Wie gut wird man durchs Studium?

  • Hallo zusammen,


    ich stelle mich & meine Situation kurz vor: ich bin Grundschullehramtsstudent mit Mathe, SU Physik und Erweiterungsfach Musik, und studiere jetzt im 4. Semester. Ich hab also pünktlich zu Corona angefangen und meine bisherige Studienzeit in diesem Studiengang (davor hab ich ein Semester etwas anderes studiert) also zu 90% alleine zuhause verbracht, kenne meine Kommilitonen bis auf einen quasi gar nicht und bin selten an der PH gewesen. Das machte und macht mir ziemlich zu schaffen, und dann fange ich manchmal an zu Zweifeln... Ich bin mir sicher, dass der Beruf das Richtige für mich ist. Aber ich habe Angst, dass meine Ausführung dessen stark beeinflusst von meinen jetzigen Entscheidungen und Lernen abhängt. Ich mache mir Sorgen, dass ich durch die Umstände weniger aus dem Studium mitnehme, schlechtere Prüfungen & Noten schreibe und allgemein ein "schlechterer" Lehrer werden würde, als ich es eigentlich werden könnte (schön umständlich formuliert :pinch:). Das beträfe ja nicht nur mich, sondern vor allem die Kinder. Ich habe mir in diesem WS schon weniger Veranstaltungen in den Stundenplan gepackt, als es der optimale Verlaufsplan vorsieht, in der Hoffnung, mich mit weniger Stress besser auf die einzelnen Fächer konzentrieren zu können. Klappt auch eher mäßig bisher. X/ Auf der anderen Seite denke ich dann, als Mann in der Prim und mit Mangelfächern werde ich eh mit Handkuss genommen, aber das ist eigentlich nicht mein Anspruch. Was sind eure Gedanken dazu? Wie viel konkrete Inhalte aus dem Studium nutzt ihr noch tagtäglich? Von anderen Berufen hört man ja oft, die Hälfte aus dem Studium sei unnötig, aber für das Lehramt kann ich das nicht wirklich einschätzen. In meinen Überlegungen ergeben sich aber auch nicht viele Alternativen: weitermachen, durchbeißen so gut es geht oder schieben schieben schieben, bis die Pandemie ein Ende hat...

    Ich freue mich auf eure Beiträge und den Austausch. Danke :)

  • So wie du schreibst, habe ich den Eindruck, du machst das schon!


    Die Inhalte des Studiums kannst du dir zu großen Teilen selbst draufschaffen. Ob du mit mehr als 40 Leuten in einer Veranstaltung sitzt, dir zuhause einen Livestream der Vorlesung ansiehst oder ein gutes Buch zum Thema liest, macht an sich keinen großen Unterschied, wenn man nicht jemand ist, dem selbständiges Arbeiten nicht liegt.


    Natürlich gibt es in manchen Bereichen auch große Nachteile: Musikgeschichte oder -theorie kannst du alleine besser lernen als Chorleitung, Orchesterleitung oder das Spielen im Ensemble.


    Wie sieht es in BW mit Praktika aus?


    In Mathe und Musik sind die Studieninhalte Welten von der Unterrichtspraxis entfernt (wobei es natürlich eine Schnittmenge gibt). Sachunterricht Physik weiß ich jetzt nicht. Mit der Fachdidaktik kann man Glück oder auch Pech haben, selbst ohne Corona. Aber bevor du fertiger Lehrer bist, kommt ja noch das Ref. Ich denke daher, dass du dein Studium mit einem guten Gefühl weiterführen und zu Ende bringen kannst.

  • Hallo und willkommen lumbricusbadensis :wink2:

    Es melden sich zur Zeit immer wieder junge Menschen mit ähnlichen Sorgen und Bedenken hier. Die Pandemie hat offenbar ein eigenes, neues Problem geschaffen, das bislang noch nicht genauer beschrieben und begriffen wurde. Ich kann dir nicht mit Erfahrung helfen, weil mein Studium schon länger her ist und anders verlief. Ich möchte dir nur sagen, dass du mit deinen Zweifeln nicht alleine bist. Für viele junge Erwachsene hat sich offenbar das Selbstbild verändert oder vielleicht zu mehr Reflexion geführt, als gut für jemanden ist, der gerade eigentlich nur ausflippen und an sich denken sollte.


    Insofern: natürlich wirst du ein genauso guter Lehrer wie jeder andere hier. Du wirst sofort eine Idee haben, wie du mit den Kindern sprechen willst und wie du ihnen etwas erklären möchtest, sobald du vor ihnen stehst. Und dann lernst du, ebenfalls wie jeder andere hier, wie du das Wissen aus dem Studium mit dem in der Praxis verknüpfen kannst. Das dauert seine Zeit und das darf es auch. Wir leben alle nur im Hier und Jetzt. Was man morgen mit dem Wissen von heute anfangen kann, erfährt man erst übermorgen. Lass dir Zeit.


    Und versuche wieder mehr mit Menschen im real life in Austausch zu kommen, das braucht man nämlich, um gesund zu bleiben.

  • Ich bin relativ frisch im Ref für Gymnasien und kann aus meiner Erfahrung berichten, dass das Elementare aus dem Studium der Umgang mit neuen Themenbereichen ist und die Aneignung von Wissen. Dass man vor einem neuen Themenblock steht und überhaupt eine Ahnung hat, wie man sich dazu selbst informieren kann, wie man Quellen finden kann die vertrauenswürdig sind und erreichbar und davon ausgehend selbst ein Verständnis für den Gegenstand entwickelt. Also eigentlich das, was man gerade in Hausarbeiten immer wieder anwendet.


    Von den Praktika bzw. Praxissemester aus dem Studium habe ich mehr angewendet als aus dem restlichen Studium, ich weiß nicht, ob das mit Corona eingespart wird... das wäre schade. Aber letztendlich ist Schule ein Ort wo ich mich als Berufsanfänger ausprobiere und Erfahrungen sammel, da bereitet das Studium wenig drauf vor. Was aber hilfreich für mich ist ist das Gefühl (bzw. die Bestätigung), dass man mit dem Masterabschluss einerseits etwas erreicht hat und andererseits auch nachgewiesen hat, dass man etwas von seinen Fächern versteht, denn das zweifelte ich direkt zu Anfang des Refs an. Der plötzliche Wechsel von "einigermaßen gut eingespielter Student der genau weiß, wie viel Arbeit und Planung man fürs Studium braucht" zum absoluten Anfänger der bei 0 beginnt war hart und da hilft es eben zu wissen, dass man eigentlich bereits eine fachliche Basis hat. Auf die man aber auch immer aufbauen kann und muss, denn die Schulthemen kamen natürlich nicht an der Uni vor :)


    Ich schließe mich aber auch wieder_da an, so wie sich das bei dir liest bist du jemand, der sich darüber eigentlich keine Gedanken machen müsste :) Praxiserfahrung macht später einen großen Teil aus, und die kommt eben erst in der Praxis. Wenn du bis dahin die Basics von Selbstorganisation und Themen aufbereiten bereits mitbringst hast du es am Anfang leichter~

  • Ja, ich denke auch, mit den Sorgen bist du definitiv nicht alleine, ich kenne viele, denen es ähnlich geht. Gerade auch dieser ständige Wechsel zwischen Präsenz, hybrid und rein Online, teilweise ja wirklich mit nur einer Woche oder weniger Vorlauf, ist ja auch wirklich anstrengend.

    Was Druck mit Klausuren und Prüfungen angeht, ich denke, das geht (ich kann jetzt nur für Mathe und SU sprechen), Onlineklausuren sind nervig, klar, und man muss sie anders angehen als andere Klausuren, aber auch da gibt es ja Mittel und Wege. Nur vom Lernen rein aus Büchern würde ich abraten, damit fällt man in Klausuren auf die Nase, weil die Dozenten dann oft sehr konkret Fragen zu ihrer Vorlesung stellen, die sehr eng am Skript/ Foliensatz sind (zur Ergänzung / Auffrischung ist das aber natürlich schon sinnvoll). Kannst du vielleicht übers Netz mit anderen Studis aus deinen Fächern Kontakt aufnehmen (z.B. bei Zoom einfach mal in den Chat fragen, ob jemand zusammen lernen will, und dann deine Handynummer oä posten, oder wenn ihr ein Moodle-Forum zu einer Veranstaltung habt, dort nach einer Lerngruppe fragen)? Ich bin mir sicher, es geht ziemlich vielen ähnlich, die dankbar sind, wenn jemand mal die Hand vorsichtig ausstreckt und fragt. Zusammen geht es meistens deutlich leichter, sowohl, was das Verstehen der Inhalte angeht, die konkrete Vorbereitung auf die Prüfungen, aber auch generell kann man darüber ganz gut Kontakte knüpfen und sich gegenseitig ein wenig durch den Winter-Prüfungsphasen-Blues helfen.

    Ansonsten würde ich auch schauen, was Praktika angeht - Hattest du schon welche bzw. wann stehen für dich welche an? Ich finde, in der Praxis merkt man recht schnell, was einem liegt, und was manche Uni-Inhalte mit Schule zu tun haben - oder eben auch nicht (gerade in Mathe ist im fachlichen Teil vieles, was jetzt nicht Zahlentheorie ist, eher weniger relevant, höchstens die zugrundeliegenden Denkweisen). Nützlich finde ich (gut, so viele Praktika hatte ich jetzt auch noch nicht) vieles, wo Didaktik oder Methodik draufsteht, Lernpsychologie, Diagnostiksachen, also generell das, wo man sich tatsächlich mit der Schnittmenge Fachwissenschaft - kindliches Lernen beschäftigt. Persönlich hatte ich das gerade in SU recht viel, aber ich schätze, das hängt auch von der Uni ab. Gerade die ersten Semester sind ja oft eher Fachwissenschaft (zumindest bei uns), vielleicht wird es auch besser, wenn es dann in den späteren Semestern konkreter auf die Schule und das Unterrichten abgestimmt wird. Und es heißt ja auch oft, dass in den meisten Studiengängen die ersten Semester mit den Grundlagen am schwierigsten sind, und wenn man die erst einmal geschafft hat, dass es dann leichter und netter wird - zumindest zu meiner Erfahrung passt es ;)

    Das schaffst du schon. Jetzt im Januar ist ja immer eine schwierige Zeit, es ist draußen grau und dunkel, an der Uni rücken die ganzen Prüfungen näher, und gerade mit Corona ist es ja noch einmal deprimierender, weil man weniger Anlässe hat, rauszugehen, und viel zu viel Fatalismus im Internet sieht, weil man ja nicht unendlich viel Zeit mit nützlichen Dingen verbringen kann. Das wird aber auch wieder besser, wenn die Prüfungen erst einmal durch sind und der Frühling kommt, zumindest war das bei mir bislang jedes Sommersemester wieder so :) Nicht aufgeben, das wird schon!

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