Keine Schreibschrift in der Grundschule?

  • Liebe Kollegen in der Primarstufe,


    ich frage hier als Mutter, unser Sohn ist aber erst 2. Anlass ist, dass ich mitbekommen habe, dass in der Grundschule vor Ort wohl keine Schreibschrift gelehrt wird, oder nur optional mal eben gezeigt wird. Ich selbst gehöre noch zu den Jahrgängen, die diese ganz problemlos von Anfang an, mit viel Fleiß und Übung, lernen durften/ mussten. Und als Lehrer der Sekundarstufe weiß ich, welches Drama es in Klasse 5 gibt, wenn die Buchstaben im Schneckentempo gemalt werden (Druckschrift) und mindestens zwei Kinder meine extra ordentliche Schrift an der Tafel nicht lesen können („Schreibschrift kann ich nicht lesen“).


    Was würdet ihr als Eltern tun? Gerade bei Jungen halte ich die Schrift für besonders schwierig, Mädchen entwickeln viel schneller ihre eigene Schrift, während die Jungen die in der Grundschule gelernte Schrift oft lange beibehalten (meine Beobachtung). Am liebsten würde ich vor der Schule anfangen dem Kind Schreibschrift beizubringen 🙈 dazu kommt noch, dass das Kind vermutlich Linkshänder ist. Da wird flüssiges Schreiben ja sowieso schon eine Herausforderung (meine Befürchtung).


    Grundschuldidaktik ist für mich so fremd wie Raketenwissenschaft - was würden also die Profis mit ihrem Kind machen?


    Lieben Dank für alle Antworten 💐

  • Was würdet ihr als Eltern tun?

    Ganz entspannt zurücklehnen. In vier Jahren die Klassenlehrer*in bei einer Klassenpflegschaft danach fragen. Und wenn tatsächlich in der Schule keine Schreibschrift vermittelt wird, es zuhause selbst tun, aber erst ab dem Ende der 1. Klasse.

    • Offizieller Beitrag

    Kinder wollen auch das lernen, was sie sehen.
    Wenn ihr zuhause regelmäßig Einkaufszettel schreibt, Briefe versendet, kleine Notizen schreibt, wird das Kind von alleine die Schreibschrift interessant finden und sie zumindest lesen können (erste Baustelle. Ich finde es auch unmöglich, wenn einige SuS die Schreibschrift nicht lesen können)
    "Baustelle zwei" (selbst schreiben) ist so sehr vom Kind abhängig (Feinmotorik und so), dass du eh noch keine Pläne machen kannst.

  • Ohje, dann heißt es wohl für mich: selbst wieder üben. Ich habe damals wohl die lateinische Ausgangsschrift gelernt, was ich heute schreibe (wenn ich mich bemühe) stimmt aber im wesentlichen mit der Schulausgangsschrift überein, zumindest wenn ich mir die Einträge auf Wikipedia so ansehe.


    Es gibt unendlich viele Bücher mit Schwungübungen für Vorschulkinder. Ist das sinnvoll?


    Aktuell arbeiten wir noch daran, überhaupt Stifte ihrer Bestimmung gemäß zu gebrauchen 😅 also nicht zu essen oder durch die Gegend zu werfen. Ich muss leider sagen: solange man Stifte nicht im Laufen verwenden kann, sind sie uninteressant 🙈


    Vielen Dank für die Antworten!

  • Es gibt unendlich viele Bücher mit Schwungübungen für Vorschulkinder. Ist das sinnvoll?

    jein, meiner Meinung nach. Du kannst auch einfach verschiedene Schwungübungen auf einen Blankowürfel zeichnen, würfeln und die jeweilige Linie auf Papier, mit Strassenkreide usw. zeichnen. Das hängt aber auch vom Alter des Kindes ab. Das Kind sollte erstmal entdecken, dass es mit Stiften Spuren auf Papier hinterlassen kann.


    Wie alt ist das Kind? Da du schreibst, dass ihr noch übt, Stifte nicht zu essen, gehe ich davon, dass dein Kind noch unter 4 ist.


    Sinnvoll ist es auf jeden Fall dem Kind unterschiedliches Material zur Verfügung zustellen (Papier, Stifte, Kreide, Neocolor...) so dass es ausprobieren kann. Auch mal Strassenkreide oder einfach etwas Wasser und ein Pinsel und damit auf die Strasse malen (das lieben auch noch ältere Kinder).


    Und grundsätzlich alles was die Feinmotorik fördert: Knete, Mithilfe im Haushalt, Anziehen und Ausziehen,...

  • Es gibt unendlich viele Bücher mit Schwungübungen für Vorschulkinder. Ist das sinnvoll?

    Aber doch nicht für einen Zweijährigen! Oder sprichst du von 2. Klasse?


    Wenn es irgendwann mal überhaupt spruchreif sein sollte, weil die künftige Lehrerin mit dem künftigen Lehrplan keine Schreibschrift einführen würde, das Kind zunächst mal Druckschrift erlernte und du weiterhin daran Interesse haben solltest, dann kannst du immernoch ein Heft zur Schulausgangsschrift kaufen und zu Hause durcharbeiten. Das wäre dann in 6-7 Jahren der Fall.


    Jetzt wären zum Beispiel Wachsmalblöcke und Fingerfarben angebracht, dann sind Vorschulhefte mit 5 Jahren nicht mehr nötig. Schaden tun sie aber dann auch nicht, in 3 Jahren.

    • Offizieller Beitrag

    aber es geht doch sicher nicht darum, dass DU irgendeine Schrift beherrschst, sondern dass man als Kind in Kontakt mit Buchstaben ist, die nicht nur gedruckt sind. Ich kann /konnte die Irritation einzelner Schüler*innen nachvollziehen, dass sie mein "r" oder "z" nicht lesen konnten, weil sie im deutschen Sprachraum anders aussehen. Okay... Aber für das Interesse und die Neugier spielt es sicher keine Rolle, welche Ausgangsschrift oder was auch immer benutzt wird (da bin ich sicher sehr stumpf, so ein Tralala gibt es / gab es nicht in Frankreich, ich habe rundliche Buchstaben gelernt und geformt und ganz schnell findet jede*r sein Ding. Ich konnte erst Jahre später verstehen, warum "alle Deutschen" gleich schreiben (die Schriften aller meiner Brieffreundinnen sahen so ähnlich aus).

  • ...so ein Tralala gibt es / gab es nicht in Frankreich, ich habe rundliche Buchstaben gelernt und geformt ...

    Dann hattet ihr aber doch auch eine wie auch immer geartete Ausgangsschrift?


    In Deutschland ging die gemeinsame Schriftart so los...

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    Edit: in Frankreich gibt es offenbar eine andere Lineatur und dadurch ebenso eine gemeinsame Ausgangsschrift:

    https://www.praxis-foerderdiagnostik.de/lineaturen/

    • Offizieller Beitrag

    Dann hattet ihr aber doch auch eine wie auch immer geartete Ausgangsschrift?

    Jein.

    Ich habe wirklich ALLE Menschen gefragt, die ich in Grundschulen kenne: Es gibt weder einen Namen für irgendeine Schrift noch eine Vorgabe, wie und was man es den Kindern beibringt. Klar, das "f" hat zwei Bögen, aber es gibt eben nicht eine andere Schrift parallel, die nur einen hätte und wo man ganz skandalös gucken würde, wenn sie vermischt würden. und wenn es im Laufe der Grundschulzeit zu Veränderungen kommt, dann ist es halt so. (die Höhe und Tiefe der Buchstaben wird ja am Anfang gelehrt, aber spätestens ab Klasse 2 oder 3 hat es keinen mehr interessiert (außer meine Eltern, weil "eine schöne Schrift" das wichtigste ist (wenn man sonst keine Probleme hat). Aber zwischen "schön" und "Standard" gibt es Unterschiede, meine Eltern schreiben unterschiedlich, meine Schwester und ich auch. Ich kann die Schriften da gut erkennen.

  • Zitat

    Und als Lehrer der Sekundarstufe weiß ich, welches Drama es in Klasse 5 gibt,


    Das habe ich in allen weiterführenden Schulen in den Einstiegsklassen als Dauerproblem erlebt... Und ja, es gibt Grundschulen, die leider NIE irgendeine Art von Schreibschrift lehren. Das ist ein ähnliches Problem wie das "Schreiben nach Gehör". :autsch: Besonders schwierig finde ich es auch hier, dass die eine Schule ein bestimmtes Prinzip lehrt, die Schule nebenan ein ganz anderes.


    Bei unseren eigenen Kindern hatten wir zufällig Glück: Es wurde Schreibschrift gelehrt, noch dazu die "Schulausgangsschrift", die auf der ostdeutschen DDR-Schreibschrift beruht (und das mitten in NRW)*. Diese habe ich selbst als Kind ab der ersten Unterrichtsstunde gelernt, anno dazumal ;)


    * Eine vollwertige Schreibschrift einschließlich der Buchstabenverbindungen, aber sehr schlicht und ohne Schnörkel.

  • (außer meine Eltern, weil "eine schöne Schrift" das wichtigste ist (wenn man sonst keine Probleme hat

    Gerade dann. Ich kenne solche Eltern auch.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

    • Offizieller Beitrag

    warum machst du dir Gedanken um das Schreibschriftlernen eines Zweijährigen?


    Ich würde ihn einfach ganz viel mit den Fingern machen lassen-- und wenn er Stifte essen will, dann guckst du. dass er nur ungiftige Exemplare anleckt.

    Lass ihn laufen, rennen, kriechen, im Wasser spielen, irgendetwas hin und hertragen, Dinge ein- und ausräumen, matschen, patschen, kleinere Dinge erledigen.. was man halt mit einem Zweijährigen so macht.

    Aber nicht, damit er irgendwann mal flüssig Schreibschrift lernt! Sondern weil es Kindern in dem Alter Spaß macht, sich zu bewegen und dabei die Welt zu entdecken.


    Und wenn dann irgendwann der Schulbeginn näher rückt (dafür er von heute an doppelt so viele Jahre warten wie er jetzt überhaupt lebt!!), dann hilft eine gute Portion Vertrauen in die Fähigkeiten der GS-Kollegen. Die haben das mit dem Schrifterwerb nämlich gelernt ;)

  • Mein Großer (jetzt 6. Klasse) hat noch Schreibschrift gelernt. Die Kleinen (jetzt 3. Klasse) haben leider nur die Grundschrift gelernt. Da dauert das Schreiben einfach viel länger. Auf Nachfrage kam nur: Machen wir nicht mehr, weil viele Kinder motorisch dazu nicht in der Lage sind und es zu viel Zeit kostet.

  • Mein Großer (jetzt 6. Klasse) hat noch Schreibschrift gelernt. Die Kleinen (jetzt 3. Klasse) haben leider nur die Grundschrift gelernt. Da dauert das Schreiben einfach viel länger. Auf Nachfrage kam nur: Machen wir nicht mehr, weil viele Kinder motorisch dazu nicht in der Lage sind und es zu viel Zeit kostet.

    Ernsthaft? Schreiben wird nicht mehr beigebracht, weil die Kinder nicht schreiben können?

  • Machen wir nicht mehr, weil viele Kinder motorisch dazu nicht in der Lage sind und es zu viel Zeit kostet.

    … der Satz geht noch weiter:

    - und viele SuS ohnehin ab der 4./5. Klasse wieder zur Druckschrift übergehen, so wie auch viele Erwachsene drucken oder mischen,

    - und eine Ausgangsschrift so heißt, weil man von ihr ausgeht, um eine eigene Handschrift zu entwickeln, sodass die Ausgangsschriften nur ein Zwischenschritt sind,

    - und man angesichts vieler schwach lesender Kinder die Schreibschrift als Erstschrift abgelöst hat durch die Druckschrift, damit diese Kinder 26x2 Buchstaben gleicher Form lesen und schreiben, statt beim Schreiben andere Zeichen zu nutzen,

    - und auch die Ausgangsschriften und was daraus später wurde durchaus umstritten waren,

    - und die Klassen gemischt und inklusiv sind und auch die LE und GE-Kinder mitarbeiten,

    - und man andere Schwerpunkte in der Schreiberziehung setzt, setzen soll, vorgesetzt bekam und den D-Unterricht mit vielen neuen Inhalten angereichert hat,

    - und die Schönschreibstunde nicht mehr existent ist.


    Der Anteil an Schriftstücken und geschrieben Seiten ist allerdings rückläufig, in NDS sind auch die Vorgaben derzeit so, dass z.B. Aufsatzerziehung zu Gunsten anderer Inhalte zusammengestrichen werden muss. Ganz unabhängig von Corona sind die Texte kürzer und seltener, entsprechend weniger Übung haben die Kinder hierin, während sie anderes besser können, was früher nicht geübt wurde.

  • ..., aber es gibt eben nicht eine andere Schrift parallel, die nur einen hätte und wo man ganz skandalös gucken würde, wenn sie vermischt würden...

    Das liegt aber an unserem sinnlosen Bildungsföderalismus.

  • Vielen Dank für die vielen Beiträge. Eigentlich bin ich ganz entspannt und weiß, dass die Grundschule noch weit weg ist, jedoch mag ich es nicht, so lange mit einer Frage rumzulaufen 🙈 Und die Frage tauchte halt gerade auf.


    Ich habe mich halt schon so oft über die mangelhafte Handschrift der Schüler geärgert (und ich meine explizit nicht die fehlende Lesbarkeit) und wusste nie, wie es dazu kommt. Ohne eigene Kinder erfährt man wenig aus der Grundschule. Wenn es jetzt auch noch stimmt, dass das kleine 1x1 nicht mehr auswendig gelernt werden muss, glaube ich doch noch an den Untergang des Abendlandes.


    Die Erklärung, dass die Schreibschrift nicht mehr beigebracht wird, weil die Kinder das motorisch nur noch schwer schaffen, ist auch gruselig.

    Als Sportler sagten wir immer: Qualität kommt von Quälen. Natürlich mit Augenzwinkern. Der Sportler in mir denkt: Üben Üben Üben. Und nochmal von vorne. Ich habe es als Kind geliebt, ganz viele Zeilen immer den selben Buchstaben zu üben. Ich hoffe einfach dass es unserem Kind genau so geht. Bis dahin werden wir natürlich viel matschen, kitzeln, malen und basteln (zumindest wenn es nach mir geht…)

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