Unsicherheiten bei der Berufswahl im Masterstudium

  • Hallo zusammen und frohe Weihnachten,


    ich hatte bis jetzt nur in diesem Forum ohne Account mitgelesen und habe mich nun entschlossen, einen Account zu erstellen, um diese Frage zu posten.


    Nachdem ich mir bis zum Einstieg in den Master relativ sicher war, Lehrer werden zu wollen, kommen mir nun beim tiefen Einstieg in die Fachdidaktik (und damit in die Aufklärung, was Lehrer sein eigentlich konkret für Pflichten mit sich zieht) Zweifel an meiner Berufswahl.

    Dies liegt aber weniger an dem eigentlichen Unterricht (der liegt mir, ich arbeite auch bereits als Tutor an der Uni und kann trotz anderer Rahmenbedingungen an BBS grob einschätzen, dass mir das liegt), sondern den Rahmenbedingungen.


    Zunächst einige Infos zu mir:

    Ich bin sehr jung (18 Jahre) in das Lehramtsstudium an BBS eingestiegen, ohne jegliche Erfahrung an BBS (Abitur am Gymnasium; Dann Lehramtsstudium von Wirtschaft/Deutsch für BBS, da Wirtschaft mein Lieblingsfach in der Schule war). Da ich in diesem jungen Alter allerdings auch keine abgeschlossene Berufsausbildung hatte, habe ich die notwendigen fachpraktischen Kenntnisse im Rahmen von Praktika bereits relativ weit erarbeitet. Vor kurzem hatte ich dabei beim Übergang von Bachelor zu Master ein 9-monatiges Praktikum im Büro absolviert und dort hat mir rückwirkend insbesondere gefallen, nach dem Verlassen des Büros "frei" zu sein. Dies ist ja aber in einer Schule, wo man 26,5h pro Woche an Unterricht erteilen soll, mitnichten der Fall. Nun kommen mir aber erhebliche Zweifel, ob ich mich in diesem System des "ständig Arbeit Haben, aber diese nicht sofort machen müssen, weil kontrolliert ja eh keiner" (quasi ständiges Home-Office, das mir im Praktikum auch nicht lag), wiederfinden kann. Auch lese ich oft von einem immensen Workload von LuL im Bereich von 50-60h pro Woche, welcher mich in Kombination mit dem ersten Punkt schon erheblich zum Zweifeln gebracht hat. Insbesondere habe ich mit WiWi und Deutsch je nach Bildungsgang auch einiges an Korrekturen (bei der Fächerwahl früher nicht bedacht :angst:).


    Da ich aber nun immer noch relativ jung (Anfang 22) bin und mir noch alle Wege offenstehen würden, von daher meine Fragen an euch (mir ist schon bewusst, dass ich das für mich selbst klären müsste, aber das bedeutet 3,5 Jahre weiter das Ziel verfolgen, Lehrkraft zu werden, um dann am Ende doch zu merken, dass es nichts ist...):


    1) Wie geht ihr damit um, eure freien Stunden für Vor- und Nachbereitung mehr oder weniger permanent im Home-Office zu verbringen? Habt ihr Probleme damit Arbeit und Freizeit voneinander zu trennen? Mir fällt dies sehr schwer, da ich mich nicht davon loslösen kann, unerledigte Arbeit auf dem Schreibtisch zu haben (aktuell meine eigenen Prüfungen).

    2) Ist es eurer Meinung nach notwendig für den Lehrerberuf, ganz klar zwischen Arbeit und Freizeit trennen zu können? Daran müsste ich dann nämlich dringend arbeiten, fällt mir bei Prüfungen fürs Studium schon schwer.

    3) Wie empfindet ihr die Arbeitsbelastung? Hier eventuell auch gerne in Relation zu der meiner Meinung nach doch schon angemessenen Besoldung.


    Viele Grüße und danke für eure Antworten.

  • 1. Fällt mir auch schwer, wird aber nach und nach besser (bin inkl. Ref im 4.Dienstjahr). Das ist meines Erachtens (2.) auch dringend erforderlich, um eine gesunde Work-Life-Balance zu haben. Wenn ich frei habe muss ich Schule und unerledigte Aufgaben auf dem Schreibtisch auch einfach mal ausklammern können, um eben wirklich frei haben zu können. Ich setze mir insofern inzwischen zeitliche Grenzen, wann ich nicht mehr korrigiere/vorbereiten, was an Konferenztagen an Vorbereitung reichen muss oder auch, wann ich am WE nichts für die Schule mache oder in den Ferien. Das klappt immer besser und hilft mir umgekehrt, meine Planung effizienter gestalten zu lernen. Ich empfinde das als äußerst wichtige Entlastung. Es lohnt sich also, daran zu arbeiten, ist aber auch möglich und in Ordnung, das erst nach dem Studium zu lernen.

    3.Den Aspekt der Besoldung wird dir jede_r hier etwas anders beantworten. Manche empfinden diese als Frechheit und viel zu gering selbst bei A13z und den Beförderungsstellen an Schulen mit Sek. II-Angebot, andere würden sich zumindest eine Angleichung von Primarbereich und Sek. I an A13 wünschen oder als Angestellte, dass der Dienstherr den Arbeitgeberanteil zur KV trägt, usw.

    Ich empfinde die Arbeitsbelastung als phasenweise sehr hoch, aber eben nicht durchgehend, merke auch da, wie es leichter wird mit mehr Erfahrung und weiß, dass ich vor dem Ref in meinem ersten Berufsleben genau so hart gearbeitet habe für mein Geld, aber dennoch lediglich knapp über dem Existenzminimum zur Verfügung hatte, während ich jetzt auch in Teilzeit finanziell gut dastehe und einen anderen Lebensstil pflegen kann. Ich weiß auch, dass ich mir weniger Sorgen machen muss wegen Altersarmut als früher (wer das kommentieren möchte bedenke bitte, dass ich erst Ende 30 in den Schuldienst gegangen bin, gesundheitlich bedingt in TZ tätig bin und über A13 nicht hinauskomme, ergo erhebliche Lücken bei den Dienstzeit für die Pensionsberechnung haben werde-was ich mal zu erwarten habe weiß ich sehr genau und auch, welche Lücke ich insofern in den nächsten Jahren noch zusätzlich absichern muss) . Mich motiviert das, um mich durchzubeißen und einen gesunden Weg zu finden im Beruf.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    • Offizieller Beitrag

    1. ehrlich: ich bin miserabel. Liegt aber nicht nur am Lehrerberuf, ich bin grundsätzlich miserabel darin, auch in anderen beruflichen Situationen.


    2. eigentlich ist es notwendig, ich sehe mich durchaus regelmässig in den Burnout zusteuern, aber es liegt NICHT an der Schule.

    Wenn man es will (& kann), kann man auch den Schuljob in einen ‚Bürojob‘ umwandeln. Allerdings: und das ist die größte Hürde: mit Höhen und Tiefen in der Belastung. Ich hatte Phasen, da bin ich bis 17-18uhr in der Schule geblieben und habe dort korrigiert. Dann wiederum aber auch genossen, in Freistunden / nach dem Unterricht komplett was Anderes (einkaufen, Sport, Freizeit…) zu machen und dann abends zu arbeiten.

    Welcher Typ du bist, findest du raus (und musst es ggf deinem Kontext anpassen, wenn Kinder da sind, wird es anders, wenn ein Partner einen bestimmten Rhythmus hat, auch, usw…)


    3. die Arbeitsbelastung ist jahresbezogen sicher okay. Der November und Dezember sind der Horror… ich _könnte_ als Lehrkraft 6 Wochen im Sommer frei haben (ich nicht, aber viele KuK schaffen es), je nachdem wie schnell du einen Grundstock an Sachen hast, sind die ersten Jahre schwerer, ist ‚klar‘ aber im Vergleich zu meinem aktuellen (Büro)Job hatte ich vorher (mit nur Korrekturfächern) weniger Arbeit. Unterschied allerdings: jetzt dürfte ich sagen: 41 Stunden, Schluss. Bzw. Überstunden abfeiern. (Was man als LK aber auch in den kleinen Ferien, in September, in April oder so macht… je nach Korrektur- und Konferenzwellen).

    Aber: mental war die Schule härter. Ich arbeite definitiv mehr als meine 41 Stunden im Home Office (wie gesagt Büro), und gebe lieber nicht öffentlich zu, wie viele (wenig) Urlaubstage ich in den letzten 17 Monate genommen habe. In Schulzeiten bin ich, wenn die Ferien kommen, deutlich ferienreif (und geniesse, dass ich zwar korrigieren und vorbereiten ‚darf‘ aber eben nicht zur Schule muss.

    Die Belastung in der Schule ist (jenseits von Corona) halt eine andere. Kein Arbeitsplatz, ständig wechselnde Aufgaben, jede*r und niemand ist für alles zuständig und verantwortlich. Alle tragen alle mit..

    Ach so: in Relation zur Besoldung: grandios. Ob dieses A13 mich allerdings bis zur Pension / Rente über einige Stressfaktoren und Mangeln tragen wird, wird sich zeigen und das bewertet jede*r anders.



    Anders gefragt: gibt es etwas, was du dir konkret gut vorstellen könntest? Es gibt auch in Betrieben Jobs, in denen sich Lehre verknüpfen lässt (ob es ohne eigene Ausbildung nicht schwieriger wird, gute Frage)

    1. Manchmal ist die Trennung schwierig und man muss konsequent darauf achten. Das Ganze ist aber auch ein Vorteil, weil du einen Teil deiner Arbeit selbst legen kannst.
    2. Es ist auf Dauer auf jeden Fall gesünder klar zwischen Arbeit und Freizeit zu trennen.
    3. Die Arbeitsbelastung schwankt stark. Es gibt regelmäßig Phasen mit extremen Belastungsspitzen und andere Zeiten im Jahr, da ist es relativ entspannt. Die Besoldung kannst du nur selbst beurteilen. Ob sie für dich viel ist, angemessen ist oder unter dem sonst erreichbaren liegt, hängt von deiner Fachrichtung und deinen persönlichen Berufsalternativen ab. Rein statistisch gehörst du zu den oberen 20% (Grund-, Haut-, Realschule) bzw. oberen 10% (Gym, Berufskolleg) der abhängigen Lohnempfängern.


    Vor kurzem hatte ich dabei beim Übergang von Bachelor zu Master ein 9-monatiges Praktikum im Büro absolviert und dort hat mir rückwirkend insbesondere gefallen, nach dem Verlassen des Büros "frei" zu sein. Dies ist ja aber in einer Schule, wo man 26,5h pro Woche an Unterricht erteilen soll, mitnichten der Fall. Nun kommen mir aber erhebliche Zweifel, ob ich mich in diesem System des "ständig Arbeit Haben

    Der entscheidende Unterschied zu einem Bürojob ist nicht, dass du einen Teil der Arbeit zu Hause erledigen kannst und so quasi eine private Gleitzeit realisierst, sondern dass du während deiner Unterrichtszeit permanent präsent sein musst.

    Mal langsam arbeiten, Pause wann man Lust hat, kurz mit den Kollegen quatschen, etc. geht alles nicht. Es gab vor Jahren eine Untersuchung, dass das Level an Stresshormonen eines Lehrers während des Unterrichts vergleichbar mit Piloten in der Start/Landephase ist.

    Das kann man auch nur sehr eingeschränkt ändern.

    Einmal editiert, zuletzt von kodi () aus folgendem Grund: Rechtschreibkorrektur

    • Offizieller Beitrag

    Die kurze Geschichte eines Lehrerlebens:

    Dereinst (2005) war ich ein junger aufstrebender Studienrat zur Anstellung. Ich wollte meine Probezeit natürlich gut bestehen und habe rangeklotzt.

    Danach war ich ein Beamter auf Lebenszeit. Ich wollte gerne befördert werden und habe rangeklotzt.

    Dann wurde ich nach fünf Jahren im Schuldienst befördert.

    Danach war ich also Oberstudienrat und wollte gerne stellv. Schulleiter oder Oberstufenkoordinator werden und habe rangeklotzt.

    Irgendwo im dritten oder vierten Jahr an meiner Schule wurde ich chronisch krank. Stressbedingt. Irreversibel.

    Irgendwann hatte ich dann kapiert, dass es so nicht weitergehen kann und darf. Das war 2018.

    Dann kam der Wechsel in die Behörde. Das war meine Rettung.

    Dann wurde ich zum Studiendirektor befördert.

    Dazwischen habe ich immer wieder überlegt, wie es weitergehen kann.


    Ich habe durch meine mittlerweile über dreijährige Arbeit in der Behörde nach 14 Jahren Vollzeit im aktiven Schuldienst den direkten Vergleich erfahren dürfen.
    Die Arbeit in der Behörde bzw. im Büro ist sehr geregelt, bis auf wenige Ausnahmen relativ stressfrei und vor allem hinsichtlich der Arbeitszeit mehr als fair. Wenn ich an einem Tag Überstunden mache, kann ich sie am nächsten Tag oder irgendwann später dank Gleitzeitkonto "abfeiern". Es gibt eine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit, selbst im Homeoffice. Und das funktioniert tatsächlich bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmen. Laptop zu - Arbeit ausgeblendet.
    Da ich in absehbarer Zeit wieder in den aktiven Schuldienst zurückkehren werde, ist für mich klar, dass die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit schlichtweg auch im Schuldienst funktionieren muss. MUSS. Ansonsten werde ich die 20 Jahre, die ich noch vor mir habe - nebenbei noch mehr als die Hälfte meiner gesamten Dienstzeit - nicht schaffen.


    Wie kann das gehen? Oder eher: Wie muss das gehen?

    a) Ich werde soviel Arbeit wie möglich IN der Schule erledigen. (Wahrscheinlich teile ich mir als künftiger Funktionsstelleninhaber ein Büro mit einem Kollegen, so dass ich da eine Rückzugsmöglichkeit habe.) Somit arbeite ich also wie in der Behörde bis 16 oder 17 Uhr IN der Schule. Sobald die Arbeit mit nach Hause kommt, erdrückt sie einen. Sie ist immer sichtbar, sie ist immer da.


    b) Ich nehme an diesen langen Tagen konsequent nichts mit nach Hause. Unterrichtsvorbereitung und Kopieren würde ich dann am selben Tag machen, so dass ich am nächsten Tag nicht mehr in der Schlage am Kopierer stehen muss.


    c) Ich organisiere mir wenigstens zwei kurze Tage, an denen ich früher zu Hause bin und auch aktiv für die Familie da sein kann.


    d) Ich versuche dort, wo es effizient und sinnvoll ist, meine Arbeit weitgehend zu digitalisieren.


    e) Ich verabschiede mich von dem Streben, alles immer sofort zu 100% zu erledigen und priorisiere meine Aufgaben.


    f) Ich schreie nicht bei jeder Zusatzaufgabe "hier", sondern sage auch mal "nein" bzw. lasse Aufgaben, die mich interessieren würden, ganz bewusst andere KollegInnen machen.


    g) Ich erinnere mich täglich daran, dass ich - wie übrigens JEDE/R andere auch - durchaus ersetzbar bin und dass meine künftige Schule auch problemlos ein paar Tage ohne mich auskommen wird, wenn ich mal krank bin.


    h) Ich setze meine Frau und meine drei Kinder an erste Stelle - sprich: Ich werde auf absehbare Zeit nicht stellv. Schulleiter oder Schulleiter werden. Ich bin mit meiner Frau verheiratet und nicht mit der Schule.

  • Danke für die ganzen Rückmeldungen!

    Ich denke dann einmal darüber nach, wie ich das am besten anstelle!

    Demnächst steht ein längeres Praktikum an, wo ich mal probiere die KuK "auszuhorchen"


    Alternativen, wo ich auch lehren kann, fallen mir spontan zumindest keine ein.

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