Wenn man die Zerstörung der Städte als Beispiel nimmt, kann man sich als (ehemaliger) Bewohner eines Hauses, das zerbombt wurde und wodurch Familienangehörige ums Leben gekommen sind, durchaus als Opfer fühlen.
Es gibt außerdem zahlreiche Quellen und Berichte, nach denen die Deutschen in der unmittelbaren Nachkriegszeit subjektiv wie objektiv gelitten haben und sich als Opfer gesehen haben. Ferner liegt einem Menschen das eigene Leid für gewöhnlich näher als beispielsweise das Leid von 25 Mio SowjetbürgerInnen, die weit weg aus dem eigenen Blickfeld getötet wurden, oder eben die Juden, Roma, Sinti und andere, die irgendwo in den polnischen Wäldern in den Lagern ermordet wurden.
Das ist psychologisch verständlich, moralisch aber problematisch.
Meine Großmutter hat die Liebe ihres Lebens im Krieg verloren. Ebenso ihren Bruder. Sie wurde zum Teil um ihr Lebensglück betrogen. Dafür konnte sie nichts. Somit war sie Opfer. Aber sie war Teil der Bevölkerung des Landes, das den Zweiten Weltkrieg begonnen hat. Das Täter- wie das Opfernarrativ liegen hier ganz dicht beieinander. Es kommt auf die Brille an, die man trägt.