Geflüchtete Schüler aus der Ukraine

  • Unsre Willkommensklasse hat massive Probleme mit dem einhalten der Regeln: rauchen auf dem Klo und Schulhof sowie Alkoholismus.

    Bei uns inzwischen ähnlich, mit Ausnahme des Alkohols. Außerdem haben wir zunehmend Konflikte zwischen den ukrainischen Neuankömmlingen und russischstämmigen Schülern, wobei die Aggressionen allerdings meist nicht von den Schülern mit russischen Wurzeln ausgehen, sondern von einzelnen Ukrainern, die sie als Feinde ansehen und entsprechend behandeln (verbale Beleidigungen, Schubsen in der Pause, Verweigerung, nebeneinander zu sitzen.) Pädagogische Interventionen bisher leider ohne Erfolg, scheitern auch an der Sprachbarriere. Eine Ukrainisch sprechende Kraft für die Willkommensklasse haben wir immer noch nicht.

  • Zuletzt hörte man ja auch von Russen, die zwar den Krieg befürworten (noch immer ist der pro-Putin-Anteil unter Russen sehr hoch), aber nicht aktiv im Rahmen der Teilmobilmachung kämpfen wollen und daher beabsichtigen, das Land zu verlassen. Ich weiß nicht, ob deren Ziel Deutschland ist, aber könnte das dazu führen, dass die vorhandenen Konflikte nach Deutschland verlagert werden? Eugenia, du beschreibst ja durchaus eine angespannte Stimmung zwischen ukrainischen und russischen Schülern.

  • Zuletzt hörte man ja auch von Russen, die zwar den Krieg befürworten (noch immer ist der pro-Putin-Anteil unter Russen sehr hoch), aber nicht aktiv im Rahmen der Teilmobilmachung kämpfen wollen und daher beabsichtigen, das Land zu verlassen. Ich weiß nicht, ob deren Ziel Deutschland ist, aber könnte das dazu führen, dass die vorhandenen Konflikte nach Deutschland verlagert werden? Eugenia, du beschreibst ja durchaus eine angespannte Stimmung zwischen ukrainischen und russischen Schülern.

    Ich habe nicht primär das Gefühl, dass hier Konflikte zu uns verlagert werden in dem Sinne, dass ukrainische Schüler pro-Putin-Anhängern aggressiv begegnen. Das mag im Einzelfall auch mal der Fall sein, aber oft trifft es einfach Mitschüler, weil sie russische Wurzeln haben. Das sind für die Neuankömmlinge offenbar einfach "Russen = Feinde", mit denen man nichts zu tun haben will oder an denen man Aggressionen abreagiert. Psychologisch nachvollziehbar, aber auf keinen Fall akzeptabel.

  • Ich kann aus erszer Hand zu diesem Thema nichts beitragen. Bei uns in Basel bzw im Baselland werden nur Kinder bis etwa 14 Jahre direkt in Volksschulklassen integriert, wann immer möglich versucht man eigene Klassen mit spezieller Förderung einzurichten. Die älteren Jugendlichen werden am Zentrum für Brückenangebote (ZBA) in Integrationsklassen gesammelt. Von dort aus werden sie - theoretisch - an geeignete Schulen umverteilt. Praktisch ist bis anhin exakt eine Schülerin bei uns am Gymnasium angekommen, der Rest erfüllt die Übertrittsbedimgungen gar nicht. Sagt der Kollege aus der Gewerkschaft, der am ZBA unterrichtet. Offenbar ist die Vorbildung oft so schlecht, dass es nicht mal für eine reguläre Berufslehre reicht. Klingt sehr ähnlich wie das, was ihr so schildert. Auch bezüglich Disziplin gab es offenbar schon Beschwerden einzelner Mütter, die Kinder müssten bei uns an der Primarschule so viel tun. Sagen wie erwähnt die Kolleginnen aus der Gewerkschaft. Angekündigt wurden sie ja ganz grossartig, die ukrainischen Schülerinnen und Schüler. Da gäbe es so tollen digitalen Unterricht. Die Realität sieht wohl ziemlich anders aus.

  • Da gäbe es so tollen digitalen Unterricht. Die Realität sieht wohl ziemlich anders aus.

    So ist auch meine Beobachtung.

    einzelne ukrainische KuK und einzelne Schulen haben sicherlich beachtliches auf die Beine gestellt, vielfach wurden die Kinder vor Zoom geparkt und frontal beschult (finde ich voll ok) und meist gab es gar nichts.


    Der Mythos von „Die Ukraine kann Fernunterricht innerhalb von 24h nach Kriegsbeginn und Deutschland kann nach zwei Jahren Pandemie gar nichts.“ ist halt in alle Richtungen übertrieben. Das Vergnügen bei der Kolportierung kann man ja gewissermaßen nachvollziehen.

  • So ist auch meine Beobachtung.

    einzelne ukrainische KuK und einzelne Schulen haben sicherlich beachtliches auf die Beine gestellt, vielfach wurden die Kinder vor Zoom geparkt und frontal beschult (finde ich voll ok) und meist gab es gar nichts.


    Der Mythos von „Die Ukraine kann Fernunterricht innerhalb von 24h nach Kriegsbeginn und Deutschland kann nach zwei Jahren Pandemie gar nichts.“ ist halt in alle Richtungen übertrieben. Das Vergnügen bei der Kolportierung kann man ja gewissermaßen nachvollziehen.

    Schließe mich an. Leider fehlt auch die Bereitschaft sich aus der Gruppe zu lösen und andere Angebote mit den deutschen SchülerInnen wahrzunehmen - daher ist nach einem halben Jahr der Fortschritt in der Sprache weit hinter dem was bei anderen Gruppen feststellbar war (ich habe aus dem Sport den Vergleich mit Kindern aus Afghanistan in 2016).

  • Das kann ich so bei uns gar nicht bestätigen.


    Also ja, was zu bestätigen ist, dass die Kinder, die nicht nur in den Willkommensklassen, sondern oft in der Ankerklasse auch sind oder sogar nur in einer "normalen" Klasse viel schneller Deutsch lernen.

    Aber sowohl bei meinen Kindern als auch bei uns an der Schule gibt es wenig Kinder, die alles verweigern. Anfangs gab es viele Eltern, die meinten, weil sie doch eh schnell wieder gingen wäre ganz viel nicht nötig, das ist inzwischen nicht mehr so und viele Kinder sind echt gut angekommen in den Klassen und helfen auch den neu ankommenden, wo sie nur können.

  • Die Ukrainer an meiner alten Schule waren extrem diszipliniert und "pflegeleicht" und haben bei der Teilintegration in Regelklassen unsere eigenen Schüler leistungstechnisch teilweise ganz schön alt aussehen lassen. Das war erschreckend in völlig anderer Weise, als man es hier liest.

  • Ich denke, es ist für die vielen Ukrainer in Deutschland einfach eine schwierige Situation, bei der sie nicht wissen, wie es langfristig weitergeht. In den meisten Fällen war es ja keine über einen längeren Zeitraum geplante bewusste Migration nach Deutschland (und selbst in solchen Fällen muss es ja nicht heißen, dass Kinder mit derselben Euphorie bei der Sache sind als ihre Eltern), sondern eine Nacht-und-Nebel-Aktion aus der Not heraus. Wenn jemand unfreiwillig migriert, sind alle Formen der Integration mit großer (emotionaler) Anstrengung verbunden. Solange die Hoffnung besteht, wieder ins Heimatland zurückzukehren, überlegt man sich zweimal, ob man sich gegenüber seinen Mitmenschen öffnet, womöglich Freundschaften knüpft, die bei einer Rückkehr ins Heimatland durch die große Distanz zerbrechen könnten. Ich stelle fest, dass in Reportagen aus der Ukraine auffällig oft betont wird, wie wichtig den Menschen ihre Heimat und die kulturellen Werte sind und dass sie für deren Erhalt kämpfen. Dieser Nationalstolz ist bewunderswert und scheint Antrieb zu sein, warum die Menschen dort überhaupt weiterhin an den Sieg der Ukraine glauben und dieses Schiff nicht einfach untergehen lassen. Die hiesigen Ukrainer können natürlich das Kriegsgeschehen nicht aktiv beeinflussen, aber auch bei ihnen gehe ich davon aus, dass dieser Nationalstolz noch vorhanden ist und sie ihn nicht "mal eben" bei Überquerung der deutschen Grenzen hinter sich ließen. Die Kehrseite der Medaille ist, dass jemand, der am liebsten schon gestern wieder in der geliebten Heimat wäre, seine aktuellen Prioritäten nicht im Lernen deutscher Vokabeln sieht. Irgendwo auch verständlich, wenn ihr mich fragt.

    Mit zunehmender Kriegsdauer kommt irgendwann der Punkt an dem der innere Widerstand nachlässt und man sich denkt: "Es muss ja irgendwie weitergehen!". Man arrangiert sich damit, dass man jetzt in Deutschland ist, geht (auch emotionale) Verpflichtungen ein, die Verbindung zur alten Heimat wird schwächer und die Wahrscheinlichkeit der Rückkehr sinkt stetig. Auch wenn die deutschen Politiker betonen, dass die gewählten Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine bzw. Schwächung Russlands (Waffenlieferung, wirtschaftliche Sanktionen) auf Zeit spielen, müssen die Ukrainer auch bereit sein, so viel Zeit in Warteschleife zu verharren. Verlören sie vorher den Mut, würde das wiederum nur umso stärker Putin in die Karten spielen.

  • müssen die Ukrainer auch bereit sein, so viel Zeit in Warteschleife zu verharren.

    Ich denke, dass das viel länger ist als eigentlich von ihnen gedacht, sieht man daran, dass hier überall um Wintersachen-Spenden gebeten wurde, denn diese haben die meisten Ukrainer nicht mitgebracht.

    Da sieht man, mit welchen Zeitspannen sie z.T. gerechnet hatten.

  • Selbst bei den ukrainischen Kindern in der GS gibt es große Unterschiede. Auch unsere hatten länger Distanzunterricht und haben damit gut oder weniger gut gelernt, es gibt auch Kinder mit LRS, weil die Ausgangslage nicht gut war oder der Unterricht nicht genutzt werden konnte. Bei den Kindern aus Syrien erleben wir es übrigens auch oft, dass sie gar nicht in der Schule waren und noch nicht alphabetisiert sind.


    Es gibt auch Kinder, die vormittags bei uns lernen und nachmittags online Kontakt zu ihrer ukrainischen Klasse haben - samt Unterricht.

    Den Fitteren kann man vermitteln, dass sie das, was sie jetzt lernen, mitnehmen können, wo auch immer sie ihr Weg hinführen wird.

    Aber es gibt auch Kinder, die länger an den Umständen knabbern und eine ganze Weile brauchen, bis sie sich einlassen können.

    Wenn man dann alle 4-6 Wochen die Unterkunft wechseln muss - und damit auch die Schule, dann hat man nach Monaten und vielen Wechseln wenig Lust, sich immer wieder für kurze Zeit einzugewöhnen.

    Auch wird sichtbar, dass sie mit dem Krieg ganz anders beschäftigt sind als wir, die gemalten Bilder sprechen eine deutliche Sprache.

    Am Anfang schien es anders, jetzt fragen die Kinder nach dem Winter, ob oder wann es schneien wird … und verstehen, dass sie diesen Winter hier sein werden.

  • Ich kann mir sehr gut vorstellen dass es bezüglich der Vorbildung grosse regionale Unterschiede gibt. Man darf nicht vergessen dass die Ukraine auch vor dem Krieg schon eine sehr schwache Volkswirtschaft mit teils erheblichen gesellschaftspolitischen Problemen war. Je nachdem ob die Kinder aus städtischen oder ländlichen Gebieten, aus dem Osten oder Westen kommen, wird das sehr verschieden sein.

  • Ich kann von Kindern mit körperlicher und geistiger Behinderung berichtet, die wir an unserer Schule aufgenommen haben.

    Diese Kinder wurden in der Ukraine überhaupt nicht beschult oder betreut und offensichtlich auch kaum medizinisch und therapeutisch betreut, zumindest ist ihr gesundheitlicher Zustand in vielen Fällen absolut erschütternd (ein Junge hat z.B. mit 7 Jahren keinen einzigen gesunden Zahn, alle abgefault vom Trinken aus der Nuckelflasche, weil er behinderungsbedingt nicht kauen kann. Das Kind war laut Mutter auch nie beim Zahnarzt, weil sie dort wegen der Behinderung immer weggeschickt wurden. Er hat auch keine Schuhe, weil er orthopädische bräuchte und ihm normale nicht passen und sowas gibts in der Heimat nicht).

    Die Kinder haben keinen Rollstuhl, keine Orthesen, Gehstützen, passende Schuhe, Hörgeräte usw., nicht mal Brillen. In der Ukraine wurden sie zuhause von den Eltern oder Großeltern betreut, wenn sie nicht ohnehin schon im Babyalter in eine Einrichtung gekommen sind. Sowas wie heilpädagogische Förderung, Therapien oder ein Förderschulwesen scheint es nicht zu geben, zumindest nicht in der Ostukraine, aus der die meisten unserer SuS kommen. Es ist wirklich sehr, sehr traurig. :_o_(

  • Zwischen unseren russischstämmigen und ukrainischen Schülern gibt es bisher keine Konflikte. Die russischstämmigen Schüler dolmetschen auch hilfsbereit. Die ukrainischen Schüler erlebe ich als wach und interessiert. Eine ukrainische Mutter meinte mal zu mir, dass es auffällig sei, dass das Internet in Deutschland sehr schlecht funktioniere.8_o_)

  • Die großen Konflikte bleiben also aus? Es ist sehr interessant, dass es hier klappt, aber zuhause vermeintlich Erzfeinde gegenüber stehen. Im Idealfall wäre ein potentieller Putin-Nachfolger jemand, der es schafft, über den vorhandenen tiefen Gräben vereinende Brücken zu bauen. Die Hoffnung stirbt zuletzt...

  • Die großen Konflikte bleiben also aus? Es ist sehr interessant, dass es hier klappt, aber zuhause vermeintlich Erzfeinde gegenüber stehen. Im Idealfall wäre ein potentieller Putin-Nachfolger jemand, der es schafft, über den vorhandenen tiefen Gräben vereinende Brücken zu bauen. Die Hoffnung stirbt zuletzt...

    Es ist Putins Krieg!8_o_)

  • Die russischen Familien bei uns im Ort sind oft sehr engagiert in der Flüchtlingshilfe, dolmetschen viel usw. Konflikte zwischen Kindern habe ich auch noch nicht mitbekommen 👍

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