Quereinstieg Äusländerin mit fachfremden Abschlüssen

  • Hallo zusammen,


    meine Freundin kommt aus Ecuador und macht derzeit Ihren zweiten Master in Public Policy mit Schwerpunkt erneuerbare Energien in Deutschland. Sie hat bereits einen Master in Public Policy aus Ecuador. Eigentlich wollte sie danach ihren PHD machen und an einer Uni lehren, jedoch fragt sie sich, ob sie alternativ auch Spanisch (Muttersprache) oder Englisch (spricht sie fließend, die beiden Master waren in englischer Sprache) unterrichten kann. Sie hat auch Erfahrungen im unterrichten, jedoch eher im Bereich Nachhilfe.


    Da ihr Deutsch noch nicht so gut ist, wollte ich mal für sie hier nachfragen, ob da etwas möglich ist.

    So wie ich mich hier bissl eingelesen habe, muss man ja zumindest ein Fach studiert haben, was man unterrichten will. Gibt es in ihrem Fall da Ausnahmen, die man ausnutzen könnte?


    Viele Grüße und vielen Dank.

  • Bundesland?


    Ohne ausreichende Deutschkenntnisse wird sie keine Chance haben, denn auch im Fremdsprachenunterricht muss man bei Bedarf etwas auf Deutsch sagen können oder Elterngespräche führen, sich mit Kolleginnen und Kollegen austauschen können, Konferenzen folgen können,... Das ist also eine erste Hürde, woran es aktuell scheitern würde. Ansonsten muss man an dieser Stelle private Schulen von allgemeinbildenden Schulen getrennt betrachten. An privaten Schulen kann es je nach Träger unter Umständen Möglichkeiten geben. Insbesondere Schulen, die keine staatlichen Schulabschlüsse abnehmen dürfen sind oftmals offener bei Quereinsteiger:inn:en und deren Qualifikationen, wohingegen private Schulen, die staatliche Abschlüsse anbieten vor allem Absolvent:inn:en mit 2.Staatsexamen (oder Äquivalent) anstellen.

    An allgemeinbildenden Schulen gibt es Bundesländer, die, wenn sich gar kein Fach ableiten lässt, unter Umständen- je nach gewünschter Schulart- berufsbegleitend ein komplettes Nachstudium erwarten. Nur wenige Bundesländer sind aber SO offen, insofern ist es wichtig, an dieser Stelle einzugrenzen, wo ihr lebt/leben wollt/leben würdet und wo auf gar keinen Fall. Ebenfalls wichtig wäre es zu wissen, welche Schularten in Frage kommen würden (nur Gymnasium angesichts von Spanisch oder auch Sek.I, BBSen?).


    Dies geschrieben halte ich den beschriebenen Hintergrund für aktuell ungeeignet für eine Tätigkeit als Lehrkraft ohne entsprechendes Nachstudium oder zumindest ein Ref und entsprechende deutsche Sprachkenntnisse. Schüler:innen haben ein Recht auf guten Unterricht, den zu gestalten man erst lernen muss. Fremdprachenkenntnisse alleine sind nicht ausreichend.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Möchte auch noch mal unterstreichen, dass für vernünftigen Fremdsprachenunterricht Wissen über die Vermittlung einer Fremdsprache wirklich wichtig ist. Nur weil man die Sprache kann, kann man sie nicht unterrichten.

    Und man sollte dazu zwingend die Muttersprache können, sonst versteht man häufige Fehler gar nicht.

    Ich bezweifle, dass Muttersprachler direkt verstehen was "I become a baby" oder "In the cartoon it gives a dog." heißen soll. (Um mal nur 2 gruselige Beispiele zu nennen.)

  • OT: Zitat aus einer LK(!)-Abiklausur (ich bin dieses Jahr "Zweitkorrekteuse"): "These products are asked." Naaa, was soll das wohl heißen???

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Bei uns darf eine ukrainische Mutter, die sogar Lehrerin ist, nicht einmal die ukrainischen Kinder unterrichten, weil sie kein Deutsch kann. Verstehe ich aber auch nicht. Wenigstens teilweise müsste das doch möglich sein.

  • Vielen Dank für die ausführliche Antwort.


    Bundesland ist derzeit Thüringen, jedoch sind wir da flexibel. Ich bin verbeamtet & würde zur Not sicher auch was in der Gegend von meiner Freundin finden. Bis zum Abschluss ihres Masters ist ja noch ein Jahr hin und sie ist fleißig am Deutsch lernen. Bzgl. Schularten ist Sie da sehr flexibel, am schönsten wäre natürlich ein unbefristeter Vertrag.


    Aber ja, ich werde ihr verklickern, dass es wohl nicht so leicht ist wie sie es sich vorstellt ("mit zwei Mastern nehmen sie mich mit Kusshand") und sie dann am Ende auch gleich den PHD machen kann und nicht nochmal quasi bei 0 anfängt, da sie auch schon bald die 30 vor Augen hat.

  • "mit zwei Mastern nehmen sie mich mit Kusshand"

    Mit Mastern in Englisch und Spanisch wäre das evtl. einfacher, weil man daraus ja diese beiden Unterrichtsfächer ableiten könnte, aber mit "Public Policy/Renewable Energy" könnte es sehr schwierig werden.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Ich bin jetzt mal ganz schonungslos ehrlich, aber "bzgl. Schularten ist sie sehr flexibel" ist für mich kein Qualitätsmerkmal, wenn es um die Tätigkeit als Lehrkraft geht. Anfangsunterricht ist etwas völlig anderes als Prüfungsvorbereitung in den diversen Schularten, die Tätigkeit als Förderschullehrkraft erfordert andere fachliche, didaktische und pädagogische Qualitäten als die als Gymnasiallehrkraft und die BBsen spielen irgendwie überall ein wenig mit. Dazu kommt, dass nicht jedem jede Altersgruppe gleichermaßen liegt: Manche sind großartig mit den ganz Kleinen, würden in der Mittel- oder Oberstufe aber womöglich untergehen, wohingegen manche Mittel- und Oberstufenlehrkraft keinesfalls jüngere SuS unterrichten möchte.

    Wer so wenig Ahnung hat, wo eigene Stärken oder auch Interessen in diesem Berufsbild liegen wie deine Freundin ganz offenkundig noch, sollte sich schlichtweg auch die Zeit nehmen herauszufinden, wo diese liegen. Wenn du selbst Lehrkraft bist , sollte dir das aber doch bewusst sein, ebenso, wie dir zumindest das System Thüringens halbwegs bekannt sein müsste mit den dort vorhandenen Quereinstiegsoptionen oder täusche ich mich? (Wenn ja: In welcher Hinsicht? Dein Beruf oder dein Wissen?)


    Zwei Master sind schön- zumindest als Zugang zum deutschen Schulwesen aber erst einmal irrelevant, da beide Abschlüsse keinen formalen Zugang zu diesem hierzulande recht umfassend in seinem Zugang reglementierten Berufsbild ermöglichen. Selbst ein Quereinstieg wird ohne UMFASSENDE Deutschkenntnisse (wir reden von C2-Kenntnissen, die nachzuweisen wären!) und ohne Nachstudium zumindest in den staatlichen Schuldienst unmöglich sein. Wenn sie das leisten möchte, super. Dann wäre es aber sicherlich effektiver direkt einen Lehramtsmaster nachzulegen mit Schulpraktika zur Orientierung, der dann auch einen Nachweis über die erforderlichen Deutschkenntnisse darstellt. Möchte sie das nicht, dann bleibt die Tätigkeit an Volkshochschulen (als Honorarkraft im Regelfall, sprich ohne KV), Nachhilfeinstituten oder privaten Schulen, die keine staatlichen Schulabschlüsse anbieten als Alternative zu einer anderen Tätigkeit.

    Wenn deine Freundin wirklich gut ist in einem wirklich extrem gefragten Gebiet, dann klingt eine Promotion samt folgender Hochschultätigkeit nach einem durchaus realistischen Ziel, ansonsten sollte sie auch das insofern kritisch prüfen, als unbefristete Anstellungen zumindest an deutschen Hochschulen nicht allzu üppig sind in Relation zu den zahlreichen Menschen, die diese anstreben.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: Tippfehler

  • Mit Mastern in Englisch und Spanisch wäre das evtl. einfacher, weil man daraus ja diese beiden Unterrichtsfächer ableiten könnte, aber mit "Public Policy/Renewable Energy" könnte es sehr schwierig werden.

    Ich habe auch schon überlegt, ob man daraus am Ende vielleicht zumindest Politikwissenschaft ableiten könnte, aber dafür klingt das einfach viel zu speziell, so dass ich vermute, dass das nicht ausreichen wird inhaltlich. Ob mit PoWi etwas geholfen wäre wage ich auch zu bezweifeln, denn sooooo schrecklich gesucht ist das Fach nun auch nicht..

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • OT: Zitat aus einer LK(!)-Abiklausur (ich bin dieses Jahr "Zweitkorrekteuse"): "These products are asked." Naaa, was soll das wohl heißen???

    Oh, das kann ich toppen: "Soon their expectations were steamed." Auch LK.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ich kann aus eigener Erfahrung sprechen und denke bei ihr wird es erstmal schwierig und sie muss wahrscheinlich was nach studieren.

    Ich habe ein Lehramtsstudium aus den USA und hatte auch schon einige Jahre als Lehrerin gearbeitet. Hessen hat gleich gesagt Quereinstieg mit Auslandsstudium können sie so nicht annehmen. Ich sollte erstmal einen Antrag auf Gleichwertigkeit stellen. Dieser ist jetzt durch und ich muss trotz BA und MA in Education noch mein Referendariat machen.


    Also mein Vorschlag wäre, sich schonmal mit dem Bildungsministerium des entsprechenden Bundeslandes in Verbindung setzen und nachfragen welche Fächer in Frage kommen könnten.

    Wenn ein Quereinstieg angestrebt wird, geht dies nur bei Mangelfächern wie Physik, Chemie, Musik, … und Englisch ist normal immer gut vertreten durch deutschen Student*innen

  • Ich bin jetzt mal ganz schonungslos ehrlich, aber "bzgl. Schularten ist sie sehr flexibel" ist für mich kein Qualitätsmerkmal, wenn es um die Tätigkeit als Lehrkraft geht. Anfangsunterricht ist etwas völlig anderes als Prüfungsvorbereitung in den diversen Schularten, die Tätigkeit als Förderschullehrkraft erfordert andere fachliche, didaktische und pädagogische Qualitäten als die als Gymnasiallehrkraft und die BBsen spielen irgendwie überall ein wenig mit. Dazu kommt, dass nicht jedem jede Altersgruppe gleichermaßen liegt: Manche sind großartig mit den ganz Kleinen, würden in der Mittel- oder Oberstufe aber womöglich untergehen, wohingegen manche Mittel- und Oberstufenlehrkraft keinesfalls jüngere SuS unterrichten möchte.

    Wer so wenig Ahnung hat, wo eigene Stärken oder auch Interessen in diesem Berufsbild liegen wie deine Freundin ganz offenkundig noch, sollte sich schlichtweg auch die Zeit nehmen herauszufinden, wo diese liegen. Wenn du selbst Lehrkraft bist , sollte dir das aber doch bewusst sein, ebenso, wie dir zumindest das System Thüringens halbwegs bekannt sein müsste mit den dort vorhandenen Quereinstiegsoptionen oder täusche ich mich? (Wenn ja: In welcher Hinsicht? Dein Beruf oder dein Wissen?)


    Zwei Master sind schön- zumindest als Zugang zum deutschen Schulwesen aber erst einmal irrelevant, da beide Abschlüsse keinen formalen Zugang zu diesem hierzulande recht umfassend in seinem Zugang reglementierten Berufsbild ermöglichen. Selbst ein Quereinstieg wird ohne UMFASSENDE Deutschkenntnisse (wir reden von C2-Kenntnissen, die nachzuweisen wären!) und ohne Nachstudium zumindest in den staatlichen Schuldienst unmöglich sein. Wenn sie das leisten möchte, super. Dann wäre es aber sicherlich effektiver direkt einen Lehramtsmaster nachzulegen mit Schulpraktika zur Orientierung, der dann auch einen Nachweis über die erforderlichen Deutschkenntnisse darstellt. Möchte sie das nicht, dann bleibt die Tätigkeit an Volkshochschulen (als Honorarkraft im Regelfall, sprich ohne KV), Nachhilfeinstituten oder privaten Schulen, die keine staatlichen Schulabschlüsse anbieten als Alternative zu einer anderen Tätigkeit.

    Wenn deine Freundin wirklich gut ist in einem wirklich extrem gefragten Gebiet, dann klingt eine Promotion samt folgender Hochschultätigkeit nach einem durchaus realistischen Ziel, ansonsten sollte sie auch das insofern kritisch prüfen, als unbefristete Anstellungen zumindest an deutschen Hochschulen nicht allzu üppig sind in Relation zu den zahlreichen Menschen, die diese anstreben.

    Ich bin keine Lehrkraft - es gibt noch andere Staatsdiener in diesem Land ;-). Aber danke für die ausführlichen Erläuterungen, die ihr sicherlich sehr weiterhelfen & es somit wirklich sinnvoller scheint, die Promotion anzustreben. LG

  • Ich bin keine Lehrkraft - es gibt noch andere Staatsdiener in diesem Land ;-). Aber danke für die ausführlichen Erläuterungen, die ihr sicherlich sehr weiterhelfen & es somit wirklich sinnvoller scheint, die Promotion anzustreben. LG

    Ich hatte es "befürchtet", dass du selbst nicht im Schuldienst bist (, dass es noch andere Beamte gibt, ist mir sehr bewusst, habe selbst u.a. Polizisten oder auch hauptamtliche, verbeamtete Feuerwehrleute in der Familie :) ). Nachdem das aber eine der Zugangsvoraussetzungen zu diesem Forum ist, erschreck´ dich nicht, wenn dein Account gesperrt wird von den Mods. Dir und deiner Freundin alles Gute. :rose:

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

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