Auslassung bestimmter Themen des Lehrplans

  • Hallo liebes Forum,

    Gestern habe ich mit meinem Kollegen, mit dem ich sehr gerne und viel zusammenarbeite (U-Entwürfe teilen, Aufsichten führen, etc.), telefoniert und er sagte beiläufig zu mir, dass er wohl nicht alle Themen des Lehrplans für dieses Schuljahr (zeitlich) schaffen wird. Nach seiner Aussage hat er wohl etwas mehr Zeit in ein bestimmtes Thema investiert, aber dafür fehlt diese jetzt bei den anderen Themen. Das Fach ist Erdkunde/Geographie. Auf meine Nachfrage, was er nun dagegen machen wolle, antwortete er: "Garnix. Dann ist es eben so."


    Ich wollte hier mal nach eurer Meinung fragen. Wie empfindet ihr es, dass manche Lehrer nicht alle Themen des Lehrplans (z.B. aus zeitlichen Gründen) unterrichten?


    Meine Meinung dazu: Sollte eigentlich nicht passieren, aber ich erlebe es auch manchmal. Es gibt halt Themen da arbeitet man mit Herzblut dran und kann den SuS besonders viel mitgeben. Dies sieht der u.U. "streng getaktete" Lehrplan leider oft nicht vor.

  • Das ist vielleicht von Land zu Schuljahr zu Pandemiezustand verschieden, und von Fach zu Fach.

    In Pandemiezeiten gibt es für Bayern immer wieder Schreiben, dass die Lehrkräfte bewusst Schwerpunkte setzen sollen am Gymnasium, was so in etwa die Lizenz ist, unwichtigere Inhalte sehr oberflächlich zu behandeln (Klartext: gar nicht) - aber halt nach Absprache im Kollegium und mit Blick auf das kommende Schuljahr.


    Ansonsten ist es ja ohnehin so, dass im Lehrplan nur grob angegeben ist, wie viel Zeit auf welche Inhalte zu verwenden ist, da gibt es Spielraum. Und die Grundwissens-Lehrplanlyrik ist ohnehin sehr optimistisch: "Die Schülerinnen und Schüler erkennen Zusammenhänge zwischen..." Das tun sie ja auch dann nicht immer, selbst wenn man das im Unterricht gemacht hat.


    Richtig gefressen habe ich aber Lehrkräfte, die selbstständig entscheiden, welche Inhalte wichtig sind und welche nicht, welche eigentlich gar nicht in den Lehrplan gehören und welche schon oder welche schlichtweg neu sind. Da vergisst man die nicht "für dieses Schuljahr", sondern regelmäßig. (Machen alle in Mathematik 7 Boxplot-Diagramme? Machen alle in Sport 7 "Möglichkeiten und Grenzen sportlicher Betätigung im Freien und beachten dabei die Regeln des Natur- und Umweltschutzes"?)

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

    • Offizieller Beitrag

    was genau sagt der LP? Doch sicherlich keine Stundenzuweisung pro Thema.


    Wenn Unterrichtsausfall, aus welchem Grund auchn immer, dazu führt, dass ich nicht alle Themen schaffe, kann ich das begründen.

    "Mein Herzblut hängt an Thema XY, daher lasse ich Thema Z aus", wäre für mich keine Option.


    Bei stundenplanbedingtem Ausfall (Streichung von Stunden im Fach und bestimmten Jahrgängen) spreche ich mich innerhalb der Fachschaft ab.

  • In Sachsen wurde offiziell festgelegt, was "wegen Corona" gestrichen wird. Das kann man hier nicht eigenmächtig entscheiden. Aber ich beobachte das bei meinen Kolleg*innen auch nicht und ich wüsste nicht, warum ich das bei ihnen be-/verurteilen sollte. Höchstens als Mutter, aber das ist sowieso ein eigenes Schicksal, Mutter und Lehrerin gleichzeitig zu sein:hammer:


    Edit: ich war übrigens gegen die offizielle Streichung von Themen. Wir haben uns für den Fernunterricht den Allerwertesten aufgerissen und m.E. ist es das falsche Signal, mitzuteilen, dass man nicht alles geschafft habe und auch, dass bestimmte Dinge nicht so wichtig seien. Wenn dem so wäre, könnte man sie getrost auch komplett streichen.

  • In NDS wurde im 1. Jahr gesagt, dass die Kollegien selbst die Curricula zusammenstreichen sollen, Anfang des nächsten Schuljahres gab es dann vom Ministerium gestrichene Listen. Doppelte, nein für die Schulen vielfache Arbeit, die in Teilen auch nicht zusammenpasst.


    Da meint dann das Ministerium, dass man Themen aus einem Fach ins nächste geben könne oder dass man Inhalte in den Schulalltag integrieren könne. Der Schulalltag ist aber der Unterricht, dessen Zeit ja nicht mehr wird. Auch müsste es doch in jedem Fach auch Zeit für soziales Lernen, Projekte und in die Fächer gegebenen Aufgaben, wie z.B. Sprachbildung, Methoden, Digitalisierung, geben.


    Ganz unabhängig von Corona gibt es hier Fächer, bei denen auch die Seminarleitungen der Referendare sagen, dass der Plan so überladen sei, dass man nicht alles schaffen könne.


    Wenn man dann noch ständigen Lehrkräftemangel und Lehrkräftewechsel auffangen muss, Distanzlernen, Vertretung durch ungelernte Kräfte, dann bekommt das Land das, was es selbst organisiert.

  • Bei uns muss man am Ende des Schuljahres einen Lehrplanbericht für jede Klasse und jedes Fach ausfüllen.

    Dort trägt man ein, welche Themen des Lehrplans man behandelt hat, welche man nur knapp behandelt hat und welche man nicht geschafft hat. Natürlich mit Begründung (z.B. Pandemie, Lehrer drei Monate krank, aber auch weniger Unterricht als sonst wegen Doppelstunden am Do und Fr). Außerdem trägt man ein, welche Themen man zusätzlich behandelt hat oder fächerübergreifend.


    Dort kann der Kollege des Folgejahres alles nachlesen.


    LG DFU

  • Interessant, wie das bei euch so läuft.

    Gibt es bei euch nicht sowas wie didaktische jahresplanungen?

    Ich kenne es so, dass es einen völlig realitätsfernen Bildungsplan gibt, der selbst mit einer verdreifachung der Stunden nicht erreichbar ist. Da streicht man dann erstmal die problematischsten Themen weg. Dann konkretisiert man den Bildungsplan und bastelt daraus eine halbwegs realistische didaktische Jahresplanung, die dann eh nur noch rudimentär mit dem Bildungsplan zu tun hat. Und da es in vielen Bildungsgängen so ist, dass eh eine Lehrkraft alle Parallelklassen im selben Fach hat, unterrichtet außer dieser Lehrkraft keiner dieses Fach. Und da quasi permanent an den Jahresplanungen gearbeitet wird, kann man die sich auch passend justieren. In Klassen mit Abschlussklassen wird das wahrscheinlich strenger gehandhabt.

    Ich bin froh über diese Freiheit, denn mit dem Müll Bildungsplan, den man in manchen Bildungsgängen vorgesetzt bekommt, ist man de facto arbeitsunfähig, wenn man versuchen würde genau diesen Plan umzusetzen :neenee:

  • Hmmm...wenn ich etwas nicht unterrichte und es kommt dann in einer Prüfung dran, die ich nicht beeinflussen kann (berufliche Fortbildung mit Prüfung z.B. an der Hochschule, der BA oder der Handelskammer), dann bekomme ich richtig Ärger. So etwas geht bei uns also nicht. Andererseits wechseln manchmal auch Schüler von staatlichen Schulen zu uns, die z.B. jetzt gerade immer noch mit Unit 2 (von 8) in ihrem Englischbuch beschäftigt sind (bzw gerade damit begonnen haben) und eigenen Aussagen zufolge auch seit Jahren kein Buch mehr innerhalb des Schuljahres beendet haben. Wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke, ging uns das in Französisch regelmäßig ähnlich.

  • Andererseits wechseln manchmal auch Schüler von staatlichen Schulen zu uns, die z.B. jetzt gerade immer noch mit Unit 2 (von 8 ) in ihrem Englischbuch beschäftigt sind (bzw gerade damit begonnen haben)

    Aber die bekommen bei euch - als berufliche Schule - dann doch eh ein anderes Lehrbuch, oder nicht?

    Hmmm...wenn ich etwas nicht unterrichte und es kommt dann in einer Prüfung dran, die ich nicht beeinflussen kann (berufliche Fortbildung mit Prüfung z.B. an der Hochschule, der BA oder der Handelskammer), dann bekomme ich richtig Ärger. So etwas geht bei uns also nicht.

    Das betrifft aber ja wirklich nur die Bildungsgänge an einer berufsbildenden Schule, deren Prüfungen wir als Lehrkräfte nicht selbst erstellen. An meiner Schule ist das nur der Berufsschulbereich und teilweise das berufliche Gymnasium (in den Fächern, in denen wir in NDS am Zentralabitur teilnehmen). In allen anderen Bildungsgängen, die eine Abschlussprüfung haben - wie den Berufsfachschulen, den Fachoberschulen oder den Fachschulen (in der Berufseinstiegsschule, Klasse 1, gibt es gar keine) -, werden diese von den dort unterrichtenden KuK erstellt und dementsprechend auch die von Hannelotti genannten didaktischen Jahresplanungen angepasst.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Ja, genau, die bekommen bei uns dann ein anderes Lehrbuch. Aber die hätten ihr altes Lehrbuch an der alten Schule ja niemals fertig bekommen in den paar Wochen, die noch vom Schuljahr bleiben. Insofern denke ich, dass an staatlichen Schulen oft Stoff ausgelassen wird, weil man eben nicht mehr hinterherkommt.

  • Ja, genau, die bekommen bei uns dann ein anderes Lehrbuch. Aber die hätten ihr altes Lehrbuch an der alten Schule ja niemals fertig bekommen in den paar Wochen, die noch vom Schuljahr bleiben. Insofern denke ich, dass an staatlichen Schulen oft Stoff ausgelassen wird, weil man eben nicht mehr hinterherkommt.

    Jetzt bin ich aber mal neugierig. Wie viele von euch schaffen denn wirklich das komplette Lehrbuch in einem Schuljahr? Das war bei mir früher an der Schule nie der Fall und ist es auch jetzt in keiner der BBS-Klassen, in denen ich unterrichte (mal von dünnen Arbeitsheften und natürlich Lektüren in Englisch und Deutsch abgesehen). Oftmals beinhaltet ein Lehrbuch ja auch viel mehr Themen, als eigentlich laut Lehrplan vorgesehen ist.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Wir haben ein Ma-Lehrwerk, das so viele Seiten hat, dass man täglich mindestens 3 Seiten bearbeiten müsste, wollte man alles schaffen und ausfüllen.


    Oftmals beinhaltet ein Lehrbuch ja auch viel mehr Themen, als eigentlich laut Lehrplan vorgesehen ist.

    Und obwohl das KuMi die Bücher doch überprüfen möchte, sind Themen gesetzt, die nicht im Curriculum stehen.

  • Eben. "Lehrbuch nicht geschafft" heißt ja nicht, dass nicht alle vorgeschriebenen Inhalte behandelt wurden. Kompetenzorientierung kommt hinzu, die dazu führt, dass nicht mehr allzu viele "Themen" (je nach Fach) fest vorgeschrieben sind. Wechsel von Input- zu Output-/Outcome-Orientierung. Entsprechend heißt der "Lehrplan" in meinem Land auch Bildungsplan.

  • "In deinem Bundesland" meinst du sicherlich.

    In Niedersachsen spricht man von "Kerncurriculum".

    Spannend. Bei uns ist das "Kerncurriculum" der Teil des Curriculums, den wir uns schulintern geben und der insofern auf den im gesamten Ländle gültigen Bildungsplan obendrauf kommt (oder innendrinnen steckt, wenn man das wörtlich interpretiert :) ). Wär´ aber ja auch arg fad im Bildungsföderalismus, wenn es bei so einem Grundbegriff nicht mindestens 16 verschiedene Versionen geben würde. ^^

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Das Ganze Mal aus Sicht eines Chemielehrers;

    Unsere SuS haben einmal die Woche eine Doppelstunde. In meiner Unterrichtsplanung gehe ich dann von sagen wir Mal 19 Veranstaltungen aus pro Schulhalbjahr. Tatsächlich liegt der erteilte Unterricht, dann bei durchschnittlich 14 VA, allerdings hab ich zwischen 7 und 15 schon alles erlebt.

    Gründe:

    Kursfahrt (Dadurch fehlt die Hälfte, in zwei Wochen dann die andere Hälfte) , Hohe Krankenstände (Klassen werden zusammengelegt), Zuckerfest (halbe Klasse fehlt), Berufsorientierung, Praktika, Kassenfahrt, Projektwoche, Sportfest, selber krank, selber auf einer Fobi, usw. usw. Wenn es ganz hart kommt, sind 50% ausgefallen🤷

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Gerade in Biologie schaffe ich es häufig nicht, alle Themen des Lehrplans abzudecken. Weil er so überfrachtet ist, weil ich dabei noch die Kompetenzen vermitteln soll und gleichzeitig den Stoff dazu, der aber nicht weniger geworden ist. Den Kollegen geht es meistens auch so und mittlerweile denke ich mir, was soll's? Die Schüler kommen trotzdem weiter, machen ihr Abitur und letztlich fragt später niemand, wie nun der Bau des Goldhamsters ausgesehen hat. In Chemie achte ich, wenn die Zeit knapp wird, dass ich die Themen schaffe, die für spätere Jahrgänge wieder relevant sind. In der Oberstufe bekomme ich alles durch, vor allem in Hinblick auf die Abiturprüfung. Da teile ich bisweilen Skripte aus, um Schreibzeit zu sparen. Leider bleibt kaum Zeit, um mal Themen die vertiefen, die ich interessant oder wichtig finde. Und tatsächlich fällt zu viel aus, worauf ich keinen Einfluss habe. Meistens wegen irgendeiner Schulveranstaltung oder weil ich dienstlich verhindert bin. Wann immer von oben eine neue Projektwoche oder eine sontige Veranstaltung kommt, die wir nun auch noch statt Unterricht abhalten sollen, frage ich bisweilen gerne: "Was streichen wir dafür?" Antwort kommt in der Regel keine.


    Sarek

  • Jetzt bin ich aber mal neugierig. Wie viele von euch schaffen denn wirklich das komplette Lehrbuch in einem Schuljahr? Das war bei mir früher an der Schule nie der Fall und ist es auch jetzt in keiner der BBS-Klassen, in denen ich unterrichte (mal von dünnen Arbeitsheften und natürlich Lektüren in Englisch und Deutsch abgesehen). Oftmals beinhaltet ein Lehrbuch ja auch viel mehr Themen, als eigentlich laut Lehrplan vorgesehen ist.

    Natürlich mache ich nicht jede einzelne Aufgabe im Mathe-Lehrbuch, es sind offiziell immer mehr Aufgaben zur Auswahl (muss man anfangs den Eltern und auch Referendaren erklären), aber ich habe bisher jedes Thema in jedem Jahr geschafft (auch Boxplots ;)). Ähnlich in Chemie, allerdings hatten wir viele Jahre kein Lehrbuch. Das gilt auch für alle meine Fachkollegen.


    Sowohl Mathematik als auch Chemie bauen auf den vorherigen Themen auf. Wie soll der Kollege es im Folgeschuljahr schaffen, wenn er den vorherigen Stoff auch noch erarbeiten muss? Und am Ende wartet das zentrales Abitur.


    Genau deshalb gibt es bei uns Stoffverteilungespläne mit dem Hinweis vom Seminar, nur 30 Schulwochen zu verplanen. Dann bleibt auch noch etwas Luft für unvorhergesehenes. Wenn ich merke, es wird knapp, geht es nicht mehr überall in die Tiefe. Und das rechtzeitig, nicht erst nach Ostern. So fällt kein Thema weg.


    Meine Kollegen (und SL) würden mir etwas erzählen, wenn sie meinen Stoff im Jahr darauf nacharbeiten müssen.


    Themen, die nicht im Lehrplan stehen, gibt es bei mir im Schulbuch kaum (nur wenige kleine Exkurse, ich vergebe sie gerne an Schüler als GFS (größeres Referat)). Anderenfalls lasse ich sie bei Zeitnot weg. Aber an den Bildungsplan müssen wir uns schon halten.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

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