Krankenakte und falsche Diagnosen

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    im nächsten Jahr ist es soweit. Meine amtsärztliche Untersuchung steht an. Allerdings macht mir - wie so vielen - die gesundheitliche Eignung Sorgen. Meine Krankenakte ist nämlich voller Falschdiagnosen. Dazu kommt, dass ich von Haus aus schon kleinere Wehwechen sowie eine abgeschlossene Psychotherapie mitbringe, sodass ich mich gerade nach der richtigen Strategie für den Umgang damit frage. Es wird wohl sowieso nicht einfach, den Amtsarzt zu überzeugen.


    Ich habe eine Verhaltenstherapie im Jahr 2015 gemacht. Diese war aufgrund einer diagnostizierten Anpassungsstörung angeraten. Zudem habe ich eine Krampfader entfernen lassen und befinde mich in einer Therapie zur Desensibilisierung gegen Pollen. Das möchte ich alles wahrheitsgemäß angeben und habe auch ein durchweg positives Gutachten meiner Therapeutin ausgestellt bekommen.


    Nun aber zu meiner Schwierigkeit. Im Jahr 2017 bin ich wegen eines diffusen Unwohlseins und Schlafproblemen bei einigen Ärzten gewesen, die allesamt nicht die Pollenallergie erkannt haben, die Grund meiner schlaflosen Nächte war. Deshalb habe ich so allerlei Diagnosen in der Akte stehen, die nicht als Verdachtsdiagnosen gekennzeichnet sind (Chronisches Erschöpfungssyndrom, erneut Anpassungsstörung). Ein Arzt verschrieb mir einmalig ein Antidepressivum, das ich zwar abholte, allerdings nicht einnahm. Er war nämlich überzeugt, meine Schlafprobleme seien psychisch bedingt, da er keine organischen Ursachen fand. Ich ging zu der Zeit zwar durch eine schwierige Phase wegen einer Trennung. Aber der eigentliche Grund meiner schlaflosen Nächste war ja meine Allergie. Die Probleme hörten mit der Behandlung dieser auf.


    Jetzt frage ich mich, wie ich mit diesen Diagnosen aus 2017 umgehen soll. Ich wurde zu dieser Zeit nicht therapeutisch behandelt. Leider Gottes sieht es in der Krankenakte nun danach aus, als hätte ich nach einer vermeintlich erfolgreichen Therapie in 2015 einen Rückfall erlitten.

    Ich bin schockiert davon, dass Ärzte einfach Diagnosen festschreiben und einen damit brandmarken, ohne diese mit dem/der Patientin zu teilen. Auf der einen Seite bewegt mich dieser Umstand dazu, zu erwägen, diese Diagnosen während der Untersuchung gar nicht zu erwähnen, da sie sich im Nachhinein als falsch erwiesen haben und keiner meine Allergie erkannt hat. Auf der anderen Seite beschäftigt mich natürlich auch die Frage, ob ich hier unethisch handele . Was würdet ihr mir raten aufbauend auf euren Erfahrungen? Ich versuche schon die betroffenen Ärzte zu kontaktieren, um um eine Richtigstellung zu bitten. Aber das gestaltet sich nicht so einfach..


    Vielen herzlichen Dank vorab!

  • Dazu gibt's schon x Threads, geh bitte mal auf die Suche. Kurz: Von dir gemachte Angaben müssen wahr sein/ Diagnosen anfechten mehr oder weniger unmöglich/ und die Frage, woher du das überhaupt alles weißt. Sich die Daten zukommen lassen, wenn man vor dem Wechsel ins Beamtenverhältnis und die PVK steht, ist leider ungünstig.

  • Sich die Daten zukommen lassen, wenn man vor dem Wechsel ins Beamtenverhältnis und die PVK steht, ist leider ungünstig.

    Warum ist das ungünstig? Man wird sich ohnehin nicht darauf berufen können, davon nichts gewusst zu haben, insofern ist zur Vermeidung von Falschangaben - auch gegenüber der PKV bei Abschluss - durchaus angezeigt, sich diese Daten noch einmal anzuschauen.


    Wie ich in einigen Threads bereits schrieb, hat sich die Rechtslage bei der Prognose der gesundheitlichen Eignung vor einigen Jahren drastisch zugunsten der einzustellenden Beamten geändert, insofern muss man da bei weitem nicht die Panik haben wie zuvor. Es ist wahrscheinlich sinnvoll, bei der amtsärztlichen Untersuchung die vielen erwähnten Diagnosen in den Zusammenhang der noch nicht erkannten Pollenallergie zu stellen. Eine solche Allergie dürfte genauso wenig wie - inzwischen - die erfolgreich abgeschlossene Psychotherapie zur Versagung der gesundheitlichen Eignung führen.

  • Bei der PKV muss man alle bekannten Diagnosen angeben. Wer seine Akte anfordert, hat Kenntnis von allen Diagnosen. Wer sich lediglich auf seine Erinnerung beruft, hat keinen Interessenkonflikt.

  • Vielen Dank euch beiden für die Antworten! Die Suchfunktion habe ich schon bedient.


    Meine spezifische Frage bezieht sich auf meinen Konflikt, ob es lohnt, die Diagnosen vorsorglich anzufechten bzw. durch Stellungnahmen der Ärzte richtig zu stellen. Abrechnungsbetrug findet ja tagtäglich statt (ist mir auch an anderer Stelle aufgefallen, das Problem sind Fallpauschalen bei der GKV, die dafür leider einen großen Anreiz bieten). Dementsprechend finde ich es schwierig, diese Diagnosen einfach stehen zu lassen. Ärzte sind ja nun wirklich keine Götter in weiß (;-)), sondern Menschen, die nicht heiliger sind als wir und Fehler machen.


    Bezüglich der PKV mache ich mir keine Sorgen, da ja nur rückwirkend für einen bestimmten Zeitraum Angaben gemacht werden müssen. Das sollte alles klappen - im Zweifel über die Öffnungsaktion.

  • Bei der PKV muss man alle bekannten Diagnosen angeben. Wer seine Akte anfordert, hat Kenntnis von allen Diagnosen. Wer sich lediglich auf seine Erinnerung beruft, hat keinen Interessenkonflikt.


    oh je. Formal vielleicht einleuchtend, aber wenn der Versicherer davon Wind bekommt, kann er den Vertrag rückwirkend kündigen oder den Vertrag zum sehr großen Nachteil des Versicherten anpassen (und bestimmte Organe oder Erkankungen von der Versicherung ausschließen). Da müsste man erstmal widersprechen und seine Gedächtnislücken beweisen. Man ist u.U. in einen jahrelangen Rechtsstreit verwickelt. Versicherungen sind einem nie wohlgesonnen. Das wäre mir alles zu heikel. Immerhin ist man als Beamter ein Leben lang an diese PKV gebunden. Wer weiß, an welche Daten die in Zukunft so kommen. Die Arztbesuche und Diagnosen nicht anzugeben ist schon ein Risiko.


    @DaysgoBy du machst das gerade schon richtig: kontaktiere deine Ärzte und verlange eine Richtigstellung deiner Diagnosen in deren Praxisdaten. Was aber noch wichtiger ist, ist die Patientenakte bei deiner gesetzlichen Verishcuerng. Fordere diese an und verlange dann eine Richtigstellung oder Löschung. Das ist alles recht langwierig und wird nicht mal eben so "zwischen den Jahren" machbar sein. Ich hoffe, dein Ref beginnt nicht schon im Januar. Falls ja: man kann sich auch noch recht lange rückwirkend versichern - nur sollte in dieser Zeit des rückwirkend abgeschlossenen Verishcerungsschutzes natürlich keine hohe Rechnung ins HAus flattern.


    Dem Amtsarzt gegenüber musst du alles der letzten 5 Jahre angeben. Auf dem Anamnesebogen würde ich an deiner Stelle bei "Diagnosen" dann nur die letztendlich bestätigte angeben. Bei Behandlungen und besuchten Ärzten wirst du alle angeben müssen. Dann würde ich das mündlich erklären. Hab für alle Fälle die Adresse des Arztes parat, der dir das bestätigen kann (also dass eine Pollenalergie Schlafstörungen verursachen kann und dass du an einer Pollenallergie leidest und diese mit der Hyposensibilisierung erfolgreich behandelt wird).

    Wie bereits geschrieben wurde, wird weder eine Pollenallergie noch die Einnahme von Psychopharmaka 2017 (also bei Verbeamtung auf Probe frühestens 2023), eine Krampfader oder eine noch länger zurückliegende Therapie eine Rolle spielen.


    Nur würde ich dem Amtsarzt und Versicherungen gegenüber mit offenen Karten spielen.


    So weit die Tipps von jemandem, der es gewohnt ist, sich mit seiner PKV zu streiten und so etwas wie ein wenig Insiderwissen in der Versicherungsbranche hat.

  • .... aber wenn der Versicherer davon Wind bekommt,...

    Wovon denn? Normalerweise weiß man nicht, was einem die Ärzte alles diagnostizieren. Die Allergie und die Therapie gibt man an, alles andere ist für einen selbst ja wirklich nicht existent, weil man die abgerechneten Krankheiten nicht hat.

  • @karuna

    Es kann leider vom Versicherten erwartet werden, dass er sich bei seiner GKV nach seiner Patientenakte erkundigt.


    Ich habe kein Gerichtsurteil o.ä. parat, aber das ist in der Branche so bekannt.

  • Bezüglich der PKV mache ich mir keine Sorgen, da ja nur rückwirkend für einen bestimmten Zeitraum Angaben gemacht werden müssen.

    Das stimmt so nicht.


    Qie @karuna schrieb, hier gab es vor kurzem einen Thread dazu.

  • Das stimmt so nicht.


    Qie @karuna schrieb, hier gab es vor kurzem einen Thread dazu.

    Hi Kiggie,

    kannst du das aufklären? Wie gesagt habe ich die Suchfunktion benutzt. Ich habe auch selbst eine Recherche zu den Antragsbögen verschiedener Versicherungen gemacht und habe diese Info bestätigt bekommen. Im Zweifelsfall nutze ich wie gesagt die Öffnungsaktion mit maximal 30-prozentigem Aufschlag.


    Update: hab den Thread jetzt gesehen, danke!

  • Bei der PKV muss man alle bekannten Diagnosen angeben. Wer seine Akte anfordert, hat Kenntnis von allen Diagnosen. Wer sich lediglich auf seine Erinnerung beruft, hat keinen Interessenkonflikt.

    Das ist eine steile These und falsch. Zum Einen wird man sich nicht glaubhaft darauf zurückziehen können, von Diagnosen nichts gewusst zu haben, zum Anderen ist i.d.R. auch anzugeben, ob Beratungen oder Untersuchungen stattgefunden haben und ob Heilbehandlungen angeraten sind. Wer hier mit dem Feuer spielt, muss damit rechnen, dass die PKV später Leistungen ausschließt oder vom Versicherungsvertrag zurücktritt. Dafür bedarf es nicht einmal des Vorsatzes der Täuschung. Ähnliches gilt bei der amtsärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Eignung.


    PS: Ich präzisiere mal noch etwas, bevor sich das im Kreis dreht. §19 VVG spricht zwar nur von "bekannten Gefahrumständen", im Zweifelsfall wird man aber erhebliche Beweisschwierigkeiten haben, von bestehenden Diagnosen und Behandlungen keine Kenntnis zu haben, obwohl man genau bei diesem Arzt war. Das Risiko, hier im Nachgang den Versicherungsschutz zu verlieren oder aus dem Beamtenverhältnis entlassen zu werden, muss man nun wirklich nicht eingehen. Die Strategie "Ich schaue lieber nicht in meine Akten, dann kann ich so tun, als wüsste ich von nichts" wird in vielen Fällen nach hinten losgehen.


    PPS: Der Versicherer hätte übrigens auch bei unwissentlichen Falschangaben ein Sonderkündigungsrecht.

  • Frage deine Kollegen, ich wette, kein einziger hat seine GKV-Akte angefordert, um ja nix falsch zu machen. Das entspricht nicht der Realität und ich wette ebenso, dass es kein Gerichtsverfahren gab, indem wie von dir erläutert verurteilt wurde.


    Viel erstaunlicher ist es, dass aller viertel Jahr eine ähnlich klingende Anfrage kommt und wie im anderen Thread bestätigt, dass in vielen Arztpraxen genauso abgerechnet wird: Schnupfen -> Nasennebenhöhlenentzündung/ schlecht geschlafen -> leichte depressive Episode/ Aua Hier und Dort-> Verdacht auf Rheuma


    Über den Wetteinsatz bin ich mir nur noch nicht im Klaren :pirat:


    Edit: das war ein Witz, mit der Wette. Nur falls es jemand falsch verstanden haben sollte. Im Zweifel macht eine Rechtsberatung immer Sinn.

    Einmal editiert, zuletzt von karuna ()

  • Frage deine Kollegen, ich wette, kein einziger hat seine GKV-Akte angefordert, um ja nix falsch zu machen. Das entspricht nicht der Realität und ich wette ebenso, dass es kein Gerichtsverfahren gab, indem wie von dir erläutert verurteilt wurde

    Lehrer ist nun mal ein knallharter Job, bei dem man immer mit einem Bein im Knast steht. Dass man nie Kollegen kennenlernt, denen all die gängigen Horrorgeschichten wirklich passiert sind, liegt daran, dass diese Kollegen natürlich nicht mehr da sind - sie sitzen ja im Knast! Was übrigens auch der wahre Grund ist für den Lehrkräftemangel. Denk mal drüber nach...

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

    • Offizieller Beitrag

    Frage deine Kollegen, ich wette, kein einziger hat seine GKV-Akte angefordert, um ja nix falsch zu machen. Das entspricht nicht der Realität und ich wette ebenso, dass es kein Gerichtsverfahren gab, indem wie von dir erläutert verurteilt wurde.

    Wette verloren.
    Ich hab's gemacht.
    Spoiler: ich würde es jederzeit wieder machen, aber ja, es war keine große Freude. Ich habe es allerdings (unbewusst aus gutem Grund?) erst für die PKV und nicht für den Amtsarzt gemacht. War damals keine Absicht, hat sich nur ergeben.

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