Frage: Verbeamtung trotz ADHS Diagnose und Medikation?

  • Kann ja sein, das trifft aber für die meisten Lehrer*innen nicht zu. Die meisten können es sich eben nicht aussuchen, wenn die Verbeamtung nicht klappt, dann halt irgendwas anderes zu machen. Dieses überhebliche "Idealismusgerede" nervt mich auch an anderer Stelle, wenn sich einer einen Edding vom Privatgeld kauft oder es wagt, sich nach Dienstschluss um einen Schüler Gedanken zu machen.


    Wer so cool ist, dass Idealismus zur abwertenden Bezeichnung für jede andere Art von Berufsausübung wird, als man selbst das macht, der kann sich ja fragen, warum er in seiner Freizeit mit anonymen Lehrern in einer Selbsthilfegruppe abhängt :prost:

    • Offizieller Beitrag

    Kann ja sein, das trifft aber für die meisten Lehrer*innen nicht zu. Die meisten können es sich eben nicht aussuchen, wenn die Verbeamtung nicht klappt, dann halt irgendwas anderes zu machen. Dieses überhebliche "Idealismusgerede" nervt mich auch an anderer Stelle, wenn sich einer einen Edding vom Privatgeld kauft oder es wagt, sich nach Dienstschluss um einen Schüler Gedanken zu machen.


    Wer so cool ist, dass Idealismus zur abwertenden Bezeichnung für jede andere Art von Berufsausübung wird, als man selbst das macht, der kann sich ja fragen, warum er in seiner Freizeit mit anonymen Lehrern in einer Selbsthilfegruppe abhängt :prost:

    Ich finde Deinen Tonfall hier unangemessen.


    Vom Idealismus kann man sich nun einmal im wahrsten Sinn des Wortes nichts kaufen - und die fehlende Berufsalternative wird die Lehrkräfte, die aus gesundheitlichen Gründen nicht verbeamtet werden konnten, sicherlich auch nicht glücklicher machen. In meinem Fall wären das 6000,- Euro pro Jahr gewesen - nach 17 Dienstjahren mithin also über 100.000 Euro. Für dieselbe Arbeit. Dieselbe Belastung. Für weniger Rente.

    Wir reden hier folglich nicht nur über einen oder zwei popelige Eddings oder ein digitales Endgerät. Wir reden über einen Betrag von ca. 250.000 Euro während der Berufstätigkeit und dann noch einmal etliche Tausende Euro nach der Verrentung. Wir reden hier über eine Entscheidung, deren finanzielle Auswirkungen je nach Lebenserwartung die nächsten zwei Drittel eines Lebens nachhaltig bzw. endgültig entscheiden.


    Welche Gründe bleiben denn dann übrig, wenn man sich dennoch darauf einlässt? Letztlich Idealismus oder Verzweiflung - oder Schicksalsergebenheit. Überheblich fand ich dieses "Idealismusgerede" keinesfalls. Ich wäre ebenfalls nicht Lehrer geworden bzw. geblieben - nicht weil ich Idealismus als abwertende Bezeichnung erachte, sondern weil ich konsequent gewesen wäre. Das ist ein nicht unerheblicher Unterschied.

  • Dazu fällt mir ein: Meine Cousine leitet den Kirchenchor. Weil sie nicht Mitglied der Kirche ist (also gar keiner), bekommt sie kein Geld. Sie hat sich ausgerechnet, dass sie in der ganzen Zeit 40000 Euro bekommen hätte (sie macht ihn schon länger, den Chor).

    Dies nur als Anekdote ohne Sinn am Rande.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Da das Thema ja einigermaßen beantwortet scheint und der Thread eh gerade wieder aus dem Ruder läuft häng ich mich mal aus Interesse dran....


    Inzwischen sind ja die ersten Coronajahrgänge aus dem Referendariat: Gibt es schon Erfahrungen aus erster oder zweiter Hand, was Amtsarzt und Private Versicherung zu einer durchgemachten Coronaerkrankung sagen?

    --

    Keine Daten, keine Quellen? Kein Interesse.

  • Da das Thema ja einigermaßen beantwortet scheint und der Thread eh gerade wieder aus dem Ruder läuft häng ich mich mal aus Interesse dran....


    Inzwischen sind ja die ersten Coronajahrgänge aus dem Referendariat: Gibt es schon Erfahrungen aus erster oder zweiter Hand, was Amtsarzt und Private Versicherung zu einer durchgemachten Coronaerkrankung sagen?

    PKV kann ich dir nicht sagen, da ich aus anderen Gründen dort keine Chance habe da Ersatzschule.

    Die Amtsärztin hat es am Rande zur Kenntnis genommen kurz gefragt wie der Verlauf war und ob ich noch Beschwerden habe. Wirkte aber fast wie allgemeines Interesse. Zwar galt für mich wegen GdB eh ein anderes Verfahren, aber ich hatte nicht den Eindruck das eine vermeintlich ausgeheilte Covid Infektion da eine Rolle spielt. Bei noch aktuellen Long Covid Beschwerden sieht es sicherlich anders aus.

  • Alle meine Kolleg*innen über 42 wurden nicht verbeamtet. Das nagt an vielen dauerhaft, das ist ein großes Thema. Und zwar nicht wegen des Geldes, da wurde bislang bescheiden nichts vermisst oder beklagt. Sondern dass jüngere Kolleginnen jetzt schon mehr verdienen, obwohl die Erfahrenen sie einarbeiten müssen. Dass sie "Studienräte" wurden, für nichts, für keine Leistung. Es geht um mangelnde Wertschätzung und hinterlässt wirklich zutiefst verletzte Menschen, ich habe das in vielen verschiedenen Gesprächen wahrgenommen. Dass Leute, die seit 30 oder 40 Jahren als Lehrkräfte hervorragende Arbeit leisten, sich durch die zeitgleiche Verbeamtung der anderen, jüngeren hintergangen und geringschätzt fühlen.


    Also ja, es ist arrogant zu sagen, dass es idealistisch sei, unsere Arbeit zu erledigen, wenn man kein Beamter ist. Zehntausende Lehrer*innen arbeiten als Angestellte, sind das alle Idioten, die nicht rechtzeitig davongelaufen sind, weil sie so ein idealistisches Weltbild haben? Zum Kotzen ist das und genau diesen Tonfall finde ich gerade passend.

    • Offizieller Beitrag

    Also ja, es ist arrogant zu sagen, dass es idealistisch sei, unsere Arbeit zu erledigen, wenn man kein Beamter ist. Zehntausende Lehrer*innen arbeiten als Angestellte, sind das alle Idioten, die nicht rechtzeitig davongelaufen sind, weil sie so ein idealistisches Weltbild haben? Zum Kotzen ist das und genau diesen Tonfall finde ich gerade passend.

    @karuna


    Nein. Wenn ich für mich die Entscheidung treffe, dass ich unter diesen Bedingungen nicht arbeiten möchte, dann ist das erst einmal konsequent und hat nichts mit Arroganz oder Geringschätzung derer, die sich trotzdem darauf einlassen, zu tun. Du hast ja die fehlende Wertschätzung erwähnt. Genau das ist doch der springende Punkt. Und dann muss man sich doch fragen, wieso es Menschen gibt, die sich darauf einlassen, um sich dann später so zu fühlen wie von Dir beschrieben. Ich wollte nie an diesen Punkt kommen. Was wäre denn für Dich die passende Attributierung für Menschen, die freiwillig Angestellte werden und ein paar Jahre später großen Frust ob der fehlenden (staatlichen) Wertschätzung schieben?


    Es gibt eben Menschen, deren Idealismus nicht weit genug reicht, um sich in einem ausbeuterischen System noch stärker ausbeuten zu lassen. Eine Entscheidung, die ich für mich selbst treffe, sagt nicht automatisch etwas darüber aus, wie ich über Menschen denke, die anders handeln.

  • Die Sachsen haben sich den Angestelltenstatus nach der Wende nicht ausgesucht. Und es ging nicht um deine persönliche Entscheidung, sondern darum, dass Kollege State_of_Trance von Idealismus spricht, wenn andere als Angestellte arbeiten.


    Ob der TE Lehramt studiert, wenn er nicht verbeamtet wird, muss er selbst wissen. Als Idealist würde ich ihn sicher nicht bezeichnen, wenn er sich für den Beruf und nicht für das Anstellungsverhältnis entscheidet. Als ob jeder andere Job besser bezahlt wäre und die besseren Arbeitsbedingungen hätte...

  • Ich weiß nicht, wie´s woanders ist, aber die Noten für eine Verbeamtung waren zu meinen Zeiten irrwitzig (ich finde sie online nicht), ich bekam jedenfalls mit 2,49 (oder so ähnlich) keine Verbeamtung, in dem Fach Sprachheilpädagogik musste man eine 1,3 oder so haben (ich suche die Zahlen noch!) und knapp 10 Jahre später verbeamten sie alles, was nicht bei 3 auf dem Baum ist... Gnade der späten Geburt oder was?

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

    Einmal editiert, zuletzt von laleona () aus folgendem Grund: RS-Fehler

  • Ich weiß nicht, wie´s woanders ist, aber die Noten für eine Verbeamtung waren zu meinen Zeiten irrwitzig (ich finde sie online nicht), ich bekam jedenfalls mit 2,49 (oder so ähnlich) keine Verbeamtung, in den Fach Sprachheilpädagogik musste man eine 1,3 oder so haben (ich suche die Zahlen noch!) und knapp 10 Jahre später verbeamten sie alles, was nicht bei 3 auf dem Baum ist... Gnade der späten Geburt oder was?

    In gewisser Weise, ja. Letztlich geht es einfach darum, an welcher Stelle des "Schweinezyklus" bezogen auf die eigenen Fächer und Schulform man bereit ist in den Markt einzusteigen. Wenn der Mangel derart brüllend ist, wie beispielsweise im Bereich der Förderschullehrkräfte seit einigen Jahren bereits oder der Grundschullehrkräfte oder in weiten Teilen der Sek.I-Lehrkräfte oder in vielen Bereichen der BBS-Lehrkräfte oder der MINT-Musik-Kunst-Lehrkräfte für gymnasiales Lehramt und das womöglich bundesweit, sprich bei enormer Konkurrenz der Länder untereinander, dann ist eben plötzlich auch für Länder, die das bislang nicht praktiziert haben, die Verbeamtung wieder eine Option, um Lehrkräfte fester zu binden, reicht im Zweifelsfall auch die 4,0 für den Einstieg in den Beruf, etc. Bitter ist es tatsächlich, dass solche Maßnahmen, um als Arbeitgeber attraktiver zu werden (und Arbeitskräfte nebenbei fester an sich zu binden), nicht auch dem Bestandspersonal offenstehen, wie von Karuna geschildert. Da darf man ich vielleicht dann auch nicht wundern, warum lieber jeder seinen eigenen Stiefel durchzieht wenn es um digitale Angebote und Fernunterricht geht, als das auch noch unter erneuter Kraftanstrengung etwas zu vereinheitlichen schulintern.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Die Sachsen haben sich den Angestelltenstatus nach der Wende nicht ausgesucht. Und es ging nicht um deine persönliche Entscheidung, sondern darum, dass Kollege State_of_Trance von Idealismus spricht, wenn andere als Angestellte arbeiten.

    Wenn andere unter den aktuellen Bedingungen als Angestellter arbeiten. Die Entwicklungen in Sachsen sind natürlich unter aller Sau gewesen, anders kann man das nicht nennen.


    Ich halte es auch für idealistisch beispielsweise freiwillig in Berlin zu unterrichten.

  • Zur Eingangsfrage:

    Ich halte ein Grundlevel an ADHS für eine notwendige Voraussetzung, um im Lehrerberuf bestehen zu können ;)

    Wer sich als Lehrer vollkonzentriert nur auf sein Formelwerk an der Tafel fixiert, wird scheitern. Eines der Kennzeichen von ADHS ist, dass "Betroffene" ihre Aufmerksamkeit auf verschiedenste Dinge gleichzeitig werfen, damit zwar als "ablenkbar" gelten - die Klasse jedoch gut im Blick haben. Wenn man das über die Jahre trainiert, kommt man gut klar. Sag ich mal als "Betroffener".


    ADHS ist kein Grund, dass man berufsunfähig werden könnte - und dies ist Ausschlussgrund für eine Nichtanstellung. Wenn es für den Staat als Arbeitgeber bereits vor der Einstellung absehbar ist, dass er in absehbarer Zeit einen Versorgungsfall "durchfüttern" müsste, nimmt er von der Einstellung Abstand. Das ist vielleicht menschlich nicht nett, aber für den Steuerzahler, der das finanziert, durchaus nachvollziehbar.

    Anmerkung zu ADHS:
    Man stelle sich eine Situation in der Steinzeit vor. Der ganze Stamm sitzt gemütlich um das Lagerfeuer herum, die Frauen stricken und häkeln, die Männer schlagen ihre Pfeilspitzen aus den Feuersteinen und befestigen sie konzentriert mit Pech am Haselstecken. Eine ruhige und konzentrierte Arbeitsatmosphäre, wie man sie sich auch für die Klasse wünscht. Nun gibt es in der Gruppe jedoch so einen hippeligen ADHs-ler, der sich nicht konzentrieren kann und ständig abgelenkt - trotz Ermahnungen - in die Büsche blickt.
    Plötzlich schreit er: "Vorsicht! Wolfsrudel!" Ohne ADHs-ler hätte die Menschheit die Steinzeit nicht überlebt ;)

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • ...

    Wer sich als Lehrer vollkonzentriert nur auf sein Formelwerk an der Tafel fixiert, wird scheitern. Eines der Kennzeichen von ADHS ist, dass "Betroffene" ihre Aufmerksamkeit auf verschiedenste Dinge gleichzeitig werfen, damit zwar als "ablenkbar" gelten - die Klasse jedoch gut im Blick haben. Wenn man das über die Jahre trainiert, kommt man gut klar. Sag ich mal als "Betroffener".


    ADHS ist kein Grund, dass man berufsunfähig werden könnte -

    Nunja, wer konzentriert und strukturiert ist, bekommt Störungen aus der Klasse wahrscheinlich besser mit als jemand, dessen Aufmerksamkeit von Sinneseindruck zu Sinneseindruck, von Gefühl zu Gefühl und von Gedanke zu Gedanke wandert. Wie du sagst, man muss über Jahre etwas trainieren, was andere von Natur aus können.


    Zudem sind bestimmte Komorbiditäten erhöht Depressionen, Suchtneigung etc.


    Ich halte die Wahrscheinlichkeit für äußerst minimal, wenn einer (zumal gut eingestellt) beim Amtsarzt sitzt und sagt, er habe vor 20 Jahren ADHS diagnostiziert bekommen und nun gehe es ihm bestens, dass dem eine Verbeamtung entgegensteht. Als Stärke würde ich ein normabweichendes Verhalten, das als psychische Erkrankung klassifiziert wurde, allerdings nicht.


    Für sich persönlich muss man natürlich versuchen, damit zu leben, was einem Mutter Natur bzw. die eigene Familie einem mitgegeben haben, um das Beste daraus zu machen. Wenn man aber generell unter einem Verhalten und Erleben nicht leidet, kann man sich fragen, ob die eigene Diagnose überhaupt eine Diagnose ist.

  • Zur Eingangsfrage:

    Ich halte ein Grundlevel an ADHS für eine notwendige Voraussetzung, um im Lehrerberuf bestehen zu können ;)

    Wer sich als Lehrer vollkonzentriert nur auf sein Formelwerk an der Tafel fixiert, wird scheitern. Eines der Kennzeichen von ADHS ist, dass "Betroffene" ihre Aufmerksamkeit auf verschiedenste Dinge gleichzeitig werfen, damit zwar als "ablenkbar" gelten - die Klasse jedoch gut im Blick haben. Wenn man das über die Jahre trainiert, kommt man gut klar. Sag ich mal als "Betroffener".


    ADHS ist kein Grund, dass man berufsunfähig werden könnte - und dies ist Ausschlussgrund für eine Nichtanstellung. Wenn es für den Staat als Arbeitgeber bereits vor der Einstellung absehbar ist, dass er in absehbarer Zeit einen Versorgungsfall "durchfüttern" müsste, nimmt er von der Einstellung Abstand. Das ist vielleicht menschlich nicht nett, aber für den Steuerzahler, der das finanziert, durchaus nachvollziehbar.

    Anmerkung zu ADHS:
    Man stelle sich eine Situation in der Steinzeit vor. Der ganze Stamm sitzt gemütlich um das Lagerfeuer herum, die Frauen stricken und häkeln, die Männer schlagen ihre Pfeilspitzen aus den Feuersteinen und befestigen sie konzentriert mit Pech am Haselstecken. Eine ruhige und konzentrierte Arbeitsatmosphäre, wie man sie sich auch für die Klasse wünscht. Nun gibt es in der Gruppe jedoch so einen hippeligen ADHs-ler, der sich nicht konzentrieren kann und ständig abgelenkt - trotz Ermahnungen - in die Büsche blickt.
    Plötzlich schreit er: "Vorsicht! Wolfsrudel!" Ohne ADHs-ler hätte die Menschheit die Steinzeit nicht überlebt ;)

    Ich weiß nicht, ob du selber ADHS hast, aber eine solch romantisierte Vorstellung bagatellisiert die realen Folgen.


    Um das mal klar zu formulieren:

    Ich habe eine relativ leichte Version des ADHS. Trotzdem war es mir fast unmöglich, Gespräche, auch leise in der letzten Reihe, auszublenden, gerade an längeren Tagen. Ich benötige also entweder extraviel Konzentration (die sich dann aufbraucht) oder einen völlig stillen Klassenraum.

    Die mangelnde Regulation führt weiterhin dazu, dass ich auch im Schuldienst nicht dazu komme, Dinge vor der Deadline zu erledigen oder meine Zeiten (Arbeit vs. Ruhe) angemessen einzuteilen. Das alles erhöht die psychische Last eines Berufes, der eh schon eine erhöhte Burn-Out-Gefahr hat.

    Es gibt Gründe, warum Depression oder Suchterkrankungen eine sehr hohe Komorbidität mit ADHS haben.


    Ich weiß, du wolltest was Nettes sagen, hier war ich aber getriggert. :)

    • Offizieller Beitrag

    Wenn man aber generell unter einem Verhalten und Erleben nicht leidet, kann man sich fragen, ob die eigene Diagnose überhaupt eine Diagnose ist.

    Das halte ich für eine sehr gewagte Aussage.
    Ich mache den Vergleich mit einer Diagnose zu einer körperlichen Krankheit: Blinde, Gehörlose oder Querschnittsgelähmte müssen nicht "leiden", trotzdem haben sie keine Sehkraft, kein Gehör oder können sich nicht auf einer bestimmten Art und Weise bewegen.
    Und erst mit einer Diagnose erhält man in Deutschland bestimmte Ausgleiche. Ob man sie in Anspruch nimmt oder nicht, kann eine persönliche Einstellung sein (zum Beispiel weiß ich es aus der Gehörlosengemeinschaft, dass es durchaus einen Keil zwischen denjenigen gibt, die bestimmte Vergünstigungen in Anspruch nehmen, und denjenigen, die den Stempel "behindert" nicht haben wollen), oder einfach eine andere Wahrnehmung der Diagnose (zum Beispiel Medikation oder längere Zeit bei neurodiversen Diagnosen. Man muss nicht "leiden", um trotzdem ein höheres Bedürfnis an Ruhe und Erholung zu haben).

  • chilipaprika, ich weiß was du meinst, das liegt m.E. aber an der Definition einer Erkrankung. Gehörlosigkeit liegt ja zunächst einmal ein organisches Problem zugrunde und sagt noch nichts über das Wohlbefinden aus. Die Definitionen von psychischen Erkrankungen sind ja gerade, dass das ich sage mal "Normabweichende" zu Problemen führt. Wer seine Aufgaben nicht adäquat beenden kann, anderen ins Wort fällt, so dass diese genervt sind und sich zurückziehen, im Straßenverkehr zu mehr Risiko neigt, mehr Ruhepausen braucht, sich spät abends besser konzentrieren kann und deswegen tagsüber müde ist, schneller aggressiv wird etc. pp. der hat diverse Probleme, die andere schlicht nicht haben. Wenn es einem gut geht und man die Probleme alle nicht hat, dann bleibt eigentlich nichts, was die Diagnose rechtfertigte.

  • Ich weiß nicht, ob du selber ADHS hast, aber eine solch romantisierte Vorstellung bagatellisiert die realen Folgen.

    Nun - wie bei jeder Abweichung von der Norm gibt es verschiedene Ausprägungsstufen. Es liegt mir fern, die Folgen von ADHS zu "bagatellisieren" - aber relativieren muss man das schon. Zumal die Diagnose von ADHS auch nicht trivial ist und mancher Kinderarzt vorschnell zum Rezeptblock greift. Ursachen von abweichendem Verhalten sind vielschichtig - und oft in der Sozialisation begründet.

    Romantisieren soll das auf keinen Fall, sondern zeigen, dass sogenannte "Behinderungen" auch Fähigkeiten beinhalten können. So haben Blinde einen sensibleren Tastsinn. Vor kurzem habe ich einen Bericht verfolgt, der zeigt, wie Blinde für die Brustkrebs-Früherkennung ausgebildet werden, weil sie Knoten in der Brust besser ertasten und erkennen können.


    Zum Thema ADHS/ADS/ADHH usw. habe ich als Lehrer an der "Schule für Erziehungshilfe" (wie diese SBBZ früher hießen) mehrere Fortbildungen zu diesem Thema absolviert und auch Materialien gesammelt, die du hier abrufen kannst:
    https://www.autenrieths.de/verhalten.html

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
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