Leidiges Thema: "Ghostwriter" erledigen die Aufgaben der Schüler

  • Hallo zusammen,


    im Fach Politik (Klasse 10, RS) ließ ich eine Internetrecherche zum Thema Ukraine-Konflikt machen. Angesetzt waren vier Stunden und die SuS sollten mithilfe von 12 Punkten diesen Konflikt beschreiben und dann in unserem System hochladen. Den meisten hat die Zeit gereicht. Einige schafften es in dieser Zeit so gut wie nichts aufs Papier (Computer) zu bringen. Einigen habe ich sogar eine Frist setzen müssen.

    Die Ergebnisse wurden hochgeladen und von einigen habe ich auf den letzten Drücker wenige Aufsätze erhalten, die von jemandem mit gutem Sprachgefühl und guten ortografischen Kenntnissen geschrieben worden müssen.

    Viele Aufsätze habe ich schon bewertet und es wurde explizit erklärt, dass ich Texte von Zehntklässlern haben möchte und nicht von Nachhilfelehrern, Eltern usw. Plagiate werden sowieso nicht gedultet.

    Meine Verdachtsfälle hatte ich gut im Blick und machte mir natürlich Noitzen, was sie so schreiben. In einem Fall geht es um ein Schülerin, die wirklich Probleme hat sich auszudrücken. Ich unterrichte sie in vier Fächern und kann sehr gut einschätzen, was sie leisten kann und was nicht. Jetzt kommt aber der Papa um die Ecke und bezichtigt mich der Unterstellung. Seine Tochter hätte lediglich ortografische Hilfestellung bekommen. Ich kann wiederum keine Eigenleistung erkennen.

    Was tun?

  • Was tun?

    Die Schülerin bitten, ihre Ergebnisse mündlich zusammenzufassen.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Wenn man etwas zuhause machen lässt, kann man Fremdhilfe nie verhindern. Wie will man das beweisen? Ich habe meinen eigenen Kindern auch geholfen, wenn ich Rechtschreib- und Formulierungsfehler gesehen habe.

    Wenn ich in der Grundschule zuhause Referate vorbereiten lasse, dann weiß ich, dass das bei den meisten mithilfe der Eltern geschieht. Das kann ich dann nicht benoten oder höchstens nur die Eigenanteile, die man in der Schule sieht, bewerten.

    Anekdotisch: Beim letzten Buchreferat wollte ich geschriebene Stichpunktzettel mit in mein bewertendes Punktesystem integrieren. Das habe ich dann rausgelassen, als ich gemerkt hatte, dass sie teilweise professionell getippt oder von den Eltern geschrieben waren.

    An meiner Schule benoten wir in HSU nur noch Referate zu Sachthemen, die in der Schule erstellt wurden. Den Ipads oder alternativ unserem Computerraum sei Dank. Auch hier muss man aufpassen, dass die Kinder nicht schon von Eltern geschriebene Stichpunktzettel mitbringen.

  • Was tun?

    Gar nicht erst versuchen, Aufgaben zu bewerten, deren Erstellung außerhalb der eigenen Kontrolle stattgefunden hat.


    Das hat zwei Vorteile: man verschwendet keine Zeit mit Diskussionen mit Eltern oder "wie kann ich jetzt rausfinden, was sie selber gemacht hat"-Überlegungen (Spoiler: kannst du gar nicht) und ganz nebenbei hältst du dich auch noch an die niedersächsische Rechtslage, nach der Hausarbeiten nicht bewertet werden dürfen.

  • Alles, was bewertet wird, ausschließlich in der Schule bearbeiten lassen! Nur dann weißt du sicher, dass es die Leistung der SuS (und eben nicht die der Eltern, Geschwister, Nachhilfelehrer,...) ist.

    Der Vater hat leider Recht - erstmal ist es nur eine Unterstellung deinerseits, denn beweisen, dass die Schülerin unrechtmäßige Hilfe in Anspruch genommen hat, kannst du nunmal nicht, auch wenn du es weißt, weil du sie gut kennst.

    Verbuche es unter "dumm gelaufen" und mach es demnächst einfach anders!

  • Zunächst einmal demnächst vorher gut überlegen, ob man solche Aufgaben bewerten will (allerdings gibt es bei uns die eine oder andere Aufgabe, die die SuS tatsächlich "daheim" erledigen und die benotet wird).


    Im Zweifel: mündliche Prüfung über den Inhalt.

    • Offizieller Beitrag

    Man kann den so genannten Anscheinsbeweis anführen. Die Logik dahinter ist, dass die Fakten aufgrund der sonstigen vorliegenden Erkenntnisse (hier die eher unterdurchschnittlichen Leistungen in dem jeweiligen Fach sowie der Arbeitseinsatz) klar gegen eine solche Leistungssteigerung sprechen. Dann kehrt sich die Beweislast um. Bei Hoegg kann man die weiteren Details nachlesen.

  • Danke für eure Beiträge.

    Die Arbeit sollte komplett in der Schule erledigt werden und da kam schon kaum etwas. Das Thema hatte sie kaum verstanden und nach Aufforderung etwas zu schreiben, kam meistens auch nicht.

    Jeder kann mal die eine oder andere Schwierigkeit haben und es ist auch nicht schlimm, wenn einem ein wichtiger Absatz fehlt und man das zu Hause schleunigst nacharbeitet und dann abgibt.

    Die Arbeitsanweisung wurde auch klar formuliert: Der Text hört sich nach 10. Klasse an und ich werde keine Rechtschreibfehler oder sonstiges kontrollieren. Es geht nur um den Text. Quellen müssen nachvollziehbar sein. Diese Anweisungen wurden nicht befolgt.

    Ich kann gar nicht nachvollziehen, wo sie das alles her hat. Laut Papi angeblich alles aus dem Radio und Gespräche zu Hause. In meinem Unterricht versteht sie die Fachtexte häufig nicht, ist aber auch kaum gewillt etwas dagegen zu tun.

    Bei der letzten Aufgabe hatte sie in der Schule auch nichts geleistet und konnte mir dann völlig verspätet etwas zuschicken. Natürlich gab es dann das eine oder andere Speicherproblem, weshalb sie es so spät schickte.

    Zugegeben, die SuS haben Erfahrung mit Texten, denn nicht vor allzulanger Zeit schrieben sie eine Facharbeit.

    Ich weiß, ich stehe in einer doofen Position da. Die Schülerin entfernte sich aber recht frei von der Aufgabenstellung, was sehr viel Strukturiertheit erfordert, wenn man schon so schreibt. Und genau das kann sie nicht. Ich habe hier einiges von ihr liegen: benotete Aufgaben, Klassenarbeiten etc. Immer erkenne ich den gleichen Schreibstil. Im Übrigen

    • Offizieller Beitrag

    Damit hast Du doch hinreichend Anhaltspunkte.
    Andererseits: Wer sich solcher Hilfen bedient, wird eines Tages auf die Nase fallen, weil man früher oder später Leistung komplett ohne Hilfsmittel erbringen können muss. In der Ausbildung wird das auf Dauer so nicht funktionieren.

    Gönn Ihr zur Not den vorläufigen Triumph und glaube fest an Karma. Das hat im außerschulischen Umfeld in meinem Leben oft nachträglich für "ausgleichende Gerechtigkeit" gesorgt.

  • Die Arbeit sollte komplett in der Schule erledigt werden und da kam schon kaum etwas.

    Irgendwie kann ich dir nicht ganz folgen... Du schreibst, dass die SuS den Arbeitsauftrag in der Schule erledigen sollten (im ersten Post steht, sie hätten dafür vier Unterrichtsstunden Zeit gehabt). Aber trotzdem hat diese Schülerin noch zuhause daran weitergearbeitet und von dort aus ihre Arbeitsergebnisse auf eurer Lernplattform hochgeladen?!

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Während des Distanzlernens ist NDS davon abgerückt worden, dass man häusliche Aufgaben nicht bewerten darf, und man sollte Aufgaben aus dem Distanzlernen bewerten.

    Vielleicht muss man nun wieder einfangen, was damit bewirkt wurde.


    Wenn die Aufgaben in der gestellten Zeit nicht fertig werden, kann man als Lehrkraft überlegen, ob man weiter Unterrichtszeit gewährt.

    So oder so sammelt man alle Materialien am Ende der Stunde ein, um es Sichten zu können, um daran ohne Verlust weiterarbeiten zu können, um häuslicher Hilfestellung oder Ersatzleistung zu entgehen.

    In der Grundschule führt ein „macht es zu Hause fertig“ sehr schnell bei einigen Kindern dazu, dass sie die Zeit absitzen, um am Nachmittag mit sehr viel Unterstützung zur guten Ergebnissen zu kommen.


    Welche Möglichkeiten bleiben dir?

    a) Du bewertest das, was abgegeben wurde mit den bekannten Kriterien. Offenbar liegen die Mängel in fehlenden Quellenangaben etc.

    Wie sehr unterscheidet sich dann die Note noch von der Erwartung und wie viel wird es am Ende die Gesamtnote beeinflussen?


    b) Du forderst eine zusätzliche Leistung.

    Dann musst du überlegen, ob es zu dieser Aufgabe (mdl. Vorstellung des Ergebnisses und Diskussion) oder zu einer anderen erfolgen soll. Und du müsstest allen SuS diese Leistung ermöglichen oder sie von allen einfordern.

    Möglich wäre ja auch ein Kurztest zum Thema. Die Klassenarbeiten wurden auf eine pro Fach eingedampft, das bezieht sich aber nur auf schriftliche Arbeiten, nicht auf fachspezifische Leistungen, Kurztests o.a.

    Kann man zu dem Thema eine weitere Aufgabe stellen, eine bei der man zuvor Erlerntes anwenden muss, z.B. eine Behauptung zum Thema einzuschätzen oder ein verwandtes Thema erörtern?


    c) Du suchst dir weitere Aufgaben, die mit zeitlicher Frist und genauen Angaben samt Bewertungskriterien den Leistungsstand der Klasse abbilden und sprichst mit KollegInnen vorab den Erwartungshorizont durch.

  • Irgendwie finde ich das schrecklich. Da geht es um ein aktuelles, beklemmendes, beängstigendes Thema, nicht einfach "Konflikt", sondern echten Krieg, und auch gebildete, gut informierte Menschen verstehen nicht wirklich, was passiert, weil man eigentlich auch nicht verstehen kann, wie so etwas passieren kann, wie kann es sein, dass Krankenhäuser beschossen werden, ganze Städte zerstört werden, Menschen ihre Häuser verlassen müssen, Kinder getötet werden. Wie können Menschen so sein? Was können wir tun?


    Und da fordert man Zehntklässler auf, eine Internetrecherche zu machen und wundert sich, dass sie irgendetwas zusammengoogeln und will sie auch noch dafür sanktionieren.


    Bei uns gibt es ein Gesprächsangebot zu diesem Krieg, das helfen soll, mit den Gefühlen klar zu kommen, die dieser "Konflikt" auslöst. Das finde ich den richtigen Ansatz. Sprechen, nicht prüfen.


    Mich erinnert das an einen Aufsatz, den ich von meiner Mutter, die Kriegskind war, gefunden habe. Sie schilderte darin die dramatische Heimkehr an ihren Wohnort, als der Krieg gerade beendet war.


    Darunter der Rotstift der Lehrerin, die allerlei zu kritisieren hatte und eine Note gab. Zum Weinen.

    • Offizieller Beitrag

    @Pieksieben


    Ich würde Dir in der Sache zustimmen, allerdings geht Dein Beitrag an dem konkreten Problem vorbei. Das Thema hätte auch ein beliebig anderes Thema sein können.

    Ob sich der Ukraine-Krieg als Recherchethema in der vom TE vorgesehenen Form eignet, ist natürlich eine ganz andere Sache. Das kann man sicherlich zusätzlich diskutieren.

Werbung