Das Problem mit der Mathematik - liegt hier vielleicht die Antwort, weshalb Mathe das "Hassfach" Nr. 1 ist...?

  • Könnt ihr mal für Nicht-Mathematiker erklären, was ihr meint?


    Gibt es jenseits der Schulmathematik tatsächlich Fälle, wo 2+2=5 oder 2+2=22? In der Geometrie z. B. ist mir schon klar, dass unsere euklidische Geometrie nur eine unter mehreren möglichen ist. Aber ist das auch in der Arithmetik so? Beim Rechnen?

    Ich kann dir jetzt kein explizites Beispiel für die oben genannten Beispiele nennen. Aber in der Mathematik kann man sich auch einen "Körper" - so nennt man mathematische strukturen, die bestimmte Eigenschaften haben, bauen. Der nur die zahlen 0 und 1 enthält und der bei entsprechender Definitionen ergibt, dass 1+1 = 0 ist. (siehe Körper mit zwei elementen) Und mit diesem kann man alles machen, was man auch mit den Reellen Zahlen der mathematik machen kann.

  • Mit der Gefahr, mich evtl. jetzt zu blamieren, aber wäre 1+1 statt 0 nicht 10 im Binärsystem, weil die Reihenfolge 1, 10, 11, 100, etc. ist?

  • Gibt es jenseits der Schulmathematik tatsächlich Fälle, wo 2+2=5 oder 2+2=22?

    Mir fallen keine ein, aber ich studierte "nur" Mathematik für die Grundschule, vlt. wissen die Gymnasiallehrer hier mehr.

    Man könnte theoretisch, und ich sage bewusst theoretisch, einen Körper erfinden, bei dem x+y immer = xy. Man müsste sich halt von allem lösen, was wir konventionell unter Mathematik verstehen (Es wurden ja schon die Peano-Axiome erwähnt.), aber solange es keinen Widerspruch mit den definierten Regeln eines Systems gibt, kann auch eine solche Aussage innerhalb dieses Systems richtig sein. Vergleichbar wäre das mit der Geheimsprache, die manche Kinder erfinden. Das jeweilige Kind kennt Wortschatz und Grammatik dieser Sprache, kann daher Inhalte hierin erfassen. Für andere Kinder ist es einfach nur beliebiger Quatsch.


    schaff : Ah, verstehe.

  • Man könnte theoretisch, und ich sage bewusst theoretisch, einen Körper erfinden, bei dem x+y immer = xy.

    Nein, kann man auch theoretisch nicht, denn hier wären die Körpereigenschaften nicht mehr erfüllt.

    Man müsste sich halt von allem lösen, was wir konventionell unter Mathematik verstehen

    Klar, wenn wir von Mathematik ins Gebiet "Wir erfinden neue Geschichten" wechseln, kann man so etwas natürlich schreiben und erhält zumindest einen sinnvollen Satz. Das hat aber - wie du bereits festgestellt hast - nichts mehr mit Mathematik zu tun.

  • Menschen ohne Dyskalkulie

    Dyskalkulie gibt es IMHO nicht.


    Wenn sich das angeblich durch eine Woche Flüssigkeiten umschütten heilen lässt, kann es keine gravierende Störung sein. Alle Kinder mit "Dyskalkulie" an der weiterführenden Schule(, die ich unterrichtet hatte) haben kein Problem mit dem Zehnerübergang bei der Addition. Die können nicht Rechnen, weil sie das Rechnen seit Jahren nicht üben.


    Bekommen jetzt unsportliche Moppel, die auch nur 60% des Durchschnitts erreichen auch automatisch einen Noten- oder Bewegungsschutz in Sport.

  • Dyskalkulie gibt es IMHO nicht.

    Den bösartigen Rest hab ich lieber mal gelöscht.


    Für dich:


    F81.2 Rechenstörung
    Info:

    Diese Störung besteht in einer umschriebenen Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Defizit betrifft vor allem die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten, wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division, weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten, die für Algebra, Trigonometrie, Geometrie oder Differential- und Integralrechnung benötigt werden.



    Nochmal hervorgehoben: sowohl allgemeine Intelligenzminderung als auch mieser Unterricht sind ein Ausschlusskriterium.

  • F81.2 Rechenstörung
    Info:

    Diese Störung besteht in einer umschriebenen Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Defizit betrifft vor allem die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten, wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division, weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten, die für Algebra, Trigonometrie, Geometrie oder Differential- und Integralrechnung benötigt werden.

    Heißt also: Spätestens ab Klasse 7 ist die "Dyskalkulie" nicht mehr wirklich relevant für den Mathematikunterricht.

  • Heißt also: Spätestens ab Klasse 7 ist die "Dyskalkulie" nicht mehr wirklich relevant für den Mathematikunterricht.

    Leider doch. Zum Einen muss man ja immer noch rechnen können. Zum anderen kann die Rechenschwäche dazu geführt haben, dass man der Schülerin eingeredet hat, dass sie doof oder zu faul für Mathematik ist. Gegen die Frust-Mauer muss man unterrichten.


    Die gute Nachricht: Dyskalkulie lässt sich behandeln, die schlechte: die Krankenkassen zahlen das in der Regel nicht, anders als bei der Lese-Rechtschreibschwäche.

  • die Krankenkassen zahlen das in der Regel nicht, anders als bei der Lese-Rechtschreibschwäche

    Wo zahlt das die Krankenkasse?

    Lerntherapie wird über das Jugendamt (oder privat) finanziert. (Sonder-)Pädagogische Maßnahmen über den Kultushaushalt. Höchstens wenn im Rahmen von Logopädie (oder ggf. Ergotherapie) auch daran gearbeitet wird, kann das über die Krankenkasse laufen, hängt aber dann vom Einzelfall ab.

  • Die gute Nachricht: Dyskalkulie lässt sich behandeln, die schlechte: die Krankenkassen zahlen das in der Regel nicht, anders als bei der Lese-Rechtschreibschwäche.

    Doch tun sie! Aber dazu muss die Dyskalkulie von einem anerkannten Dyskalkulie-Therapeuten diagnostiziert werden. Das ist anders als bei LRS, weil es eine Krankheit nach ICD-10 ist.

  • Zum Thema "algebraischer Körper" mit x+y = xy, damit das ein Ende hat.


    Er existiert, wie schon erwähnt, nicht. Da ein "algebraischer Körper" genau zwei binäre Operationen enthalten muss, hier also eine "Addition" und "Multiplikation", die man auch mit "Bananenpfücken" und "Erdbeereisessen" bezeichnen kann, da die Bezeichnungen keine Rolle spielen.

    Ein "algebraischer Körper" hat ein neutrales Element bezüglich jeder der Operationen. Damit hat der Körper mindestens zwei Elemente. Ich nenne sie 0 und 1, was wiederum auch anders möglich ist.

    Ist a ein beliebiges Element unseres Körpers, so gilt dann 0 + a = a +0 = a und 1 a = a 1 = a.

    Setze ich nun in der obigen Gleichung x = 0 und y = 1, so wird damit 0 + 1 = 1 nach der 1.Regel und 1*0 = 0 nach der 2. Regel. Beide Werte sollten gleich sein, sind es aber nicht. Der Widerspruch ergibt, dass die genannte Gleichung in einem "algebraischen Körper" nicht existiert.


    Zum eigentlichen Punkt: Ich habe mir abgewöhnt mit Leuten zu diskutieren, die ständig Mathematik als unverständlich oder sogar als überflüssig ansehen. Ich lasse sie in ihrem Glauben, was soll's.

    Mathematik ist die einzige Wissenschaft, in der alles, absolut alles, streng logisch herleitbar ist. Sie ist spannend und faszinierend. Und sie ist wunderschön! Dass dies nicht jeder so empfindet, ist traurig, aber nicht zu ändern.

    Wir können nur mit solider Arbeit, und nicht irgendwelchem Hokuspokus, versuchen, dem einen oder anderen zu helfen, wenigstens die Grundlagen einigermaßen zu verstehen. Leider gelingt auch das nicht immer.


    Solange in Deutschland "Persönlichkeiten der Öffentlichkeit" ihre katastrophalen Matheleistungen pausenlos demonstrieren, teilweise sich damit brüsten dürfen, oder Mathematik allgemein herabwürdigen, ist es schwer dagegen zu arbeiten. Das ist eine Sisyphusarbeit.


    Beispiele für "Aussetzer" gibt es genug. Eine kleine Auswahl:

    Ein Jauch, der den Unterschied zwischen den binomischen Formeln und dem Satz des Pythagoras nicht kennt (RTL 7.10.2002) und darauf stolz ist; oder eine ehemalige Sozialministerin von Niedersachsen die am 10.4.2005 in der ARD verkündet: "Welches Kind würde Mathe machen, wenn es Wahlfach wäre?" (Heute ist sie etwas ganz Großes in Brüssel).

    Ach, da gibt es ja noch eine Außenministerin mit "... die haben 75 Prozent oder sogar eine 2/3-Mehrheit". (Hervorhebung von mir).


    Ich halte es eher mit der, meiner Meinung nach, schönsten Liebeserklärung an die Mathematik. Dies ist aus Peter Høegs „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“:


    „Hinter der Mathematik stecken die Zahlen. Wenn mich jemand fragen würde, was mich richtig glücklich macht, dann würde ich antworten: die Zahlen. Schnee und Eis und Zahlen. Und weißt Du warum? Weil das Zahlensystem wie das Menschenleben ist.
    Zu Anfang hat man die natürlichen Zahlen. Das sind die ganzen und positiven. Die Zahlen des Kindes. Doch das menschliche Bewusstsein expandiert. Das Kind entdeckt die Sehnsucht, und weißt Du, was der mathematische Ausdruck für die Sehnsucht ist?
    Es sind die negativen Zahlen. Die Formalisierung des Gefühls, dass einem etwas abgeht. Und das Bewusstsein erweitert sich immer noch und wächst, das Kind entdeckt die Zwischenräume. Zwischen den Steinen, den Moosen auf den Steinen, zwischen den Menschen. Und zwischen den Zahlen. Und weißt Du, wohin das führt?

    Zu den Brüchen. Die ganzen Zahlen plus die Brüche ergeben die rationalen Zahlen. Aber das Bewusstsein macht dort nicht halt. Es will die Vernunft überschreiten. Es fügt eine so absurde Operation wie das Wurzelziehen hinzu.
    Und erhält die irrationalen Zahlen. Es ist eine Art Wahnsinn. Denn die irrationalen Zahlen sind endlos. Man kann sie nicht schreiben. Sie zwingen das Bewusstsein ins Grenzenlose hinaus. Und wenn man die irrationalen Zahlen mit den rationalen Zahlen zusammenlegt, hat man die reellen Zahlen. Es hört nicht auf. Es hört nie auf.

    Denn jetzt gleich, auf der Stelle erweitern wir die reellen Zahlen um die imaginären, um die Quadratwurzeln der negativen Zahlen. Das sind Zahlen, die wir uns nicht vorstellen können. Zahlen, die das Normalbewusstsein nicht fassen kann.
    Und wenn wir die imaginären Zahlen zu den reellen Zahlen dazurechnen, haben wir das komplexe Zahlensystem. Das erste Zahlensystem, das eine erschöpfende Darstellung der Eiskristallbildung ermöglicht.

    Es ist wie eine große, offene Landschaft. Die Horizonte. Man zieht ihnen entgegen, und sie ziehen sich immer wieder zurück.“

  • Wenn sich das angeblich durch eine Woche Flüssigkeiten umschütten heilen lässt, kann es keine gravierende Störung sein.

    Kannst du das kurz erläutern? Also die Sache mit den Flüssigkeiten?


    Mag sein, dass zu viele Kinder eine Rechenschwäche bescheinigt bekommen. Bei uns haben Kinder Schwierigkeiten, weil sie faul sind, weil sie noch nicht alleine lernen können und zuhause nicht unterstützt werden oder auch weil sie wegen der deutschen Sprache Verständnisschwierigkeiten haben. Immer wieder mal gibt es aber auch Kinder, die normal intelligent sind, normale schulische Leistungen haben, von sehr erfahrenen und sehr guten Kolleginnen unterrichtet werden, außerschulisch gefördert werden und trotzdem in der 3. Klasse nicht plus und minus bis 100 rechnen können. Bei uns sind das vielleicht 0,5% der Kinder. Vielleicht hattest du einfach noch keinen „Treffer“?

  • Dyskalkulie gibt es IMHO nicht.

    Dieser Meinung kannst du sein, aber wie @karuna schon gepostet hat, deckt sich deine Meinung nicht mit dem wissenschaftlichen Konsens.


    Tatsächlich habe ich auch schon Erwachsene mit diagnostizierter Dyskalkulie unterrichtet, die im Kindesalter nicht erkannt bzw. als „ist halt schlecht in Mathe“ zu den Akten gelegt wurde. In diesen Fällen kann ich sicher sagen, dass weder Flüssigkeitenumschütten noch Üben mittelfristig eine wesentliche Verbesserung brachten - die Betroffenen können bestimmte Formen von Informationen schlicht nicht verarbeiten, das habe ich live miterlebt. Schon vorher hatte ich an der Existenz von Dyskalkulie keine Zweifel, aber die Auswirkungen bei eigenen Lernenden mitzuerleben, das ist schon noch eine andere Qualität.

  • kodi


    Feinfein. Gibt es irgendwo lokalisierte Übersichten über anerkannte Dyskalkulie-Therapeutinnen? Gibt es eine Altersgrenze?

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

    Einmal editiert, zuletzt von O. Meier ()

  • Ach naja, es gibt auch Leute, die aufschreien, wie unmusikalisch sie sind und Dinge sagen, wie "haha, wenn ich singe, dann laufen die Leute davon", offenbar ist es ein Teil unserer Erziehung, ins Lächerliche zu ziehen, wenn man etwas nicht kann. Das heißt nicht, dass man nicht gerne einen besseren Zugang hätte. Deswegen muss man aber auch nicht traurig sein und Showmasterzitate von vor 20 Jahren aufheben, um das Wehklagen über die vermeintlich verlorenen Seelen aufrecht zu erhalten.


    Schön wäre doch, wenn Menschen es schaffen würden, zu akzeptieren, dass andere andere Interessen und Stärken haben und ihnen lieber zuhören würden, was sie können und mögen, anstatt sofort 'kann ich nicht, will ich nicht' zu rufen.


    Das ist beim Job nicht anders. Wie oft höre ich "das könnte ich nicht!" Wenn ich sage, ich arbeite an einer Förderschule. Ohne überhaupt zu wissen, was das ist oder was ich da mache ^^. Zuhören können die wenigsten Menschen. Die meisten reden lieber über sich.

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