Klassengemeinschaft stärken

  • Ihr Lieben,


    im Sommer übernehme ich eine neue erste Klasse und möchte verstärkt darauf achten, dass sich ein Gemeinschaftsgefühl einstellt, dass die Kinder aufeinander Rücksicht nehmen, freundlich zueinander sind etc. Grund: Seit einiger Zeit erlebe ich an meiner Schule verstärkt sehr egoistisches, häufig leider auch aggressives Verhalten von Schülern - dem möchte ich von Anfang an entgegenwirken. Mir ist klar, dass es nicht genügt, in der ersten Woche das Thema anzusprechen, sondern das es ein langfristiger Prozess ist, der möglicherweise die ganze Grundschulzeit andauert. Mit etwas Glück kann ich aber auch nach zwei oder drei Jahren die "Früchte ernten". :)


    Was ist euch in diesem Zusammenhang wichtig, womit habt ihr gute Erfahrungen gemacht, worauf achtet ihr, was sind Regeln oder Rituale?


    Ich würde mich über ein Potpourri von Ideen freuen!

  • Mit Grundschulbedingungen kann ich nicht dienen; aber häufig wechselnde (bei mir zufallsabhängige) Sitznachbarschaften haben zumindest während der Unterrichtszeit respektablen Umgang miteinander sicher auch gefördert. Keine festen Plätze in Klassen und Kursen!

    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

  • Beim Nachdenken darüber, was ich mache, damit die Klasse eine Gemeinschaft bildet, ist mir aufgefallen, dass ich wohl vieles unbewusst habe bzw. es läuft mittlerweile nebenbei.


    Folgendes ist mir wichtig:

    - Bei mir gibt es einen klar strukturierten Morgen mit festen Ritualen.

    - die Klassenregeln werden Anfang des Schuljahres eingeführt. Daran wird aber immer wieder geübt.

    - ich führe die Stoppregel sehr ausführlich ein, d.h. wenn ein Kind "Stopp" sagt, wird die Handlung sofort beendet.

    - ich dulde keine Ausgrenzung und kein Auslachen, da bin ich sehr streng

    - die Sitzung wird von mir festgelegt (das weiche im Laufe des Schuljahres manchmal auf, dass die Kinder wählen dürfen)

    - ich mache der Klasse klar, dass z.B. Turnstunden kürzer sind, wenn alle trödeln oder sehr viele Blödsinn machen

    - Geburtstagsrituale, da ist u.a. drin, dass jeder dem Geburtstagskind gratuliert

    - ich lobe immer mal wieder die ganze Klasse, wenn etwas sehr gut lief

    - aufräumen helfen alle, ich helfe auch mit (und manchmal kann es vorkommen, dass man etwas aufräumt, mit dem man gar nicht gespielt hat)

    - Gruppeneinteilungen mache ich oder per Los

    - ich sehe mich selbst als Teil der Klasse, bin aber klar der "Chef"

    - ich bin authentisch und erkläre mich durchaus auch, wenn ich mal wegen etwas geschimpft habe

    - ich erkläre sehr viel, die Kinder wissen, was an Briefe mit nach Hause geht, was da drin steht, sie wissen was in der Woche noch kommt, was besonderes in dieser Woche ist, auch Geburtstage sind auf dem Wochenplan ersichtlich.

    - alle 2 Jahre führen wir das Gewaltspräventionsprogramm "Faustlos" durch

    - die Kinder lernen Emotionen beim Gegenüber wahrzunehmen, das braucht bei einigen Übung.

    - Klassenspiele bei denen es nicht primär ums Gewinnen oder Verlieren geht, sondern einfach darum gemeinsam ein Spiel zu machen


    das ist mir jetzt so auf die schnelle eingefallen. Anscheinend merkt man meiner Klasse den Zusammenhalt an. So zumindest die Rückmeldung meiner schulischen Heilpädagogin und meiner Stellvertretungen als ich im März eine Woche krank war.

  • Ich mache seit Jahren den 'Klassenrat' nach der Vorlage vom Verlag an der Ruhr. Dort kann man gut Grundregeln der Gesprächsführung lernen.

  • Die Tipps von FrauZipp sind super, vieles mache ich auch oder ähnlich.


    Ein Großteil bewirken sehr klare Regeln der Klassenleitung bzw. Schule. Es gibt sehr klare Regeln, die man vorgibt, und sehr deutliche Konsequenzen, die möglichst schnell folgen, je jünger die Kinder sind.

    Jedes Mal, wenn man etwas duldet, gibt man das Signal, dass das Verhalten in Ordnung ist.

    Dazu gehört auch, dass man erläutert, was man erwartet. Sie wissen es nicht, weil Schule neu ist, und das, was uns selbstverständlich ist, ist ihnen unbekannt.

    Für die Schule insgesamt ist es gut, wenn man sich einig ist oder sogar Absprachen trifft.


    Die wechselnden Sitzplätze gibt es bei mir auch, nach 2-4 Wochen etwa zum ersten Mal. In Klasse 1 kann man gut erklären, dass alle alle kennenlernen sollen. Ich kenne Lehrkräfte die die Plätze auslosen, und andere, die Bedingungen setzen, z.B. jemand, den du noch nichts kennst oder 2 Jungen-2 Mädchen oder Junge-Mädchen oder Kinder auf Seiten der Klasse und dann jemand von der anderen Seite oder oder, sodass sie sich immer mal abwechseln, dazu Partnerarbeiten nach Zufall oder Einteilung.

  • Ach ja, weil ich auch gerade danach gucke: wenn die Kinder aus verschiedenen KiGa kommen, bedingen die verschiedenen Sitzplätze und Konstellationen, dass nicht immer die Kinder, die sich ohnehin schon kennen, zusammen sind.

    Das kann man vor allem am Anfang noch recht gut steuern.

  • Meine Kollegin schwört auch Schullandheim oä, nichts stärke den Zusammenhalt mehr als das.

    In der ersten Klassen vielleicht schwierig, aber evtl gibt es was Ähnliches wie Schulhausübernachtung mit gemeinsamem Kochen davor oä.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Ich bin immer gut gefahren, mir die einzelnen Kinder, die Grüppchen und die sich entwickelnden Beziehungen vom ersten Schultag an erstmal in Ruhe anzuschauen. Wenn nötig, mache ich mir Notizen. Auch wie die/der Einzelne auf mich reagiert, ist am Anfang wichtig.

    Die o.g. Tipps sind gut, aber nichts überstürzen: Viele Dinge ergeben sich auch einfach!

    Mir ist klar, dass es nicht genügt, in der ersten Woche das Thema anzusprechen, sondern das es ein langfristiger Prozess ist...

    Genau, ein Konzept kannst du erst nach dem Kennenlernen entwickeln. Das kann ein paar Wochen dauern.Was immer gut ist: Authentizität und Konsequenz der Lehrkraft, das Kind als Einzelperson sehen, die sich in der Gruppe wohlfühlen will. Ich habe zur Zeit eine der umgänglichsten und sozialsten Klasse (Ersties) seit langem. Das Gemeinschaftsgefühl war recht schnell da, ohne viel Mühe. Das hatte ich aber auch noch nicht oft, zugegeben...

  • Meine Kollegin schwört auch Schullandheim oä, nichts stärke den Zusammenhalt mehr als das.

    In der ersten Klassen vielleicht schwierig, aber evtl gibt es was Ähnliches wie Schulhausübernachtung mit gemeinsamem Kochen davor oä.

    Ich finde, dass schafft hohe Erwartungen, die kaum zu Erfüllen sind und nicht honoriert bzw. entlastet werden.

    An der Klassengemeinschaft kann man arbeiten, die Anforderungen und Regeln kann man stellen, vieles mit Aktionen fördern.

    Bestimmt haben Fahrten positive Seiten, aber das Signal zu setzen, dass es eine Klassenfahrt bräuchte, damit die Klasse zusammenfindet, halte ich in der 1.+2. Klasse für absolut überzogen. Es schafft Begehrlichkeiten, die viel Arbeit für die Lehrkraft bedeuten.


    Ich muss nicht fahren (Fahrten sind hier freiwillig), ich möchte nicht fahren, derzeit, schon gar nicht mit Klassen, denen man als Lehrkraft die Sterne vom Himmel holen soll, dafür, dass sich sonst niemand bewegen möchte und anschließend die Zacken nicht gut genug poliert sind.

    Da muss man vielleicht auch erst einmal abwarten, wie das Einzugsgebiet und die Klasse ist.

  • Ich mach´s ja auch nicht, wollte nur die Empfehlung meiner Kollegin weitergeben, so für "wer´s mag".

    Du hast selbstverständlich Recht, dass das Erwartungen weckt etc.

    Ganz ehrlich, du triffst damit ins Schwarze (die Kollegin mag ich nämlich nicht besonders, bei ihr ist immer alles "wahnsinnig toll" und dazu passt auch diese Haltung,ich danke dir fürs Augenöffnen! Dieser Tipp von ihr passt also voll zu meiner sonstigen Meinung über sie.).

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • in Klasse 1?

    Nein. Schadet aber nicht, sich das Programm zuzulegen, Bedürfnisse zu formulieren statt Vorwürfen z.B. können auch Erstklässler lernen. Und nicht zuletzt der Lehrkraft kann es helfen, sich von den "der hat aber angefangen" - Gesprächen zu lösen.

  • Ich weiß jetzt nicht, wie ich das sagen soll, aber ich finde, gerade die Kleinen spiegeln auch, wie man mit ihnen umgeht. Anders ausgedrückt: Gegenseitiger Respekt und ernst genommen werden sind ganz wichtig. Das sollten die Kinder nicht nur untereinander erwerben, sondern auch von der Lehrkraft spüren. Das Klima hängt auch davon ab, was die Lehrkraft "versprüht." Viel Liebe ist immer gut.

  • Liebe, die alles entschuldigt, aber nicht.


    Vielleicht hat es eher etwas mit Wertschätzung zu tun, damit, dass man kleine Erfolge anerkennt und herausstellt, dass man Verhalten erklärt, viel moderiert.


    Mit dem Loben ist es ähnlich: es geht nicht um das Loben um des Lob willen für etwas, das keine Anstrengung brauchte, sondern um die Anerkennung der Anstrengung oder die Bestärkung des positiven Verhaltens.

  • Es gibt ja auch eine Menge Programme zum sozialen Lernen für die Grundschule mit ausgearbeiteten Ideen, Identifikationsfigur etc.

    Welches würdest du empfehlen?

  • Welches würdest du empfehlen?

    Wir hatten in „der“ FoBi zur Inklusion vom Land NDS die Aufgabe, uns zu Programmen auszutauschen und weitere, die mitgebracht wurden, zu sichten.

    Ich hatte den Eindruck, dass sie alle sehr ähnlich in den Inhalten waren und gleiche Übungen hatten.


    Wir nutzen seit vielen Jahren das gleiche Programm, dass ggf. abgelöst wird, weil andere es angestaubt oder nicht erfolgreich genug finden. Ich selbst hatte auch dazu eine FoBi, finde den Ansatz gut (Fokus auf eigene Handlungsoptionen auch aus Sicht der Benachteiligten) und kann damit gut arbeiten, habe das Material aber auch durch eigene Ideen erweitert. Hintergrund ist sicher auch, dass neuere Programme mehr auf Achtsamkeit, Selbstfürsorge, Bewegung und Yoga setzen, mir ist der Umgang untereinander wichtiger, in der Selbstzentrierung sind die meisten Mitmenschen schon sehr gut.


    Vielleicht ist wichtiger, dass es gemacht wird oder dass man als Schule gemeinsam diese Ziele verfolgt.

  • Danke für all Eure Beiträge! :verliebt: Das hilft mir sehr weiter und hat einige Gedanken in meinem Kopf angeschubst!


    Palim, ich kenne keines solcher Programme. Könntest Du vielleicht ein oder zwei Programme konkret nennen, damit ich mal googeln kann?

  • In der FoBi (2012 - auch schon 10 Jahre her) wurden diese vorgestellt:

    • Fit und stark fürs Leben
    • Friedensstiftertraining
    • Lubo aus dem All (Hillenbrand - Prof, der auch zum KLasse-Kinder-Spiel( Good-Behavior-Game veröffentlicht hat)
    • Faustlos
    • Klasse 2000 (hatten wir auch schon für einzelne Klassen, ist aber wirklich teuer)
    • Ferdi - das ist aus dem Arbeitsheft "Auf Schatzsuche" passend zum Buch "Verhaltenstraining für Schulanfänger" von Petermann/Natzke/Gerken/Walter ... es gibt auch noch einen Band für Klasse 3/4
  • ...Hintergrund ist sicher auch, dass neuere Programme mehr auf Achtsamkeit, Selbstfürsorge, Bewegung und Yoga setzen, mir ist der Umgang untereinander wichtiger, in der Selbstzentrierung sind die meisten Mitmenschen schon sehr gut.

    Das halte ich übrigens für einen gewagten Schluss. Achtsamkeitsübungen führen nicht dazu, dass Menschen selbstzentriert werden und daher einen schlechteren Umgang mit anderen hätten.

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