreich?

    Das gibt es hier auch.

    Wir haben auch Integrationsklassen.

    Und in Krankenhäusern usw kann man auch als Sonderschullehrer unterrichten.

  • Musik scheidet leider aus, bin suuuper unmusikalisch 😃 Da wäre Sport noch eher etwas oder darstellendes Spiel 😃 Möchte für viele Möglichkeiten offen sein, probieren geht über studieren!


    Ich wusste gar nicht, dass das Förderschullehramt so vielseitig ist, Dankeschön für den Input! Habe ein Jahr in einer Tagesstruktur für Menschen mit schweren körperlichen Einschränkungen und psychischen Erkrankungen gearbeitet. Ein Minuspunkt am Inklusionsbereich sind für mich die vielen Pflegetätigkeiten, es ist für die allermeisten Tätigkeiten sogar ein Zusatzmodul in der Basispflege erforderlich. Zusätzlich sind Auto- und fremdagressionen leider oft ein großes Problem im Inklusionsbereich, deshalb zieht es mich zu einer Regelschule. Aber mal schauen 🙂

Werbung