hm.. ich schreib sonst zu diesem gazen Thema garnichts, weil es mir die Grabenkämpfe viel zu mühsam sind, aber mal aus philosophischer Sicht macht man es sich mit der Dichotomie Wissenschaft vs. QuerdenkerInnen in der Öffnungsdebatte viel zu einfach:
ich finde nämlich, dass die beiden Definitionen "vom Diskurs ausschließen, weil deren Meinung unbequem ist" und "sich gerade nicht dem wissenschaftlichen Diskurs im Sinne falsifizierbarer Theorien stellen" schon irgendwie zusammengehören. Klar, nach Popper nähern wie uns Stück für Stück der Wahrheit an durch ehrliche Selbstkritik etc., aber wenn man mal hinguckt, wie wissenschaftlicher Fortschritt wirklich funktioniert, dann ähnelt er eben mehr Kuhns Paradigmenwechsel, i.e. neue Erkenntnisse werden vom wissenschaftlichen/gesellschaftlichen/ökonomischen Establishment zunächst bekämpft, bis es halt garnicht anders mehr geht. (vielleicht nicht "Jana aus Kassel", aber Galileo)
Darüber hinaus, ist doch die Öffungsdebatte nicht wirklich ein wissenschaftliches Problem. Die Wissenschaften können doch nur eine Faktengrundlage liefern, vor deren Hintergund - zumindest bei uns, die wir nicht in einer Technokratie leben - demokratisch legitimierte Personen dann Entscheidungen fällen. Und abgesehen davon, dass es eben nicht nur die Virologie/ Medizin als Wissenschaft gibt, die (bestenfalls eindeutige) Fakten liefert, sondern auch Ökonomie, Psychologie, Soziologie etc., müssen von der Politik auch Werte (z.B. Umweltschutz, Freiheit, Recht auf Bildung etc.) und nicht nur "Fakten" berücksichtigt werden.
Weiter gibt es halt in der Politik (so wie im normalen Leben auch) keine Entscheidungen, die nicht auch Opportunitätskosten mit sich bringen, dh. es findet immer eine Abwägung statt, die imho zumeist implizit utlitaristisch stattfindet. (Ist das Überleben gefährdeter Personen relevanter, als die Entwicklung von Jugendlichen etc.) Insofern unterscheidet sich doch die Frage nach der Maskenpflicht garnicht so sehr von Diskussionen darum, wo man jetzt ein Windrad aufstellt oder Rentenerhöhung, Information für Schwangerschaftsabbrüche oder LGBTQ-Rechte.
Schlussendlich finde ich, dass es schon eine Art öffentlicher Meinungsmainstream gibt, der klar definiert, wer die Guten und wer die Bösen sind, von dem unser Staatsfernsehen (ist es ja schliesslich) und auch die Printmedien gerade bei heiss diskutierten Themen nur selten abweichen, ohne polemisch zu sein - vermutlich trauen sie sich nicht, heiße Eisen von allen Seiten zu beleuchten, möglicherweise können sie dem zwischen Fussball und Eurovision Songcontest einfach nicht genug Sendezeit widmen, um es ernsthaft anzugehen. Rühmliche Ausnahmen bilden m.E. der Deutschlandfunk (z.B. Kritik an Antirassismus), Arte (z.B. Impfschäden) und auch 3sat (zB bei Kulturzeit - da kann man auch mal unbequeme Sachen sagen, das interessiert eh keinen).
Wieauchimmer: ich find es im Sinne von Habermas idealem Diskurs wichtig, sich regelmäßig mit abweichenden Meinungen ehrlich auseinander zu setzen, auch wenn es mir immer weh tut. Leider ist es garnicht so einfach, da Input zu finden. Man mag von Joe Rogan halten, was man will, aber ich find sein Podcast erfüllt wirklich gut diese Funktion - ich schäume manchmal vor Wut, aber ich lern doch immer was dazu, wenn ich ihn höre ; )