So wohnt Deutschland...

  • Heute malwieder im Lehrerzimmer geschmunzelt, als ich als Push Nachricht auf dem Handy eine Freiburger Wohnungasanzeige mit 27,3€/m^2 gesehen hab. Weiß jetzt nicht mal, ob das warm oder kalt sein soll. :cash:

  • Und DAS ist Klassismus. Was hat der Gehaltsnachweis mit Unruhe und Zickenterror zu tun?

    Im Einzelfall wenig, in der Gesamtheit viel. Ist doch logisch, dass in sozioökonomisch schlechtergestellten Gebieten weniger gebildete Menschen leben, die weniger Strategien zur Konfliktbewältigung haben, tendenziell perspektivloser sind und statistisch gesehen zu mehr Gewalt neigen. Fängt ja schon beim Umgangston an, es gibt Eltern, die ich nicht gerne zu Gesprächen da habe, weil sie aggressiv sind. Gutverdienende Eltern können natürlich auch aggressiv sein, aber seltener und wenn, auf eine andere Weise, aber sie haben sich tendenziell im Griff und bedrohen die Lehrkräfte nicht oder schreien sie nicht an.


    Wenn meine Nachbarn sich oder die Kinder anbrüllen, klopfe ich und frage, ob sie Hilfe brauchen oder sage, dass jetzt Schluss sein muss, weil mein Kind schlafen soll. Wenn sich die Nachbarn meiner Schüler anbrüllen, dann schlafen diese nicht mehr, weil ihre Eltern selbst hilflos sind. Ich habe immer wieder mal Jugendliche, die im Unterricht regelmäßig einpennen. Manchmal zocken sie auch nur oder müssen auf Geschwister aufpassen, aber soundsooft gab es regelmäßig Krawall auf der Straße oder in der Nachbarschaft. Es ist die schiere Anzahl von Vorfällen in der Gegend und dann die Möglichkeiten der anderen, solche Probleme aufzufangen. Dazu gehören Bildung, gesundes Aufwachsen in intakten Familien usw. Das bedingt sich doch alles gegenseitig. Darüber dass der einzelne Gehaltsnachweis nichts über die Neigung zur Streitlust dieser Person aussagt, sind wir uns hoffentlich einig.


    Trotzdem finde ich die Vorstellung abartig, dass ein Vermieter Daten meines Vorgesetzten einholen darf. Und offenbar ist man dazu verpflichtet, wenn man sonst an keine Wohnung kommt. Ich weiß nicht, ob "Klassismus" das Phänomen trifft, im Grunde muss man sozial Benachteigte nicht mal bewusst benachteiligen. Es reicht, dass man den qm-Preis auf 12 Eur anhebt und Wohnungen für 5,50 kalt nicht ausreichend saniert. Dann verschärft sich das Problem immer mehr, ohne weiteres Zutun.


    Übrigens: Viele Vormieter lassen sich aktuell den Auszug in beliebten Gegenden gut bezahlen, indem sie Geld für irgendwelchen Rammel haben wollen und nur der bekommt den Zuschlag, der den Rammel zu nehmen bereit ist. Einbauküche für 6000 Eur und solche Scherze.

  • Und offenbar ist man dazu verpflichtet, wenn man sonst an keine Wohnung kommt.

    Das ist doch keine Pflicht, man muss nur mit den Konsequenzen leben.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Ganz ehrlich frage ich mich, wie die Schulleitung beurteilen kann, ob der Mensch ein angenehmer Mieter oder Mitbewohner ist. Das sind doch ganz unterschiedliche Bereiche. Zum anderen hätte ich aber auch keine Lust, dass mein Vorgesetzter sich mit meinem Vermieter uber mich unterhält. Einfach , weil das auch den gar nichts angeht.

    Ich habe auch schon im Hochhauskomplex gewohnt - 20 Stockwerke. Da gab es natürlich auch mal Probleme , aber im täglichen Zusammenleben war es eher interessant, wer die Nachbarn auf dem gleichen Flur waren.

    Mittlerweile wohnen wir im Vorort einer mittelgroßen Stadt, typische Neubauten , Einfamilienhäuser überall. Wir haben in der Nachbarstraße eine Wohngruppe des Jugendamtes untergebracht, was da manchmal los ist, ist deutlich heftiger ….

  • Wobei zumindest Bürgschaften ja auch in Deutschland nicht unüblich sind. Ohne die Bürgschaft meines Vaters hätte ich meine aktuelle Wohnung nicht bekommen. So eine Planstellenzusage ohne Arbeitsvertrag, den man vorlegen könnte oder zumindest die Urkunde der bereits erfolgten Verbeamtung ist halt schwierig für Vermieter, die sonst keine Beamt:inn:en als Mieter:innen haben. Die Besoldung konnte ich natürlich auch vorab noch nicht über die Kontoauszüge nachweisen, da war Papa - wie schon bei allen Wohnungen im Studium - Gold wert. Von Papa weiß ich auch, dass er als SL durchaus auch schonmal in der Vergangenheit solche Leumundszeugnisse gegenüber Vermietern vorgenommen hat, wenn eben junge KuK in genau der Lage waren wie ich bei Planstellenantritt (keine Zusage des Vermieters wegen fehlendem Arbeitsvertrag, Unkenntnis im Umgang mit den Besonderheiten des Beamtentums und noch keine regelmäßigen Besoldungseingänge), aber anders als ich keine Eltern hatten, die als Bürgen einspringen konnten oder wollten. Denen hat er dann eben einfach kurz bestätigt, dass Kollege X oder Kollegin Y eine unbefristete Stelle erhalten habe ab Zeitpunkt Z und bestätigt, dass es bei Beamten keine klassischen Arbeitsverträge gebe, die man vorlegen könnte, etc.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

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