Hallo alle miteinander,
mein Benutzername "NurEinReferendar" drückt schon ein wenig aus, worum mir geht.
Zunächst die Rahmensituation: Ich bin im ersten Ausbildungsabschnitt meines Referendariats. Hier in BW benötigt man ein OK beider Seminarausbilder, um selbstständigen Unterricht im 2. Ausbildungsabschnitt zu erhalten. Ich sehne mich danach, endlich mal mich im Unterrichten ausprobieren zu dürfen ohne ständig jemanden hinten drin sitzen zu haben, dessen Vorstellungen ich hauptsächlich bedienen soll. Aber nö, Vertrauen ist gut, Kontrolle ist natürlich besser. Je stärker man kontrolliert, desto besser werden die Leute ausgebildet. Ja nee, is' klar. Pädagogik preußischer Unteroffiziere!
Vor dem Referendariats habe ich in Forschungsprojekten zusammen mit der Industrie gearbeitet. Deswegen weiß ich: Soooooo dumm bin ich wahrscheinlich nicht, wie ich mich mittlerweile fühle. Meine Erfahrungen dort: Es wird geduzt, man begegnet sich mit Respekt, mit Lockerheit und freut sich auf die Zusammenarbeit. Auch dort hatte ich Phasen, in denen ich wirklich sehr hart arbeiten musste. Aber man behandelte sich gegenseitig wie Gentlemen. Neue Kollegen werden nett begrüßt, man ist positiv-neugierig und dann gibt man dem Neuling erst mal einfache Aufgaben und dann immer etwas schwierigere, bis er voll mitarbeiten kann. Der Umgang ist konstruktiv wertschätzend, mindestens neutral.
Leider ist die Welt, die ich nun im Referendariat erlebe, völlig dem entgegengesetzt. Ich finde es unmöglich, was für Sitten in diesem System vorherrschen: Einige Beispiele:
- Referendare werden wie dumme Schüler behandelt, von denen man die Schwächlinge hinausprüfen will, anstatt diese als zukünftige Mitarbeiter zu sehen, die man bestmöglich ausbildet. Das Prüfen steht im Vordergrund. Das ist Preußen 1800.
- Es wird gedacht in den Kategorien "Kontrolle" und "Maßregelung", auch wenn es vielleicht nicht mehr so genannt wird, ist dies das Mindset.
- Referendare sollen das Rad komplett neu erfinden. Materialien werden vorenthalten. (Klar, von netten Kollegen an der Schule erhält man trotzdem welche.) Die Fachdidaktikveranstaltungen verfehlen jedoch völlig ihr Ziel, denn das wäre meiner Meinung nach deren Job. Und damit meine ich fertige Verlaufspläne und Materialien. Anpassen kann und muss man danach ja immer noch.
- Unsitten wie: Es wird erwartet, dass der Referendar belegte Brötchen, Kaffee und am besten noch selbstgebackene Kuchen seinen Prüfern zum UB/Lehrprobe darreicht. Hallo????
- Völlig überzogene und teils sinnlos-pedantische Anforderungen: Das minitiöse Tracken des Unterrichtsverlaufs nach dem Verlaufsplan. Die Sinnfreiheit, die damit zusammenhängt. Erinnert mich an die Bundeswehr beim Stubenappell, bei dem nach Falten der Hemde im Kleiderschrank akribisch gesucht wird. Ungefähr gleiches Mindset.
- Fachlicher Dogmatismus bzgl. Formalismen
- Subjektiv intransparente Erwartungshaltungen von unglaublich wichtigtuerischen und allwissenden Halbgöttern, wie ich sie vorher wirklich selten im Leben kennengelernt habe.
Furchtbar. In der erste Sitzung in der einen Fachdidaktik wusste ich schon, das wird auf einen Konflikt hinauslaufen.
Entsprechend ist es bei mir nun auch so gekommen: Der eine Ausbilder hat mir das Ok gegeben und hält mich für eine gute Lehrerpersönlichkeit, der andere vermutlich nicht und hat sich über mich bei der Schulleitung beschwert (Entscheidung wird nun gerade praktisch so lange wie möglich hinausgezögert und seit dem wird mir das Leben zur Hölle gemacht. Eventuell müsste ich den ersten Ausbildungsabschnitt wiederholen bei Kürzung der Bezüge.). Ich werde zwar nicht als völlig untauglich eingestuft, aber für einen Chaoten gehalten, der nicht genügend Engagement zeigt.
Ich werde an sich in einem Mangelfach ausgebildet. KEIN WUNDER, warum man zu wenig Leute hat.
Nun überlege ich gerade, hinzuschmeißen. Ich hab einen 2-Jährigen, für den ich unterhaltspflichtig bin und den ich seit 3 Wochen schon nicht mehr sehen konnte, weil ich nur noch am Rad drehe und für Besuche Unterrichtsvorbereitungen durchführe. Kürzung der Bezüge würde leider bedeuten, dass der Unterhalt für meinen Sohn ebenfalls sinken muss. Dies könnte die Konfliktgefahr mit der Ex wiederum vergrößern. Ein Abbruch des Referendariats würde wiederum bedeuten, dass ich meinen Wunsch, Lehrer zu werden, leider auch nicht realisieren kann. Da ich Sonderbezüge bekomme (Mangelfach), müsste ich außerdem sämtliche Sonderbezüge zurückzahlen. Finanziell ein riesiger Schaden. D.h. aus finanziellen Gründen bin ich schon fast gezwungen, weiter zu machen, gehe dabei aber ein enormes Risiko ein, wenn ich am Ende bei den Lehrproben rausgeprüft werde. (Leider schwer zu sagen bei der vorherrschenden Willkür.)
Leider eine sehr belastende Situation.
Ach ja, mit den Schülern komme ich zurecht. Interessiert ja aber keinen. Unterrichten an sich macht mir auch Spaß. Ich konnte 2mal alleine unterrichten ohne Mentor, das war noch besser. Also an sich zweifle ich nicht am Lehrerberuf, eher zweifle ich am Erfolg meiner Ausbildung.
Vielleicht erging es dem oder der einen ähnlich und steckte in einer ähnlichen Situation? Was würdet ihr mir raten?